1. P ra x i s B ra n d s c haden
Brennendes Problem
Schadhafte BP-Module können Feuer entfachen
PHOTON wurden Fälle bekannt, in
denen Module des Herstellers BP Solar
Brandschäden im Bereich der An-
schlussdose zeigen. In einem Fall wur-
de auch das Holz der Dachunterkon-
struktion angekohlt. Die Ursache und
der gesamte Umfang des Problems
sind derzeit nicht eindeutig geklärt.
Obwohl Menschenleben in Gefahr sein
könnten, will sich BP zunächst Gewiss-
heit über die Hintergründe verschaf-
fen, bevor die Firma eine Empfehlung
Osmer Solartechnik GmbH (2)
für betroffene Anlagenbetreiber
abgibt. Solange sollten diese
aus Sicht von PHOTON aber Dieses Modul könnte eine Lawine auslösen: Der Dosen-
nicht warten, sondern mit brand erreichte Temperaturen, die Holz verkohlen ließen.
ihren Installateuren Kontakt artige Anlagen vorsorglich abzuschalten,
aufnehmen, die Systeme kon- würde man unterstützen. Eine generelle
Empfehlung, Anlagen mit diesen Modul-
trollieren und gegebenenfalls typen vom Netz zu nehmen, werde man je-
vorsorglich abschalten. doch nicht geben. Begründung: Es handele
sich um einen Einzelfall, dessen Ursachen
nun gründlich untersucht würden, bevor
A m 7. Juli riss Klaus-Dieter
Osmer der Geduldsfaden:
Seit Jahren weiß der Geschäfts-
das Unternehmen eine weitere Erklärung
abgebe. Die Sicherheit der Anlagen und Be-
treiber stehe für BP im Vordergrund, gibt
führer der SEN Solare Energiesysteme Nord Der auf den Fotos dokumentierte Schaden das Unternehmen in einem Schreiben
Vertriebsgesellschaft mbH von »Bränden sei der bisher schwerste, ein vergleichbarer an PHOTON zu verstehen: »Aus diesem
von Modulen und auch einem Dachstuhl- Fall wie bei dieser Indachanlage sei – Gott Grund nehmen wir jede Reklamation sehr
brand.« Auch der betroffene Modulherstel- sein dank – noch nicht eingetreten. Aber ernst und reagieren prompt, wenn wir um
ler wisse seit drei Jahren Bescheid, wolle jetzt reiche es ihm: »Wir treten hier eine Hilfe gebeten werden.« Ein Expertenteam
sich jetzt aber aus der Affäre ziehen. Osmer Riesenlawine los.« versuche zurzeit, der Sache auf den Grund
weiß nicht weiter – und wendet sich an die Binnen weniger Stunden reagierte zu gehen.
Presse. PHOTON erhielt Fallbeschreibun- dann der derart gescholtene Modulher-
gen und Bilder mit beunruhigendem In- steller: Vertreter von BP Solar Deutschland Umfang des Problems
halt: Ein Modul einer Indachanlage hatte erschienen auf dem Betriebsgelände des Doch das Problem dürfte deutlich größe-
sich im Bereich der Anschlussdose so stark Installateurs und nahmen das zerstörte re Ausmaße haben. Die Erfahrungen meh-
überhitzt, dass die Dose abschmolz, das Modul für eine Prüfung durch ein un- rerer Unternehmen legen derzeit die Ver-
Modul weiträumig zerstört und die darun- abhängiges Institut entgegen. Man habe mutung nahe, dass es sich bei dem von SEN
ter liegenden Dachlatten verkohlt worden »Verständnis dafür, dass in Bezug auf dach- beschriebenen Modulproblem nicht um
sind. Der Schaden ging von einem Modul integrierte Photovoltaikanlagen, in denen einen Einzelfall handelt, sondern vielmehr
des Typs BP 380L aus. Osmer kennt meh- BP 380L-Laminate verwendet wurden, im Fertigungszeitraum 2002/2003 Produk-
rere Anlagen, die betroffen sind, unter an- eine gewissen Besorgnis besteht,« erklärt tionsfehler ein systematisches Problem im
derem seine eigene. Inzwischen würde ihn BP-Sprecherin Nicole Anderson in einer Bereich der Anschlussdose verursacht ha-
einer seiner Kunden verklagen: »Ich halte anschließenden Stellungnahme zu dem ben. PHOTON hat durch Gespräche mit
für BP schon seit drei Jahren den Kopf hin.« Fall. Die Entscheidung von SEN, gleich- betroffenen Unternehmen in Deutschland
104 PHOTON August 2006
2. »
und der Schweiz Kenntnis von sechs Anla- kation. Es ist notwendig aufzuzeigen, wie
gen – auf Wohnhäusern, aber auch großen in solchen Fällen professionell vorgegan-
Nutzgebäuden – erhalten, in denen Module gen werden sollte und anderen Betreibern
Brandschäden zeigen. einen Hinweis zu geben, dass potenziell
Die Dosenbrände traten in verschiede- Brandgefahr besteht!«
nen Leistungsklassen auf, bei gerahmten Angesprochen auf die Vorfälle in der
wie ungerahmten Modulen, mit mono- Schweiz verweist BP-Sprecherin Nicole
und auch polykristallinen Zellen. So wa- Anderson auf laufende Untersuchungen:
ren die Typen BP 380 L, BP 580 und 585 »Wir müssen prüfen, ob es sich um ein Si-
sowie BP 5165 betroffen. In einer 2003 cherheitsproblem handelt.« Warum weiß
von der Activ Solar Energietechnik GmbH BP über ein halbes Jahr nach den von Ene-
aus Friedelsheim installierten Anlage mit colo und Edisun gegebenen Informationen
5.000 Modulen kam es bei 30 bis 40 Mo- noch nicht, ob es sich um ein Sicherheits-
dulen zum Ausfall, die Edisun Power Eu- problem handelt? Wieso ist BP nach so vie-
rope AG hat von drei Modulen aus 800 zu len Monaten in seiner Ursachenforschung
berichten. Rechnet man aus den wenigen nicht weiter? Die auffällig gewordenen An-
vorliegenden Fällen hoch, ergäbe sich ein lagen befinden sich zum Teil auf Wohn-
Anteil schadhafter Module von gut einem häusern, augenscheinlich identische Schä-
halben Prozent: Eine vierstellige Zahl von den von anderen Anlagen unterstützen die
BP-Modulen mit brandgefährlichem Kon- Vermutung, es mit einem Produktfehler zu
taktfehler wäre demnach in Umlauf. tun zu haben. Und wieso hat BP in diesen
Fällen nicht so schnell gehandelt hat wie
BP reagiert nur zögerlich am 7. Juli in Norddeutschland?
Rätselhaft bleibt die Informationspoli- Die Stellungnahmen seitens BP Solar
tik seitens BP Solar. Während das Unter- in Hamburg enthalten hierzu keinen Er-
nehmen sich auf den Standpunkt stellt, der klärungsansatz. Der Aussage, erst diesen
Vorfall von Anfang Juli sei einzigartig und Monat auf das Problem gestoßen zu sein,
entsprechend rasch behandelt worden, sa- widersprechen auch Antworten auf die
gen die befragten Kunden, sie hätten BP Kundenbeschwerden von BP Madrid vom
über einen längeren Zeitraum wiederholt September und November 2005, wonach
auf das Problem aufmerksam gemacht. So die Module Probleme mit der Anschlussdo-
berichtet Osmer, man habe bereits 2004 se haben, die auf mangelhafte Lötkontakte
Bilder von verschmorten Modulen an das zurückzuführen seien. Interne »Kommuni-
für Kundendienst zuständige Büro der BP kationsprobleme« bei BP vermutet Togg-
Solar in Madrid geschickt. Auch Bernd Dus- weiler deshalb. Bernd Dussel fürchtet, BP
sel von Activ Solar erinnert sich, schon früh verdränge das Problem schlicht. »Zu viele
die BP-Niederlassungen in Hamburg und Personalwechsel« erklärt sich Robert Kröni
Madrid informiert zu haben: »Man kann das Verhalten von BP Solar. So ist auch der
ganz klar sagen, dass BP schon 2005 von in der deutschen Niederlassung für Rekla-
brennenden Anschlussdosen gewusst hat.« mationen zuständige Mitarbeiter Marcel
Die betroffenen Schweizer Unternehmen de Vos erst seit kurzem dabei und bestätigt
bestätigen ebenfalls den zeitlichen Verlauf: Krönis und Toggweilers Vermutungen mit
Bereits im November 2005, so Peter Togg- dem Bekenntnis: »Ich kenne nur den ak-
weiler vom Ingenieurbüro Enecolo, habe tuellen Fall.«
man BP über durchgebrannte Dosen infor-
miert und mehrfach ausdrücklich nachge- Fehlerhafte Lötkontakte
fragt, ob BP den weiteren Betrieb der An- Während BP Solar ein für die Instal-
lagen unterstützt oder zum Abschalten rät lateure altbekanntes Problem noch ein-
– ohne klare Auskunft zu erhalten. »Als gehend analysieren will, scheint jenen
wir nicht mehr weiter wussten, haben wir schon klarer, wie es zu den beklagten Do-
jede BP-Stelle angemailt, die uns bekannt senbränden kommen konnte. Die Vermu-
war«, sagt Robert Kröni von der Edisun Po- tungen gehen dahin, dass der von BP Solar
wer AG, die eng mit Enecolo zusammen- in Madrid eingestandene Fehler in der Löt-
arbeitet. »Bei den Schweizer Anlagen war stelle in der Anschlussdose liegt und hier
unter den durchgebrannten Stellen eine der Übergangswiderstand erhöht wird. Bei
brandhemmende Folie, zum Glück für die hinreichend hoher Sonneneinstrahlung
Dachlatten«, berichtet Kröni. Das Verhal- erhitzt sich die Stelle so stark, dass sich
ten von BP hält er für absolut fahrlässig. der Kontakt löst und dabei einen Licht-
Auch Toggweiler fehlt inzwischen für die bogen zieht. Je nachdem wie lange dieser
hinhaltenden Reaktionen jedes Verständ- bestehen bleibt, gibt das Modul entweder
nis: »BP betreibt keine offene Kommuni- schnell den Dienst auf oder liefert solange
PHOTON August 2006 105
3. P ra x i s ıı
Strom weiter, bis die Anschlussdose abge-
schmolzen ist.
Offenbar verschlimmert die 2003 neu
eingeführte vergossene Anschlussdose das
Problem, da die Gussmasse ein schnel-
activ solar Bernd Dussel u. Stefan Siekmann GdbR (2)
les Aufspringen des Kontakts verhindern
kann. Dieser Mechanismus würde erklä-
ren, warum ein weites Schadensspektrum
von braunen Stellen und gesprungenem
Glas über schwarz verkohlte Module bis
hin zu angekohlten Holzunterlagen zu se-
hen ist. Es hängt alles davon ab, wie schnell
der Lichtbogen abreißt. Und es würde auch Kein Einzelfall: Mehrere Anlagen in Deutschland waren mit Modulen bestückt, die einen Dosenbrand erlebten.
erklären, warum der Fehler unabhängig
vom Zelltyp auftritt und sowohl gerahm-
te wie rahmenlose Module betroffen sind:
»Es ist eben das gleiche Element mangel-
haft gelötet worden«, lautet Krönis Fazit.
Die betroffenen BP-Kunden vermuten
ein Serienproblem. »Das entsteht durch
fehlerhafte Handarbeit in der Fertigung«,
sind die Schweizer überzeugt, »die meisten
Edisun Power Europe AG (2)
Modulfehler sind triviale Fehler.«
Auf eigene Faust
Eine besondere Brisanz erhält das Pro-
blem, da sowohl die betroffenen deutschen Probleme auch in der Schweiz: BP-Modul mit geplatzter Front, ein weiteres mit Dosenbrand.
wie auch die Schweizer Unternehmen An-
lagen für Betreibergesellschaften errichten, nimmt – sofern ein Gutachten ergibt, dass könnte«, heißt es in der Stellungnahme zu
die fremde Dachflächen anmieten um dar- die Anlagen entsprechend den Richtlinien dem von SEN am 7. Juli an die Öffentlich-
auf ihre Anlagen zu installieren. So arbei- von BP errichtet worden sind. Die Betrei- keit gebrachten Fall.
tet Activ Solar im Auftrag der Tauber Solar ber sind sich sicher, alles Mögliche für die Dennoch konnte BP Solar Deutschland
GmbH aus Tauberbischofsheim, die unter Sicherheit getan zu haben. BP scheint sich bis zum Redaktionsschluss am 16. Juli kei-
anderem die bereits auffällig gewordene sicher, dass dies gar nicht nötig war – nur ne Aussage dazu treffen, ob ein grundsätz-
454-kW-Anlage auf der Kompostieranlage die Gebäudeeigentümer bleiben merkwür- liches Problem mit einem Teil seiner Pro-
Guggenberg betreibt. Auch die Schweizer dig außen vor. Bislang habe man diese dukte vorliegt, welche Seriennummern
Edisun verdient ihr Geld mit der Finanzie- noch nicht informiert, gibt Kröni zu: »Wir davon gegebenenfalls betroffen sind und
rung und dem Betrieb von Solarkraftwer- haben ja alle Vorkehrungen getroffen. Ich wie Anlagenbetreiber sich verhalten sol-
ken, die sie auf zur Verfügung gestellten glaube, wir haben die Anlagen sicherheits- len. »Von den seit 2002 rund 1,5 Millio-
Dächern errichtet. Mit dem Planungspart- mäßig im Griff, so dass wir verantworten nen gefertigten Modulen wiesen unseren
ner Enecolo hatte sie sich angesichts der können, sie weiter zu betreiben.« Und: Erkenntnissen nach nur 0,003 Prozent ein
Probleme mit BP-Modulen entschlossen, »Das Dümmste, was uns passieren kann, Problem im Bereich der Anschlussdose
ihre betroffenen Anlagen abzuschalten ist, dass ein Gebäudeeigentümer sagt: Run- auf«, umreißt Marcel de Vos, der neue Ver-
und auf eigene Rechnung Brandschutz- ter mit dem Zeug.« Zwar befürchtet auch antwortliche in Hamburg, seinen Kennt-
maßnahmen zu treffen. »Wir haben die Toggweiler, dass durch das Bekanntwerden nisstand zu diesem Zeitpunkt. Diese Rate
Verantwortung für die Gebäudeeigentü- der Fälle insbesondere dachintegrierte An- rechtfertige nicht, von einem systemati-
mer«, erklärt Kröni. Sämtliche Anschluss- lagen noch seltener würden, es ist ihm aber schen Fehler zu sprechen. Es werde aber
dosen sind nun mit feuerfestem Material wichtiger, »dass die Branchenleader zu ei- alles daran gesetzt, diese Frage zweifelsfrei
hinterlegt. So könne dem Dach nichts ge- nem kooperativen und sachgerechten Vor- aufzuklären. Spekulieren wolle man nicht,
schehen, wenn wieder ein Modul durch- gehen verpflichtet werden.« immerhin seien auch Installationsfehler
brennt. Und diese Maßnahmen wollen Zumindest theoretisch ist BP Solar klar, nicht auszuschließen.
die Unternehmen BP auf die Rechnung was auf dem Spiel steht. »BP Solar ist sich Aus Sicht von PHOTON legen die be-
setzen. der Risiken, die mit der Installation von kannten Fälle allerdings die Empfehlung
Der Hauptdistributor für BP in der Anlagen auf Gebäuden und dem Auftre- nahe, zumindest dachintegrierte Anlagen
Schweiz, die Holinger Solar AG, hatte ten hoher Spannungen verbunden sind, mit BP-Modulen der 3er- und 5er-Serie
daher nach viel Streit um die Module im voll und ganz bewusst. Die Folgen bei der mittels Infrarotfotografie auf »hot spots«,
März dieses Jahres eine Mediation ins Le- Verwendung mangelhafter Komponenten also heiße Stellen, zu untersuchen – und
ben gerufen. Das Resultat ist eine Vereinba- können so schwerwiegend sein, dass sich im Zweifelsfall lieber abzuschalten, bis die
rung, wonach BP die volle Verantwortung dieses nicht nur auf den Ruf eines ein- Gefahr eines Brandes sicher ausgeschlos-
für das Produkt in dieser Einbausituation zelnen Unternehmens, sondern auf den sen werden kann.
samt allfälligen Folgeproblemen über- der gesamten Branche negativ auswirken Andreas Schlumberger, Anne Kreutzmann
106 PHOTON August 2006