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w e s t s c h w e i z
J
osé Martin ist gebürtiger Spanier, in Murten
im Kanton Fribourg aufgewachsen und ar-
beitet heute als Bereichsleiter Solarwärme
bei Swissolar, dem Branchenverband der
Schweizer Solarenergiebranche, wo er auch für
das Bildungsangebot zuständig ist. Der 37-Jähri-
ge ist verheiratet und hat einen zweijährigen
Sohn. In seiner Freizeit treibt er gerne Sport: Fuss-
ball, Joggen sowie ab und zu einen Marathon,
wie 2014 den Halbmarathon Greifensee.
Ein Abschluss, zwei Abbrüche
1977 in Murten geboren, absolviert José Martin
nach der obligatorischen Schulzeit eine Lehre als
Elektromonteur. Er besteht die Berufsmatura
und wird ohne Prüfung an der Ingenieurschule in
Fribourg aufgenommen. Hier studiert er Ener-
giewissenschaften, muss das Studium jedoch
nach anderthalb Jahren aufgeben, weil für ihn
als Berufsmaturabsolvent das Niveau zu hoch ist.
Was nun? Als Elektromonteur zurück auf die
Baustelle oder eher ein Wechsel in den kaufmän-
nischen Bereich, wo er sein technisches Wis-
sen einbringen kann? Zu jener Zeit ist ihm die
Ausbildung zum Technischen Kaufmann zwar
schon ein Begriff und sie hätte ihn sehr gereizt,
aber er erfüllt die Voraussetzungen nicht. So be-
ginnt er eine kaufmännische Lehre, muss sich
aber anderthalb Jahre später eingestehen, dass
dies die falsche Entscheidung war. In der Berufs-
schule ist er als mittlerweile 22-Jähriger mit Ab-
stand der Älteste. Zudem verspürt er den Drang
nach einer arbeitsmässigen Herausforderung. Er
bewirbt sich bei der Emalux SA, einem KMU im
Beleuchtungsbereich, dessen Geschäftsleiter ei-
nen zweisprachigen Mitarbeiter sucht. Mit sei-
nem technischen Hintergrund und dem kauf-
männischen Grundwissen ist José Martin die
ideale Besetzung. Er erhält die Stelle und im Ver-
lauf der Jahre immer mehr Kompetenzen als
Sachbearbeiter Verkauf von Beleuchtungskon-
zepten. Zunächst bearbeitet er ausschliesslich
die Westschweiz und später auch die Deutsch-
schweiz.
Auf Umwegen
zum Ziel
Sein beruflicher Werdegang verlief alles andere als
gradlinig. Viele Hürden zwangen ihn immer
wieder, die Komfortzone zu verlassen und sich
Etappenziele zu erkämpfen. Aber genau das
hat José Martin stark gemacht.
Erica Sauta über José Martin, TK-Absolvent, Bereichsleiter und Vorstandsmitglied Anavant
31
«Ich will mehr!»
Aber José Martin hat sein Ziel noch nicht erreicht.
Von seinem Vater hat er eine gehörige Portion
Ehrgeiz in die Wiege gelegt bekommen. Dieser
hat sich immer gewünscht, dass seine Söhne «et-
was aus sich machen», und sie stets dazu aufge-
fordert, sich niemals auf ihren Lorbeeren auszuru-
hen. Sein Motivationsspruch «Ich will mehr!» hat
sich bei José Martin eingeprägt. Nun will er defini-
tiv eine höhere Weiterbildung abschliessen. Am
Centre de perfectionnement interprofessionnel CPI
nimmt er 2001 die berufsbegleitende Weiterbil-
dung zum Technischen Kaufmann in Angriff. Das
Jahr bei Emalux und seine Temporäreinsätze auf
Baustellen werden ihm als Berufserfahrung ange-
rechnet, so dass er jetzt die Anforderungen er-
füllt. «Ich fand die Weiterbildung enorm span-
nend. Fächer wie Marketing und Wirtschaft ha-
ben mich sehr interessiert. In dieser Zeit machte
ich mich auch auf die Suche nach einer neuen Ar-
beitsstelle, weil ich Einblick in ein grösseres Un-
ternehmen erhalten wollte», erinnert sich José
Martin. Im Juni 2002 wechselt er zu Siemens als
Aussendienstmitarbeiter für Sicherheits-, Zutritts-
kontroll- und Videoüberwachungslösungen. Pa-
rallel dazu besucht er weiterhin die Schule. Seine
überdurchschnittliche berufliche Leistungsbereit-
schaft fordert jedoch ihren Tribut: Er kann sich zu
wenig auf die Schule konzentrieren und besteht
die TK-Prüfung nicht.
Zwei Geschenke am 16. Oktober 2012
José Martin stürzt sich in seine Arbeit und ist darin
so erfolgreich, dass Siemens ihm 2008 eine Stelle
in Zug als Solution Manager anbietet. Auch in die-
ser Funktion erbringt er Top-Leistungen, aber da
ist immer wieder diese Stimme im Hinterkopf, die
ihn mahnt: «Ich will mehr!» Ende 2009 lernt er
seine Frau Nathalie kennen, die bei den United
Nations arbeitet. Das Paar zieht nach Genf und
2010 findet José Martin eine Stelle als Berater
Energiesysteme bei der Ernst Schweizer AG, dem
Pionier der Sonnenkollektoren. «Ich wollte auf
dem Gebiet der erneuerbaren Energien Fuss
fassen, weil mich dieses Thema sehr interessiert»,
erklärt José Martin. Ermuntert von seiner Frau,
eine Weiterbildung abzuschliessen, unternimmt
er neun Jahre nach dem ersten Versuch einen
zweiten Anlauf für die TK-Prüfung. Doch ausge-
rechnet in dieser Phase prüft ihn das Leben
besonders hart: Im Alleingang muss er viel Stoff
nachholen. Seine Frau muss ab der 21. Schwan-
gerschaftswoche wegen Komplikationen ins Spi-
tal. Tatsächlich kommt Söhnchen Edén bereits in
der 26. Schwangerschaftswoche zur Welt und
liegt vier Monate lang im Spital – genau in jener
Zeit also, als José Martin mitten in den Prüfungs-
vorbereitungen steckt. «Das war eine schlimme
Zeit. Bis Mitternacht war ich jeweils im Spital,
dann reiste ich nach Fribourg und dann wieder zu-
rück ins Spital. Am 16. Oktober 2012 konnten wir
Edén mit nach Hause nehmen – und an diesem
Tag erfuhr ich, dass ich die TK-Prüfung bestanden
hatte. So habe ich an diesem Tag zwei Geschenke
aufs Mal erhalten.» Nach einem kurzen Abstecher
als Energieberater in einem kleinen Unternehmen
wechselt er 2013 als Bereichsleiter und Bildungs-
verantwortlicher zu Swissolar und zieht mit der
Familie nach Zürich. 2013 schliesst der Unermüdli-
che noch eine Weiterbildung als Betriebswirt-
schafter des Gewerbes mit eidg. Diplom ab.
Den TK in der Westschweiz pushen
Nach kurzer Blütezeit ist das Berufsbild TK in der
Westschweiz etwas in Vergessenheit geraten. Um
die Weiterbildung in der Romandie zu pushen, be-
kundet José Martin an der Diplomfeier 2013 sein
Interesse an einer Vorstandstätigkeit bei Anavant.
Nach einem Vorstellungsgespräch beim Präsiden-
ten Bruno Aregger wird er an der Mitgliederver-
sammlung vom 14. März 2014 zum Vorstandsmit-
glied gewählt. Seither hat er bereits verschiedene
Massnahmen lanciert, um dem Berufsbild in der
Romandie wieder zu mehr Bekanntheit zu verhel-
fen. José Martins Werdegang zeigt, dass sein Vor-
haben gute Chancen hat: Seinen enormen Durch-
haltewillen und seine Hartnäckigkeit hat er oft
genug unter Beweis gestellt.
16.10.2012: Endlich dürfen
die Eltern ihren Sohn Edén nach
Hause nehmen.

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  • 1. 30 w e s t s c h w e i z J osé Martin ist gebürtiger Spanier, in Murten im Kanton Fribourg aufgewachsen und ar- beitet heute als Bereichsleiter Solarwärme bei Swissolar, dem Branchenverband der Schweizer Solarenergiebranche, wo er auch für das Bildungsangebot zuständig ist. Der 37-Jähri- ge ist verheiratet und hat einen zweijährigen Sohn. In seiner Freizeit treibt er gerne Sport: Fuss- ball, Joggen sowie ab und zu einen Marathon, wie 2014 den Halbmarathon Greifensee. Ein Abschluss, zwei Abbrüche 1977 in Murten geboren, absolviert José Martin nach der obligatorischen Schulzeit eine Lehre als Elektromonteur. Er besteht die Berufsmatura und wird ohne Prüfung an der Ingenieurschule in Fribourg aufgenommen. Hier studiert er Ener- giewissenschaften, muss das Studium jedoch nach anderthalb Jahren aufgeben, weil für ihn als Berufsmaturabsolvent das Niveau zu hoch ist. Was nun? Als Elektromonteur zurück auf die Baustelle oder eher ein Wechsel in den kaufmän- nischen Bereich, wo er sein technisches Wis- sen einbringen kann? Zu jener Zeit ist ihm die Ausbildung zum Technischen Kaufmann zwar schon ein Begriff und sie hätte ihn sehr gereizt, aber er erfüllt die Voraussetzungen nicht. So be- ginnt er eine kaufmännische Lehre, muss sich aber anderthalb Jahre später eingestehen, dass dies die falsche Entscheidung war. In der Berufs- schule ist er als mittlerweile 22-Jähriger mit Ab- stand der Älteste. Zudem verspürt er den Drang nach einer arbeitsmässigen Herausforderung. Er bewirbt sich bei der Emalux SA, einem KMU im Beleuchtungsbereich, dessen Geschäftsleiter ei- nen zweisprachigen Mitarbeiter sucht. Mit sei- nem technischen Hintergrund und dem kauf- männischen Grundwissen ist José Martin die ideale Besetzung. Er erhält die Stelle und im Ver- lauf der Jahre immer mehr Kompetenzen als Sachbearbeiter Verkauf von Beleuchtungskon- zepten. Zunächst bearbeitet er ausschliesslich die Westschweiz und später auch die Deutsch- schweiz. Auf Umwegen zum Ziel Sein beruflicher Werdegang verlief alles andere als gradlinig. Viele Hürden zwangen ihn immer wieder, die Komfortzone zu verlassen und sich Etappenziele zu erkämpfen. Aber genau das hat José Martin stark gemacht. Erica Sauta über José Martin, TK-Absolvent, Bereichsleiter und Vorstandsmitglied Anavant
  • 2. 31 «Ich will mehr!» Aber José Martin hat sein Ziel noch nicht erreicht. Von seinem Vater hat er eine gehörige Portion Ehrgeiz in die Wiege gelegt bekommen. Dieser hat sich immer gewünscht, dass seine Söhne «et- was aus sich machen», und sie stets dazu aufge- fordert, sich niemals auf ihren Lorbeeren auszuru- hen. Sein Motivationsspruch «Ich will mehr!» hat sich bei José Martin eingeprägt. Nun will er defini- tiv eine höhere Weiterbildung abschliessen. Am Centre de perfectionnement interprofessionnel CPI nimmt er 2001 die berufsbegleitende Weiterbil- dung zum Technischen Kaufmann in Angriff. Das Jahr bei Emalux und seine Temporäreinsätze auf Baustellen werden ihm als Berufserfahrung ange- rechnet, so dass er jetzt die Anforderungen er- füllt. «Ich fand die Weiterbildung enorm span- nend. Fächer wie Marketing und Wirtschaft ha- ben mich sehr interessiert. In dieser Zeit machte ich mich auch auf die Suche nach einer neuen Ar- beitsstelle, weil ich Einblick in ein grösseres Un- ternehmen erhalten wollte», erinnert sich José Martin. Im Juni 2002 wechselt er zu Siemens als Aussendienstmitarbeiter für Sicherheits-, Zutritts- kontroll- und Videoüberwachungslösungen. Pa- rallel dazu besucht er weiterhin die Schule. Seine überdurchschnittliche berufliche Leistungsbereit- schaft fordert jedoch ihren Tribut: Er kann sich zu wenig auf die Schule konzentrieren und besteht die TK-Prüfung nicht. Zwei Geschenke am 16. Oktober 2012 José Martin stürzt sich in seine Arbeit und ist darin so erfolgreich, dass Siemens ihm 2008 eine Stelle in Zug als Solution Manager anbietet. Auch in die- ser Funktion erbringt er Top-Leistungen, aber da ist immer wieder diese Stimme im Hinterkopf, die ihn mahnt: «Ich will mehr!» Ende 2009 lernt er seine Frau Nathalie kennen, die bei den United Nations arbeitet. Das Paar zieht nach Genf und 2010 findet José Martin eine Stelle als Berater Energiesysteme bei der Ernst Schweizer AG, dem Pionier der Sonnenkollektoren. «Ich wollte auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien Fuss fassen, weil mich dieses Thema sehr interessiert», erklärt José Martin. Ermuntert von seiner Frau, eine Weiterbildung abzuschliessen, unternimmt er neun Jahre nach dem ersten Versuch einen zweiten Anlauf für die TK-Prüfung. Doch ausge- rechnet in dieser Phase prüft ihn das Leben besonders hart: Im Alleingang muss er viel Stoff nachholen. Seine Frau muss ab der 21. Schwan- gerschaftswoche wegen Komplikationen ins Spi- tal. Tatsächlich kommt Söhnchen Edén bereits in der 26. Schwangerschaftswoche zur Welt und liegt vier Monate lang im Spital – genau in jener Zeit also, als José Martin mitten in den Prüfungs- vorbereitungen steckt. «Das war eine schlimme Zeit. Bis Mitternacht war ich jeweils im Spital, dann reiste ich nach Fribourg und dann wieder zu- rück ins Spital. Am 16. Oktober 2012 konnten wir Edén mit nach Hause nehmen – und an diesem Tag erfuhr ich, dass ich die TK-Prüfung bestanden hatte. So habe ich an diesem Tag zwei Geschenke aufs Mal erhalten.» Nach einem kurzen Abstecher als Energieberater in einem kleinen Unternehmen wechselt er 2013 als Bereichsleiter und Bildungs- verantwortlicher zu Swissolar und zieht mit der Familie nach Zürich. 2013 schliesst der Unermüdli- che noch eine Weiterbildung als Betriebswirt- schafter des Gewerbes mit eidg. Diplom ab. Den TK in der Westschweiz pushen Nach kurzer Blütezeit ist das Berufsbild TK in der Westschweiz etwas in Vergessenheit geraten. Um die Weiterbildung in der Romandie zu pushen, be- kundet José Martin an der Diplomfeier 2013 sein Interesse an einer Vorstandstätigkeit bei Anavant. Nach einem Vorstellungsgespräch beim Präsiden- ten Bruno Aregger wird er an der Mitgliederver- sammlung vom 14. März 2014 zum Vorstandsmit- glied gewählt. Seither hat er bereits verschiedene Massnahmen lanciert, um dem Berufsbild in der Romandie wieder zu mehr Bekanntheit zu verhel- fen. José Martins Werdegang zeigt, dass sein Vor- haben gute Chancen hat: Seinen enormen Durch- haltewillen und seine Hartnäckigkeit hat er oft genug unter Beweis gestellt. 16.10.2012: Endlich dürfen die Eltern ihren Sohn Edén nach Hause nehmen.