Mag. Wolfgang Hackl - Mensch in Bewegung - "Inspiration & Motivation" 4. Mos...
Dr. Oliver Bender - Akademie der Wissenschaften - Tourismus in peripheren Berggebieten - Heilsbringer oder falsche Hoffnung
1. Gebirgsforschung: Mensch und Umwelt
Tourismus in peripheren Berggebieten
– Heilsbringer oder falsche Hoffnung?
PD Dr. Oliver Bender
Österreichische Akademie der Wissenschaften
Institut für Gebirgsforschung: Mensch und Umwelt
Innsbruck 1
3. Gebirgsforschung: Mensch und Umwelt
Überblick
1. Einleitung: Problementwicklung
• Zunehmende räumliche Disparitäten in den Alpen
• Forderung nach „nachhaltiger Regionalentwicklung“
2. Tourismus als Lösungsansatz?
• Entwicklungsgeschichte des Tourismus in den Alpen
• Struktur des österreichischen Tourismus
3. Fazit und Ausblick
3
4. Gebirgsforschung: Mensch und Umwelt
Räumliche Disparitäten in den Alpen
• Der Druck auf die Bergregionen wird immer größer
(Messerli 2008)
• Die Alpen zwischen Verstädterung und Verödung
(Bätzing et al. 1994)
• Die Alpen – gefährdeter Lebensraum im Gebirge
(Birkenhauer 1988)
• Landwirtschaft im Alpenraum: Unverzichtbar, aber
zukunftslos (EURAC Tagungsband 1996)
• Welche Zukunft für strukturschwache nicht-touristische
Alpentäler? (Bätzing 1990)
4
6. Gebirgsforschung: Mensch und Umwelt
Betriebsaufgaben
in der Landwirtschaft
1990–2000
F
A
Tappeiner et al. 2008: Alpenatlas
6 6
7. Gebirgsforschung: Mensch und Umwelt
Nachhaltige Regionalentwicklung: Ziele
Alpenkonvention (Rahmenkonvention 1995):
• „Erhaltung und Förderung der ... Eigenständigkeit der … Bevölkerung und der
Sicherstellung ihrer Lebensgrundlagen, … der umweltverträglichen Besiedlung
und wirtschaftlichen Entwicklung“
Arge-Alp (www.argealp.org):
• „Der Tourismus als … wichtigste Wirtschaftsalternative peripherer Gebiete ist zu
sichern und den ökologischen … Voraussetzungen entsprechend maßvoll zu
entwickeln.
• In den bereits hochentwickelten Gebieten sollen Überbelastungen vermieden
und … Schädigungen behoben werden,
• während in schwach … entwickelten, für den Tourismus geeigneten Bereichen
umweltverträgliche Tourismusformen gestärkt werden sollen.“
7
9. Gebirgsforschung: Mensch und Umwelt
Belle-Epoque-Phase (1880–1914)
J. Scotti: Sonnenaufgang am Rigi. In: Das Buch für alle, 1890
9
10. Gebirgsforschung: Mensch und Umwelt
Zwischenkriegszeit (1918–1955)
Predigstuhlbahn,
Bad Reichenhall (BY, D), von 1928,
älteste original erhaltene Großkabinenseilbahn der Welt
(zeitgenössisches Werbeplakat, Farblithogr. um 1935 )
10
12. Gebirgsforschung: Mensch und Umwelt
„Zug nach oben“
25
N Tiroler Zentralalpen S 20
4000
3500 15
Dolomiten
3000 Kalkalpen 10
2500 Sommersaison
5
2000 Wintersaison
0
1500
1000 Übernachtungen in Tirol
500 Gardasee (in Mio.) 1949–2004
0 (Quelle: Job 2005)
Wintersport Sommertourismus
Sommer- und
Naherholung
Wintertourismus
Höhengliederung des Saisonverlaufs in den
Ostalpen (Quelle: Lichtenberger 1976)
12
13. Gebirgsforschung: Mensch und Umwelt
Reife- bzw. Phase der
Stagnationsphase Neuerschließungen
(1985–1999) (ab 1999–?)
Skipistenbau:
der Berg wird neu geformt!
13
15. Gebirgsforschung: Mensch und Umwelt
Saisonverlauf der Übernachtungen im österreichischen Tourismus.
(Bender et al. 2007: Landscape, Seasonality, and tourism. A survey with examples from
Central Europe. In: Palang et al.: Seasonal Landscapes. Boston, Springer, 181–213.)
15
18. Gebirgsforschung: Mensch und Umwelt
Tourismus-Konzentration (Lorenzkurve)
% der Übernachtungen
1
1 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
% der Gemeinden
18
19. Gebirgsforschung: Mensch und Umwelt
Tourismus-Konzentration (Lorenzkurve)
% der Übernachtungen
Die 25% der Gemeinden mit den meisten Übernachtungen
19
20. Gebirgsforschung: Mensch und Umwelt
Beispiel 1: Bschlabertal/Ausserfern (Tirol)
Wie ein Tal stirbt
Während in den Fremdenverkehrsfabriken der Alpen der Tourismus
brummt, meiden Besucher die abgelegenen Regionen der Bergwelt.
Die meisten Bewohner wandern ab, ihr Lebensraum verödet.
… „Das Tal ist fast ein hoffnungsloser Fall“, sagt Bernd Huber.
„Wie lange ich selbst noch hierbleibe, weiß ich nicht.“
Der 30jährige ist einer der wenigen seiner Generation, die nicht
fortgezogen sind. …
Quelle: Die Zeit, Nr. 31, 28. Juli 2011
20
21. Gebirgsforschung: Mensch und Umwelt
Beispiel 2: Virgental (Osttirol)
Übernachtungen insgesamt
Anteil der Wintersaison (%)
Virgen von Westen, Blick in Richtung Matrei (Foto: Otterstädt 2002)
21
22. Gebirgsforschung: Mensch und Umwelt
Beispiel 3: Seefelder Plateau (Nordtirol)
Übernachtungen insgesamt
Anteil der Wintersaison (%)
Seefelder Plateau von Süden (Foto: Bender 2010)
22
24. Gebirgsforschung: Mensch und Umwelt
Fazit: selten ein Heilsbringer!
„In zahlreichen Programmen … wird der ländliche Tourismus, gemeinsam
mit der ökologischen … Landwirtschaft als Leitbranche für eine nachhaltige
Regionalentwicklung in peripheren Gebieten genannt.
Verschiedene Modelle haben … dem Alpentourismus Impulse gegeben, die
erwarteten wirtschaftlichen Effekte – trotz beachtlicher öffentlicher
Investitionen – blieben gerade in den … Peripherien eher aus.
Die … Globalisierung und die Budgetprobleme der öffentlichen Hand lassen
vermuten, dass die Chancen dieser Regionen, sich durch steigende
touristische Nachfrage in ihren wirtschaftlichen Entwicklungen zu
stabilisieren, geringer werden.
Anstelle nachhaltiger Alternativen wird in ländlichen Regionen wieder
verstärkt über Investitionen in große touristische Infrastrukturen
nachgedacht, potente Investoren finden sich kaum.“
(Zimmermann, F.: Tourismus zwischen Masse und Qualität.
Quelle: http://www.oeaw.ac.at/isr/raumalp/mitarbeiter/tourismus.html )
24
25. Gebirgsforschung: Mensch und Umwelt
Klimawandel „Beschneiung“ – der künstliche Winter
Obergurgl, Tirol (Foto: Borsdorf 2005)
25
26. Gebirgsforschung: Mensch und Umwelt
„Berge ohne Sex-Appeal“
„… Doch mittlerweile schwächelt der touristische Selbstläufer, die
Gästezahlen stagnieren. Händeringend sucht die Branche nach
Konzepten angesichts zunehmender Konkurrenz erfolgreich am
Markt zu bestehen. …
Die Alpen sind schlecht aufgestellt. Seit dem Zweiten Weltkrieg
hat man sich zu sehr auf die Wintersaison konzentriert. Doch die
kalte Jahreszeit ist kurz, und die Konkurrenz schläft nicht. …
Am schnelllebigen Markt werden die Alpen mit ihrem verstaubten
Image aber nicht bestehen können. Um ganzjährig und nachhaltig
zu funktionieren, bedarf es eines Faceliftings. Wie das aussehen
und funktionieren soll, daran scheiden sich aber vorerst noch die
Geister.“
Quelle: Die Zeit, Nr. 31, 28. Juli 2011
26
27. Gebirgsforschung: Mensch und Umwelt
Ausblick: Renaissance der Sommerfrische?
1860 1960 2060?
Summer Summer Summer
Mountain Sea Mountain
Spring & Autumn Ski, naturism, Climate
Piedmont lakes heliotropism change
Winter Winter Winter
Sea Mountain Sea
Towards a New Seasonal Turnaround of Tourism Polarities? (Bourdeau 2008)
27
28. Gebirgsforschung: Mensch und Umwelt
Literaturhinweise
Bätzing, W. 2003: Geschichte und Zukunft einer europäischen
Kulturlandschaft. München, Beck.
Bender, O. et al. 2011: Mountains under Climate and Global Change
Conditions. Research Results in the Alps. In: Climate Change –
Geophysical Foundations and Ecological Effects. Rijeka, InTech, 403–422.
Borsdorf, A. (Hg.) 2005: Das neue Bild Österreichs. Strukturen und
Entwicklungen im Alpenraum und den Vorländern. Wien, ÖAW.
Bourdeau, P. 2008: The Alps in the age of new style tourism: between
diversification and post-tourism. In: IGF-Forschungsberichte 2, 81–86.
Job, H. 2005: Die Alpen als Destination – Eine Analyse in vier
Dimensionen. In: Mitt. der Österr. Geograph. Ges. 147, 113–138.
Lichtenberger, E. 1965: Das Bergbauernproblem in den österreichischen
Alpen. Perioden und Typen der Entsiedlung. In: Erdkunde 19, 39–57.
Tappeiner, U. et al. (eds.) 2008: Alpenatlas. Heidelberg, Spektrum.
YEAN 2005: TirolCITY. New urbanity in the Alps. Neue Urbanität in den
Alpen. Wien, Folio.
28
29. Gebirgsforschung: Mensch und Umwelt
Danke für die Aufmerksamkeit!
PD Dr. Oliver Bender
Österreichische Akademie der Wissenschaften
oliver.bender@oeaw.ac.at
29