1. Auswirkungen des BilMoG auf Unternehmenskaufverträge:
Unerwünschte Effekte auf Kaufpreise müssen rechtzeitig analysiert werden
Dr. Anke Nestler/Ralf Otto
Mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) erfährt das deutsche
Handelsgesetzbuch (HGB) die größte Änderung seit dem Bilanzrichtlinien-Gesetz von 1985,
als die Bilanzierung und Prüfung von Kapitalgesellschaften umfassend neu regelt wurde. Mit
dem BilMoG soll das HGB nun zum Einen an die Bilanzierungspraxis der internationalen
Rechnungslegung angenähert werden, zum Anderen jedoch als eigenständiges, kompaktes
Bilanzierungsregelwerk für den deutschen Mittelstand erhalten bleiben. Unter anderem
werden folgende international üblichen Bilanzierungsmethoden eingeführt: für selbst erstellte
immaterielle Vermögensstände des Anlagevermögens entsteht ein Aktivierungswahlrecht,
latente Steuern sind nach dem Temporary-Konzept bilanzorientiert zu ermitteln, auf
steuerliche Verlustvorträge können aktive latente Steuern gebildet werden, der Kauf und
Verkauf eigener Anteile wird erfolgsneutral direkt im Eigenkapital gebucht, die Bewertung
der Pensionsrückstellungen erfolgt mit realistischeren Annahmen und Planvermögen darf mit
Pensionsverpflichtungen saldiert werden. Im Konzernabschluss nach HGB wird der
Konsolidierungskreis um Zweckgesellschaften erweitert, deren wirtschaftliches Risiko vom
Konzern getragen wird.
Die veränderten Bilanzierungsregeln werden Bilanzpositionen an sich, aber auch ihre Höhe an
verschiedenen Stellen maßgeblich beeinflussen. In Abhängigkeit vom Zeitpunkt der
Umsetzung der neuen Regelungen in dem Jahresabschluss einer Gesellschaft wird sich somit
das Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage ändern, ohne dass die wirtschaftliche
Situation als solches anders ist. Maßgeblich für eine richtige Interpretation von Änderungen in
Bilanzpositionen ist somit v.a. der Zeitpunkt der Umstellung.
Die zentralen Neuregelungen des BilMoG sind verpflichtend für Geschäftsjahre, die nach
dem 31. Dezember 2009 beginnen anzuwenden. Eine freiwillige frühzeitige Anwendung aller
neuen Regelungen ist möglich. Viele Übergangsregelungen in den einzelnen
Reformbereichen führen zu mehrjährigen Anpassungsschritten in der Bilanzierungspraxis von
Unternehmen.
Auswirkungen des BilMoG auf Kaufverträge bei M&A Transaktionen
In M&A Transaktionen ist der Jahresabschluss eine wesentliche Grundlage zur Abbildung
von finanziellen Effekten. So wird oftmals in Kaufverträgen der finale Kaufpreis auf der
Basis der sogenannte „Closing Bilanz“ ermittelt. Weitere typische Vereinbarungen sind
vereinbarten Größenordnungen von Working Capital, Vorräten oder bilanziellem
Eigenkapital, für die bei Über- oder Unterschreiten Folgewirkungen vertraglich vereinbart
werden. Die Spielart von Vertragsklauseln zur Abbildung von unsicheren Entwicklungen in
der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage zum Vertragsabschluss sind dabei sehr vielfältig.
In M&A Transaktionen ist nun unter den Veränderungen des BilMoG zu prüfen, inwieweit
sich allein Anpassungseffekte aus den veränderten Rechnungslegungsregeln ergeben können.
Aus der Sicht der Vertragsparteien sollen sich Anpassungen im Kaufpreis ja nur durch
wirtschaftlich begründete Entwicklungen auswirken, aber nicht ausgelöst durch neue
bilanzielle Darstellungs- und Bewertungsregelungen.
2. Beispielhaft werden in diesem Beitrag mögliche Effekte aus der Umstellung auf die
Aktivierung selbst geschaffener immaterieller Vermögensgegenstände sowie aus einer neuen
Bewertung der Pensionsrückstellungen aufgezeigt. Die bilanziellen Spielräume, die sich auf
der Basis des BilMoG ergeben, sind dabei wesentlich vielfältiger und mit gegenläufigen
Effekten.
Aktivierungswahlrecht für immaterielle Vermögensgegenstände
Im Zuge des BilMoG wird den Unternehmen nun ein Aktivierungswahlrecht für
Entwicklungskosten eingeräumt (§ 248 Abs. 2 HGB). Damit werden nun erstmalig
selbsterstellte immaterielle Vermögenswerte unter bestimmten Bedingungen in der Bilanz
„sichtbar“.
Dieses Aktivierungswahlrecht berührt bei Ausübung sowohl die Ergebnisrechnung als auch
die Vermögenspositionen in der Bilanz. Grundsätzlich wird durch die Aktivierung der
Aufwand für eine Entwicklung von Produkten (z.B. von Software) neutralisiert, so dass der
Jahresüberschuss steigt. Gleichzeitig wird der aktivierte, immaterielle Vermögensgegenstand
über seine voraussichtliche Nutzungsdauer planmäßig abgeschrieben. Damit ergeben sich im
Vergleich zu einer Bilanzierung vor BilMoG (c.p.) höhere Abschreibungen.
Durch das neue Wahlrecht eröffnen sich dabei nicht nur durch die Ausübung an sich, sondern
auch durch die Bewertung solcher Vermögenswerte weitere erhebliche bilanzpolitische
Spielräume. So hängt die Höhe der neu zu aktivierenden immateriellen Vermögenswerte z.B.
vom Zeitpunkt der Aktivierung der Entwicklungskosten im Entwicklungszyklus des
Produktes ab. Auslegungsspielräume bestehen auch hinsichtlich der Abgrenzung eines
Vermögensgegenstands sowie in der Bewertung dieser immateriellen Vermögenswerte und
der Bestimmung der planmäßigen Nutzungsdauer. Damit ergibt sich ein Spielraum, der sich
auf den Ergebnisausweis und die Darstellung in der Bilanz ganz erheblich auswirken kann.
Da eine Aktivierung solcher immaterieller Vermögensgegenstände steuerlich nach wie vor
nicht zulässig ist, sondern ein generelles Aktivierungsverbot besteht, werden die daraus
resultierenden Ergebnisdifferenzen als passive latente Steuern in der Bilanz ausgewiesen.
Soweit latente Steuern in den M&A Vertragsklauseln, z.B. zur Definition von Finanzgrößen,
aufgenommen werden, sind solche Effekte zu berücksichtigen und im Kaufvertrag zu regeln.
Änderungen bei Pensionsrückstellungen
Bislang erfolgt die Bewertung der handelsrechtlichen Pensionsrückstellung oft mit Blick auf
einen einheitlichen Wert zur Steuerbilanz möglichst nach den fiskalischen Bewertungsregeln
des §6a EStG. Diese Praxis lässt sich mit BilMoG nicht mehr aufrecht erhalten. Die expliziten
Bewertungsregeln des §253 HGB führen zur Berücksichtigung von zukünftigen Gehaltstrends
und einer Abzinsung mit einem realistischeren langfristigen Marktzinssatz. Diese Änderungen
können vielfach zu Pensionsrückstellungen führen, die 20% bis 30% oder im Einzelfall auch
mehr über dem bisherigen handelsrechtlich erfassten Niveau liegen. Da eine einmalige
ergebniswirksame Erfassung solcher Unterschiede für viele Unternehmen in einem
Geschäftsjahr nicht verkraftbar wäre, kann die Wertaufholung auf einen Zeitraum von 15
Jahren verteilt werden. Der nicht erfasste Unterschiedsbetrag muss im Anhang offengelegt
werden. In der Phase der Wertaufholung wird das Jahresergebnis der Gesellschaft regelmäßig
belastet und damit auch zukünftige Ausschüttungen an Anteilseigner beschränkt. Wird im
Kaufvertrag der Kaufpreis unter Abzug der Pensionslasten ermittelt, ist somit eher auf den im
3. Anhang offengelegten „vollen“ Pensionsrückstellungsbetrag abzustellen. Ein bislang für
deutsche Zielunternehmen mit reiner HGB Rechnungslegung oftmals separat eingeholtes
Bewertungsgutachten nach den Regelungen der IFRS kann dagegen zukünftig wohl entfallen.
Als weitere wesentliche Annäherung an internationale Bilanzierungspraxis wird in §246 HGB
nach BilMoG die Möglichkeit eröffnet Planvermögen, das allein der Erfüllung von
Pensionsverpflichtungen dient und im Insolvenzfall dem Zugriff anderer Gläubiger entzogen
ist, mit den Pensionsverpflichtungen zu verrechnen. Diese Saldierung führt bei erstmaliger
Anwendung zu einer deutlichen Verkürzung der Bilanzsumme. Bei der Bilanzanalyse
verbessern sich somit im Vergleich zu einer Bilanzierung vor BilMoG (c.p.) alle Kennzahlen
die auf die Bilanzsumme Bezug nehmen, wie z.B. Eigenkapitalquote oder
Gesamtkapitalrentabilität. Werden solche Kennzahlen bei Transaktionen im Rahmen von
Earn-out Klauseln oder als Covenants genutzt, ist die Veränderung durch Saldierung von
Planvermögen bei der Festlegung der Vergleichskennzahlen mit zu berücksichtigen.
Schlußfolgerung
Zeitplan und Umfang der Umstellung auf BilMoG in der Rechnungslegung des
Zielunternehmens wird in den nächsten zwei Jahren für alle Verhandlungspartner eines
Unternehmenskaufs eine wichtige Informationsgrundlage sein. Nur auf dieser Basis lässt sich
beurteilen, welche Regelungen im Vertragswerk getroffen werden müssen, um trotz
vielfältiger bilanzieller Umstellungseffekte die verhandelte Verteilung von wirtschaftlichen
Chancen und Risiken zwischen Verkäufer und Käufer auch tatsächlich wirksam und
nachvollziehbar zu vereinbaren.