1. Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2020 SpruchZ 2020 Seite 18
Recht & Praxis bei Squeeze-out-Fällen, Delisting,
Organverträgen, Fusionen und Übernahmeangeboten
Nr. 2/2020 vom 8. Oktober 2020 ISSN 2195-7274
Inhaltsübersicht
Gesetzgebung:
SdK lehnt eine Verlängerung von Art. 2 § 1 COVID-19-Gesetz wegen der mittlerweile unverhältnis-
mäßigen Beschränkung von Aktionärsrechten ab, S. 19
Anstehende Strukturmaßnahmen & Spruchverfahren:
Verschmelzungsrechtlicher Squeeze-out RENK AG, S. 20; BuG OSRAM Licht AG, S. 21; Beherrschung
msg life ag, S. 22; BuG EASY SOFTWARE AG, S. 23
Laufende Spruchverfahren:
Squeeze-out Alpiq Holding AG, S. 23; Squeeze-out ANZAG, S. 24; Squeeze-out C-QUADRAT, S. 25;
Squeeze-out IC Immobilien Holding AG, S. 26; Squeeze-out Möbel Walther, S. 26
Abgeschlossene Spruchverfahren:
Squeeze-out Dyckerhoff AG, S. 27; Squeeze-out Softship AG, S. 28
„Bemerkenswerte Befunde“ von Prof. Dr. Leonhard Knoll
Fall 14: Der feste Ausgleich im Irrgarten von Brutto und Netto, S. 29
Die 2012 gegründete Zeitschrift „Spruchverfahren aktuell“ (kurz: SpruchZ) wird per E-mail verteilt
und online verfügbar archiviert (u.a. unter http://de.slideshare.net/SpruchZ). Sie erscheint jeweils
nach Bedarf. Der Bezug ist kostenlos. Für Bestellungen und Abbestellungen wenden Sie sich bitte an
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Die Zeitschrift dient lediglich der Information über die aktuelle Rechtsentwicklung. Sie kann eine umfassende
rechtsanwaltliche Beratung nicht ersetzen.
Spruchverfahren aktuell
2. Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2020 SpruchZ 2020 Seite 19
Gesetzgebung
SdK lehnt eine Verlängerung von Art. 2 § 1 COVID-19-Gesetz wegen der
mittlerweile unverhältnismäßigen Beschränkung von Aktionärsrechten ab
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz plant, die Anwendung des COVID-19-
Gestzes gemäß der Ermächtigung bis zum 31.12.2021 zu verlängern.
Die SdK lehnt eine solche Verlängerung wegen der mittlerweile unverhältnismäßigen Beschränkung
von Aktionärsrechten im Vergleich zu einer Präsenzhauptversammlung ab. Zwar verkennt auch die
SdK angesichts der aktuellen Situation der Corona-Pandemie und der sich hieraus ergebenden
Unsicherheiten für die Lage im Jahr 2021 die Notwendigkeit nicht, das Instrument einer virtuellen HV
zur Verfügung zu stellen und hiermit auch für die Unternehmen Rechtssicherheit zu schaffen.
Allerdings erfordert diese Flexibilität keine derartig tiefgreifenden Einschnitte in die Aktionärsrechte.
Wesentliche Erwägungen für die mit der COVID-19-Notfallgesetzgebung verbundenen tiefen
Einschnitte in die Aktionärsrechte stellten die nicht rechtzeitige Bereitstellung der notwendigen
technischen Infrastruktur für die Einräumung aller Aktionärsrechte sowie die mangelnde auch
technische Erfahrung mit dem virtuellen Format dar.
Mag die Richtigkeit dieser Erwägungen bei einem High-Tech-Standort wie der Bundesrepublik
Deutschland schon für die HV-Saison 2020 zweifelhaft gewesen sein, vermögen diese Überlegungen
für die HV-Saison 2021 nicht mehr zu tragen. Die Unternehmen hatten und haben noch Zeit, um die
notwendige technische Infrastruktur für eine digitale/virtuelle Hauptversammlung unter Wahrung
der Aktionärsrechte zu schaffen. Hierbei können sich die Unternehmen die Erfahrungen aus der dem
Jahr 2020 durchaus zunutze machen.
Auch wenn die SdK einer „virtuellen“ Hauptversammlung mit allerdings starken Aktionärsrechten für
die HV-Saison 2021 auf Basis der gegenwärtigen Kenntnis über die weitere mögliche Entwicklung der
COVID-19-Pandemie positiv gegenübersteht, darf dies nicht als Zustimmung zu einer virtuellen
Hauptversammlung als Regelhauptversammlung verstanden respektive missverstanden werden.
Die von einigen Seiten geforderte Fortentwicklung des Formats der Hauptversammlung benötigt eine
grundlegende Diskussion aller beteiligten Gruppen unter Wahrung der Souveränität des Aktionariats,
die nicht nur ein mögliches Wie, sondern als erstes einmal das Ob einer solchen Fortentwicklung in
all seinen Facetten beleuchtet. Hierbei sind die besonderen Funktionen der Präsenz-
hauptversammlung als Forum der persönlichen Kommunikation mit der Verwaltung, aber der
Aktionäre untereinander sowie als Instrument der Meinungsbildung zu beachten. Es wird immer
wieder Beschlussvorschläge geben, die die Verschaffung eines unmittelbaren Eindrucks vom
Gegenüber erfordern.
3. Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2020 SpruchZ 2020 Seite 20
Eine Diskussion zur Fortentwicklung der Hauptversammlung kann sinnvollerweise nicht unter dem
Primat der virtuellen Hauptversammlung nach dem COVID-19-Gesetz erfolgen, sondern muss seinen
Ausgangspunkt in der Präsenzhauptversammlung als gesetzlichem Normalfall nehmen.
Die SdK sieht mit Besorgnis das Bestreben einzelner Kräfte, die virtuelle Hauptversammlung in der
Ausformung des COVID-19-Gesetzes als Blaupause für ein Zukunftsmodell der Hauptversammlung als
das „new normal“ unter Hinweis auf die guten Erfahrungen in der HV-Saison 2020 nutzen zu wollen.
Die wohl überwiegend guten Erfahrungen in der HV-Saison 2020 mit dem virtuellen Format nach
dem COVID-19-Gesetz sind einem besonnen und verantwortungsvoll handelnden Aktionariat zu
verdanken, dass der für alle unbekannten Notfallsituation als Notfallsituation Rechnung getragen
hat. Darin ein Einverständnis des Aktionariats zur Etablierung einer virtuellen Hauptversammlung zu
sehen, wäre allerdings verfehlt.
Die ausführliche Stellungnahme der SdK beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucher-
schutz ist unter unseren SdK-Stellungnahmen einsehbar.
Für Rückfragen stehen wir unseren Mitgliedern gerne unter 089 / 2020846-0 oder info@sdk.org zur
Verfügung.
München, den 28. September 2020
SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V.
Anstehende Strukturmaßnahmen & Spruchverfahren
RENK AG: Rebecca BidCo AG stellt Verlangen auf Ausschluss der
Minderheitsaktionäre der Renk Aktiengesellschaft
Veröffentlichung einer Insiderinformation nach Artikel 17 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014
Augsburg, 7. Oktober 2020. Die Rebecca BidCo AG (vormals: Rebecca BidCo GmbH) ('Rebecca BidCo")
hat der Renk Aktiengesellschaft ('RENK") heute mitgeteilt, dass ihr RENK-Aktien in Höhe von mehr als
90 % des Grundkapitals gehören. Die Rebecca BidCo hat gleichzeitig das Verlangen gestellt, die
Hauptversammlung der RENK gemäß § 62 Abs. 1 und Abs. 5 UmwG i.V.m. § 327a Abs. 1 Satz 1 AktG
über die Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) auf die Rebecca
BidCo gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung im Zusammenhang mit einer
Verschmelzung der RENK auf die Rebecca BidCo (verschmelzungsrechtlicher Squeeze-Out)
beschließen zu lassen.
Die Höhe der von der Rebecca BidCo festzulegenden angemessenen Barabfindung wird diese der
RENK zu gegebener Zeit gesondert mitteilen und im Anschluss von RENK veröffentlicht werden. Das
4. Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2020 SpruchZ 2020 Seite 21
Wirksamwerden des verschmelzungsrechtlichen Squeeze-outs hängt noch von dem zustimmenden
Beschluss der Hauptversammlung von RENK und der Eintragung des Übertragungsbeschlusses und
der Verschmelzung in das Handelsregister des Sitzes von RENK bzw. von Rebecca BidCo ab. Die
Beschlussfassung wird voraussichtlich auf einer außerordentlichen Hauptversammlung der
Gesellschaft gegen Ende des Jahres 2020 erfolgen.
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ams AG: ams und OSRAM schließen Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrag ab
Veröffentlichung einer Insiderinformation gemäß Artikel 17 MAR
- Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag ("BGAV") ermöglicht ams, die Strategie zur
Schaffung eines weltweit führenden Anbieters von Sensorlösungen und Photonik umzusetzen
- Nach den Bestimmungen des BGAV beträgt die Barabfindung EUR 44,65 pro Aktie und die
jährliche Ausgleichszahlung EUR 2,24 (netto nach derzeitigem Körperschaftssteuersatz und
Solidaritätszuschlag) pro Aktie
- BGAV bedarf Zustimmung von 75 % der anwesenden Stimmen in der für 3. November 2020
vorgesehenen außerordentlichen Hauptversammlung von OSRAM
- ams hält derzeit rund 71% der ausstehenden OSRAM-Aktien und ist zuversichtlich, die
Zustimmung zu erhalten
Premstätten, Österreich (22. September 2020) - ams (SIX: AMS), ein weltweit führender Anbieter von
hochwertigen Sensorlösungen, gibt bekannt, dass die ams Offer GmbH, eine hundertprozentige
Tochtergesellschaft von ams, als herrschendes Unternehmen heute einen Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrag gemäß § 291 ff. des Deutschen Aktiengesetzes ("AktG") mit der OSRAM
Licht AG ("OSRAM") als abhängigem Unternehmen abgeschlossen hat. Die ams Offer GmbH hält
derzeit eine direkte Beteiligung von rund 71% an OSRAM.
"Wir freuen uns, den BGAV mit OSRAM abzuschließen", sagte Alexander Everke, CEO von ams. "Die
Implementierung des BGAV wird die schnelle und erfolgreiche Integration von ams und OSRAM in ein
zusammengeführtes Unternehmen ermöglichen, das profitables Wachstum auf langfristiger Basis
bietet. Dieser wichtige Schritt macht uns zuversichtlich, unsere Strategie, einen weltweit führenden
Anbieter von Sensorlösungen und Photonik mit europäischen Wurzeln zu schaffen, erfolgreich
umzusetzen."
Der BGAV bedarf noch der Zustimmung einer Mehrheit von mindestens 75 % der in der
außerordentlichen Hauptversammlung ("a.o. HV") von OSRAM anwesenden Stimmen, die am 3.
November 2020 virtuell stattfinden wird, sowie der anschließenden Eintragung durch das zuständige
5. Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2020 SpruchZ 2020 Seite 22
Gericht. Gestützt auf seine direkte Beteiligung ist ams zuversichtlich, die Zustimmung der a.o. HV zu
erhalten.
Im Rahmen des BGAV bietet ams gemäß § 305 AktG an, die Aktien der außenstehenden OSRAM-
Aktionäre gegen eine Barabfindung in Höhe von EUR 44,65 pro Aktie zu erwerben. Der BGAV
beinhaltet zudem gemäß § 304 AktG eine jährliche Ausgleichszahlung an die außenstehenden
OSRAM-Aktionäre in Höhe von EUR 2,24 (netto nach derzeitigem Körperschaftssteuersatz und
Solidaritätszuschlag) pro Aktie. Dieser Nettobetrag von EUR 2,24 pro Aktie wird - vorbehaltlich
persönlicher Steuern - an die OSRAM-Aktionäre ausgezahlt.
Barabfindung und Barausgleich spiegeln die entsprechende Bewertung gemäß der IDW-S1 Analyse
wider, die von der PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ("PwC") als
gemeinsam beauftragtem, unabhängigem Bewertungsgutachter durchgeführt und anschließend
durch den gerichtlich bestellten Prüfer, Ebner Stolz GmbH & Co. KG, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Steuerberatungsgesellschaft ("Ebner Stolz") bestätigt wurde.
Der BGAV, der gemeinsame Bericht der Geschäftsführung der ams Offer GmbH und des Vorstands
von OSRAM, einschließlich der gutachtlichen Stellungnahme von PwC, und der Prüfbericht des
gerichtlich bestellten Prüfers, Ebner Stolz, werden auf den Websites beider Unternehmen mit
Veröffentlichung der Einladung zur a.o. HV von OSRAM zur Verfügung gestellt werden.
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Beherrschungsvertrag mit der msg life ag (ehemals: COR&FJA AG)
Die anstehende (virtuelle) Hauptversammlung der msg life ag, Leinenfeld-Echterdingen, am 10.
November 2020 soll unter TOP 5 einem Beherrschungsvertrag zustimmen, mit dem sich die
Gesellschaft der Leitung der Hauptaktionärin msg systems ag unterstellt. Die Minderheitsaktionäre
sollen eine Ausgleichszahlung ("Garantiedividende") in Höhe von EUR 0,04 brutto (EUR 0,03 netto) je
Geschäftsjahr erhalten (§ 5 des Beherrschungsvertrags). Als Barabfindung werden EUR 2,44 je Aktie
angeboten (§ 6). Die Angemessenheit dieser Beträge wird in einem Spruchverfahren überprüft
werden.
Die msg life ag ist einer der führenden IT-Spezialisten für Versicherer. Sie ist nach eigenen Angaben
mit über 50 % Marktanteil der im deutschsprachigen Raum führende Anbieter von Standardsoftware
für Lebensversicherer und Altervorsorgeeinrichtungen (beispielsweise Rentenversicherer). Außerdem
wird Software für Krankenversicherer in den USA angeboten. Das Unternehmen entstand 2009 unter
dem Namen COR&FJA AG aus der Fusion der COR AG und der FJA AG. Ende 2014 erfolgte die
Umfirmierung in msg life ag, um so (laut Pressemitteilung) "die Zugehörigkeit der msg life ag zur msg-
Gruppe und die daraus resultierende zunehmend engere Zusammenarbeit – in einem wirtschaftlich
noch größeren und leistungsfähigeren Unternehmensverbund – auch nach außen hin deutlich" zu
signalisieren.
6. Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2020 SpruchZ 2020 Seite 23
EASY SOFTWARE AG: Eintritt in Verhandlungen über den Abschluss eines
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages zwischen der EASY
SOFTWARE AG und der deltus 36. AG
Veröffentlichung einer Insiderinformation nach Artikel 17 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014
Der Vorstand der deltus 36. AG hat die EASY SOFTWARE AG (ISIN: DE000A2YN991, WKN: A2YN99)
heute gebeten, entsprechend der Ankündigung in der Angebotsunterlage zum freiwilligen
öffentlichen Übernahmeangebot vom 02. September 2020 unverzüglich in Verhandlungen über den
Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages nach §§ 291 ff. AktG mit der deltus
36. AG als herrschendem Unternehmen und der EASY SOFTWARE AG als beherrschtem Unternehmen
einzutreten. Der Vorstand der EASY SOFTWARE AG hat heute entschieden, solche Gespräche
aufzunehmen, da die deltus 36. AG zwischenzeitlich bekanntgemacht hat, dass das Übernahme-
angebot in Höhe von ca. 75,99 % der Stimmrechte angenommen wurde.
EASY SOFTWARE AG
Der Vorstand
Laufende Spruchverfahren
Schweiz:
Squeeze-out bei der Alpiq Holding AG: Barabfindungsbetrag wird gerichtlich
überprüft
von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG
Bei dem früher börsennotierten Schweizer Energiekonzern Alpiq Holding AG mit Sitz in Lausanne
fand kürzlich ein Ausschluss der Minderheitsaktionäre statt (in dem nach schweizerischem Recht
zulässigen "Squeeze-Out Merger" bei Überschreiten der 90 %-Schwelle, entsprechend dem
verschmelzungsrechtlichen Squeeze-out nach deutschem Recht). Eine sog. Abfindungsfusion der
Alpiq Holding AG auf die Alpha 2020 AG war von den Generalversammlungen beider Gesellschaften
genehmigt worden. Die Abfindung in der Höhe von lediglich CHF 70,- pro Alpiq-Aktie war von PwC
und Alantra als angemessen bestätigt worden.
Die Alpiq-Investoren Knight Vinke und Merion Capital, zwei Private-Equity-Firmen, haben gegen die
Höhe des Abfindungsbetrags in der Abfindungsfusion Klagen eingereicht (da es in der Schweiz kein
dem Spruchverfahren entsprechendes Verfahren gibt, sog. Ausgleichsklage nach dem Fusionsgesetz
innerhalb von zwei Monaten nach Veröffentlichung des Fusionsbeschlusses). Die beiden Kläger
wollen eine deutlich höhere Abfindung von mindestens CHF 140,- (Knight Vinke) beziehungsweise
7. Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2020 SpruchZ 2020 Seite 24
CHF 130,- (Merion) pro Alpiq-Aktie. Das Verfahren ist bei dem für Lausanne zuständigen Gericht, dem
Chambre patrimoniale des Kantons Waadt, anhängig.
Eric Knight, der Gründer des Anlagefonds Knight Vinke, hatte kürzlich in einem Interview mit der
schweizerischen Zeitung "Finanz und Wirtschaft" den angebotenen Betrag von CHF 70,- pro Aktie als
deutlich zu niedrig bezeichnet. Dieser Betrag spiegle nicht den vollen Wert des Unternehmens wider.
Knight Vinke nennt als Beispiel die Wasserkraftwerke von Alpiq. Diese zählten zu den wertvollsten
Anlagen der Welt, seien aber nicht entsprechend bewertet. Grund dafür ist laut Knight Vinke, dass
Alpiq an den meisten ihrer Wasserkraftanlagen einen Minderheitsanteil hält. Diese Anlagen seien
daher nicht in ihren Finanzzahlen konsolidiert. "Alles, was man davon in den Zahlen von Alpiq sieht,
ist der Anteil am Reingewinn", so Knight Vinke in dem Interview. "Aber diese Anlagen haben
Verträge, gemäss denen sie den Strom den Eigentümern zu Gestehungskosten verkaufen. Ihr
Reingewinn ist daher null, immer." Daher unterschätzten die Analysten den Wert des Unternehmens.
Das im letzten Jahr erfolgte Delisting der Alpiq-Aktien (nach Schweizer Terminologie: Dekotierung)
und der anschließende Squeeze-out war durch drei Kernaktionäre betrieben worden, die Schweizer
Kraftwerksbeteiligungs-AG (SKBAG), die EOS Holding und ein Konsortium Schweizer
Minderheitsaktionäre. Ein in dieser Sache ergehendes Urteil hat Wirkung für alle durch den Squeeze-
out aus der Gesellschaft ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre.
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Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der ANZAG: Verhandlung vor dem OLG
Frankfurt am Main am 19. März 2021
In dem Spruchverfahren zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre bei der Andreae-Noris Zahn AG
(ANZAG) hatte das Landgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 25. November 2014 die
Barabfindung auf EUR 32,72 je ANZAG-Aktie festgelegt (Erhöhung um ca. 12,74 %), siehe:
https://spruchverfahren.blogspot.com/2014/12/spruchverfahren-zum-squeeze-out-anzag.html.
Gegen diesen Beschluss hatten mehrere Antragsteller, der gemeinsame Vertreter (RA Dr. Schüppen)
und die Antragsgegnerin, die Alliance Healthcare Deutschland Holdings 1 GmbH, Beschwerden
eingelegt. In dem Beschwerdeverfahren hat das OLG Frankfurt am Main die sachverständige Prüferin,
die Mazars GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft, zu einer
ergänzenden Stellungnahme aufgefordert. In der ergänzenden Stellungnahme vom 17. April 2020
kommt die Prüferin bei Zugrundelegung eines Betafaktors von 0,6 auf einen Wert von EUR 32,91 je
ANZAG-Aktie (d.h. geringfügig höher als der vom Landgericht ausgeurteilte Betrag). Die Prüferin hält
allerdings einen Betafaktor von 0,65 "weiterhin" für angemessen.
Das OLG Frankfurt am Main hat nunmehr Termin zur mündlichen Verhandlung und Anhörung der
sachverständigen Prüferin auf den 19. März 2021, 11:00 Uhr, anberaumt. Zur Vorbereitung der
Verhandlung soll die Prüferin eine weitere Stellungnahme zu mehreren Fragen des Gerichts,
insbesondere zum Factoring, zur Finanzplanung und zum Forward-Wechselkurs beantworten. Für die
Einreichung der schriftlichen Stellungnahme wurde der Prüferin eine Frist bis zum 15. Januar 2021
8. Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2020 SpruchZ 2020 Seite 25
gesetzt. Der Antragsgegnerin wurde aufgegeben, die in der Detailplanungsphase zugrundeliegenden
Rahmenverträge zum Factoring vorzulegen.
Abschließend weist das OLG darauf hin, dass für den Fall, dass auch nach der weiteren Aufklärung
Zweifel hinsichtlich der Ertragswertberechnung nicht ausgeräumt werden könnten, der Senat
erwäge, die mit dem Erwerb am 22. Juni 2012 gezahlten Vorerwerbspreise der Schätzung des
Unternehmenswerts zugrunde zu legen (was der Vorgehensweise des Landgericht entsprechen
würde).
OLG Frankfurt am Main, Az. 21 W 38/15
LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 25. November 2014, Az. 3-05 O 43/13
Zürn u.a. ./. Alliance Healthcare Deutschland Holdings 1 GmbH
96 Antragsteller
gemeinsamer Vertreter: RA WP Dr. Matthias Schüppen,
Graf Kanitz, Schüppen & Partner, 70173 Stuttgart
Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin:
Rechtsanwälte Allen & Overy, 60306 Frankfurt am Main
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Überprüfungsverfahren zum Squeeze-out bei der C-QUADRAT Investment AG:
Gremium bestellt Sachverständigen
In dem Überprüfungsverfahren zu dem am 17. August 2018 beschlossenen Squeeze-out der
Minderheitsaktionäre bei dem Vermögensverwalter C-QUADRAT Investment AG, Wien, hat das
Gremium zur Überprüfung des Umtauschverhältnisses die Sache am 28. September 2020 verhandelt.
Da Vergleichgespräche gescheitert sind, hat das Gremium wie angekündigt einen externen
Sachverständigen mit der Erstellung eines Bewertungsgutachtens beauftragt. Als Sachverständiger
wurde Mag. Othmar Eberhart (CONTAX WirtschaftstreuhandgmbH Wirtschaftsprüfungs- und
Steuerberatungsgesellschaft mbH, Wien) bestellt. Dieser soll innerhalb von drei Monaten Befund und
Gutachten über den Unternehmenswert erstatten.
Gremium, Az. Gr 7/19
FN 55148 a
HG Wien, Az. 75 Fr 17733/18 i-5
Walle u.a. ./. CUBIC (LONDON) LIMITED
42 Überprüfungsanträge
gemeinsame Vertreterin: Rechtsanwältin Dr. Maria Brandstetter, A-1010 Wien
Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin: Schönherr Rechtsanwälte GmbH, A-1010 Wien
9. Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2020 SpruchZ 2020 Seite 26
Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der IC Immobilien Holding AG: Gericht
will schriftliche Stellungnahme der sachverständigen Prüferin
In dem Spruchverfahren zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre bei der IC Immobilien Holding AG,
Frankfurt am Main, hat das LG Frankfurt am Main die sachverständige Prüferin Warth & Klein Grant
Thornton AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung um
eine schriftliche Stellungnahme bis zum 27. November 2020 gebeten. Die Prüferin soll zur Prognose
der Ergebnisse, der Marktrisikoprämie (5,75 %) und zum Beta-Faktor und zum Wachstumsabschlag
Stellung nehmen. Auch soll sie überprüfen, ob sich bei der Ermittlung des Unternehmenswerts nach
dem Net Asset Value ein höherer Unternehmenswert ergeben würde.
LG Frankfurt am Main, Az. 3-05 O 13/20
Tobias Rolle u.a. ./. E.L.A. Vermögensverwaltung GmbH
48 Antragsteller
gemeinsamer Vertreter: RA Dr. Alexander Hess, c/o Reitmaier Rechtsanwälte, 97070 Würzburg
Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin, E.L.A. Vermögensverwaltung GmbH:
Rechtsanwälte Allen & Overy LLP, 20457 Hamburg
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Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der Möbel Walther AG: OLG
Brandenburg will ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen
In dem seit zehn Jahren laufenden Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der Möbel Walther AG
hatte das Landgericht Potsdam die Spruchanträge ehemaliger Aktionäre mit Beschluss vom 16. Mai
2018 zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht Brandenburg, das die dagegen eingelegten
Beschwerden am 24. Juni 2020 verhandelt hatte, fordert nun mit Beschluss vom 12. August 2020 von
dem gerichtlichen Sachverständigen, Herrn WP Dipl.-Kfm. Andreas Creutzmann, eine ergänzende
Stellungnahme an. Der Sachverständige soll insbesondere zum EBIT und der Rohertragsquote
Stellung nehmen. Darüber hinaus soll er den Ansatz der betriebsnotwendigen liquiden Mittel
erläutern.
OLG Brandenburg, Az. 7 W 82/18
LG Potsdam, Beschluss vom 16. Mai 2018, Az. 52 O 97/10
SdK Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger e.V. u.a. ./. Krieger
77 Antragsteller
gemeinsamer Vertreter: RA Prof. Dr. Fissenewert, 10719 Berlin
Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners, Herrn Kurt Krieger:
FPS Fritze Wicke Seelig Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten mbB, 10719 Berlin (zuvor:
Rechtsanwälte Gleiss Lutz, 70469 Stuttgart)
10. Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2020 SpruchZ 2020 Seite 27
Abgeschlossene Spruchverfahren
Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der Dyckerhoff AG abgeschlossen:
Barabfindung auf EUR 52,08 erhöht (+ 10,41 %)
In dem Spruchverfahren zu dem Ausschluss der Minderheitsaktionäre bei der Dyckerhoff Aktien-
gesellschaft, Wiesbaden, zugunsten der Buzzi Unicem S.p.A. hatte das Landgericht Frankfurt am Main
mit Beschluss vom 8. Juni 2015 die Barabfindung in der I. Instanz sowohl für die Stammaktien wie
auch für die Vorzugsaktien auf EUR 52,40 angehoben.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin hin hat das OLG Frankfurt am Main nunmehr mit Beschluss
vom 8. September 2020 den Barabfindungsbetrag geringfügig niedriger auf EUR 52,08 festgelegt (+
10,41 % gegenüber dem von der Antragsgegnerin angebotenen Betrag von EUR 47,17 je Dyckerhoff-
Aktie). Der Anhebungsbetrag von EUR 4,92 je Aktie ist mit 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz
zu verzinsen.
Das Oberlandesgericht hatte mit Beschluss vom 20. Dezember 2017 die Einholung eines Sach-
verständigengutachtens angeordnet und Herrn WP Dr. Matthias Popp von Ebner Stolz zum
Sachverständigen bestimmt. In dem Gutachten vom 19. Dezember 2018 kamen WP Dr. Matthias
Popp und Dr. Stephan Eberl auf einen Wert von EUR 53,14 bei einer Ertragswertermittlung ohne
Besteuerung von inflationsbedingten Wertsteigerungen. Bei einer nach Ansicht der Sachverständigen
sachgerechten Berücksichtigung der Besteuerung der inflationsbedingten Wertsteigerung ergebe
sich ein Wert von EUR 52,08 je Dyckerhoff-Aktie. Mit seiner Entscheidung folgt das OLG letzterer
Auffassung.
Da das OLG die Rechtsbeschwerde nicht (wie von mehreren Antragstellern beantragt) zugelassen
hat, ist die Entscheidung rechtskräftig.
OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 8. September 2020, Az. 21 W 121/15
LG Frankfurt am Main, Beschluss vom 8. Juni 2015, Az. 3-5 O 198/13
Zürn u.a. ./. Buzzi Unicem S.p.A.
93 Antragsteller
gemeinsamer Vertreter: RA Dr. Peter Dreier, 40213 Düsseldorf
Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin:
Rechtsanwälte Greenfort, 60325 Frankfurt am Main
Auftragsgutachterin: Ernst & Young GmbH, Stuttgart
Prüferin: RBS RoeverBroennerSusat GmbH & Co. KG, Hamburg
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11. Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2020 SpruchZ 2020 Seite 28
Spruchverfahren zum Squeeze-out bei der Softship AG beendet: OLG Hamburg
bestätigt die Anhebung der Barabfindung durch das LG Hamburg auf EUR
14,35 (+ 23 %)
In dem Spruchverfahren zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre bei der Softship AG, Hamburg,
hatte das LG Hamburg mit Beschluss vom 17. Februar 2020 die Barabfindung deutlich von EUR 11,66
auf EUR 14,35 je Stückaktie angehoben. In seiner Entscheidung stellte das Landgericht auf den durch-
schnittlichen Börsenkurs (nur im Freiverkehr) im maßgeblichen Referenzzeitraum (drei Monate vor
der Ankündigung der Strukturmaßnahme) als Untergrenze einer angemessenen Abfindung ab, siehe:
https://spruchverfahren.blogspot.com/2020/04/lg-hamburg-auch-borsenkurse-im.html
Gegen diese Entscheidung hat die Antragsgegnerin Beschwerde eingelegt. Diese hat das
Hanseatische Oberlandesgericht (OLG Hamburg) nunmehr mit Beschluss vom 7. September 2020
zurückgewiesen und damit die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt. Das Landgericht habe
zutreffend auf den Dreimonats-Durchschnittkurs vor Bekanntgabe des Squeeze-outs als Untergrenze
der Barabfindung abgestellt (S. 9). Das OLG bestätigt damit die Relevanz auch von Freiverkehrs-
kursen. Eine der Deinvestitionsmöglichkeit entgegenstehende Marktenge sei nicht ersichtlich (S. 10).
OLG Hamburg, Beschluss vom 7. September 2020, Az. 13 W 122/20
LG Hamburg, Beschluss vom 17. Februar 2020, Az. 403 HKO 144/18
Hoppe, M. u.a. ./. CargoWise GmbH
48 Antragsteller
gemeinsamer Vertreter: RA Dr. Johannes Deiß, Neuwerk Rechtsanwälte mbB, 20354 Hamburg
Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin, CargoWise GmbH:
Rechtsanwälte Mayer Brown LLP (RA Dr. Jan Kraayvanger), 60327 Frankfurt am Main
Auftragsgutachterin: Ernst & Young
sachverständige Prüferin: Ebner Stolz
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13. Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2020 SpruchZ 2020 Seite 30
regelmäßig Größen vor bzw. nach Anteilseignersteuern bezeichnen. Es liegt nahe, dass damit Ver-
wechslungsgefahren indiziert sind.4
Letztlich sind drei Besteuerungsstufen zu unterscheiden, die nachfolgend verkürzt adressiert werden:
BB („brutto-brutto“): Vor Körperschaftsteuer (zuzüglich Solidaritätszuschlag) und vor
persönlicher Besteuerung,
NB („netto-brutto“): Nach Körperschaftsteuer (zuzüglich Solidaritätszuschlag) und vor
persönlicher Besteuerung,
NN („netto-netto“): Nach Körperschaftsteuer (zuzüglich Solidaritätszuschlag) und nach
persönlicher Besteuerung.
Nun kommen wir zu der Aufgabe, über die unser Fall ausgebreitet wird:
a) Beschreiben Sie kurz das von den Gerichten heute üblicherweise akzeptierte Verfahren, nach
dem bei unbefristeten Gewinnabführungsverträgen der feste Ausgleich aus dem zuvor für die
Abfindung ermittelten DCF- bzw. Ertragswert abgeleitet wird.
In der Begründung seines Beschlusses aus dem Jahr 2020 hat ein Oberlandesgericht, das diesem
Verfahren zweifellos zu folgen versuchte, die folgende Aussage samt anschließender Tabelle
getroffen:
„ … unter Berücksichtigung des … Unternehmenswerts der [Bewertungsobjekt] von 8.294.371
€ ergibt sich keine höhere Ausgleichszahlung als die angebotene Ausgleichszahlung von 0,12
€ brutto bzw. 0,10 € netto je Stückaktie:“5
4
Popp legt deshalb in der vorstehend zitierten Quelle nahe, den Begriff „Netto-Ausgleich“ zur Vermeidung
von Verwechslungen zu vermeiden.
5
Bis auf die zur Orientierung eingefügten Zeilennummern wurden alle Eintragungen gemäß dem Original
vorgenommen, auch wenn die Abkürzungen nicht immer gelungen erscheinen. Die Verwendung von
„brutto“ und „netto“ spricht zudem nochmals für die von mir getroffene Einschätzung zur Verbreitung
dieser Begriffe hinsichtlich des Ausgleichs, vgl. Fn. 3.
14. Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2020 SpruchZ 2020 Seite 31
1. Ertragswert nach St 8.294.371 €
2. Anteile 5.000.000
3. Wert pro Aktie 1,66 €
4. Zinssatz
5. Basiszins nach St 1,66
6. Eigenkap.kosten 6,32
7. Differenz 4,66
8. Hälftige Differenz 2,33
9. zuzügl. Basiszins 1,66
10. Kap. Zins nach MW 3,99
11. Verzinsung 0,07 €
12. abzügl. pers. ESt ergibt 0,05 €
13. entspricht Netto-Ausgl. 86,8125
14. halber Steuersatz 13,1875
15. Ausgl. vor pers. ESt 0,06 €
16. zuzügl. Untern. steuern 0,08 €
Gehen Sie davon aus, dass
„Ertragswert nach St“, „Wert pro Aktie“ und „Basiszins nach St“ jeweils NN zu verstehen sind,
alle Zinsen/Renditen/Kapitalkosten als Prozentwerte angegeben sind und
pro Aktie die Belastung mit deutscher Körperschaftsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag 0,02
€ beträgt.
b) Vollziehen Sie die Ermittlung des Verrentungszinssatzes nach, der in der Tabelle als „Kap. Zins
nach MW“ (Zeile 10) bezeichnet ist. Geben Sie dabei explizit an, welchen steuerlichen Status die
Größen der Zeilen 6 bis 10 aufweisen. Wie ist „MW“ in Zeile 10 dann zu verstehen?
c) Wie ermittelt das OLG den Ausgleich NN? Welchen Fehler begeht es dabei?
d) Wie ermittelt das OLG den Ausgleich NB? Welchen weiteren Fehler begeht es dabei?
15. Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2020 SpruchZ 2020 Seite 32
e) Wie ermittelt das OLG den Ausgleich BB?
f) Muss das OLG seine Aussage hinsichtlich des Anpassungsbedarfs des Ausgleichs ändern, wenn
es die aufgedeckten Fehler korrigiert?
Lösungen:
a) Die heute übliche Vorgehensweise besteht darin, den DCF- bzw. Ertragswert nach persönlicher
Besteuerung mit einem Verrentungszinssatz nach persönlicher Besteuerung zu annualisieren,
um zum Ausgleich NN zu kommen. Dann wird dieser durch Division mit dem Nachsteuerfaktor (1
- 26,375%) „entsteuert“, wodurch man zum Ausgleich NB kommt. Schließlich wird die im
Rahmen der Planungsrechnung ermittelte deutsche Körperschaftsteuer (zuzüglich Solidaritäts-
zuschlag) diesem Wert zugeschlagen und man kommt zum Bruttoausgleich BB.
b) Rechnerisch sind die Zahlen nur in dem Sinne schlüssig zu interpretieren, dass das OLG den
Verrentungszins als Basiszins plus der Hälfte des Risikozuschlags nach persönlicher Besteuerung
festgelegt hat. Nachdem die Zeilen 5 und 6 gegeben sind, gilt für die weiteren Schritte:
Zeile 7: Zeile 6 minus Zeile 5.
Zeile 8: Zeile 7 dividiert durch 2.
Zeile 9: Nochmaliger Ansatz von Zeile 5.
Zeile 10: Addition von Zeile 8 und Zeile 9.
Dabei sind alle Größen der Zeilen 6 bis 10 NN zu interpretieren, weil ansonsten die unterstellten
Operationen nicht in der erforderlichen Form durchzuführen sind. Gleichzeitig entspricht dann
der Verrentungszins dem Mittelwert zwischen Basiszins und Eigenkapitalkosten, so dass die
Bedeutung von MW offensichtlich wird.
c) Das OLG berechnet eine Zwischengröße als Verzinsung der Abfindung mit dem in Zeile 10
ermittelten Verrentungszins: . Danach besteuert es diesen Wert mit
der Abgeltungsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag, zusammen 26,375%, also:
. Dieser zweite Schritt ist indessen fehlerhaft, denn es
wurden wie beschrieben durchweg Größen NN verwendet, so dass keine weitere Besteuerung
zu erfolgen hat.
16. Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2020 SpruchZ 2020 Seite 33
d) Das OLG entsteuert den vermeintlichen NN-Wert durch Division mit dem Nachsteuerfaktor für
Wertsteigerungen: . Unabhängig davon, dass es dabei, wie gerade
gezeigt wurde, an einer falschen Basis ansetzt, wird auch noch ein falscher Steuersatz
verwendet, denn der Ausgleich fließt jährlich und hat nichts mit dem bei Wertsteigerungen über
längere Haltedauern unterstellten Stundungseffekt6
zu tun.
e) Das Gericht addiert die Belastung durch die Körperschaftsteuer (zuzüglich Solidaritätszuschlag)
pro Aktie auf das Ergebnis NB. Dies entspricht der in a) angegebenen Standardvorgehensweise.
Ob das Ergebnis wenigstens insoweit zutrifft, hängt davon ab, ob der Wert von 0,02 € pro Aktie
seinerseits zutreffend ermittelt wurde.
f) Die richtige Berechnung lautet unter den erwähnten Vorbehalten bei Rundung auf jeder
Ermittlungsstufe:
Also bleibt es trotz der Fehler bei den angebotenen Ausgleichswerten für NB und BB.
Fazit: Auch große Irrtümer können bei hinreichendem Glück folgenlos bleiben – auf
entsprechendes Glück verlassen sollte man sich freilich nicht!
* * *
6
Vgl. Wiese, WPg 2007, S. 368-375.
17. Spruchverfahren aktuell - Nr. 2/2020 SpruchZ 2020 Seite 34
Informationen & Tools
Wissenschaftliches Gutachten zum Wagniszuschlag im Auftrag der
Bundesnetzagentur: Überprüfung der Marktrisikoprämie in Spruchverfahren?
von Rechtsanwalt Martin Arendts, M.B.L.-HSG
Im letzten Jahr hatte der Bundesgerichtshof (BGH) Rechtsmittel der Betreiberin eines Gas- und eines
Elektrizitätsnetzes gegen die Festlegung des nach Ansicht der Energieunternehmen zu hohen
Zinssatzes für Eigenkapital (6,91 % für Neuanlagen und 5,12 % für Altanlagen bei Ansatz einer
Marktrisikoprämie von 3,8 %) zurückgewiesen (Beschlüsse vom 9. Juli 2019 - EnVR 41/18 und EnVR
52/18), siehe: https://spruchverfahren.blogspot.com/2019/07/bundesgerichtshof-zum.html. Ab-
weichend vom OLG Düsseldorf hat der BGH diese Marktrisikoprämie bestätigt. Die Bundesnetz-
agentur sei aus Rechtsgründen nicht verpflichtet, die von ihr gewählte, von den Empfehlungen des
FAUB abweichende, auf ein von ihr in Auftrag gegebenes wissenschaftliches Gutachten von Frontier
Economics gestützte Methode im Hinblick auf historische Besonderheiten am Kapitalmarkt zu
modifizieren.
Der BGH durfte sich kürzlich in mehreren Beschlüssen vom 3. März 2020 erneut mit den von der
Bundesnetzagentur festgesetzten Zinssätzen befassen. Darin verweist der Kartellsenat des BGH in
seiner Begründung auch vergleichend auf Spruchverfahren und hält in der Entscheidung zum Az.
EnVR 34/18 fest, dass in Spruchverfahren eine noch weitergehende tatrichterliche Überprüfung
erforderlich sei:
"Darüber hinaus ist eine weitergehende tatrichterliche Überprüfung im Verfahren nach § 327f Satz 2
AktG schon deshalb erforderlich, weil die originäre Bestimmung des Abfindungsbetrags nicht einer
unabhängigen Regulierungsbehörde obliegt, sondern dem Hauptaktionär, der zur Zahlung der
Abfindung verpflichtet ist."
Im Rahmen dieser nach Ansicht des BGH erforderlichen tatrichterlichen Überprüfung insbesondere
der Marktrisikoprämie in Spruchverfahren dürfte das von der Bundesnetzagentur in Auftrag
gegebene Gutachten von Bedeutung sein:
https://www.frontier-economics.com/media/1055/20160706_wissenschaftliches-gutachten-
wagniszuschlag-strom-und-gasnetzbetreiber_frontier.pdf
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