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Simulationsmodelle in der

                         Infektionsepidemiologie
                                                        - Eine Einführung -


                                                  Marcus Wetzler, Mai 2012




Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                         1
License




                      This work is licensed under the Creative Commons Attribution 3.0
                      Unported License. To view a copy of this license, visit
                      http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/ or send a letter to
                      Creative Commons, 444 Castro Street, Suite 900, Mountain View,
                      California, 94041, USA.




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Inhalt




                                              Einführung
                                                    Grundbegriffe
                                                    Ein Simulationsmodell


                                              'Praktischer Teil' - Modellsimulationen
                                                    Pest
                                                    Meningokokken-Menigitis
                                                    Masern


                                             Schlusswort
                                                    Wie gefährlich ist Impfen?




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Relevanz                                   ... für Ärzte


                       “Wofür nützt mir dieses Wissen?”
           Um zu verstehen, ...

              wie Impfpläne entwickelt werden.

              warum Impfprogramme nur sinnvoll sind, wenn sie konsequent
              durchgeführt werden.

              warum es die Meldepflicht gibt.

              Um Medienberichte kritisch bewerten zu können.

              Für ein Verständnis der Ausbreitungsdynamik von
              Infektionen wie AIDS, SARS, Neue Grippe, etc zu entwickeln.

              Zu Verstehen, nach welchen Prinzipien (Simulations)modelle
              entwickelt werden (Medizinische Forschung geht nicht mehr ohne!).

               Für interessante Jobs, z.B. bei Organisationen wie der WHO oder
                Ärzte ohne Grenzen.


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Relevanz                                   Infektionsepidemiologie


                           Was ist
                           'Infektionsepidemiologie'?
                         Infektionskrankheit: durch Erreger oder deren Toxine
                         hervorgerufene Erkrankung.
                         epi = auf/über, demos = Menschen/Volk, logos = Lehre



Aspekte:
                                                                             Ziele:
    Analyse, Beschreibung, Vorhersage von...

          Ausbreitungsdynamik
          Verbreitungswegen                                                   Prävention!
          Übertragungsart                                                     Intervention!
          Risikofaktoren                                                      Eradikation!?
          Protektiven Faktoren
          Vulnerablen Bevölkerungsgruppen


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Relevanz                                   Globale Verteilung von Todesursachen I




                                                                     Infektionskrankheiten
                                                                     Herz-Kreislauf-Erkrankungen
                                                                     Krebs
                                                                     Atemwegserkrankungen
                                                                     perinatale, neonatale Ursachen
                                                                     andere Ursachen


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Relevanz                                  Infektiöse Genese 'nicht-infektöser' Krankheiten

  Beispiele:

                                               2005
       H. pylori                                                     Ulcus ventriculi/duodeni


    Hepatitis B/C                                                    Hepatozelluäres CA


                                                2008
    HPV 16/18                                                         Zervix-CA


    Epstein-Barr-                                                    M. Hodgkin, Burkitt-Lymphom
        Virus

               HIV                                                   u.a. Kaposi-Sarkom,
                                                                     Burkitt-Lymphom

   Campylobacter
                                                                     Guillain-Barré-Syndrom
      (jejuni)

      Chlamydia
     pneumoniae                                                       KHK, Arterosklerose
Bildnachweise: Nobelpreis: http://en.wikipedia.org/wiki/Nobel_Prize; Koronare Herzkrankheit: http://en.wikipedia.org/wiki/Angioplasty;
Zervixkarzinom: http://de.wikipedia.org/wiki/Zervixkarzinom; Burkitt-Lymphom: http://en.wikipedia.org/wiki/Burkitt's_lymphoma;
Hepatozelluläres Karzinom: http://www.hindawi.com/journals/ijhep/2011/489342/; Gastritis: http://en.wikipedia.org/wiki/Gastritis.
         Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                                                           7
Relevanz                                   Globale Verteilung von Todesursachen II




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Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...
                                                                     Infektionskrankheiten
                                                                     Herz-Kreislauf-Erkrankungen
                                                                     Krebs
                                                                     Atemwegserkrankungen
                                                                     perinatale, neonatale Ursachen
                                                                     andere Ursachen


                                                                                                      8
Grundbegriffe                                   Epidemie



Epidemie: zeitliche und örtliche Häufung einer
Infektionskrankheit innerhalb einer Population...


                                                                 Beispiele aus Deutschland


                                                               2007
                                                               • Hantavirus   (n=1687)

                                                               • Norovirus   (n>200.000)



                                                               2006
                                                               • Masern (NRW)     (n>1100)



                                                               2005
                                                               • Masern (Hessen)     (n=223, bis Mai)

                                                               • Masern (Bayern)     (n=279, bis Juli)




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Grundbegriffe                                    Endemie



Endemie: dauerhaft gehäuftes Auftreten einer
Infektionskrankheit in einem begrenzten Gebiet ...
                                                                          Beispiele


                                                              • Meningokokken-Meningitis:
                                                               südlich der Sahara
                                                              • Borreliose: Süddeutschland
                                                              • Leishmaniose (viszerale): u.a. in
                                                              Indien, Bangladesh, Brasilien
                                                              • Malaria: u.a. in Tansania, Kenia
                                                                und Uganda




   Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                           10
Grundbegriffe                                    Pandemie



Pandemie: Länder- und kontinentübergreifende
          Ausbreitung einer Infektionskrankheit...
                                                                        Beispiele


                                                              AIDS
                                                              SARS (Flugtourismus)
                                                              Spanische Grippe, 1918-1920
                                                              Pest (v.a. 13. - 17. JH,
                                                              Handelsschiffe aus Asien)




  Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                     11
Grundbegriffe                                   Eradikation


                                                            Frage 1: Warum konnten die Pocken so “'leicht”
Eradikation:                                                eradiziert werden?
(a) “Ausrottung” eines Erregers                             Frage 2: Können Masern, Röteln, Herpes zoster,

(b) “Ausrottung” einer Krankheit                            HIV, Pest oder Influenza A eradiziert werden?



                                                                                      Beispiele


                                                                        • Pocken (Variola): zuletzt 1977 in
                                                                              Äthiopien; weltweite WHO-
                                                                              Impfprogramme
                                                                        • Polio: eradiziert u.a. in Ghana
                                                                           (2006), Somalia (2008); 1341
                                                                           Fälle in Nigeria Indien & Pakistan
                                                                           (2008). Schweiz: Poliovirus im
                                                                           Trinkwasser (2007)
                                                                        • Masern (WHO-Ziel: 2010)
                                                                        • Malaria (WHO, Ziel: ???)

  Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                                      12
Grundbegriffe                                   Eradikation


                                                            Frage 1: Warum konnten die Pocken so 'leicht'
Eradikation:                                                        eradiziert werden?
(a) “Ausrottung” eines Erregers                             Frage 2: Können Masern, Röteln, Herpes zoster,

(b) “Ausrottung” einer Krankheit                            HIV, Pest oder Influenza A eradiziert werden?




                                                                 Antwort 1:

                                                                 • immer Krankheitsausbruch
                                                                       -> keine persistierenden, latenten Infektionen
                                                                 • (fast) kein Reservoir im Tierreich, keine Vektoren
                                                                 • virale Antigene unveränderlich
                                                                 • Impfung -> langanhaltende Immunität


                                                                 Antwort 2:

                                                                 •   .................................................................




  Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                                                                  13
Grundbegriffe                                    Indexfall, Kontagionsindex




                                                                 Kontagionsindex
                                         Indexfall                       Ansteckungs-
                                                                         wahrscheinlichkeit
   Erster Fall einer Infektion in
   einer suszeptiblen Population

                                                                  q           ???



                                                 suszeptible
                                                 Population
                                        Anfälligkeit für eine
                                        Infektionskrankheit


Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                         14
Grundbegriffe                                    Sekundärfälle, Basisreproduktionszahl R0




Basisreproduktionszahl R0

Die mittlere Zahl von Sekundärfällen, die ein Indexfall
während seiner gesamten infektiösen Periode in einer
Population verursacht.




                                             Indexfall
                                                                   Sekundärfälle
                                                          R0




                                    t1                                   t2


Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                       15
Grundbegriffe                                    Basisreproduktionszahl R0




                                                    Wenn R0 > 1




                        t1                                t2                 t3



Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                             16
Grundbegriffe                                    Basisreproduktionszahl R0


                                                                 Krankheit Hauptübertragungsweg            R0

                                                                 Masern        Luft                12-18
                                                                 Pertussis     Luft, Tröpfchen     12-17
                                                                 Diphtherie    Speichel            6-7
                                                                 Pocken        sozialer Kontakt    5-7
                                                                 Polio         Fäkal-oral          5-7
                                                                 Röteln        Luft                5-7
                                                                 Mumps         Luft                4-7
                                                                 HIV/AIDS      sexueller Kontakt   2-5
                                                                 SARS          Luft, Tröpfchen     2-5
                   Wenn R0 < 1                                   Influenza*    Luft, Tröpfchen     2-3

                                                                 *1918-1920 (Spanische Grippe)




                        t1                                t2                                 t3


Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                                           17
Grundbegriffe                                   'Herd Immunity', Kritische Durchimpfungsrate




                                                          Durchimpfungs-
                                                                         =
                                                              rate p
Ziele:                                                                         +     +
 individuelle Infektionsprophylaxe
 Prävention von Epidemien




Immunisierung                                            Herd(en)immunität         keine Epidemie
                                                           ('herd immunity')


 Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                              18
Inhalt




                                              Einführung
                                                    Grundbegriffe
                                                    Ein Simulationsmodell


                                              'Praktischer Teil' - Modellsimulationen
                                                    Pest
                                                    Meningokokken-Menigitis
                                                    Masern


                                             Schlusswort
                                                    Wie gefährlich ist Impfen?




Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                   19
Grundbegriffe                                    Lebenszyklus einer Infektionskrankheit




Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                     20
Epidemie                                   SIR-Modell

                                                                  Einteilung der Gesamtpopulation (N) in drei
                                                                  Kompartimente (S, I, R)
                                                                  Berechnung der Kompartimentgrößen mittels
                                                                  Differenzialgleichungen (DGL)
                                                                  Kermack and McKendrick, 1927
                          Ansteckungs-
                          wahrscheinlichkeit
                          (Kontagionsindex)
                                                              Prävalenz
                                       Zahl der                                                  Zahl der
       Kontaktrate
                                       Suszeptiblen                                              Infizierten

                                                                                'Removalrate'


                                                     I (t )
                              κ * q * S (t ) *
Suszeptibel (S)                                        N             Infiziert (I)       γ * I (t)       Removed (R)
                                β                                                                         (oder: Resistent)




S(t)                                                               I(t)                                R(t)



                      t                                                              t                                        t
   Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                                                          21
Inhalt




                                              Einführung
                                                    Grundbegriffe
                                                    Ein Simulationsmodell


                                              'Praktischer Teil' - Modellsimulationen
                                                    Pest
                                                    Meningokokken-Menigitis
                                                    Masern


                                             Schlusswort
                                                    Wie gefährlich ist Impfen?




Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                   22
Epidemie                                   Hostorisches Beispiel: Pest in Eyam, 1665

    Praktische Anwendung des SIR-Modells zur
    Beschreibung eines Epidemieverlaufs:

       Pestepidemie in England, 1665
       Stoffballen aus London, Rattenflöhe
       Dorf Eyam: 350 Einwohner
       William Mompesson isolierte das Dorf
       genaue Aufzeichnungen des Epidemieverlaufs
       nur 82 Überlebende

                                                         Zu der Beginn der zweiten
                                                         Epidemiephase lebten noch 261
                                                         Personen, sieben waren bereits
                                                         erkrankt ...

                                                                                 Daten:
                                                                                  Tage     S         I
                                                                                       0       254        7
                                                                                      16       235       16
                                                                                      31       200       22
                                                                                      46       152       28
                                                                                      62       126       21
                                                                                      78       106        6
                                                                                      94        95        8
                                                                                     123        82        1
Bildnachweise: Karte England: http://en.wikipedia.org/wiki/Eyam;
              “Die Pest” von Arnold Böcklin: http://de.wikipedia.org/wiki/Pest
       Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                                  23
Epidemie                                   Hostorisches Beispiel: Pest in Eyam, 1665




                                Warum das Beispiel “Pest”?


                                 Einmalig gut dokumentierte Daten
                                 Eyam war eine komplett isolierte Umgebung
                                  → Verständnis der idealtypischen Dynamik einer Epidemie
                                 (nachher gibt's noch aktuellere Beispiele)




Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                        24
Epidemie                                   Rolle der Pest heute




                                                                                                           Epidemiologie
                                                                                                              2008 Madagaskar: 18 Tote; Uganda: 12
                                                                                                           Tote
                                                                                                              2005 Lungenpest im Kongo, 100 Tote
                                                                                                              1994 Pestepidemie in Indien
                                                                                                              1979 - 1992: > 1500 Todesfälle
                                                                                                               in 21 Ländern (WHO)

Bildnachweise: Präriehund: http://de.wikipedia.org/wiki/Präriehund; Ratte: http://af.wikipedia.org/wiki/Rot;
               Karte: http://de.wikipedia.org/wiki/Pest; Rattenfloh: http://de.wikipedia.org/wiki/Xenopsylla_cheopis.

         Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                                                                     25
Epidemie                                   Modellerweiterung des SIR-Modells




                                                        ?
                                            Erweiterung des Modells ...


  Berücksichtigung von:
     Impfung
     Antibiotika
     Tod durch Infektion → Differenzierung
  von immunen “R” und verstorbenen “R”




                     S                                      I                 R
            (Suszeptibel)                               (Infiziert)       (Resistent)




Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                   26
'SIRD'-Modell                                    Modellerweiterung des SIR-Modells


                                                          Impfung



                  S                     Infekt.              I                         R
        (Suszeptibel)                                    (Infiziert)               (Resistent)




                                                                                       D
                                                                                     (Dead)




   Antibiotika                                                           Impfung

Verkürzung der mittleren Erkrankungsdauer                              entweder: Pfeil S → R
→ Verkleinerung von gamma                                              oder: Veränderung der Anfangswerte
Verringerung der Letalität                                             von S und R



 Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                                      27
SIR-Modell                                   Daten




 Daten:
     Tage                 S             I
             0                254             7
            16                235            16
            31                200            22
            46                152            28
            62                126            21
            78                106             6
            94                 95             8
           123                 82             1




... jeder Erkrankte im Dorf ist an
der Pest gestorben ...

                  => 172 Tote




 Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...    28
SIR-Modell                                   Modellsimluation




Modellparameter:

            β = 0 .1 4 6
            γ = 0 .0 8 8
            S t0 = 2 5 4
            I   t0    = 7
            R    t0   = 0




wenn jeder Erkrankte stirbt
 (Letalität 100%), dann ...

=> 172 Tote (Simulation: 180)



 Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...               29
SIR-Modell                                   Modellanalyse


                                                                              Krankheit Hauptübertragungsweg            R0

                                                                              Masern        Luft                12-18
                                                                              Pertussis     Luft, Tröpfchen     12-17
                                                                              Diphtherie    Speichel            6-7
                                                                              Pocken        sozialer Kontakt    5-7
                                                                              Polio         Fäkal-oral          5-7
Berechnung der mittleren Erkrankungsdauer:                                    Röteln        Luft                5-7
                                                                              Mumps         Luft                4-7
                                                                              HIV/AIDS      sexueller Kontakt   2-5
                                1
                       δ =        = 1 1 .4 T a g e                            SARS
                                                                              Influenza*
                                                                                            Luft, Tröpfchen
                                                                                            Luft, Tröpfchen
                                                                                                                2-5
                                                                                                                2-3
                                γ
                                                                              *1918-1920 (Spanische Grippe)




Berechnung der Basisreproduktionszahl:

                        β = 0 .1 4 6                                  β
                                                          R   0   =     = 1 .6 5
                        γ    = 0 .0 8 8                               γ




  Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                                                      30
SIR-Modell                                   Software


 Simulation
 starten



Modell-
parameter


Simulations-
ergebnis




epidemiologische
Kennzahlen
(nach unten scrollen)




Hinweise
                                                     Aufgabe 1: Bitte führen Sie eine Modellsimulation
                                                          mit den Standardeinstellungen durch.

    Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                                31
SIR-Modell                                   Szenarien ...

                                                                 Therapie der Pest heute

                                                                  Streptomycin (4g, 3g, 2g); Gesamtdosis 30 g
                                                                  Besserung der Symptome n. 3-5 Tagen
                                                                  Fortsetzung Antibiose: > 3 d nach Entfieberung


                                                                 Alternative AB

                                                                  Aminoglykoside (Gentamicin)
   Was denken Sie?                                                Tetracycline (Doxycyclin)
                                                                  Sulfonamide (Trimethoprim-Sulfamethoxazol)
         Angenommen, ...                                          Chloramphenicol



      es hätte 1665 in Eyam Antibiotika gegeben.
      die Hälfte des Dorfes wäre (vor Ausbruch der Krankheit!) geimpft gewesen.
    es hätte Antibiotika gegeben und die Hälfte des Dorfes wäre geimpft
   gewesen.
    es gäbe nur (a) entweder Antibiotika oder (b) die Impfung - welche Option
   würden Sie dann vorschlagen?




Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                                              32
SIR-Modell                                   Szenario 1




                                                                      ?
   Angenommen, es hätte 1665 in Eyam
   Antibiotika gegeben ...


      Modellannahmen:
         mittlere Erkrankungsdauer = 7 Tage
         Letalität unter Antibiose 15%,
      dann ...




       Modellparameter:

                         ???

                  => ??? Infizierte
                  => ??? Tote

gamma = 0.143; letal = 0.15

        Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...             33
SIR-Modell                                   Szenario 1


Angenommen, es hätte 1665 in Eyam
Antibiotika gegeben ...

Modellannahmen:
  mittlere Erkrankungsdauer = 7 Tage
  Letalität unter Antibiose 15%,
dann ...

 Modellparameter:
                 β = 0 .1 4 6
                γ = 0 .1 4 3
                 S   t0    = 254
                 I   t0
                           = 7
                 R    t0   = 0


           => 60 Infizierte
           => 9 Tote


 Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...         34
SIR-Modell                                   Szenario 2




                                                                      ?
     Angenommen, die Hälfte des Dorfes wäre (vor
     Ausbruch der Krankheit!) geimpft gewesen ...


           Modellannahmen:
               mittlere Erkrankungsdauer = 11.4 Tage
               Letalität 100 %
               Durchimpfungsrate p = 50 %
           dann ...




        Modellparameter:


                         ???

                  => ??? Tote

S(t0) = 127; R(t0)=127

        Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...             35
SIR-Modell                                   Szenario 2

Angenommen, die Hälfte des Dorfes wäre (vor
Ausbruch der Krankheit!) geimpft gewesen ...


 Modellannahmen:
   mittlere Erkrankungsdauer = 11.4 Tage
   Letalität 100 %
   Durchimpfungsrate p = 50 %
 dann ...



  Modellparameter:

                β = 0 .1 4 6
               γ = 0 .0 8 8
                S   t0   =127
                I t0 = 7
                R   t0   =127


  => 27 Infizierte/Tote


   Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...         36
SIR-Modell                                   Szenario 3




                                                               ?
Angenommen, es hätte Antibiotika gegeben und
die Hälfte des Dorfes wäre (vor Ausbruch der
Krankheit!) geimpft gewesen ...


Modellannahmen:
  mittlere Erkrankungsdauer = 7 Tage
  Letalität 15 %
  Durchimpfungsrate p = 50 %
dann ...




 Modellparameter:


                  ???

           => ??? Infizierte
           => ??? Tote

 Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...             37
SIR-Modell                                   Szenario 3

Angenommen, es hätte Antibiotika gegeben und die
Hälfte des Dorfes wäre (vor Ausbruch der Krankheit!)
geimpft gewesen ...

Modellannahmen:
  mittlere Erkrankungsdauer = 7 Tage
  Letalität 15 %
  Durchimpfungsrate p = 50 %
dann ...

   Modellparameter:
                  β = 0 .1 4 6
                  γ = 0 .1 4 3
                  S   t0    = 127
                  I   t0    = 7
                  R    t0   = 127

           => 14 Infizierte
           => 2 Tote

   Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...         38
SIR-Modell                                   Modellszenarien


Vergleich der Modellszenarien:


                                                                 M o d e lls im u la t io n e n
                                                          P e s te p id e m ie in E y a m , 1 6 6 5
     1000                                                                                                                   In f i z i e r t e
                         172     172                180       180                                                           T o te
        100                                                                    60
                                                                                                      27     27
                                                                                                                                  14
                                                                                       9
          10
                                                                                                                                                 2

            1


         0 .1
                          D a te n              S i m u la t i o n 1        A n tib io tik a   Im m u n i s i e r u n g         A B +
                                                                                 (A B )              50%                  Im m u n i s i e r u n g
                                                                                                                                50%


  Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                                                                              39
Inhalt




                                              Einführung
                                                    Grundbegriffe
                                                    Ein Simulationsmodell


                                              'Praktischer Teil' - Modellsimulationen
                                                    Pest
                                                    Meningokokken-Menigitis
                                                    Masern


                                             Schlusswort
                                                    Wie gefährlich ist Impfen?




Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                   40
Impfstrategien                                     Outbreak Response Vaccination (ORV)
                                                                                                    Nigeria

         Ärzte ohne Grenzen (MSF):


                                                    Meningokokken-
                                                    meningitis in Nigeria , 2009


                                                                           Situation: 700 dead
                                                                           > 20 000 suspected cases
                                                                            Ziel: 3 Mio. Personen impfen
                                                                           'mass vaccination will reduce number
                                                                          of new infections within 2 weeks'
                                                                           unbehandelt: Letalität 50%,
                                                                           Tod innerhalb von 48 h

           Quelle: http://doctorswithoutborders.org
                                                                            Therapie: AB-Einzeldosis (z.B.
                                                                            Ampicillin+Chloramphenicol)



Bildnachweis Karte: http://de.wikipedia.org/wiki/Nigeria

         Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                                41
Impfstrategien                                     Outbreak Response Vaccination (ORV)
                                                                                                       Nigeria


        Ärzte ohne Grenzen (MSF) in Nigeria , 2009




                                                                      Impfkriterien

                                                                       '[...] vaccinating people between 2 and 30 y of
                                                                      age in the areas most at risk'
                                                                       '[...] areas of Niger, Burkina Faso, Chad,
                                                                      Cameron [...] MSF teams are evaluating the
                                                                      situation and ready to vaccinate, if necessary.'



           Quelle: http://doctorswithoutborders.org




Bildnachweis Karte: http://de.wikipedia.org/wiki/Nigeria

         Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                                           42
Impfstrategien                                   Outbreak Response Vaccination (ORV)




       ORV: Impfen als Intervention bei einer bereits ausgebrochenen Epidemie
       Ziel: Schadenbegrenzung bei Epidemien (v.a. in Entwicklungsländern)




Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                  43
Inhalt




                                              Einführung
                                                    Grundbegriffe
                                                    Ein Simulationsmodell


                                              "Praktischer Teil" - Modellsimulationen
                                                    Pest
                                                    Meningokokken-Menigitis
                                                    Masern


                                             Schlusswort
                                                    Wie gefährlich ist Impfen?




Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                   44
Eradikation                                   Kritische Durchimpfungsrate



Durchimpfungs-
               =
    rate p
                                                  +      +



                              • kritische Durchimpfungsrate pcrit = die p,
                              welche für eine Eradikation notwendig ist
                              • Eradikation nur, wenn: p >= pcrit




           q
                                                                                    1
                                       β                 R0       pcrit = 1 −
                                                                                R       0
           κ                           γ
 Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                      45
Eradikation                                   Kritische Durchimpfungsrate




                                        Eradikation
                                                                 Masern,
                                                   Diphtherie    Pertussis
                                                                             KrankheitR0                     pcrit (in%)
                                       Pocken, Polio, Röteln
                                                                             Masern        12-18             91,6 - 94,4
                                     Mumps                                   Pertussis     12-17             91,6 - 94,1
                                                                             Diphtherie    6-7               83,3 - 85,7
                              HIV, SARS                                      Pocken        5-7               80 - 85,7
                                                                             Polio         5-7               80 - 85,7
                         Influenza                                           Röteln        5-7               80 - 85,7
                                                                             Mumps         4-7               75 - 85,7
                                                                             HIV/AIDS      2-5               50 - 80
                                                                             SARS          2-5               50 - 80
                                                           Persistenz        Influenza*    2-3               50 - 66,7

                     Pest in Eyam                                            *1918-1920 (Spanische Grippe)




Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                                                      46
Endemie                                   Endemisches Gleichgewicht




                                                                             Reduzierung der S
                                                                             durch Infektion
                                                                             Regeneration der S
                                                                             durch Geburten
                                                                             und durch R, die ihre
                                                                             Immunität verlieren
                                                                             erneute Epidemiewelle
                                                                             Einstellung eines
                                                                             Gleichgewichts

Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                           47
'SIR-Geo'-Modell                                    Modellstruktur




Bildnachweis: psiaki (flickr.com)

         Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...             48
'SIR-Geo'-Modell                                  Modellstruktur




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Inhalt




                                              Einführung
                                                    Grundbegriffe
                                                    Ein Simulationsmodell


                                              'Praktischer Teil' - Modellsimulationen
                                                    Pest
                                                    Meningokokken-Menigitis
                                                    Masern


                                             Schlusswort
                                                    Wie gefährlich ist Impfen?




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Impfen                                   Nebenwirkungen



“Ist Impfen gefährlich für mich?”



                                                          Impfreaktionen
                                                           Rötung (postvakzinales Exanthem), Schwellung und
                                                           Druckempfindlichkeit der Injektionsstelle
                                                           Allgemeinsymptome: geringes Fieber, Gelenk- und
                                                           Muskelschmerzen


 Impfschäden
   sind heute extrem selten!
   nach Pocken(Variola)schutzimpfung postvakzinale Enzephalitis
   Nach oraler Poliomyelitis-Schutzimpfung (Sabin): Impfpoliomyelitis in 1:3,3 Mio
   Fällen → Salk-Impfung mit inaktivierten Polioerregern
   Meldepflichtig und entschädigungspflichtig (bei Impfungen, die von einer
   Gesundheitsbehörde empfohlen wurden; § 60 Infektionsschutzgesetz).



  Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                                       51
Relevanz                                   ... für Ärzte


                       “Wofür nützt mir dieses Wissen?”
           Um zu verstehen, ...

              wie Impfpläne entwickelt werden.

              warum Impfprogramme nur sinnvoll sind, wenn sie konsequent
              durchgeführt werden.

              warum es die Meldepflicht gibt.

              Um Medienberichte kritisch bewerten zu können.

              Für ein Verständnis der Ausbreitungsdynamik von
              Infektionen wie AIDS, SARS, Neue Grippe, etc zu entwickeln.

              Zu Verstehen, nach welchen Prinzipien (Simulations)modelle
              entwickelt werden (Medizinische Forschung geht nicht mehr ohne!).

               Für interessante Jobs, z.B. bei Organisationen wie der WHO oder
                Ärzte ohne Grenzen.


Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                             52
Zum weiterlesen...                                 Weblinks & Buchtipps




       www.rki.de                                            www.pei.de       www.p-e-g.de




   www.dgi-net.de                                         www.escmid.org      http://dtg.org




      www.who.int                                         http://unaids.org

  Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                        53
Impfplan




Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...      54
Modellgleichungen




Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...               55
Literaturangaben (Auswahl)

Cliff, A. & Haggett, P.
Time, travel and infection.
Br Med Bull, 2004, 69, 87-99

Colizza, V.; Barrat, A.; Barthélemy, M. & Vespignani, A.
The role of the airline transportation network in the prediction and predictability of global epidemics.
Proc Natl Acad Sci, 2006, 103, 2015-2020

Colizza, V.; Barrat, A.; Barthelemy, M.; Valleron, A.-J. & Vespignani, A.
Modeling the worldwide spread of pandemic influenza: baseline case and containment interventions.
PLoS Med, 2007, 4, e13

Colizza, V. & Vespignani, A.
Epidemic modeling in metapopulation systems with heterogeneous coupling pattern: theory and simulations.
J Theor Biol, 2008, 251, 450-467

Hufnagel, L.; Brockmann, D. & Geisel, T.
Forecast and control of epidemics in a globalized world.
Proc Natl Acad Sci, 2004, 101, 15124-15129

Iwami, S.; Suzuki, T. & Takeuchi, Y.
Paradox of vaccination: is vaccination really effective against avian flu epidemics?
PLoS One, 2009, 4, e4915

Kuo, C.-L. & Fukui, H.
Geographical structures and the cholera epidemic in modern Japan: Fukushima prefecture in 1882 and 1895.
Int J Health Geogr, 2007, 6, 25

Neerinckx, S. B.; Peterson, A. T.; Gulinck, H.; Deckers, J. & Leirs, H.
Geographic distribution and ecological niche of plague in sub-Saharan Africa.
Int J Health Geogr, 2008, 7, 54


   Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                                   56
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                                                                   .




Bildnachweis: Dale Gillard

           Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ...                                 57

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Einführung in die Infektionsepidemiologie

  • 1. Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie - Eine Einführung - Marcus Wetzler, Mai 2012 Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 1
  • 2. License This work is licensed under the Creative Commons Attribution 3.0 Unported License. To view a copy of this license, visit http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/ or send a letter to Creative Commons, 444 Castro Street, Suite 900, Mountain View, California, 94041, USA. Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 2
  • 3. Inhalt Einführung Grundbegriffe Ein Simulationsmodell 'Praktischer Teil' - Modellsimulationen Pest Meningokokken-Menigitis Masern Schlusswort Wie gefährlich ist Impfen? Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 3
  • 4. Relevanz ... für Ärzte “Wofür nützt mir dieses Wissen?” Um zu verstehen, ... wie Impfpläne entwickelt werden. warum Impfprogramme nur sinnvoll sind, wenn sie konsequent durchgeführt werden. warum es die Meldepflicht gibt. Um Medienberichte kritisch bewerten zu können. Für ein Verständnis der Ausbreitungsdynamik von Infektionen wie AIDS, SARS, Neue Grippe, etc zu entwickeln. Zu Verstehen, nach welchen Prinzipien (Simulations)modelle entwickelt werden (Medizinische Forschung geht nicht mehr ohne!). Für interessante Jobs, z.B. bei Organisationen wie der WHO oder Ärzte ohne Grenzen. Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 4
  • 5. Relevanz Infektionsepidemiologie Was ist 'Infektionsepidemiologie'? Infektionskrankheit: durch Erreger oder deren Toxine hervorgerufene Erkrankung. epi = auf/über, demos = Menschen/Volk, logos = Lehre Aspekte: Ziele: Analyse, Beschreibung, Vorhersage von... Ausbreitungsdynamik Verbreitungswegen Prävention! Übertragungsart Intervention! Risikofaktoren Eradikation!? Protektiven Faktoren Vulnerablen Bevölkerungsgruppen Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 5
  • 6. Relevanz Globale Verteilung von Todesursachen I Infektionskrankheiten Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebs Atemwegserkrankungen perinatale, neonatale Ursachen andere Ursachen Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 6
  • 7. Relevanz Infektiöse Genese 'nicht-infektöser' Krankheiten Beispiele: 2005 H. pylori Ulcus ventriculi/duodeni Hepatitis B/C Hepatozelluäres CA 2008 HPV 16/18 Zervix-CA Epstein-Barr- M. Hodgkin, Burkitt-Lymphom Virus HIV u.a. Kaposi-Sarkom, Burkitt-Lymphom Campylobacter Guillain-Barré-Syndrom (jejuni) Chlamydia pneumoniae KHK, Arterosklerose Bildnachweise: Nobelpreis: http://en.wikipedia.org/wiki/Nobel_Prize; Koronare Herzkrankheit: http://en.wikipedia.org/wiki/Angioplasty; Zervixkarzinom: http://de.wikipedia.org/wiki/Zervixkarzinom; Burkitt-Lymphom: http://en.wikipedia.org/wiki/Burkitt's_lymphoma; Hepatozelluläres Karzinom: http://www.hindawi.com/journals/ijhep/2011/489342/; Gastritis: http://en.wikipedia.org/wiki/Gastritis. Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 7
  • 8. Relevanz Globale Verteilung von Todesursachen II ? Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... Infektionskrankheiten Herz-Kreislauf-Erkrankungen Krebs Atemwegserkrankungen perinatale, neonatale Ursachen andere Ursachen 8
  • 9. Grundbegriffe Epidemie Epidemie: zeitliche und örtliche Häufung einer Infektionskrankheit innerhalb einer Population... Beispiele aus Deutschland 2007 • Hantavirus (n=1687) • Norovirus (n>200.000) 2006 • Masern (NRW) (n>1100) 2005 • Masern (Hessen) (n=223, bis Mai) • Masern (Bayern) (n=279, bis Juli) Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 9
  • 10. Grundbegriffe Endemie Endemie: dauerhaft gehäuftes Auftreten einer Infektionskrankheit in einem begrenzten Gebiet ... Beispiele • Meningokokken-Meningitis: südlich der Sahara • Borreliose: Süddeutschland • Leishmaniose (viszerale): u.a. in Indien, Bangladesh, Brasilien • Malaria: u.a. in Tansania, Kenia und Uganda Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 10
  • 11. Grundbegriffe Pandemie Pandemie: Länder- und kontinentübergreifende Ausbreitung einer Infektionskrankheit... Beispiele AIDS SARS (Flugtourismus) Spanische Grippe, 1918-1920 Pest (v.a. 13. - 17. JH, Handelsschiffe aus Asien) Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 11
  • 12. Grundbegriffe Eradikation Frage 1: Warum konnten die Pocken so “'leicht” Eradikation: eradiziert werden? (a) “Ausrottung” eines Erregers Frage 2: Können Masern, Röteln, Herpes zoster, (b) “Ausrottung” einer Krankheit HIV, Pest oder Influenza A eradiziert werden? Beispiele • Pocken (Variola): zuletzt 1977 in Äthiopien; weltweite WHO- Impfprogramme • Polio: eradiziert u.a. in Ghana (2006), Somalia (2008); 1341 Fälle in Nigeria Indien & Pakistan (2008). Schweiz: Poliovirus im Trinkwasser (2007) • Masern (WHO-Ziel: 2010) • Malaria (WHO, Ziel: ???) Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 12
  • 13. Grundbegriffe Eradikation Frage 1: Warum konnten die Pocken so 'leicht' Eradikation: eradiziert werden? (a) “Ausrottung” eines Erregers Frage 2: Können Masern, Röteln, Herpes zoster, (b) “Ausrottung” einer Krankheit HIV, Pest oder Influenza A eradiziert werden? Antwort 1: • immer Krankheitsausbruch -> keine persistierenden, latenten Infektionen • (fast) kein Reservoir im Tierreich, keine Vektoren • virale Antigene unveränderlich • Impfung -> langanhaltende Immunität Antwort 2: • ................................................................. Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 13
  • 14. Grundbegriffe Indexfall, Kontagionsindex Kontagionsindex Indexfall Ansteckungs- wahrscheinlichkeit Erster Fall einer Infektion in einer suszeptiblen Population q ??? suszeptible Population Anfälligkeit für eine Infektionskrankheit Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 14
  • 15. Grundbegriffe Sekundärfälle, Basisreproduktionszahl R0 Basisreproduktionszahl R0 Die mittlere Zahl von Sekundärfällen, die ein Indexfall während seiner gesamten infektiösen Periode in einer Population verursacht. Indexfall Sekundärfälle R0 t1 t2 Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 15
  • 16. Grundbegriffe Basisreproduktionszahl R0 Wenn R0 > 1 t1 t2 t3 Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 16
  • 17. Grundbegriffe Basisreproduktionszahl R0 Krankheit Hauptübertragungsweg R0 Masern Luft 12-18 Pertussis Luft, Tröpfchen 12-17 Diphtherie Speichel 6-7 Pocken sozialer Kontakt 5-7 Polio Fäkal-oral 5-7 Röteln Luft 5-7 Mumps Luft 4-7 HIV/AIDS sexueller Kontakt 2-5 SARS Luft, Tröpfchen 2-5 Wenn R0 < 1 Influenza* Luft, Tröpfchen 2-3 *1918-1920 (Spanische Grippe) t1 t2 t3 Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 17
  • 18. Grundbegriffe 'Herd Immunity', Kritische Durchimpfungsrate Durchimpfungs- = rate p Ziele: + + individuelle Infektionsprophylaxe Prävention von Epidemien Immunisierung Herd(en)immunität keine Epidemie ('herd immunity') Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 18
  • 19. Inhalt Einführung Grundbegriffe Ein Simulationsmodell 'Praktischer Teil' - Modellsimulationen Pest Meningokokken-Menigitis Masern Schlusswort Wie gefährlich ist Impfen? Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 19
  • 20. Grundbegriffe Lebenszyklus einer Infektionskrankheit Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 20
  • 21. Epidemie SIR-Modell Einteilung der Gesamtpopulation (N) in drei Kompartimente (S, I, R) Berechnung der Kompartimentgrößen mittels Differenzialgleichungen (DGL) Kermack and McKendrick, 1927 Ansteckungs- wahrscheinlichkeit (Kontagionsindex) Prävalenz Zahl der Zahl der Kontaktrate Suszeptiblen Infizierten 'Removalrate' I (t ) κ * q * S (t ) * Suszeptibel (S) N Infiziert (I) γ * I (t) Removed (R) β (oder: Resistent) S(t) I(t) R(t) t t t Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 21
  • 22. Inhalt Einführung Grundbegriffe Ein Simulationsmodell 'Praktischer Teil' - Modellsimulationen Pest Meningokokken-Menigitis Masern Schlusswort Wie gefährlich ist Impfen? Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 22
  • 23. Epidemie Hostorisches Beispiel: Pest in Eyam, 1665 Praktische Anwendung des SIR-Modells zur Beschreibung eines Epidemieverlaufs: Pestepidemie in England, 1665 Stoffballen aus London, Rattenflöhe Dorf Eyam: 350 Einwohner William Mompesson isolierte das Dorf genaue Aufzeichnungen des Epidemieverlaufs nur 82 Überlebende Zu der Beginn der zweiten Epidemiephase lebten noch 261 Personen, sieben waren bereits erkrankt ... Daten: Tage S I 0 254 7 16 235 16 31 200 22 46 152 28 62 126 21 78 106 6 94 95 8 123 82 1 Bildnachweise: Karte England: http://en.wikipedia.org/wiki/Eyam; “Die Pest” von Arnold Böcklin: http://de.wikipedia.org/wiki/Pest Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 23
  • 24. Epidemie Hostorisches Beispiel: Pest in Eyam, 1665 Warum das Beispiel “Pest”? Einmalig gut dokumentierte Daten Eyam war eine komplett isolierte Umgebung → Verständnis der idealtypischen Dynamik einer Epidemie (nachher gibt's noch aktuellere Beispiele) Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 24
  • 25. Epidemie Rolle der Pest heute Epidemiologie 2008 Madagaskar: 18 Tote; Uganda: 12 Tote 2005 Lungenpest im Kongo, 100 Tote 1994 Pestepidemie in Indien 1979 - 1992: > 1500 Todesfälle in 21 Ländern (WHO) Bildnachweise: Präriehund: http://de.wikipedia.org/wiki/Präriehund; Ratte: http://af.wikipedia.org/wiki/Rot; Karte: http://de.wikipedia.org/wiki/Pest; Rattenfloh: http://de.wikipedia.org/wiki/Xenopsylla_cheopis. Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 25
  • 26. Epidemie Modellerweiterung des SIR-Modells ? Erweiterung des Modells ... Berücksichtigung von: Impfung Antibiotika Tod durch Infektion → Differenzierung von immunen “R” und verstorbenen “R” S I R (Suszeptibel) (Infiziert) (Resistent) Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 26
  • 27. 'SIRD'-Modell Modellerweiterung des SIR-Modells Impfung S Infekt. I R (Suszeptibel) (Infiziert) (Resistent) D (Dead) Antibiotika Impfung Verkürzung der mittleren Erkrankungsdauer entweder: Pfeil S → R → Verkleinerung von gamma oder: Veränderung der Anfangswerte Verringerung der Letalität von S und R Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 27
  • 28. SIR-Modell Daten Daten: Tage S I 0 254 7 16 235 16 31 200 22 46 152 28 62 126 21 78 106 6 94 95 8 123 82 1 ... jeder Erkrankte im Dorf ist an der Pest gestorben ... => 172 Tote Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 28
  • 29. SIR-Modell Modellsimluation Modellparameter: β = 0 .1 4 6 γ = 0 .0 8 8 S t0 = 2 5 4 I t0 = 7 R t0 = 0 wenn jeder Erkrankte stirbt (Letalität 100%), dann ... => 172 Tote (Simulation: 180) Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 29
  • 30. SIR-Modell Modellanalyse Krankheit Hauptübertragungsweg R0 Masern Luft 12-18 Pertussis Luft, Tröpfchen 12-17 Diphtherie Speichel 6-7 Pocken sozialer Kontakt 5-7 Polio Fäkal-oral 5-7 Berechnung der mittleren Erkrankungsdauer: Röteln Luft 5-7 Mumps Luft 4-7 HIV/AIDS sexueller Kontakt 2-5 1 δ = = 1 1 .4 T a g e SARS Influenza* Luft, Tröpfchen Luft, Tröpfchen 2-5 2-3 γ *1918-1920 (Spanische Grippe) Berechnung der Basisreproduktionszahl: β = 0 .1 4 6 β R 0 = = 1 .6 5 γ = 0 .0 8 8 γ Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 30
  • 31. SIR-Modell Software Simulation starten Modell- parameter Simulations- ergebnis epidemiologische Kennzahlen (nach unten scrollen) Hinweise Aufgabe 1: Bitte führen Sie eine Modellsimulation mit den Standardeinstellungen durch. Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 31
  • 32. SIR-Modell Szenarien ... Therapie der Pest heute Streptomycin (4g, 3g, 2g); Gesamtdosis 30 g Besserung der Symptome n. 3-5 Tagen Fortsetzung Antibiose: > 3 d nach Entfieberung Alternative AB Aminoglykoside (Gentamicin) Was denken Sie? Tetracycline (Doxycyclin) Sulfonamide (Trimethoprim-Sulfamethoxazol) Angenommen, ... Chloramphenicol es hätte 1665 in Eyam Antibiotika gegeben. die Hälfte des Dorfes wäre (vor Ausbruch der Krankheit!) geimpft gewesen. es hätte Antibiotika gegeben und die Hälfte des Dorfes wäre geimpft gewesen. es gäbe nur (a) entweder Antibiotika oder (b) die Impfung - welche Option würden Sie dann vorschlagen? Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 32
  • 33. SIR-Modell Szenario 1 ? Angenommen, es hätte 1665 in Eyam Antibiotika gegeben ... Modellannahmen: mittlere Erkrankungsdauer = 7 Tage Letalität unter Antibiose 15%, dann ... Modellparameter: ??? => ??? Infizierte => ??? Tote gamma = 0.143; letal = 0.15 Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 33
  • 34. SIR-Modell Szenario 1 Angenommen, es hätte 1665 in Eyam Antibiotika gegeben ... Modellannahmen: mittlere Erkrankungsdauer = 7 Tage Letalität unter Antibiose 15%, dann ... Modellparameter: β = 0 .1 4 6 γ = 0 .1 4 3 S t0 = 254 I t0 = 7 R t0 = 0 => 60 Infizierte => 9 Tote Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 34
  • 35. SIR-Modell Szenario 2 ? Angenommen, die Hälfte des Dorfes wäre (vor Ausbruch der Krankheit!) geimpft gewesen ... Modellannahmen: mittlere Erkrankungsdauer = 11.4 Tage Letalität 100 % Durchimpfungsrate p = 50 % dann ... Modellparameter: ??? => ??? Tote S(t0) = 127; R(t0)=127 Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 35
  • 36. SIR-Modell Szenario 2 Angenommen, die Hälfte des Dorfes wäre (vor Ausbruch der Krankheit!) geimpft gewesen ... Modellannahmen: mittlere Erkrankungsdauer = 11.4 Tage Letalität 100 % Durchimpfungsrate p = 50 % dann ... Modellparameter: β = 0 .1 4 6 γ = 0 .0 8 8 S t0 =127 I t0 = 7 R t0 =127 => 27 Infizierte/Tote Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 36
  • 37. SIR-Modell Szenario 3 ? Angenommen, es hätte Antibiotika gegeben und die Hälfte des Dorfes wäre (vor Ausbruch der Krankheit!) geimpft gewesen ... Modellannahmen: mittlere Erkrankungsdauer = 7 Tage Letalität 15 % Durchimpfungsrate p = 50 % dann ... Modellparameter: ??? => ??? Infizierte => ??? Tote Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 37
  • 38. SIR-Modell Szenario 3 Angenommen, es hätte Antibiotika gegeben und die Hälfte des Dorfes wäre (vor Ausbruch der Krankheit!) geimpft gewesen ... Modellannahmen: mittlere Erkrankungsdauer = 7 Tage Letalität 15 % Durchimpfungsrate p = 50 % dann ... Modellparameter: β = 0 .1 4 6 γ = 0 .1 4 3 S t0 = 127 I t0 = 7 R t0 = 127 => 14 Infizierte => 2 Tote Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 38
  • 39. SIR-Modell Modellszenarien Vergleich der Modellszenarien: M o d e lls im u la t io n e n P e s te p id e m ie in E y a m , 1 6 6 5 1000 In f i z i e r t e 172 172 180 180 T o te 100 60 27 27 14 9 10 2 1 0 .1 D a te n S i m u la t i o n 1 A n tib io tik a Im m u n i s i e r u n g A B + (A B ) 50% Im m u n i s i e r u n g 50% Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 39
  • 40. Inhalt Einführung Grundbegriffe Ein Simulationsmodell 'Praktischer Teil' - Modellsimulationen Pest Meningokokken-Menigitis Masern Schlusswort Wie gefährlich ist Impfen? Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 40
  • 41. Impfstrategien Outbreak Response Vaccination (ORV) Nigeria Ärzte ohne Grenzen (MSF): Meningokokken- meningitis in Nigeria , 2009 Situation: 700 dead > 20 000 suspected cases Ziel: 3 Mio. Personen impfen 'mass vaccination will reduce number of new infections within 2 weeks' unbehandelt: Letalität 50%, Tod innerhalb von 48 h Quelle: http://doctorswithoutborders.org Therapie: AB-Einzeldosis (z.B. Ampicillin+Chloramphenicol) Bildnachweis Karte: http://de.wikipedia.org/wiki/Nigeria Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 41
  • 42. Impfstrategien Outbreak Response Vaccination (ORV) Nigeria Ärzte ohne Grenzen (MSF) in Nigeria , 2009 Impfkriterien '[...] vaccinating people between 2 and 30 y of age in the areas most at risk' '[...] areas of Niger, Burkina Faso, Chad, Cameron [...] MSF teams are evaluating the situation and ready to vaccinate, if necessary.' Quelle: http://doctorswithoutborders.org Bildnachweis Karte: http://de.wikipedia.org/wiki/Nigeria Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 42
  • 43. Impfstrategien Outbreak Response Vaccination (ORV) ORV: Impfen als Intervention bei einer bereits ausgebrochenen Epidemie Ziel: Schadenbegrenzung bei Epidemien (v.a. in Entwicklungsländern) Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 43
  • 44. Inhalt Einführung Grundbegriffe Ein Simulationsmodell "Praktischer Teil" - Modellsimulationen Pest Meningokokken-Menigitis Masern Schlusswort Wie gefährlich ist Impfen? Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 44
  • 45. Eradikation Kritische Durchimpfungsrate Durchimpfungs- = rate p + + • kritische Durchimpfungsrate pcrit = die p, welche für eine Eradikation notwendig ist • Eradikation nur, wenn: p >= pcrit q 1 β R0 pcrit = 1 − R 0 κ γ Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 45
  • 46. Eradikation Kritische Durchimpfungsrate Eradikation Masern, Diphtherie Pertussis KrankheitR0 pcrit (in%) Pocken, Polio, Röteln Masern 12-18 91,6 - 94,4 Mumps Pertussis 12-17 91,6 - 94,1 Diphtherie 6-7 83,3 - 85,7 HIV, SARS Pocken 5-7 80 - 85,7 Polio 5-7 80 - 85,7 Influenza Röteln 5-7 80 - 85,7 Mumps 4-7 75 - 85,7 HIV/AIDS 2-5 50 - 80 SARS 2-5 50 - 80 Persistenz Influenza* 2-3 50 - 66,7 Pest in Eyam *1918-1920 (Spanische Grippe) Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 46
  • 47. Endemie Endemisches Gleichgewicht Reduzierung der S durch Infektion Regeneration der S durch Geburten und durch R, die ihre Immunität verlieren erneute Epidemiewelle Einstellung eines Gleichgewichts Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 47
  • 48. 'SIR-Geo'-Modell Modellstruktur Bildnachweis: psiaki (flickr.com) Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 48
  • 49. 'SIR-Geo'-Modell Modellstruktur Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 49
  • 50. Inhalt Einführung Grundbegriffe Ein Simulationsmodell 'Praktischer Teil' - Modellsimulationen Pest Meningokokken-Menigitis Masern Schlusswort Wie gefährlich ist Impfen? Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 50
  • 51. Impfen Nebenwirkungen “Ist Impfen gefährlich für mich?” Impfreaktionen Rötung (postvakzinales Exanthem), Schwellung und Druckempfindlichkeit der Injektionsstelle Allgemeinsymptome: geringes Fieber, Gelenk- und Muskelschmerzen Impfschäden sind heute extrem selten! nach Pocken(Variola)schutzimpfung postvakzinale Enzephalitis Nach oraler Poliomyelitis-Schutzimpfung (Sabin): Impfpoliomyelitis in 1:3,3 Mio Fällen → Salk-Impfung mit inaktivierten Polioerregern Meldepflichtig und entschädigungspflichtig (bei Impfungen, die von einer Gesundheitsbehörde empfohlen wurden; § 60 Infektionsschutzgesetz). Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 51
  • 52. Relevanz ... für Ärzte “Wofür nützt mir dieses Wissen?” Um zu verstehen, ... wie Impfpläne entwickelt werden. warum Impfprogramme nur sinnvoll sind, wenn sie konsequent durchgeführt werden. warum es die Meldepflicht gibt. Um Medienberichte kritisch bewerten zu können. Für ein Verständnis der Ausbreitungsdynamik von Infektionen wie AIDS, SARS, Neue Grippe, etc zu entwickeln. Zu Verstehen, nach welchen Prinzipien (Simulations)modelle entwickelt werden (Medizinische Forschung geht nicht mehr ohne!). Für interessante Jobs, z.B. bei Organisationen wie der WHO oder Ärzte ohne Grenzen. Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 52
  • 53. Zum weiterlesen... Weblinks & Buchtipps www.rki.de www.pei.de www.p-e-g.de www.dgi-net.de www.escmid.org http://dtg.org www.who.int http://unaids.org Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 53
  • 54. Impfplan Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 54
  • 55. Modellgleichungen Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 55
  • 56. Literaturangaben (Auswahl) Cliff, A. & Haggett, P. Time, travel and infection. Br Med Bull, 2004, 69, 87-99 Colizza, V.; Barrat, A.; Barthélemy, M. & Vespignani, A. The role of the airline transportation network in the prediction and predictability of global epidemics. Proc Natl Acad Sci, 2006, 103, 2015-2020 Colizza, V.; Barrat, A.; Barthelemy, M.; Valleron, A.-J. & Vespignani, A. Modeling the worldwide spread of pandemic influenza: baseline case and containment interventions. PLoS Med, 2007, 4, e13 Colizza, V. & Vespignani, A. Epidemic modeling in metapopulation systems with heterogeneous coupling pattern: theory and simulations. J Theor Biol, 2008, 251, 450-467 Hufnagel, L.; Brockmann, D. & Geisel, T. Forecast and control of epidemics in a globalized world. Proc Natl Acad Sci, 2004, 101, 15124-15129 Iwami, S.; Suzuki, T. & Takeuchi, Y. Paradox of vaccination: is vaccination really effective against avian flu epidemics? PLoS One, 2009, 4, e4915 Kuo, C.-L. & Fukui, H. Geographical structures and the cholera epidemic in modern Japan: Fukushima prefecture in 1882 and 1895. Int J Health Geogr, 2007, 6, 25 Neerinckx, S. B.; Peterson, A. T.; Gulinck, H.; Deckers, J. & Leirs, H. Geographic distribution and ecological niche of plague in sub-Saharan Africa. Int J Health Geogr, 2008, 7, 54 Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 56
  • 57. Kontakt www.mindfulmess.com/contact twitter.com/@MarcusWetzler . Bildnachweis: Dale Gillard Simulationsmodelle in der Infektionsepidemiologie ... 57