8.
4Seite
THIS IS A MOD WORLD
Dabei wird folgende Fragestellung im Mittelpunkt der Untersuchung stehen:
Welche Auswirkungen hat die Bewertung des Mod‐Supports, unter
Berücksichtigung weiterer individueller Einstellungs‐, Erfahrungs‐ &
Verhaltensmerkmale, auf die Kundenbindung innerhalb der (Online‐)Fan‐
Community?
Die üblicherweise an repräsentative Stichproben angelegten hohen Ansprüche würden
den Rahmen dieser Bachelorarbeit bei weitem sprengen. Deshalb sind, sowohl bei der
Aufstellung der Hypothesen als auch bei deren Prüfung und Interpretation, keine
Resultate zu erwarten, die sich auf alle Kunden von Paradox Interactive oder sogar auf
Spieler im Allgemeinen übertragen ließen.
Das Ziel besteht vielmehr darin, die Beziehung zwischen der „Bewertung des Mod‐
Supports“ einerseits und der „Kundenbindung“ andererseits zu untersuchen und den
moderierenden Einfluss individueller Einstellungs‐, Erfahrungs‐ und
Verhaltensmerkmale auf diesen Zusammenhang und auf die „Bewertung des Mod‐
Supports“ zu prüfen4
.
Um die Forschungsfrage umfassend zu erarbeiten, werden zunächst die theoretischen
Grundlagen der Kundenbindung und des Moddings betrachtet. Nach einer kurzen
Darstellung des Forschungsdesiderats wird auf Basis des Forschungsstands ein
Strukturmodell entworfen und durch Hypothesen erschlossen. Anhand dieser sind
dann die Messmodelle zu konstruieren, welche mittels einer quantitativen Befragung
anschließend innerhalb der Community erhoben werden.
Die deskriptive Auswertung der Daten bildet dabei den ersten Schritt der
Datenaufbereitung, gefolgt von der Prüfung der Gütekriterien. Abschließend werden
die aufgestellten Hypothesen geprüft und angenommen bzw. abgelehnt.
Der letzte Teil der Arbeit umfasst die Diskussion und Interpretation der Ergebnisse, eine
kritische Reflektion der Vorgehensweise, weiterführende Forschungsansätze sowie die
konkreten Implikationen für das Untersuchungsobjekt, Europa Universalis IV bzw.
Paradox Interactive.
4
vgl. RAITHEL 2008, S. 57; SCHNELL et al. 2005, S. 298
10.
6Seite
THIS IS A MOD WORLD
2.1 Grundlagen der Kundenbindung: Keep your friends close, but
your customers closer
„Coming to the civilized world of 21st century, we see generals in the form
of marketers striving to defend or capture market share with the help of a
loyal customer base.”
KUMAR/SHAH 2004, S. 318
Wie bereits eingangs formuliert, hat sich im Marketing, sowohl in Wirtschaft als auch
Wissenschaft, eine Wandlung vom reinen Transaktionsmarketing zum
Beziehungsmarketing vollzogen6
. Nach HOMBURG/BRUHN geschah dies auf
Unternehmensseite aufgrund der „globale[n] Verstärkung der
Wettbewerbsintensität“7
, die sinkende Gewinne und Wachstumsraten zur Folge hatte.
Ende der 1980er Jahre führte dies zu einer Phase der Fokussierung auf interne
Strukturen und Prozesse mit dem Ziel von Kostensenkungen, gefolgt von einer Phase
der Orientierung nach außen, hin zum Kunden8
.
„Auf Seiten der Wissenschaft vollzog sich diese Entwicklung durch den Vorschlag eines
‚Paradigmenwechsels im Marketing‘“9
, bei der eine Abkehr von der herkömmlichen
Konzentration auf einzelne Transaktionen und klassische Marketinginstrumente (4P10
)
stattfand, die nicht mehr als die effizienteste Vorgehensweise in allen Situationen
angesehen wurde. Aus dem neuen Ansatz, die gesamte Geschäftsbeziehung zu
betrachten, entwickelte sich das Relationship Marketing11
(Beziehungsmarketing, s.o.)
und später das Customer Relationship Marketing12
.
Das Kundenbindungsmanagement ist dabei von besonderer Bedeutung, weil sich
„Tendenzen einer zunehmenden Markenerosion und […] eine[r] steigenden
6
vgl. GERDES 2008, S. 447
7
2008, S. 5
8
Vgl. HOMBURG/BRUHN 2008, S. 5
9
HOMBURG/BRUHN 2008, S. 5
10
Vgl. MEFFERT et al. 2012, S. 20/22
11
Relationship Marketing bezieht sich im Gegensatz zum Kundenbindungsmanagement nicht nur auf Kunden,
sondern auf alle Geschäftsbeziehungen und Zielgruppenkontakte. Vgl. MEFFERT 2008, S. 162
12
Vgl. HOMBURG/BRUHN 2008, S. 5/7; Customer Relationship Marketing wird oft synonym für
Kundenbindungsmanagement verwendet, bezeichnet aber eigentlich nur den informationstechnologischen
Rahmen des Kundenbindungsmanagements.
12.
8Seite
THIS IS A MOD WORLD
Mehr Sicherheit Mehr Wachstum
Mehr
Gewinn/Rentabilität
+
Mehr Stabilität der
Geschäftsbeziehung
Habitualisierung
Immunisierung
Toleranz
Mehr Feedback
Beschwerde‐
bereitschaft
Auskunfts‐
bereitschaft
Bereitschaft zur
Mitarbeit
Mehr Aktionsspielraum
Mehr Vertrauen
Bessere
Kundenpenetration
Beschaffungs‐
konzentration
Kaufhäufigkeit
Kaufintensität
Cross Buying
Mehr
Kundenempfehlungen
Adressenvermittlung
Referenzbereitschaft
Mund‐zu‐Mund‐
Werbung
Kundenvermittlung
Kosteneinsparungen
Bessere Amortisation
von
Akquisationskosten
Opportunitätskosten
der Kundengewinnung
Geringere
Kundenbearbeitungs‐
kosten
Effizientere
Orderverfahren
Geringere
Streuverluste
Erlössteigerungen
Geringere
Preiselastizität
Cross Selling‐Erlöse
‐
Commitment
Inflexibilität
Trägheit
Reaktanzgefahr17
Einseitige
Kundenstruktur
Negative Mund‐zu‐
Mund‐Werbung
Bindungskosten
Zurechenbare Kosten
Zurechenbare
Erlösminderungen
Abbildung 1: Wirkungseffekte der Kundenbindung (Eigene Darstellung nach DILLER 1996, S. 81)
MEFFERT stellt weiter fest, dass, aufgrund der zunehmenden Markenerosion und der
steigenden Wechselbereitschaft, „die lange Zeit vorherrschende Ansicht vieler
17
Reaktanz bezeichnet ein Phänomen des Widerstands gegen wahrgenommenen Beeinflussungsdruck. Vgl.
GABLER WIRTSCHAFTSLEXIKON 2015, 15.02.2015
13.
THIS IS A MOD WORLD
Seite9
Unternehmen, über ‚Markenpersönlichkeiten‘ und ‚Markentreue‘ eine langfristige
Beziehung und Bindung zum Konsumenten aufzubauen“18
, sich in dieser Form nicht
mehr als zielführend erweist. Der Einsatz klassischer Marketinginstrumente und die
etablierte Markenpolitik sind in vielen Fällen nicht mehr ausreichend, um eine stabile
Kundenbindung zu gewährleisten.
2.1.1 Verhaltenswissenschaftliche Aspekte der
Kundenbindung
“The fundamental axiom of relationship marketing is, or should be, that
consumers like to reduce choices by engaging in an ongoing loyalty
relationship with marketers.”
SHETH/PARVATIYAR 1995, S. 256
Es wird im Allgemeinen angenommen, dass Kundenbindung einerseits das bisherige,
andererseits das zukünftige Verhalten erklärt und Verhaltensabsichten prognostizieren
kann19
.
Aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht wird Kundenbindung als „ein psychisches
Konstrukt der Verbundenheit oder Verpflichtung einer Person gegenüber einer anderen
Person oder einem Unternehmen verstanden“20
. Sie kann auch einen Zustand der
Gebundenheit bedeuten, wobei „diese Situation der kundenseitigen Abhängigkeit
immer mit psychischen Konsequenzen einhergeht“21
.
Das Gefühl der Verbundenheit beruht auf der Zufriedenheit des Kunden und kann als
freiwillig und positiv beschrieben werden, während die Verpflichtung sowohl positiv, als
auch negativ bewertet werden kann22
. Eine Person, die seit Jahren dieselbe Spiele‐
Franchise spielt, kann sich dem Entwickler verpflichtet fühlen, obwohl mittlerweile
vielleicht eine andere Franchise eher ihren Vorlieben entspräche; ist diese Person dem
18
MEFFERT 2008, S. 160
19
Vgl. KUMAR/SHAH 2004; HOMBURG et al. 2008
20
GRÖPPEL‐KLEIN et al. 2008, S. 48
21
GRÖPPEL‐KLEIN et al. 2008, S. 48
22
Vgl. GRÖPPEL‐KLEIN et al. 2008, S. 48
14.
10Seite
THIS IS A MOD WORLD
Entwickler aber auch verbunden und spielt Spiele der Franchise weiterhin mit
Vergnügen, „löst diese Verpflichtung kein unangenehmes Gefühl aus“23
.
Gebundenheit wird nur dann als negativ empfunden, wenn sie den Dimensionen der
Verbundenheit und ggf. Verpflichtung zuwiderläuft, also bspw. der Kunde in einem
langen Vertrag gebunden ist, den er auflösen möchte. In diesem Fall können „negative
psychische Konsequenzen, wie z.B. Reaktanz“24
die Folge sein.
Da Konsumenten sich durch langfristige Bindung an ein Unternehmen de facto selbst
Wahlmöglichkeiten verschließen, stellen sich die Verhaltenswissenschaften die Frage:
„[W]ieso Konsumenten bewusst und freiwillig auf eine möglichst große Anzahl an
Entscheidungsalternativen im Konsum verzichten[?]“25
SHETH/PAVATIYAR stellen dazu zusammenfassend fest: „We postulate that
consumers engage in relational market behavior to achieve greater efficiency in their
decision making, to reduce the task of information processing, to achieve more
cognitive consistency in their decisions, and to reduce the perceived risks associated
with future choices”26
. Außerdem wirken sich Verhaltensnormen der Familie, der
Einfluss von Peer‐Groups, religiöse Grundsätze, regierungspolitische Maßnahmen und
Arbeitgebereinflüsse auf das relationale Marktverhalten aus27
.
2.1.2 Kundenzufriedenheit: Basis der Kundenbindung?
“A satisfied customer is a repeat customer – maybe.”
STUM/THIRY 1991, S. 31
Von zahlreichen Unternehmen wird die Kundenzufriedenheit als ein wichtiges Ziel
betrachtet, deren Management einen entscheidenden Beitrag zur Sicherung der
Wettbewerbsfähigkeit darstellt28
. Implizit liegt die Annahme zugrunde, dass
„zufriedene Kunden ihrem Anbieter treu bleiben und somit diesem zu einer Reihe von
23
GRÖPPEL‐KLEIN et al. 2008, S. 48
24
GRÖPPEL‐KLEIN et al. 2008, S. 48
25
GRÖPPEL‐KLEIN et al. 2008, S. 49
26
1995, S. 256
27
Vgl. SHETH/PAVATIYAR 1995, S. 256
28
Vgl. ANDERSON et al. 1994; OLIVER 1997; RUST et al. 1995; MITTAL/KAMAKURA 2001
16.
12Seite
THIS IS A MOD WORLD
Bei der Betrachtung des Zusammenhangs von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung
steht allerdings die Frage im Raum, ob „es wirklich die Zufriedenheit mit einer einzelnen
Transaktion ist, die die Treue des Kunden determiniert“33
. Es erscheint sehr viel
wahrscheinlicher, dass die Bedeutung des Zufriedenheitsurteils für die Kundenbindung
zunimmt, wenn es auf wiederholter Erfahrung basiert, nicht nur auf einem einzelnen
Erwerb. Dazu ANDERSON et al.: „Whereas transaction‐specific satisfaction may
provide diagnostic information about a particular product or service encounter,
cumulative satisfaction is a more fundamental indicator of a firm‘s past, current, and
future performance”34
.
Der Einfluss von Kundenzufriedenheit auf die Kundenbindung kann beispielhaft mittels
drei verschiedener Theorien erklärt werden:
Die Theorie der kognitiven Dissonanz nach FESTINGER geht von der Annahme
aus, dass Individuen ein dauerhaftes Gleichgewicht ihres kognitiven Systems
anstreben. Wenn sich Kognitionen (Wissen, Erfahrungen, Meinungen)
widersprechen, entsteht eine kognitive Dissonanz, die, je nach individueller
Toleranzschwelle, einen Handlungsdruck auslöst35
.
Für die Beziehung zwischen Kundenzufriedenheit und Kundenbindung gilt hier,
dass „sich ein zufriedener Kunde in einem psychischen Gleichgewicht
befindet“36
. Um dieses zu erhalten verhält er sich loyal und kauft die
entsprechenden Produkte weiter, um eine kognitive Dissonanz zu vermeiden.
Die Lerntheorie der instrumentellen bzw. operanden Konditionierung: „This
form of conditioning is concerned with how the consequences of a behavior will
affect the frequency or probability of the behavior performed again“37
. Es wird
davon ausgegangen, dass die Verhaltensweisen beibehalten werden, für die das
Individuum in der Vergangenheit belohnt wurde.
Ein Kunde, der zufrieden mit einem Produkt ist, erfährt dadurch eine positive
Verhaltensverstärkung (Belohnung), die Wahrscheinlichkeit, dass das Produkt
erneut gekauft wird, steigt: „Je kontinuierlicher der Kunde diese positive
33
HOMBURG et al. 2008, S. 107
34
ANDERSON et al. 1994, S. 54
35
Vgl. 1957
36
HOMBURG et al. 2008, S. 112
37
ENGEL et al. 1993, S. 446
17.
THIS IS A MOD WORLD
Seite13
Verhaltensverstärkung erfährt (im Fall von wiederholter Zufriedenheit), desto
enger wird er an den entsprechenden Anbieter gebunden“38
.
Die Risikotheorie postuliert, dass der Versuch des Kunden, das subjektiv
wahrgenommene kaufspezifische Risiko zu minimieren, sein Kaufverhalten
bestimmt39
. Im Allgemeinen wird unterschieden zwischen funktionellem
(=Produkt erfüllt Funktion nicht), finanziellem (=Verlust der eingesetzten
finanziellen Mittel durch Fehlkauf), physischem (=Gefahr von
Gesundheitsschäden), psychologischem (=unzureichende persönliche
Identifikation) und sozialem Risiko (=widerspricht Normen des sozialen
Umfelds)40
.
Abhängig von der Toleranzschwelle versucht ein Kunde daher, das
Ausgangsrisiko durch spezifische Strategien zu reduzieren41
. Eine Möglichkeit
bietet hier loyales Kaufverhalten: „ein zufriedener Kunde bleibt folglich dem
betreffenden Anbieter treu, um das Risiko der Unzufriedenheit (psychisches
Risiko) möglichst gering zu halten“42
.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass ein Zusammenhang zwischen
Kundenzufriedenheit und Kundenbindung zwar besteht, dieser jedoch nicht positiv‐
linear verläuft43
und vielmehr „einen äußerst komplexen Charakter aufweist“44
.
38
HOMBURG et al. 2008, S. 113
39
BAUER 1960
40
Vgl. KUß/DILLER 2001, S. 758
41
Vgl. KROEBER‐RIEL/WEINBERG 2003, S. 399
42
HOMBURG et al. 2008, S. 114
43
vgl. dazu z.B. Studien von REICHHELD 1993; BURMANN 1991; AUH/JOHNSON 1997; MÜLLER/RIESENBECK 1991;
HERMANN/JOHNSON 1999
44
HOMBURG et al. 2008, S. 124
18.
14Seite
THIS IS A MOD WORLD
2.1.3 Involvement als Einflussfaktor der Kundenbindung
“The significance of conditions of low or high involvement is not that one
is better than the other, but that the processes of communication impact
are different. That is, there is a difference in the change processes that are
at work.”
KRUGMANN 1965, S. 355
Involvement wird als „Aktivierungsgrad bzw. Motivstärke zur objektgerichteten
Informationssuche ‐aufnahme, ‐verarbeitung und ‐speicherung“45
definiert und ist
damit ein Kennwert hinsichtlich des Interesses an einem Gegenstand, Sachverhalt o.Ä.
bzw. dessen Bedeutung für das eigene Wertesystem. TROMMSDORF stellt dabei
verschiedene Auswirkungen fest, je nachdem, ob das Involvement niedrig oder hoch
ausgeprägt ist (siehe Abbildung 3).
High Involvement‐Charakteristik Low‐Involvement‐Charakteristik
Aktive Informationssuche
Aktive Auseinandersetzung
Hohe Verarbeitungstiefe
Geringe Persuasion46
Vergleichende Bewertung vor dem
Kauf
Viele Merkmale beachtet
Wenige akzeptable Alternativen
Viel sozialer Einfluss
Ziel „Optimierung“
Markentreue durch Überzeugung
Stark verankerte Einstellung
Hohe Gedächtnisleistung
Passive Informationsaufnahme
Passierenlassen
Geringe Verarbeitungstiefe
Hohe Persuasion
Bewertung allenfalls nach dem Kauf
Wenige Merkmale beachtet
Viele akzeptable Alternativen
Wenig sozialer Einfluss
Ziel „keine Probleme“
Markentreue durch Gewohnheit
Gering verankerte, flache Einstellung
Geringe Gedächtnisleistung
Abbildung 3: Involvement‐Charakteristiken (Eigene Darstellung nach TROMMSDORFF 2008, S. 49)
45
TROMMSDORFF 2008, S. 49
46
Persuasion ist die Überzeugung, d.h. Veränderung von Einstellungen oder Verhalten, durch Kommunikation. Vgl.
ENCYCLOPAEDIA BRITANNICA 2010, 15.02.2015
19.
THIS IS A MOD WORLD
Seite15
Seit KRUGMAN47
ist der substantielle Einfluss, den die Intensität des Involvements auf
Kauf‐ bzw. Informationsverhalten ausübt, weithin bekannt und anerkannt. DILLER
spricht dabei von „heißer Kundenbindung“ bei hohem Involvement einerseits, hinter
der eine „ausführliche und u.U. auch emotional unterlegte Hinwendung“48
steht, und
„kalter Kundenbindung“49
ohne Involvement, die möglicherweise nur zufällig oder aus
Zweckmäßigkeitserwägungen heraus entsteht.
Das Involvement stellt dabei keine unveränderliche, feste Größe außerhalb jeden
Einflusses dar, sondern kann gezielt gesteigert werden. Nach KAPFERER/LAURENT
sind mögliche Ansatzpunkte: das Interesse am Produkt, der Spaß und die eigene
Belohnung beim Kauf bzw. Konsum, die Identifikation und Selbstdarstellbarkeit mit
dem Produkt bzw. Anbieter, die mit dem Kauf bzw. Besuch verbundene
Risikowahrscheinlichkeit und die Höhe des beim Kauf empfundenen Risikos50
.
Auch JARITZ stellt in ihrer Dissertation mit dem Schwerpunkt auf Low‐Involvement
fest, dass „Involvement einen Effekt auf die Kundenbindung ausübt“, wobei der „relativ
starke Einfluss des emotionalen Involvements auf die […] Kundenbindung“51
hervorzuheben ist.
47
Vgl. 1965
48
DILLER 1996, S. 87
49
Vgl. DILLER 1996, S. 87
50
Vgl. 1985
51
2008, S. 256
20.
16Seite
THIS IS A MOD WORLD
2.1.4 Kundenbindung als Bestandteil moderner
Wettbewerbsstrategien
“Customer loyalty is an important construct for all marketers and defines
a means to develop relationship with customers and hence increased
business and customer retention.”
KUMAR/SHAH 2004, S. 327f
Im Zuge des wachsenden Wettbewerbsdrucks, stagnierender Märkte und einem
Mangel an Unique Selling Propositions52
(Kurz: USP) nimmt die strategische
Bedeutung von Kundenbindung für Unternehmen signifikant zu53
.
Aufgrund des wachsenden Bedürfnisses nach quantifizierbaren Messgrößen auch im
Marketing54
, erzielen Konzepte wie bspw. die langfristig ausgerichtete Disziplin des
Kundenbindungsmanagements, mit messbaren Output‐ und Inputgrößen, auch im Top‐
Management „ein hohes Commitment bei strategischen Fragestellungen“55
.
Gleichzeitig rücken neue Verfahren zur Kundensegmentierung und ‐bewertung stärker
in den Fokus des Marketings, die den Kundenwert (teilweise sogar individuell), unter
besonderer Beachtung des zukünftigen Verhaltens, bestimmen56
: „Somit wird der
Tatsache Rechnung getragen, dass die ausschließliche Betrachtung des Ertragswertes
eines Kunden mittels Erstkauf eine verhältnismäßig geringe Aussagekraft besitzt und
erst die langfristige und somit zukünftige Kundenbindung das Ertragspotential eines
Kunden optimal ausschöpft“57
.
Dieser hohe Einfluss der Kundenbindung auf ökonomische und nicht‐ökonomische
Zielgrößen räumt ihr einen zentralen Stellenwert im Zielsystem eines Unternehmens
ein58
.
52
Unique Selling Proposition bezeichnet ein unverwechselbares, einzigartiges Nutzenangebot eines Produkts oder
einer Dienstleistung. Vgl. MEFFERT et al. 2012, S. 57/371
53
Vgl. MEFFERT 2008; DILLER 1996
54
RUST et al. 2004
55
MEFFERT 2008, S. 160
56
Vgl. KUMAR et al. 2006
57
MEFFERT 2008, S. 160
58
Vgl. MEFFERT/BRUHN 2006
21.
THIS IS A MOD WORLD
Seite17
Die Relevanz von Kundenbindung ist dabei nicht für alle Güter gleich groß ausgeprägt,
vielmehr können bestimmte Produktmerkmale, die in einer engen Wechselbeziehung
zueinander stehen, Aufschluss darüber geben, wie groß das Kundenbindungspotential
eingeschätzt werden kann59
:
Konsumbedeutung: Die subjektiv wahrgenommene Wichtigkeit eines
Produkts, die auch die Nachfrage nach produktbegleitenden Serviceleistungen
bestimmt. Steigende Bedeutung zieht eine steigende Kundenbindungsrelevanz
nach sich.
Produktnutzungsdauer: Der zeitliche Abstand, in dem Ersatzkäufe getätigt
werden müssen. Umso größer der Abstand, desto höher die
Kundenbindungsrelevanz.
Benutzerfreundlichkeit: Maßstab für Komplexität und Erklärungsbedürftigkeit
von Produkten. Sinkende Benutzerfreundlichkeit führt zu steigender
Kundenbindungsrelevanz.
Servicebedürftigkeit: Freiwillige oder notwendige produkt‐ und
personenbezogene Serviceleistungen. Höhere Servicebedürftigkeit erhöht die
Kundenbindungsrelevanz.
Umweltfreundlichkeit: Die ökologische Verträglichkeit eines Produkts. Je
niedriger die Umweltfreundlichkeit, desto größer die Kundenbindungsrelevanz.
Nachkaufkosten: Monetäre, psychische sowie zeitliche Kosten, die aus der
Verwendung und Entsorgung resultieren. Höhere Nachkaufkosten führten zu
einer größeren Kundenbindungsrelevanz.
59
Vgl. JESCHKE 1995, S. 187
22.
18Seite
THIS IS A MOD WORLD
Abbildung 4: Einfluss ausgewählter Produktmerkmale auf die Kundenbindungsrelevanz nach JESCHKE (Eigene
Darstellung nach MEFFERT 2008, S. 166)
Infolgedessen ist die Bedeutung von Kundenbindung auch je nach gewählter
strategischer Ausrichtung der Unternehmung sehr unterschiedlich. Nach MEFFERT et
al. können grundsätzlich zwei abnehmergerichtete Strategien unterschieden werden:
die Preis‐Mengen‐Strategie und die Präferenzstrategie60
.
„[Die Preis‐Mengen‐Strategie] zielt […] auf den Aufbau eindimensionaler Präferenzen.
Hierfür werden alle Marketingaktivitäten auf preispolitische Maßnahmen
konzentriert“61
. Bereits aus dieser kurzen Definition wird deutlich, dass die
Kundenbindungsrelevanz nach JESCHKE, wie in der Abbildung 4 aufgezeigt,
vergleichsweise gering ausgeprägt ist. Dieser Strategietyp stellt „die Basisvariante für
Güter mit eher geringem Kundenbindungspotential dar“62
.
Als Gegenentwurf kann die Präferenzstrategie betrachtet werden, die „das Ziel verfolgt,
insbesondere durch den Einsatz von nicht‐preislichen Aktionsparametern
mehrdimensionale Präferenzen beim Abnehmer aufzubauen und dadurch einen
überdurchschnittlichen Preis zu erzielen“63
. Die Präferenzstrategie versucht, durch die
60
Vgl. 2012, S. 292/306
61
MEFFERT et al. 2012, S. 306
62
MEFFERT 2008, S. 164
63
MEFFERT et al. 2012, S. 306
23.
THIS IS A MOD WORLD
Seite19
Schaffung von Produkt‐ und Leistungsvorteilen den Ansprüchen des Konsumenten in
vollem Ausmaß gerecht zu werden und damit eine Markteintrittsbarriere für
potenzielle Wettbewerber aufzubauen64
. Daher stellt die Kundenbindung ein
„konstitutives Element wettbewerbsorientierter Präferenzstrategien dar“65
.
Es lassen sich, entsprechend der Definition des Kundenbindungsmanagements, vier
instrumentalstrategische Bereiche abgrenzen: vertragliche Kundenbindung, technisch‐
funktionale Kundenbindung, ökonomische Kundenbindung und emotionale
Kundenbindung66
.
Abbildung 5: Arten der Kundenbindung und der Einsatz von Marketinginstrumenten (Eigene Darstellung nach MEFFERT
2008, S. 171)
Nach MEFFERT definieren sich diese instrumentalstrategischen Ebenen wie folgt67
:
Vertragliche Kundenbindung: der Kunde wird durch Verträge rechtlich
gebunden; entweder durch die Koppelung von Zusatzleistungen (z.B.
Garantiebedingungen und Serviceverträge) oder die Bindung bei Folgekäufen
(z.B. Leasingverträge, Zeitschriftenabonnement).
Technisch‐funktionale Kundenbindung: der Kunde wird durch Produkt‐ und
Servicekomponenten gebunden, die es nur bei einem Hersteller bzw. Händler
zu erwerben gibt; entweder durch Zusatzleistungen (z.B. Schulungsleistungen
64
Vgl. MEFFERT 2008, S. 168
65
MEFFERT 2008, S. 168
66
Vgl. MEFFERT 2008, S. 170f
67
Vgl. 2008, S. 170f
24.
20Seite
THIS IS A MOD WORLD
im EDV‐Bereich) oder durch einheitliches Design und/oder notwendige
technische Kompatibilität (z.B. Möbel, Rasierklingen, Software).
Ökonomische Kundenbindung: der Kunde empfindet den Wechsel aufgrund
wahrgenommener oder tatsächlicher Wechselkosten als unvorteilhaft;
entweder durch die Erhöhung von Wechselkosten (z.B. der geringe
Rückkaufswert bei Lebensversicherungen) oder Preissetzung in Form von fixen
Eintrittskosten bei gleichzeitiger Ermäßigung der Folgekosten (z.B. Bahncard)
und Preisdegression in Abhängigkeit der Bindungsdauer (z.B.
Schadensfreiheitsrabatte bei Versicherungen).
Emotionale Kundenbindung: der Kunde ist in hohem Grad zufrieden mit den
Leistungen und vertraut darauf, dass dies in Zukunft auch so bleiben wird; dies
wird durch den Einsatz aller Marketinginstrumente, sowie besonderen
Instrumenten des Kundenbindungsmanagements (z.B. Kundenclubs,
Kundenkarten, Kundenzeitschriften, Beschwerdemanagement) erreicht.
Letzten Endes stellt MEFFERT fest, dass Unternehmen noch zu oft Einzelpläne zur
Steuerung aufstellen und eine klare strategische Ausrichtung vernachlässigen68
: „Dabei
ist nicht mehr das Erreichen einer einzelnen Erfolgsposition, sondern vielmehr die
Erzielung von mehrdimensionalen Wettbewerbsvorteilen von zentraler Bedeutung“69
.
Neben den allgemeinen Zielen der Unternehmung ist dabei die
Kundenbindungsrelevanz70
der angebotenen Leistung für die Auswahl der geeigneten
Strategie besonders wichtig.
68
Vgl. 2008, S. 174
69
MEFFERT 2008, S. 174
70
Vgl. JESCHKE 1995, siehe auch Abbildung 4
25.
THIS IS A MOD WORLD
Seite21
2.1.5 Zwischenfazit: Kundenbindung
“Customer loyalty can be a double edged sword. If mismanaged, it can
seriously hurt the company’s bottom‐line. […] But, if customer loyalty is
managed prudently and in conjunction with profitability, it could be the
most potent weapon against competition in the company’s marketing
arsenal.”
KUMAR/SHAH 2004, S. 328
In den vorhergehenden Kapiteln wurde nachgezeichnet, wie das Management der
Kundenbindung seine wachsende Bedeutung für den Unternehmenserfolg entwickelte,
und wie die Entstehung und der Bestand einer solchen Bindung erklärt und, daraus
folgend, auch gefördert werden kann.
Nach der Erkenntnis, dass klassisches Markenmanagement nicht ausreicht, um eine
konsequente Kundenbindung zu gewährleisten, ist das aktive Management dieser
Beziehung zu einem bedeutenden Teil der Wertschöpfungsstruktur von Unternehmen
geworden.
Kundenbindung stellt dabei ein theoretisches Konstrukt dar, deren genaue und
abschließende Erklärung noch nicht möglich erscheint. Sie kann dabei sowohl einen
freiwilligen (Verbundenheit), als auch einen unfreiwilligen (Gebundenheit) Charakter
annehmen, wobei im Allgemeinen ersterer das Ziel der meisten
Kundenbindungsmaßnahmen ist; hinzu kommt ein dritter Aspekt der Verpflichtung. Im
Zusammenspiel können diese Faktoren einen positiven Effekt hervorrufen: die
Verpflichtung beschreibt dabei das Gefühl, dem Anbieter in irgendeiner Form etwas
schuldig zu sein, die Gebundenheit eine fest bestehende, bspw. gesetzliche oder
vertragliche Bindung, und die Verbundenheit beruht auf der Identifikation und
Zufriedenheit des Kunden. Ist Verbundenheit gegeben, werden Verpflichtung und
Gebundenheit nicht als negativ empfunden; fehlt diese, können im Ergebnis negative
Konsequenzen aufgrund der unfreiwilligen Bindung folgen.
Als ein wichtiger Einflussfaktor der Kundenbindung konnte dabei das Involvement
festgestellt werden, das ganz allgemein die persönliche Relevanz, Identifikation und
Bedeutung eines Gegenstands, Sachverhalts o.Ä. für eine Person abbildet. Involvement
26.
22Seite
THIS IS A MOD WORLD
ist von hoher Bedeutung bei der Informationsverarbeitung und beeinflusst die Art und
Weise der Kundenbindung nachhaltig („heiße“ und „kalte“ Kundenbindung). Es wurde
außerdem festgestellt, dass Involvement gezielt gesteigert und beeinflusst werden
kann und keine unerreichbare Größe außerhalb jeden Einflusses darstellt.
Abschließend konnte außerdem erläutert werden, dass Kundenbindung nicht immer
von gleicher Bedeutung ist. Anhand der Bewertung von Produktmerkmalen71
oder der
strategischen Ausrichtung72
lässt sich erfassen, welcher Grad an Relevanz der
Kundenbindung zugeschrieben werden kann und sollte.
2.2 Modding‐Kultur im Kontext der Prosumenten‐Ökonomie: Of
Mods and Modders
“Modders are creative and fantastic; they keep the games alive when we
aren't releasing content and what they do can inspire us for the future
development of the games as well.”
ANDERSON 2015, Anhang II, Zeile(n) 6‐8
Modifications (kurz: Mods), definiert SOTAMAA als „gamer‐made alterations to a pre‐
existing game”, durch “Modders [who] redesign and improve their favourite games by
tinkering with the code”73
. Im Prinzip kann jede (kleinste) Veränderung am Programm‐
Code als Mod bezeichnet werden, deshalb stellt SOTAMAA weiter fest: „there is no easy
way to identify a single starting point for modding phenomenon as known today“74
.
Im Zuge dieser Arbeit wird aber, falls nicht anders erwähnt, der Begriff Mod bzw.
Modification schwerpunktmäßig für Code‐Änderungen an Computerspielen
verwendet, die außerdem einer (möglicherweise begrenzten) Öffentlichkeit
zugänglich gemacht werden.
Modding kann als eine Form des User‐Generated Contents, als Einbindung von
Konsumenten in die Produktions‐ und Wertschöpfungskette (=Prosument) betrachtet
71
Bspw. nach JESCHKE 1995
72
Bspw. nach MEFFERT 2012
73
2004, S. 1
74
2004, S1; vgl. auch JEPPESEN 2004, S.4
27.
THIS IS A MOD WORLD
Seite23
werden75
, oder wie JEPPESEN feststellt: „Manufacturers have managed to hand out
complement production to their own users who voluntarily undertake this work“76
.
Nach JEPPESEN ist in der Spieleindustrie diese Integration besonders weit
fortgeschritten, zahlreiche Unternehmen beziehen Kunden mit ein und konzentrieren
sich nicht ausschließlich auf die eigene Produktion77
.
Die allgemeine und wachsende Popularität von Mods lässt sich beispielhaft am Steam
Workshop ablesen, eine Distributions‐Plattform für Mods, die zum digitalen
Verkaufsnetzwerk Steam gehört. Am 18.01.2015 nutzten 189 Spiele den Workshop mit
einer Gesamtzahl von 1.398.803 Mods78
; darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere
Datenbanken (z.B. www.moddb.com, www.nexusmods.com). The Elder Scrolls 5:
Skyrim erreichte allein im Steam Workshop mehr als 10.000 veröffentlichte Mods binnen
neun Monaten nach Release, wobei diese insgesamt 13 Mio. Mal heruntergeladen
wurden79
.
In den zuvor erörterten instrumentalstrategischen Ebenen nach MEFFERT sind
Modifications, bzw. die Schaffung einer entsprechenden Modding‐Szene, in die
Bereiche technisch‐funktionale Bindung und emotionale Bindung einzuordnen80
. Mods
stellen eine zusätzliche Produktkomponente dar, die durch die Notwendigkeit
technischer Kompatibilität (das Spiel, auf dessen Basis sie entwickelt wurden) einen
zusätzlichen Anreiz erschafft, bei dem gewählten Produkt zu bleiben81
. Die aktive
Auseinandersetzung mit und Unterstützung der Modifications bietet des Weiteren das
Potential, durch persönliche Partizipation der Entwickler innerhalb der Community,
eine emotionale Bindung zum Kunden zu entwickeln82
.
75
Vgl. JEPPESEN 2004, S.4; WHITE/SEARLE 2013, S. 30; NEITZEL/NOHR 2010, S. 427
76
2004, S. 4
77
Vgl. 2004, S. 4; vgl. auch SCHWARZER et al. 2009, S 71/75
78
Berechnet auf Basis der Informationen des Steam Workshop, vgl. VALVE CORPORATION 2015b, 25.01.2015
79
Vgl. HONG/CHEN 2014, S. 293
80
Vgl. 2008, S. 170f
81
Vgl. MEFFERT 2008, S. 171
82
Vgl. MEFFERT 2008, S. 172
28.
24Seite
THIS IS A MOD WORLD
2.2.1 Eine (Kurz‐)Geschichte: Mods, mods, glorious mods
„We love our modders! They are a huge part of our success and we have
hired quite a few to our studio! We wouldn't be where we are today
without our modders.”
ANDERSON 2015, Anhang II, Zeile(n) 44‐46
Die Geschichte der Modifications ist unmittelbar verbunden mit der Entwicklung von
Computerspielen im Allgemeinen. In seiner grundlegendsten Form ist das Modding
auch in Gesellschaftsspielen bereits jahrhundertelang praktiziert worden, bspw. durch
das Aufstellen zusätzlicher Regeln um das Spielerlebnis subjektiv zu verbessern83
.
Tatsächlich war das erste Computerspiel, Space War, das 1962 ursprünglich als Demo‐
/Testsoftware entwickelt wurde und aus etwa 50 Zeilen Code bestand, bereits intensiv
auf jedem Universitätscomputer, auf dem es installiert wurde, modifiziert worden.
Von einer Modding‐Kultur zu sprechen wäre hier noch deutlich verfrüht, aber die
eigentliche Tätigkeit war bereits genau das, was Modder heute tun: ein Spiel an ihre
eigenen Wünsche anzupassen84
.
Damit Modding sich tatsächlich zu einem weiter verbreiteten Hobby entwickeln konnte,
war es notwendig, dass erschwingliche Personal Computer mit stärkerer Hardware
verfügbar wurden. Ein wichtiger Wendepunkt war daher das Erscheinen des Apple II
1977, der zu einer weiteren Verbreitung der benötigten Technik führte85
.
1983 wurde auf dieser Plattform das Spiel Castle Wolfenstein, ein 1981 erschienener
Shooter, von zwei Studenten modifiziert: Sie fügten ein selbsterstelltes Intro ein,
ersetzten sämtliche Gegner durch Figuren aus dem Cartoon Die Schlümpfe und nannten
die daraus entstandene Mod Castle Smurfenstein86
.
Diese Praxis verfestigte sich weiter in den Spielen von id Software: Wolfenstein 3D
(1992) und später Doom (1993). Während bei ersterem eine offizielle Unterstützung der
83
Vgl. LAUKKANEN 2005, S. 7
84
Vgl. LAUKKANEN 2005, S. 7f
85
Vgl. LAUKKANEN 2005, S. 8
86
Vgl. POSTIGOE 2003, S. 603
29.
THIS IS A MOD WORLD
Seite25
Mods noch fehlte und dazu führte, dass diese Originaldateien überschrieben, wurde bei
Doom vom Lead Programmer JOHN CARMACK, der selbst aus der Hacker‐Szene kam,
der Versuch unternommen, das Spiel so zu programmieren, dass Modding einfach
vorgenommen und Mods intuitiv installiert und deinstalliert werden konnten87
.
Dieser Schritt führte zur Trennung der Modding‐ von der Hacker‐Szene, die bis dato
beide unautorisiert und letztendlich illegal am Code gearbeitet hatten und etablierte
eine erste, offiziell legitimierte Modding‐Community. Im Gegenzug wurden von id
Software auch erste Beschränkungen für Modder auferlegt, die im Allgemeinen
akzeptiert wurden und bis heute eine weitreichende Unterstützung erfahren: Mods
sollten ausschließlich mit der käuflich zu erwerbenden Vollversion von Doom
kompatibel sein und nicht mit kostenlosen Demos. Dies schuf einen Präzedenzfall für
die gegenseitige Unterstützung von Moddern und Entwicklern, der für das Spiel Doom
zu herausragenden Verkaufszahlen führte88
.
Begünstigt wurde diese Entwicklung auch dadurch, dass in den frühen 1990er Jahren
die Verbreitung und Nutzung des Internets als intuitive und unkomplizierte
Distributions‐Plattform deutlich zunahm, u.A. durch die Einführung des WorldWideWeb
und des ersten grafikfähigen Webbrowsers Mosaic89
.
Dieser Erfolg ermutigte die Entwickler von id Software (Quake, 1996), aber auch Valve
(Half‐Life, 1998) und Epic Games (Unreal Tournament, 1999) ihre Spiele immer weiter in
Richtung Modifications auszurichten. Offizielle Software Development Kits90
(kurz: SDK)
wurden auf den CDs direkt mitgeliefert, Online‐Communities gegründet und
unterstützt und sogar Workshops für Modder angeboten. Diese Strategie feierte einen
ihrer bis heute größten Erfolge, als die Total Conversion91
Half‐Life‐Mod Counter‐Strike
(2000), ein teambasierter Multiplayer‐Taktik‐Shooter, mehr Spieler auf sich vereinte
als die professionell entwickelte FPS92
‐Konkurrenz zusammen (z.B. Quake 3: Arena und
87
Vgl. KUSHNER 2003, S. 165‐169
88
LAUKKANEN 2005, S. 10f
89
Vgl. MOWERY/SIMCOE 2002, S. 1387
90
Software Development Kits sind eine spezifische Sammlung von Werkzeugen/Anwendungen, um eine Software
zu erstellen, meist inklusive Dokumentation. Vgl. FOSTER et al. 2001, S. 219
91
Total Conversion Mods stellen ein vollständig neues Spiel auf Basis der Engine des modifizierten Titels dar. Vgl.
SCACCHI 2010, S. 3
92
First Person Shooter sind Computerspiele, bei denen die Waffenbenutzung aus der Ich‐Perspektive ein
konstitutives Spielelement darstellt. Vgl. LEHMANN et al. 2009, S. 241
30.
26Seite
THIS IS A MOD WORLD
Unreal Tournament). Daraufhin wurde die Mod von Valve kommerziell aufgelegt und
obwohl gleichzeitig kostenlos und legal verfügbar, bis November 2008 4.2 Mio. mal
verkauft93
.
Bereits in einer Untersuchung von 2002 stellte JEPPESEN fest: „Almost 35% [of the
sample firms] offer strong opportunity for consumer involvement by making toolkits
available”94
. Dieser Anteil hat sich seitdem wahrscheinlich noch einmal deutlich
gesteigert95
.
2.2.2 Mods als Individualisierungsinstrument:
Customization
„I think that above all, for our games, they also make gamers discover our
games that think that sandbox strategy isn't their cup of tea. Then gamers
find a mod on a theme they enjoy and can relate to and it makes them fall
in love with strategy games.”
ANDERSON 2015, Anhang II, Zeile(n) 16‐18
Im Allgemeinen werden Produkte so entwickelt, dass sie die durchschnittlichen
Bedürfnisse eines bestimmten Markts erfüllen. Daraus folgt, dass sie beschränkt sind
darauf, die Bedürfnisse des durchschnittlichen Kunden zu erfüllen. Kunden mit
besonderen Wünschen bleiben dabei, bis zu einem gewissen Grad, unbedient. Meistens
sind diese Kunden jedoch nicht die Ausnahme, sondern die Regel (‚dark side of the
market‘)96
.
Einige Studien haben bereits nachgewiesen, dass „customers designing their products
[…] might be willing to pay premium prices”97
, wobei SCHREIER eine erhöhte
“willingness to pay” (der maximale Preis, den eine Person bereit ist für ein Produkt zu
zahlen) von durchschnittlich 134% erfasste98
; vergleichbare Werte wurden auch zuvor
93
Vgl. LAUKKANEN 2005, S. 12; REMO 2008, 14.01.2015
94
2005, S. 353
95
Vgl. LAUKKANEN 2005, S. 13
96
Vgl. SCHREIER 2006, S. 317f
97
SCHREIER 2006, S. 318
98
Vgl. 2006, S. 323
32.
28Seite
THIS IS A MOD WORLD
Risikos, Einsparungen im Bereich R&D, bessere Rekrutierungsmöglichkeiten, sowie die
Entstehung potentiell wertvoller, kommerziell nutzbarer Zusatzinhalte.
Die Reduzierung des unternehmerischen Risikos ergibt sich dabei aus dem Monitoring
der Modding‐Szene, in der zahlreiche verschiedene (wenn auch oft unausgereifte)
Konzepte, Funktionen, kreative Ansätze und Ideen zirkulieren und unterschiedlich
starken Anklang finden: „Online gaming communities can serve as a type of
development or focus group, that writes and tests its own games“103
.
Die Überwachung dieser Gemeinschaften erlaubt es Entwicklern, weitgehend
risikofrei, praktische Markt‐ und Zielgruppenforschung zu betreiben und dadurch
Fehlentwicklungen und ‐investitionen zu vermeiden. Da der Erfolg eines Spiels niemals
garantiert werden kann, aber meistens sehr hohe Investitionskosten fordert, kann
dadurch eine signifikante Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit erzielt werden.
Durch das effektive Outsourcing von Innovations‐ und Kreativleistungen ergeben sich
wiederum mögliche Einsparungen im Bereich R&D104
. Während das Monitoring der
Modding‐Communities einerseits das Risiko reduziert, ist es andererseits auch eine
stetige Quelle neuer Ideen und Innovationen, erlaubt es also dem Entwickler, diese
originäre Kreativarbeit nicht mehr selbst initiieren zu müssen, sondern nur noch zu
bewerten, anzupassen und umzusetzen105
. Da in der Spieleindustrie als Teil der
„perpetual innovation economy“106
ein konstanter Bedarf an Kreativität von
besonderer Bedeutung ist107
, lässt sich die Wichtigkeit eines „effective pools of
exploratory designers, willing to take creative leaps“108
als Instrument der Steigerung
von Wettbewerbsfähigkeit nicht hoch genug einschätzen.
Unmittelbar aus eben diesem „pool of exploratory designers“ ergibt sich ein weiterer,
potentiell bedeutsamer Aspekt aktiver Modding‐Szenen: die große Auswahl von
„highly trained experts“109
, die nicht nur praktische Erfahrung in verschiedensten
103
POSTIGO 2007, S. 307f
104
Vgl. SOTAMAA 2007b, S. 6; POSTIGO 2010, S. 5
105
Vgl. KÜCKLICH 2005, S. 3
106
KLINE et al. 2003, S. 66
107
Vgl. POSTIGO 2003, S. 598
108
POSTIGO 2010, S. 5
109
SOTAMAA 2007b, S. 6
33.
THIS IS A MOD WORLD
Seite29
Spezialisierungen des Game Design vorweisen können, sondern sogar mit der Game
Engine110
des Entwicklers bereits konkret gearbeitet haben111
.
Nicht zuletzt können Modifications für Entwickler auch einen ganz konkreten,
unmittelbaren und wertschöpfenden Wettbewerbsvorteil darstellen. Die direkte
Kommerzialisierung von Mods ist, zumindest in größerem Umfang, noch eine
Ausnahme. Bis heute ist Valve einer der wenigen Entwickler, der erfolgreich eine Mod
in großem Stil kommerziell aufgelegt und regulär abgesetzt hat: Das Counter Strike‐
Franchise, begonnen mit der Total Conversion‐Mod für Half‐Life, ist immer noch einer
der am meisten gespielten Mehrspieler‐Titel112
.
Allerdings benötigt es zur direkten Generierung von Umsätzen nicht notwendigerweise
den direkten, kommerziellen Vertrieb einer Mod; 2012 bspw. wurden von ARMA 2
innerhalb von sieben Wochen 300.000 Kopien verkauft, obwohl das Spiel zu diesem
Zeitpunkt bereits drei Jahre alt war. Hintergrund dieses sprunghaften Anstiegs war das
Erscheinen der Survival‐Horror‐Mod DayZ113
. Aufgrund des überwältigenden Erfolgs
der Modification übernahm Bohemia Interactive, der Entwickler des Originalspiels
ARMA 2, das Modding‐Team und veröffentlichte im Dezember 2013 eine frühe Alpha‐
Version als eigenständigen Titel, die sich bis zum 23.01.2015 bereits drei Millionen Mal
verkaufte, obwohl ein finales Erscheinungsdatum noch gar nicht bekannt gegeben
ist114
.
Es lässt sich also feststellen, dass Modifications nicht nur das Potential besitzen, in
seltenen Fällen zu kommerziell erfolgreichen, eigenständigen Produkten zu werden,
sondern andererseits auch neue Absatzimpulse für das eigentlich dahinterstehende
Produkt auslösen können.
110
Eine Game Engine ist eine Ansammlung von technischen Regelwerken und Softwarelösungen, auf deren Basis
das Regelwerk und die grafische Oberfläche angelegt werden. Die Engine umfasst dabei die Aspekte, die sich
möglichst unabhängig von den konkreten Inhalten des Spiels als Grundkonstrukt festlegen lassen, bspw.
physikalische Berechnungen oder die künstliche Intelligenz. Vgl. GREGORY 2014, S. 11f
111
Vgl. auch KÜCKLICH 2005, S. 3
112
Vgl. VALVE CORPORATION 2015a, 27.01.2015
113
Vgl. USHER 2012, 28.01.2015
114
Vgl. BOHEMIA INTERACTIVE 2015, 28.01.2015
35.
THIS IS A MOD WORLD
Seite31
Diese Entwicklung der Motivstrukturen tritt allerdings nicht allgemeingültig bei allen
Moddern auf, sie wird durch bspw. Spezialisierungen oder Vorwissen signifikant
beeinflusst. Während Prosumenten mit einem großen Interesse an kreativer Arbeit das
entsprechende Motiv der Ideenverwirklichung möglicherweise zu Beginn als besonders
wichtig empfinden, sind technisch begeisterte Modder (z.B. Programmierer) auch nach
langjähriger Erfahrung nach wie vor besonders motiviert durch die erfolgreiche
technische Umsetzung einzelner Konzepte119
.
Ergänzend, neben dem ebenfalls festgestellten Bedürfnis, sich kreativ zu betätigen,
stellt POSTIGO außerdem fest, dass Modding es den Nutzern erlaubt, „to identify with
the games and thus increase their enjoyment“120
. Customization ist also nicht nur, wie
in Kapitel 2.2.2 festgestellt, ein wichtiger Grund zur Verwendung von Mods, sondern
auch ein Motiv der Modder selbst, sich freiwillig und unentgeltlich als Entwickler zu
betätigen. Des Weiteren zeigt sich, dass der von BEHR festgestellte
„Kompetenzerwerb“ nicht immer um seiner selbst willen von Bedeutung ist, sondern
dass viele Modder glauben, dass ihre Erfahrung die Möglichkeit eröffnet, „to acquire a
job in the lucrative digital game design industry“121
.
2.2.5 Zwischenfazit: Modifications
“I do feel that the mods belong to the modders. Our job is to make it easy
for people to create and support their own mods.”
ANDERSON 2015, Anhang II, Zeile(n) 93‐94
Wie sich aus der in den letzten Kapiteln skizzierten Struktur der Modifications ableiten
lässt, ist die Kundenintegration, Co‐Creation und der Prosument in der Spielebranche
von herausragender Bedeutung. Digitale Spiele wurden schon zu Beginn und während
ihrer ganzen, noch kurzen Geschichte begleitet von aktiven Nutzern, die sich im Verlauf
der 1990er Jahre auch einen festen Platz innerhalb des Wertschöpfungsprozesses der
Branche verdienten.
119
Vgl. BEHR 2009, S. 204
120
2009, S. 309
121
POSTIGO 2009, S. 310
36.
32Seite
THIS IS A MOD WORLD
Die Bedeutung von Modifications für den unmittelbaren Erfolg der Produkte durch die
einfache und ressourcenschonende Darbietung zahlreicher Customization‐Module
kann nicht genug betont werden und hat ganz konkrete Auswirkungen auf die
„willingness to pay“, wie anhand von umfassenden empirischen Studien nachvollzogen
werden konnte.
Der Wert der Prosumenten, die solche Veränderungen am Code entwickeln, endet nicht
mit dieser ergänzenden Wertschöpfung für Nutzer; vielmehr gehen die möglichen
Wettbewerbsvorteile, die eine aktive Modding‐Kultur einem Entwickler bieten kann,
deutlich weiter. Die Reduzierung des Investitionsrisikos, die Förderung potentieller, mit
der eigenen Game Engine erfahrener Arbeitskräfte, die Abschöpfung von Innovations‐
und Kreativleistungen und die mittelbaren und unmittelbaren Absatzimpulse eröffnen
Studios, die diese einzusetzen und zu nutzen wissen, substantielle Vorteile gegenüber
ihren Mitbewerbern.
Aufgrund ihrer großen Bedeutung für die Spiele‐Entwickler erscheint es nur logisch,
dass diese sich insbesondere auch damit beschäftigen sollten, warum Modder ihrer
Tätigkeit freiwillig und unentgeltlich nachgehen. Eine gezielte Bedienung bzw.
Unterstützung dieser Motive kann bei der Entwicklung einer solchen Kultur einen
wichtigen Beitrag leisten.
Doch die Relevanz von Modding geht auch über die Game Studies und Entwicklerstudios
hinaus. Von vielen Autoren werden die Modding‐Communities als Zukunftsmodell und
Pioniere des User‐Generated Content und der partizipativen Prosumenten‐Ökonomie
betrachtet. Stellvertretend dazu POSTIGO: „We can learn from modders in some
important ways then. Modder community dynamics illustrate forces increasingly at
play within other systems that incorporate user content. Our discourses surrounding
our participation can illustrate how we process our place and how technologies
influence these experiences for us”122
.
Die Betrachtung von Modifications und Moddern kann branchenübergreifende
Erkenntnisse liefern und als Blaupause für Industriezweige dienen, deren Prosumenten‐
Kultur sich noch in einem früheren Entwicklungsstadium befindet.
122
2010, S. 8
37.
THIS IS A MOD WORLD
Seite33
3 Empirie: Oh brother, where art thou?
„Probleme sind nur dann Probleme, wenn sie nicht isoliert, nicht Stück für
Stück bearbeitet und gelöst werden können. Gerade das macht ihre
Problematik aus.“
NIKLAS LUHMANN 1991, S. 84
Nachdem die relevanten Facetten der untersuchten Zusammenhänge zuvor
wissenschaftstheoretisch erschlossen wurden, folgt in den kommenden Kapiteln die
Über‐ und Umsetzung in ein empirisches Erhebungsinstrument. Dabei wird sowohl auf
die zu bearbeitende Forschungslücke eingegangen, als auch das Untersuchungsobjekt,
die Erhebungsmethode, die Konzeption des Messinstruments und das
Forschungsdesign ausführlich erörtert. Abschließend wird in der Auswertung eine
Deskription der Stichprobe, die Bewertung der Gütekriterien und Prüfung der
Hypothesen dargelegt.
3.1 Forschungsdesiderat
Die Auswirkungen von Kundenintegration in die Wertschöpfungskette (Prosumtion) auf
die Kundenbindung sind bereits in einigen Studien untersucht worden. Dazu werden in
diesem Kapitel einige zusammenfassend vorgestellt.
DRESSLER untersuchte in einem explorativen Forschungsdesign zum deutschen
Weinmarkt den Zusammenhang von Kundenintegration und Kundenbindung, bei dem
unter anderem 230 Besucher einer Weinmesse interviewt wurden123
. Etwa die Hälfte
der Befragten äußerte ein Interesse an einer Einbindung in die Wertschöpfungskette
von Weingütern, wobei 43% der Probanden angaben, dies würde ihre Loyalität
gegenüber dem Weingut steigern.
Außerdem wurden aus der Kundendatenbank eines Weinbaubetriebs 47 Personen
ausgewählt, die ebenfalls befragt wurden. Zwei Drittel äußerten Interesse und
Bereitschaft, aktiv in die Prozesse des Weinguts integriert zu werden, wobei 85%
angaben, dass eine höhere Partizipation ihre Loyalität erhöhen würde.
123
Vgl. 2013
38.
34Seite
THIS IS A MOD WORLD
GRISSEMANN und STOKBURGER‐SAUER beschäftigten sich in Ihrer Erhebung mit der
Tourismusbranche, wobei 200 Kunden schriftlich interviewt wurden124
. Dabei stellte
sich heraus, dass „the degree of co‐creation […] significantly affect[s] the […] customer
loyalty”125
. Zusammenfassend stellen die Autoren auch fest: “Moreover, there is still a
research gap concerning the benefits of co‐creation”126
.
In einer weiteren Studie untersuchten BELL et al. die Auswirkungen der Co‐Produktion
von Konsumenten auf die Kundenbindung127
. Dabei wurden 1.197 Fragebögen,
ausgefüllt durch Kunden eines globalen Finanzdienstleisters, ausgewertet. Die
Ergebnisse bestätigten dabei die Teil‐Hypothese: „Co‐production relates positively to
attitudinal loyalty“128
.
Im Jahr 2010 veröffentlichte TENG eine Studie zur Auswirkung von Customization auf
die Loyalität von Onlinespielern. Da die Individualisierungsmöglichkeit das wichtigste
Nutzungsmotiv für Modifications ist, kann angenommen werden, dass sich in Ansätzen
ähnliche Wirkungsweisen unterstellen lassen. Dabei wurden 865 Probanden aus 24
Spiele‐Communities erfolgreich rekrutiert und befragt und TENG stellte
zusammenfassend fest: „This study demonstrates that customization enhances user
loyalty both directly and indirectly via improved immersion satisfaction“129
.
Zusammenfassend legten HOYER et al. dar: „Unfortunately, the true potential of
consumer cocreation is still largely unexplored […]. In particular, there is a need to learn
more about outcomes of involving end consumers. Available cocreation studies are
mostly conducted in a B2B context”130
.
Während die allgemeine Annahme, dass Kundenintegration zu Kundenbindung führt,
bereits von einigen Autoren erarbeitet und in Grundzügen nachgewiesen wurde, sind
die Einflüsse moderierender Effekte, wie z.B. individueller Einstellungs‐, Erfahrungs‐
und Verhaltensmerkmale, auf diese Kausalkette noch kaum überprüft. Die
124
Vgl. 2012
125
GRISSEMANN/STOKBURGER‐SAUER 2012, S. 1489
126
GRISSEMANN/STOKBURGER‐SAUER 2012, S. 1491
127
Vgl. 2007
128
BELL et al. 2007, S. 361
129
2010, S. 1554
130
2010, S. 292
39.
THIS IS A MOD WORLD
Seite35
Spieleindustrie erscheint hier, aufgrund ihrer bereits lang und intensiv entwickelten
Kundenintegration, als eine exzellente Blaupause.
3.2 Konzeption
In den folgenden Kapiteln wird das Konzept der empirischen Erhebung vollständig
erläutert. Dabei wird auf das Untersuchungsobjekt und die Grundgesamtheit
eingegangen, ebenso wie auf die Stichprobe und gewählte Erhebungsmethode.
Außerdem wird im Detail das Messmodell und die aus der Theorie abgeleiteten
Hypothesen erläutert und die daraus entwickelte Operationalisierung dargelegt.
Abschließend finden der durchgeführte Pretest und die daraus abgeleiteten
Veränderungen kurz Erwähnung.
3.2.1 Untersuchungsobjekt
Bei dem gewählten Untersuchungsobjekt handelt es sich um die internationale
Community von Paradox Interactive, wobei schwerpunktmäßig der Titel Europa
Universalis IV untersucht wird, da es sich um das kommerziell erfolgreichste und
aktuellste Spiel des Entwicklers handelt.
Des Weiteren ist die Game Engine (Clausewitz Engine) im Allgemeinen sehr zugänglich
hinsichtlich des Moddings, da große Teil der Spielinhalte als einfache Text‐Dateien
vorliegen, die mittels eines normalen Editors umgeschrieben werden können, ohne
dafür ausgeprägte Programmier‐Kenntnisse zu erfordern. Grafische Inhalte sind
weitgehend als Bitmaps verfügbar und daher ebenfalls mit jedem entsprechenden
Bildbearbeitungsprogramm veränderbar (Paint, Photoshop etc.). Allein im Steam
Workshop, der nur eine unter vielen Distributionsmöglichkeiten für Modifications ist,
liegen 1.228 Code‐Veränderungen verschiedenster Größenordnungen zum Download
bereit131
.
Paradox Interactive beschäftigt des Weiteren einen Vollzeit‐Mitarbeiter ausschließlich
zur praktischen Unterstützung der Modder. Dieser hilft bei der Lösung von Problemen,
steht bei Schwierigkeiten zur Seite, leitet Bedürfnisse und Beschwerden der Modder an
den Entwickler weiter und arbeitet selbst als Programmierer aktiv daran, immer
größere Teile der Engine des Spiels modifizierbar zu gestalten. Auch wurden aktive
131
Vgl. VALVE CORPORATION 2015b, 25.01.2015
40.
36Seite
THIS IS A MOD WORLD
Modder bereits in die Entwicklung von kommerziellen Produkten einbezogen (z.B. bei
der Entwicklung einer historisch korrekten, detaillierteren Weltkarte im Zuge eines
Patch/DLC132
‐Pakets) und zahlreiche Entwickler sind direkt aus der Modding‐Szene
rekrutiert worden133
.
Der Entwickler Paradox Development Studios, eine hundertprozentige
Tochtergesellschaft von Paradox Interactive, hat seinen Hauptsitz in Stockholm,
Schweden, und wurde 1995 gegründet. Ursprünglich entwickelten sie Brettspiele, zu
denen dann digitale Umsetzungen auf dem PC veröffentlicht wurden. Die wichtigsten
Franchisen sind Europa Universalis, Crusader Kings, Hearts of Iron und Victoria. Das
Studio konzentriert sich dabei auf sogenannte Grand Strategy Games, bei denen der
Schwerpunkt auf der strategischen, abstrahierten Ebene liegt. Der Fokus liegt auf der
Verwaltung von Ressourcen ganzer Nationen oder Imperien: Die Simulation beinhaltet
meistens wichtige ökonomische, geographische, historische und politische Aspekte,
die alle mobilisiert werden, um ein langfristiges Ziel zu erreichen134
.
Bei dem Spiel Europa Universalis IV handelt es sich um ein „empire building game [that]
gives you control over a nation to guide through the years in order to create a dominant
global empire. […] True exploration, trade, warfare and diplomacy will be brought to
life”135
. Dabei beginnt der Spieler in einem historisch möglichst korrekten Setting und
entwickelt danach, dem Prinzip eines Sandbox‐Spiels folgend, seine eigenen Ziele
sowie Strategien, diese zu erreichen: „If the world of Europa Universalis IV is your
playground, then the map is the sandbox – this is where you shape your plans and turn
various traits associated with the territories into mighty empires. […] The map is where
the magic happens. You know it, we know it”136
.
132
Downloadable Content ist ein zusätzlicher Spielinhalt, der meist über digitale Distributionsplattformen vertrieben
wird und oft kostenpflichtig erworben werden muss. Vgl. LIZARDI 2012, S. 35
133
Vgl. ANDERSON 2015, Anhang II
134
Vgl. PARADOX INTERACTIVE 2015c
135
PARADOX INTERACTIVE 2013, 28.01.2015
136
ANDERSON 2012, 28.01.2015
41.
THIS IS A MOD WORLD
Seite37
3.2.2 Grundgesamtheit, Stichprobe und
Erhebungsmethode
1. Grundgesamtheit
Die Grundgesamtheit entspricht den im Sub‐Forum Europa Universalis IV des
offiziellen, internationalen Forums von Paradox Interactive aktiven Personen. In der
gesamten Community sind 735.918 Mitglieder registriert, 778.397 Threads erstellt und
18.321.422 Beiträge geschrieben worden. Das Sub‐Forum Europa Universalis IV kommt
dabei auf 49.367 Threads und 802.298 Beiträge; das entspricht einem Anteil von ca.
6.3% (Threads) bzw. 4.4% (Beiträge). Damit ist es das zweitgrößte Sub‐Forum, nach
Crusader Kings II137
.
2. Stichprobe
„Da von Ausnahmen abgesehen Vollerhebungen von Grundgesamtheiten zu
langwierig und kostspielig wären, erhebt man daher meist nur einen Teil der
betreffenden Gruppe, eine sogenannte Stichprobe“138
.
Aufgrund der durch den Rahmen dieser Arbeit bedingten Einschränkungen handelt es
sich bei dem gewählten Auswahlverfahren um die, trotz ihrer Schwächen weit
verbreitete, willkürliche Auswahl139
. Dabei wird „ein ‚Auswählen aufs Geratewohl‘ nach
dem Motto ‚Man nimmt was man kriegen kann‘“140
angewendet. Die Aufnahme erfolgt
unkontrolliert und es lässt sich erst im Nachhinein feststellen, ob ein repräsentatives
Bild der Grundgesamtheit erzielt wurde141
.
In Folge dessen lassen sich mittels der Ergebnisse der Erhebung wissenschaftlich
korrekt ausschließlich Hypothesen untersuchen, die einen Zusammenhang von
Variablen zum Inhalt haben, Generalisierungen auf die Grundgesamtheit würden
wissenschaftlichen Kriterien nicht genügen und sind dementsprechend als nicht
erwiesene Annahmen zu betrachten142
.
137
Stand 16.01.2015, vgl. PARADOX INTERACTIVE 2015a, 16.01.2015; PARADOX INTERACTIVE 2015b, 16.01.2015
138
RAITHEL 2008, S. 54
139
Vgl. RAITHEL 2008, S. 56f
140
RAITHEL 2008, S. 56
141
Vgl. RAITHEL 2008, S. 57
142
Vgl. SCHNELL et al. 2005, S. 298
42.
38Seite
THIS IS A MOD WORLD
3. Erhebungsmethode
Als Erhebungsmethode zur Generierung einer großen Datenbasis wird in dieser Arbeit
die Befragung, als ein „systematisch geplanter Kommunikationsprozess zwischen
mindestens zwei Personen“143
durchgeführt. Der Typologisierung von Befragungen
nach RAITHEL folgend, wird in diesem Fall die stark strukturierte/standardisierte,
schriftliche Einzelbefragung und zwar internetgestützt, angewandt144
.
3.2.3 Messmodell & Hypothesen
Bei der Entwicklung des Messmodells wurde die aufgestellte Forschungsfrage „Welche
Auswirkungen hat die Bewertung des Mod‐Supports, unter Berücksichtigung
weiterer individueller Einstellungs‐, Erfahrungs‐ & Verhaltensmerkmale, auf die
Kundenbindung innerhalb der (Online) Fan‐Community?“ als Grundlage des
Forschungsansatzes visualisiert und anschließend auf dieser Basis ein hypothetisches
Strukturmodell entwickelt.
Die ausgewählten und als relevant identifizieren Variablen sind dabei, wenn möglich,
auf der Basis des entwickelten Forschungsstands ausgewählt. Da im Bereich des
Moddings allerdings zahlreiche Themen noch nicht oder nicht ausführlich behandelt
wurden, sind einige der zu untersuchenden Faktoren auf der Basis von
Plausibilitätsüberlegungen entstanden. Im Folgenden sollen diese kurz dargelegt
werden und anschließend in ein durch Hypothesen erschlossenes Modell überführt
werden.
3.2.3.1 Identifikation der Messmodelle
1. Bewertung des Mod‐Supports
Die Erhebung der subjektiven „Bewertung des Mod‐Supports“ durch die Probanden ist
beispielhaft für den allgemeinen Ansatz dieser Arbeit, sich mit Einstellungen,
Meinungen, Erfahrungen und Verhalten zu beschäftigen. Kongruent damit soll auch
beim Mod‐Support nicht anhand objektiver Kriterien überprüft werden, wie intensiv
Paradox Interactive Mods unterstützt, sondern wie positiv diese Unterstützung von den
Nutzern empfunden wird. Damit wird sichergestellt, dass möglicherweise objektiv
143
RAITHEL 2008, S. 65
144
Vgl. 2008, S. 66
43.
THIS IS A MOD WORLD
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identifizierbare Qualitäten auch tatsächlich in der subjektiven Wahrnehmung der
Zielgruppe ankommen.
2. Gesamtspielzeit
Plausibilitätsüberlegungen legen nahe, dass die Häufigkeit oder Intensität der
Produktnutzung (Hier: die Zeit, die mit dem Spiel verbracht wird) sich auf die
Einstellung des Nutzers auswirken. Die Produktbedeutung ist für einen Vielnutzer
größer als für einen Wenignutzer: Es ist ein elementarer Bestandteil des täglichen
Lebens und eine gewisse emotionale Auseinandersetzung erscheint wahrscheinlicher.
Daher kann davon ausgegangen werden, dass die Nutzungsintensität sich auf das
„Involvement“ auswirkt145
. Dies gilt insbesondere auch, weil angenommen werden
kann, dass Spieler, die bereits sehr viel Zeit mit dem Produkt verbracht haben, ein
größeres Bedürfnis nach neuen Inhalten entwickeln, die das Modding bieten kann.
3. Involvement
„Involvement“ kennzeichnet das Engagement, mit dem sich ein Konsument einem
Angebot zuwendet. Wie bereits im theoretischen Teil der Arbeit festgestellt, bildet
Involvement einen wichtigen Einflussfaktor für die Kundenbindung. Es wird deshalb
davon ausgegangen, dass ein hohes „Involvement“ bezüglich Modifications den
Zusammenhang zwischen der „Bewertung des Mod‐Supports“ und der
„Kundenbindung“ signifikant moderierend beeinflusst (siehe Kapitel 2.1.3).
4. Individualisierungsbedürfnis
Wie bereits in Kapitel 2.2.2 festgestellt ist die Individualisierung ein wichtiges
Argument für die Zahlungsbereitschaft. Da Modifications unter anderem ein
unmittelbares Instrument zur Anpassung der Software bieten, kann angenommen
werden, dass das „Individualisierungsbedürfnis“ das „Involvement“ bezüglich
Modifications beeinflusst.
145
Vgl. JARITZ 2008, S. 50f