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Strategie & innovation → Update Wissenschaft




Web 2.0 im Spiegel der
Marketing-Forschung
Autor: Dr. Markus Pfeiffer




                                                                                      Beitrag als das klassische „Interrupt
Weltweit produziert die Marketing-Wissenschaft                                        and Repeat“-Prinzip der Werbung be-
laufend neue Erkenntnisse. Exklusiv für die Leser                                     zeichnet. Im Internet können aber nur
                                                                                      die Marken Wert schaffen, die ziel-
der absatzwirtschaft screent Vivaldi Partners des-                                    gruppenrelevante Werbeinhalte so in
halb regelmäßig die wichtigsten Publikationen und                                     den Kontext der Mediennutzung integ-
                                                                                      rieren, dass sie einen echten Mehrwert
fasst die Ergebnisse zusammen. Das Thema zum                                          für ihn generieren. Das gilt insbeson-
                                                                                      dere für die „Long tail“-Angebote. Hier
Auftakt: Marketing mit und in Social Communities.                                     sieht Kim eines der größten Defizite
                                                                                      der Werbebranche und vor allem der
Während Schlagworte wie Web 2.0            lives.” Das bedeutet, ohne die vermeint-   Agenturen: „Delivering value as part of
bei manchen Unternehmen bereits            lich kleinen Nischenprodukte, aber         an advertising strategy is not naturally
zum Standardrepertoire gehören und         für Nutzer so relevanten Angebote des      part of advertiser/agency DNA”. Das
man keine Cocktail-Party bestreiten        „Long Tail“ kommt kein Marketer mehr       heißt, die Lieferung eines Wertes als
kann, ohne über seinen Twitter-Feed        aus, und nicht jedes Unternehmen, jede     Teil einer Werbestrategie bildet nicht
zu berichten, hat der Rummel nun           Marke wird vom Nutzer dieser Kanäle        natürlicherweise auch einen Teil einer
auch die wissenschaftliche Gesellschaft    willkommen geheißen. Kontextrele-          Anzeigenkunden- beziehungsweise
erreicht. So widmete das renommierte       vanz ist die zentrale Anforderung.         Agentur-DNA. Ohne Zweifel eine starke
„Journal of Advertising Research“ erst                                                Aussage, aber immerhin doch von ei-
kürzlich eine Sonderausgabe dem The-       Fangen wir bei den Verbrauchern an:        nem Marketingkollegen, der jedes Jahr
ma „Marketing in the Era of Long-Tail      Das Web bietet ihnen Informations-,        Budgets in dreistelliger Millionenhöhe
Media“. Inspiriert durch den 2007 er-      Kommunikations- und Unterhaltungs-         zu vergeben hat.
schienenen Bestseller „The Long Tail“      möglichkeiten, die zu veränderten Er-
des Wired-Magazin-Chefredakteurs           wartungen, Einstellungen und Verhal-       Werte für Konsumenten entstehen je-
Chris Anderson setzten sich rund ein       tensweisen führen. Von Unternehmen         doch nicht nur durch die dargebotenen
Dutzend Autoren mit Fragen des ver-        und Marken wird heute jedoch mehr als      Inhalte per sé, sondern auch dadurch,
änderten Mediennutzungsverhaltens          nur Information erwartet. An die Stelle    dass sie über die richtigen Kanäle trans-
und den Herausforderungen der „Brave       der unidirektionalen Kommunikation         portiert werden. Nicht jeder schaut das
New Media World“ für das Marketing         an den Kunden tritt der Dialog mit dem     gleiche Fernsehprogramm, besucht die
auseinander.                               Kunden, das Engagement, die Bezie-         gleichen Websites oder schreibt in den
Die wichtigste Herausforderung bringt      hung und letztlich der Versuch, einen      gleichen Blogs. Ganz im Gegenteil: In
der heutige Chief Research Officer der     Weg in den digitalen Alltag, den Le-       der fragmentierten Medienlandschaft
Advertising Research Foundation, Joel      benskontext der Menschen zu bahnen.        des „Long tail“ gibt es viele tausend
Rubinson, in seiner Einführung auf den     Jedoch sind die meisten Unternehmen        Kanäle, die potenziell als Medium
Punkt: „The new marketing approach         dieser Herausforderung noch immer          relevant sein können. Diese Vielfalt
must be to integrate into both the head    nicht gewachsen und hadern mit dem         macht es nicht nur der Mediaplanung,
and tail of the media landscape in a way   Abschied von dem, was der für das glo-     sondern vor allem auch dem Cont-
that makes you a welcomed and contex-      bale Digital Advertising bei Microsoft     rolling des Kommunikationserfolges
tually relevant companion in people’s      verantwortliche Stephen Kim in seinem      immer schwerer. Letztlich existiert


2   absatzwirtschaft 7/2009
Kreative Werbung führt zu positiveren Kaufabsichten: Das gilt auch in Low-Invol-
vement-Situationen, wo sie Effekte über die Vermittlung von Emotionen entfaltet.


bis heute keine einheitliche Währung,      müssen wir nicht darüber nachdenken,        gloSSar:
die einen Vergleich der „klassischen“      wie wir uns besser auf den Wert für den     The Long tail (englisch für „Der lange Schwanz“):
                                                                                       Dahinter steckt eine Theorie, die der Chefredakteur
Werbeinvestments mit den „digitalen“       einzelnen Nutzer konzentrieren kön-
                                                                                       des „Wired Magazine“ Chris Anderson 2004 vor-
Spendings ermöglichen würde. Zu viele      nen und diesen messbar machen?              stellte. Danach kann ein Anbieter im Internet durch
Faktoren, seien es schwer nachvollzieh-                                                eine große Anzahl an Nischenprodukten Gewinn
bare Erhebungsmethoden, komplexe           Auch in der klassischen Werbewelt           machen. Dieser Effekt soll insbesondere für den
                                                                                       Musik- und Bücherverkauf zutreffen, wo selten
Kooperations- oder Barteringdeals und      könnte die Subline „New and old at
                                                                                       verkaufte Titel in einem konventionellen Verkaufs-
nicht zuletzt eine Vielzahl unterschied-   the same time” lauten: Kreativität in       geschäft zu hohe Kosten verursachen würden. Der
licher Erfolgskriterien (Leads versus      der Werbung. Obwohl sich über Kre-          Name leitet sich von der Ähnlichkeit der Verkaufs-
Click throughs versus Direct Sales) ver-   ativität natürlich vortreff lich streiten   grafik mit einem langen Schwanz ab.

komplizieren das Thema zusätzlich.         lässt, erscheint die Diskussion nicht
                                                                                       Interrupt and Repeat-Prinzip der Werbung (eng-
Scott McDonald, Senior Vice Presi-         zuletzt vor dem Hintergrund der ewig        lisch für „Unterbrechungs- und Wiederholungs“-
dent der Marktforschung im Condé           aktuellen Frage nach der Qualität von       Prinzip): Dieser Ansatz kommt in Werbung zum
Nast Verlag, empf iehlt, dass Unter-       Werbeagenturen relevant.                    Ausdruck, die etwa Fernseh- oder Filmzuschauer
                                                                                       bei ihrer Beschäftigung unterbricht und ihre Auf-
nehmen mehr zu „hybriden Ansätzen“         Bei den Veröffentlichungen dazu ste-
                                                                                       merksamkeit auf das beworbene Produkt lenkt.
übergehen. Damit meint er Metho-           hen ganz grundsätzliche Fragen im
den, bei denen klassische Medien wie       Vordergrund. Die lauten zum Beispiel,       Barteringdeal (englisch für „Tauschgeschäft“):
TV-Programme und Zeitschriften mit         wann Werbung aus Sicht des Kunden           Damit ist eine Vereinbarung eines Werbungtrei-
                                                                                       benden mit dem Sender gemeint, der seine
herkömmlichen Wahrscheinlichkeits-         als kreativ gilt, welche Wirkung kre-
                                                                                       Werbung ausstrahlt, und derzufolge der Wer-
stichproben erfasst werden, während        ative Werbung auf Konsumenten hat           bungtreibende für Werbesendungen oder für die
„Long-tail“-Aktivitäten mit nicht-stich-   und welche Effekte kreative Werbung         Erwähnung seines Produkts oder seiner Firma mit
probenbasierten Methoden ermittelt         für Werbende hat? Der ersten Frage          Waren und Dienstleistungen bezahlt.

werden. Dazu zählen beispielsweise die     nähern sich Douglas West und seine
                                                                                       Return on Advertising (englisch für „Investitions-
direkte Auswertung der Logfile-Daten       Co-Autoren in ihrem Artikel aus dem         rechnungsansatz“): Diese Budgetierung gibt darü-
von Internetseiten oder der Videoserver    2008 erschienenen „Journal of Adverti-      ber Auskunft, wie viel Umsatz für die eingesetzten
von Kabelunternehmen. Hier muss also       sing“, indem sie dazu die verschiedenen     Marketing-Investitionen zu erwarten sind.

das Prinzip des „New and old at the        Perspektiven von Werbetreibenden und
                                                                                       Involvement (englisch für „Stärke der Betroffen-
same time“ greifen.                        Beworbenen beleuchten.                      heit”): In der Marktforschung zielt die gängige
Einerseits liegt McDonald damit vom        Das Ergebnis heißt, wen wundert es:         Definition auf Produktinteresse und Produktre-
Prinzip her richtig, andererseits löst     Beide Parteien haben gänzlich unter-        levanz. Grundsätzlich wird davon ausgegangen,
                                                                                       dass ein Werbemittel potenziellen Kunden besser
dieses Vorgehen noch immer nicht das       schiedliche Ansichten von dem, was
                                                                                       gefällt, wenn sie an einem beworbenen Produkt
eigentliche Problem, dass in der Effizi-   in der Werbung als kreativ gilt. Neben      beziehungsweise der beworbenen Dienstleistung
enzbetrachtung damit kaum sinnvolle        dem häufig kritisierten Selbstzweck zur     interessiert sind, und dass umgekehrt Desinteresse
Gegenüberstellungen möglich sind.          Anerkennung in der Werbegemeinde            auch nur wenig Gefallen auslöst.

Vielleicht muss sich das Marketing         ist Kreativität für Praktiker primär
deshalb grundsätzlich vom Gedan-           ein Mittel zur Erreichung der Ziele
ken einer quantitativen Messung des        des Kunden. Damit ist nichts anderes
Kommunikationserfolges im Internet,        als „Return on Advertising“ gemeint,
der noch dazu mit klassischen Medien       gemessen an Bekanntheitsgrad, Image
vergleichbar ist, verabschieden. Oder      oder Abverkaufszahlen. Kreativität für


                                                                                                                  absatzwirtschaft 7/2009   3
Strategie & innovation → Update Wissenschaft




                                                 »Der neue Marketingansatz muss
                                                 Sie zu einem willkommenen und
                                                 relevanten Begleiter im Leben
                                                 der Menschen machen.«

Joel Rubinson, Chief Research Officer der Advertising Research




den Zuschauer äußert sich dagegen vor            wohl emotionale als auch kognitive         stützt durch Originalität, unerwartete
allem in einer fesselnden Inszenierung           Reaktionen beim Konsumenten aus-           Effekte oder ungewöhnliche Bilder den
und einem Bezug zu ihren individuel-             zulösen, und folgerten, dass sie je nach   Auf bau von Spannung. Sie sorgt dafür,
len Bedürfnissen nach Unterhaltung,              seinem „Involvement“ eher emotional        dass Konsumenten die Werbung gerne
Einfühlsamkeit, schönen Bildern und              oder kognitiv gestaltet werden sollte.     wieder sehen möchten, was dann mit-
nicht zuletzt Humor. Doch genau bei              Dies klingt zunächst nicht neu und         telfristig zu positiveren Kaufabsichten
diesen Bedürfnissen liegt häufig die             erinnert eher an Richard Petty and John    führt. Klingt nach einem Plädoyer für
Kernfrage der Praxis: Verkauft denn              Cacioppo’s „Elaboration Likelihood         ein Höchstmaß an Kreativität. Doch
schöne Werbung auch?                             Model“, das bereits 1986 vorgestellt       leider ist dem nicht so.
                                                 wurde. Es besagt: „Sind Deine Kunden       Zu übertriebene Umsetzungen kon-
Den Zusammenhang zwischen Kreati-                wenig involviert, sprich sie emotional     terkarieren den gewünschten Effekt
vität und Werbewirkung untersuchten              an. Ist ihr Involvement hoch, dann         („diminishing returns of excessive
Xiaojing Yang und Robert E. Smith                appelliere an ihren Gedankenapparat“.      creativity“). Ab einer gewissen Krea-
in einem Artikel in der „Marketing               Also doch nur alter Wein in neuen          tivitätsschwelle nehmen die Effekte
Science“ genauer. Sie ermittelten vor            Schläuchen? Nicht ganz.                    ab. Maß halten ist also gefragt. Zudem
allem, wann und wie die Kreativität              Die Autoren weisen nach, dass als kre-     sind die Effekte nicht unabhängig von
Einf luss auf die Verarbeitung von Wer-          ativ wahrgenommene Werbung nicht           den Marktbedingungen: Kreativität
bebotschaften nimmt und welche Ver-              nur kurzfristig das Interesse weckt und    ist grundsätzlich effektiver bei hoher
haltensreaktionen sie bei Konsumenten            Emotionalität erzeugt, sondern auch zu     Wettbewerbsintensität und in einem
auslöst. Dabei fanden sie heraus, dass           einer intensiveren kognitiven Verarbei-    sicheren Marktumfeld mit relativ ge-
kreative Werbung in der Lage ist, so-            tung führt. Kreative Werbung unter-        ringen Veränderungen. In wettbe-
                                                                                            werbsschwachen oder bei unsicheren
                                                                                            Marktbedingungen wirkt sie schnell
    ↘                                                                                       übertrieben und unangemessen.
                                                                                            In wirtschaftlich schwierigen Zeiten
    Literatur:                                                                              muss Werbung also zumindest so krea-
                                                                                            tiv sein, dass sie den Verbraucher dauer-
    - Anderson, Chris: The Long Tail: Why the Future of Business is Selling Less of         haft bei Laune hält und den Nutzen klar
     More, Revised and Updated Edition, New York 2007                                       aufzeigt. Letztlich sollte sie das gleiche
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    - McDonald, Scott: Journal of Advertising Research, Sep2008, Vol. 48 Issue 3,           zu machen – on- und off line!            ←
     Seite 313-319
    - West, Douglas C.; Kover, Arthur J.; Caruana, Albert: Journal of Advertising,           Dr. MarkuS Pfeiffer
     Winter 2008, Vol. 37 Issue 4, Seite 35-45                                               ist Managing Director bei Vivaldi Partners. Seine
    - Yang, Xiaojing; Smith, Robert E.: Marketing Science, Articles in Advance               Kernkompetenzen liegen in den Bereichen Brand
                                                                                             Management, Strategisches Marketing und Elec-
     (published online ahead of print January 12, 2009), Seite 1-15
                                                                                             tronic Commerce.




4   absatzwirtschaft 7/2009
absatzwirtschaft 7/2009   5

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Web 2.0 im Spiegel der Marketing-Forschung

  • 1. Strategie & innovation → Update Wissenschaft Web 2.0 im Spiegel der Marketing-Forschung Autor: Dr. Markus Pfeiffer Beitrag als das klassische „Interrupt Weltweit produziert die Marketing-Wissenschaft and Repeat“-Prinzip der Werbung be- laufend neue Erkenntnisse. Exklusiv für die Leser zeichnet. Im Internet können aber nur die Marken Wert schaffen, die ziel- der absatzwirtschaft screent Vivaldi Partners des- gruppenrelevante Werbeinhalte so in halb regelmäßig die wichtigsten Publikationen und den Kontext der Mediennutzung integ- rieren, dass sie einen echten Mehrwert fasst die Ergebnisse zusammen. Das Thema zum für ihn generieren. Das gilt insbeson- dere für die „Long tail“-Angebote. Hier Auftakt: Marketing mit und in Social Communities. sieht Kim eines der größten Defizite der Werbebranche und vor allem der Während Schlagworte wie Web 2.0 lives.” Das bedeutet, ohne die vermeint- Agenturen: „Delivering value as part of bei manchen Unternehmen bereits lich kleinen Nischenprodukte, aber an advertising strategy is not naturally zum Standardrepertoire gehören und für Nutzer so relevanten Angebote des part of advertiser/agency DNA”. Das man keine Cocktail-Party bestreiten „Long Tail“ kommt kein Marketer mehr heißt, die Lieferung eines Wertes als kann, ohne über seinen Twitter-Feed aus, und nicht jedes Unternehmen, jede Teil einer Werbestrategie bildet nicht zu berichten, hat der Rummel nun Marke wird vom Nutzer dieser Kanäle natürlicherweise auch einen Teil einer auch die wissenschaftliche Gesellschaft willkommen geheißen. Kontextrele- Anzeigenkunden- beziehungsweise erreicht. So widmete das renommierte vanz ist die zentrale Anforderung. Agentur-DNA. Ohne Zweifel eine starke „Journal of Advertising Research“ erst Aussage, aber immerhin doch von ei- kürzlich eine Sonderausgabe dem The- Fangen wir bei den Verbrauchern an: nem Marketingkollegen, der jedes Jahr ma „Marketing in the Era of Long-Tail Das Web bietet ihnen Informations-, Budgets in dreistelliger Millionenhöhe Media“. Inspiriert durch den 2007 er- Kommunikations- und Unterhaltungs- zu vergeben hat. schienenen Bestseller „The Long Tail“ möglichkeiten, die zu veränderten Er- des Wired-Magazin-Chefredakteurs wartungen, Einstellungen und Verhal- Werte für Konsumenten entstehen je- Chris Anderson setzten sich rund ein tensweisen führen. Von Unternehmen doch nicht nur durch die dargebotenen Dutzend Autoren mit Fragen des ver- und Marken wird heute jedoch mehr als Inhalte per sé, sondern auch dadurch, änderten Mediennutzungsverhaltens nur Information erwartet. An die Stelle dass sie über die richtigen Kanäle trans- und den Herausforderungen der „Brave der unidirektionalen Kommunikation portiert werden. Nicht jeder schaut das New Media World“ für das Marketing an den Kunden tritt der Dialog mit dem gleiche Fernsehprogramm, besucht die auseinander. Kunden, das Engagement, die Bezie- gleichen Websites oder schreibt in den Die wichtigste Herausforderung bringt hung und letztlich der Versuch, einen gleichen Blogs. Ganz im Gegenteil: In der heutige Chief Research Officer der Weg in den digitalen Alltag, den Le- der fragmentierten Medienlandschaft Advertising Research Foundation, Joel benskontext der Menschen zu bahnen. des „Long tail“ gibt es viele tausend Rubinson, in seiner Einführung auf den Jedoch sind die meisten Unternehmen Kanäle, die potenziell als Medium Punkt: „The new marketing approach dieser Herausforderung noch immer relevant sein können. Diese Vielfalt must be to integrate into both the head nicht gewachsen und hadern mit dem macht es nicht nur der Mediaplanung, and tail of the media landscape in a way Abschied von dem, was der für das glo- sondern vor allem auch dem Cont- that makes you a welcomed and contex- bale Digital Advertising bei Microsoft rolling des Kommunikationserfolges tually relevant companion in people’s verantwortliche Stephen Kim in seinem immer schwerer. Letztlich existiert 2 absatzwirtschaft 7/2009
  • 2. Kreative Werbung führt zu positiveren Kaufabsichten: Das gilt auch in Low-Invol- vement-Situationen, wo sie Effekte über die Vermittlung von Emotionen entfaltet. bis heute keine einheitliche Währung, müssen wir nicht darüber nachdenken, gloSSar: die einen Vergleich der „klassischen“ wie wir uns besser auf den Wert für den The Long tail (englisch für „Der lange Schwanz“): Dahinter steckt eine Theorie, die der Chefredakteur Werbeinvestments mit den „digitalen“ einzelnen Nutzer konzentrieren kön- des „Wired Magazine“ Chris Anderson 2004 vor- Spendings ermöglichen würde. Zu viele nen und diesen messbar machen? stellte. Danach kann ein Anbieter im Internet durch Faktoren, seien es schwer nachvollzieh- eine große Anzahl an Nischenprodukten Gewinn bare Erhebungsmethoden, komplexe Auch in der klassischen Werbewelt machen. Dieser Effekt soll insbesondere für den Musik- und Bücherverkauf zutreffen, wo selten Kooperations- oder Barteringdeals und könnte die Subline „New and old at verkaufte Titel in einem konventionellen Verkaufs- nicht zuletzt eine Vielzahl unterschied- the same time” lauten: Kreativität in geschäft zu hohe Kosten verursachen würden. Der licher Erfolgskriterien (Leads versus der Werbung. Obwohl sich über Kre- Name leitet sich von der Ähnlichkeit der Verkaufs- Click throughs versus Direct Sales) ver- ativität natürlich vortreff lich streiten grafik mit einem langen Schwanz ab. komplizieren das Thema zusätzlich. lässt, erscheint die Diskussion nicht Interrupt and Repeat-Prinzip der Werbung (eng- Scott McDonald, Senior Vice Presi- zuletzt vor dem Hintergrund der ewig lisch für „Unterbrechungs- und Wiederholungs“- dent der Marktforschung im Condé aktuellen Frage nach der Qualität von Prinzip): Dieser Ansatz kommt in Werbung zum Nast Verlag, empf iehlt, dass Unter- Werbeagenturen relevant. Ausdruck, die etwa Fernseh- oder Filmzuschauer bei ihrer Beschäftigung unterbricht und ihre Auf- nehmen mehr zu „hybriden Ansätzen“ Bei den Veröffentlichungen dazu ste- merksamkeit auf das beworbene Produkt lenkt. übergehen. Damit meint er Metho- hen ganz grundsätzliche Fragen im den, bei denen klassische Medien wie Vordergrund. Die lauten zum Beispiel, Barteringdeal (englisch für „Tauschgeschäft“): TV-Programme und Zeitschriften mit wann Werbung aus Sicht des Kunden Damit ist eine Vereinbarung eines Werbungtrei- benden mit dem Sender gemeint, der seine herkömmlichen Wahrscheinlichkeits- als kreativ gilt, welche Wirkung kre- Werbung ausstrahlt, und derzufolge der Wer- stichproben erfasst werden, während ative Werbung auf Konsumenten hat bungtreibende für Werbesendungen oder für die „Long-tail“-Aktivitäten mit nicht-stich- und welche Effekte kreative Werbung Erwähnung seines Produkts oder seiner Firma mit probenbasierten Methoden ermittelt für Werbende hat? Der ersten Frage Waren und Dienstleistungen bezahlt. werden. Dazu zählen beispielsweise die nähern sich Douglas West und seine Return on Advertising (englisch für „Investitions- direkte Auswertung der Logfile-Daten Co-Autoren in ihrem Artikel aus dem rechnungsansatz“): Diese Budgetierung gibt darü- von Internetseiten oder der Videoserver 2008 erschienenen „Journal of Adverti- ber Auskunft, wie viel Umsatz für die eingesetzten von Kabelunternehmen. Hier muss also sing“, indem sie dazu die verschiedenen Marketing-Investitionen zu erwarten sind. das Prinzip des „New and old at the Perspektiven von Werbetreibenden und Involvement (englisch für „Stärke der Betroffen- same time“ greifen. Beworbenen beleuchten. heit”): In der Marktforschung zielt die gängige Einerseits liegt McDonald damit vom Das Ergebnis heißt, wen wundert es: Definition auf Produktinteresse und Produktre- Prinzip her richtig, andererseits löst Beide Parteien haben gänzlich unter- levanz. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass ein Werbemittel potenziellen Kunden besser dieses Vorgehen noch immer nicht das schiedliche Ansichten von dem, was gefällt, wenn sie an einem beworbenen Produkt eigentliche Problem, dass in der Effizi- in der Werbung als kreativ gilt. Neben beziehungsweise der beworbenen Dienstleistung enzbetrachtung damit kaum sinnvolle dem häufig kritisierten Selbstzweck zur interessiert sind, und dass umgekehrt Desinteresse Gegenüberstellungen möglich sind. Anerkennung in der Werbegemeinde auch nur wenig Gefallen auslöst. Vielleicht muss sich das Marketing ist Kreativität für Praktiker primär deshalb grundsätzlich vom Gedan- ein Mittel zur Erreichung der Ziele ken einer quantitativen Messung des des Kunden. Damit ist nichts anderes Kommunikationserfolges im Internet, als „Return on Advertising“ gemeint, der noch dazu mit klassischen Medien gemessen an Bekanntheitsgrad, Image vergleichbar ist, verabschieden. Oder oder Abverkaufszahlen. Kreativität für absatzwirtschaft 7/2009 3
  • 3. Strategie & innovation → Update Wissenschaft »Der neue Marketingansatz muss Sie zu einem willkommenen und relevanten Begleiter im Leben der Menschen machen.« Joel Rubinson, Chief Research Officer der Advertising Research den Zuschauer äußert sich dagegen vor wohl emotionale als auch kognitive stützt durch Originalität, unerwartete allem in einer fesselnden Inszenierung Reaktionen beim Konsumenten aus- Effekte oder ungewöhnliche Bilder den und einem Bezug zu ihren individuel- zulösen, und folgerten, dass sie je nach Auf bau von Spannung. Sie sorgt dafür, len Bedürfnissen nach Unterhaltung, seinem „Involvement“ eher emotional dass Konsumenten die Werbung gerne Einfühlsamkeit, schönen Bildern und oder kognitiv gestaltet werden sollte. wieder sehen möchten, was dann mit- nicht zuletzt Humor. Doch genau bei Dies klingt zunächst nicht neu und telfristig zu positiveren Kaufabsichten diesen Bedürfnissen liegt häufig die erinnert eher an Richard Petty and John führt. Klingt nach einem Plädoyer für Kernfrage der Praxis: Verkauft denn Cacioppo’s „Elaboration Likelihood ein Höchstmaß an Kreativität. Doch schöne Werbung auch? Model“, das bereits 1986 vorgestellt leider ist dem nicht so. wurde. Es besagt: „Sind Deine Kunden Zu übertriebene Umsetzungen kon- Den Zusammenhang zwischen Kreati- wenig involviert, sprich sie emotional terkarieren den gewünschten Effekt vität und Werbewirkung untersuchten an. Ist ihr Involvement hoch, dann („diminishing returns of excessive Xiaojing Yang und Robert E. Smith appelliere an ihren Gedankenapparat“. creativity“). Ab einer gewissen Krea- in einem Artikel in der „Marketing Also doch nur alter Wein in neuen tivitätsschwelle nehmen die Effekte Science“ genauer. Sie ermittelten vor Schläuchen? Nicht ganz. ab. Maß halten ist also gefragt. Zudem allem, wann und wie die Kreativität Die Autoren weisen nach, dass als kre- sind die Effekte nicht unabhängig von Einf luss auf die Verarbeitung von Wer- ativ wahrgenommene Werbung nicht den Marktbedingungen: Kreativität bebotschaften nimmt und welche Ver- nur kurzfristig das Interesse weckt und ist grundsätzlich effektiver bei hoher haltensreaktionen sie bei Konsumenten Emotionalität erzeugt, sondern auch zu Wettbewerbsintensität und in einem auslöst. Dabei fanden sie heraus, dass einer intensiveren kognitiven Verarbei- sicheren Marktumfeld mit relativ ge- kreative Werbung in der Lage ist, so- tung führt. Kreative Werbung unter- ringen Veränderungen. In wettbe- werbsschwachen oder bei unsicheren Marktbedingungen wirkt sie schnell ↘ übertrieben und unangemessen. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten Literatur: muss Werbung also zumindest so krea- tiv sein, dass sie den Verbraucher dauer- - Anderson, Chris: The Long Tail: Why the Future of Business is Selling Less of haft bei Laune hält und den Nutzen klar More, Revised and Updated Edition, New York 2007 aufzeigt. Letztlich sollte sie das gleiche - Hairong Li; Wenyu Dou; Guangping Wang; Nan Zhou: Journal of Advertising, Ziel verfolgen wie Joel Rubinson ein- Winter 2008, Vol. 37 Issue 4, Seite 109-120 gangs postulierte: Die Marke zu einem - Kim, Stephen J.: Journal of Advertising Research, Sep2008, Vol. 48 Issue 3, jederzeit willkommenen und für das Seite 310-312 Leben der Menschen relevanten Partner - McDonald, Scott: Journal of Advertising Research, Sep2008, Vol. 48 Issue 3, zu machen – on- und off line! ← Seite 313-319 - West, Douglas C.; Kover, Arthur J.; Caruana, Albert: Journal of Advertising, Dr. MarkuS Pfeiffer Winter 2008, Vol. 37 Issue 4, Seite 35-45 ist Managing Director bei Vivaldi Partners. Seine - Yang, Xiaojing; Smith, Robert E.: Marketing Science, Articles in Advance Kernkompetenzen liegen in den Bereichen Brand Management, Strategisches Marketing und Elec- (published online ahead of print January 12, 2009), Seite 1-15 tronic Commerce. 4 absatzwirtschaft 7/2009