1. Gesichter der Freundschaft
Meine erste Begegnung mit der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Hamburg habe ich
drei Menschen zu verdanken, die alle schon gegangen sind. Ich kam nach Hamburg Mitte der
80-er Jahre auf die Bitte von Olgierd Pietrek, einem Rzeszower Gemanisten, der sich
unermüdlich für polnisch-deutsche Beziehungen einsetzte und viele andere damit angesteckt
hat. Diese Menschengruppe, zu der dann auch ich zählte, hat einige Jahre später die Polnisch
Deutsche Gesellschaft Rzeszów gegründet. Die DPG Hamburg wurde zu unserem ersten
deutschen Partner, mit dem wir viele Projekte in die Wege geleitet haben. Bei diesem ersten
Besuch begleitete ich als Dolmetscherin die Volkstanzgruppe der Pädagogischen Hochschule
Rzeszów (heute Universität Rzeszow) Resovia Saltans , die mit viel Elan und Jugend-Charme
die Rolle unseres Botschafters spielte und es bis heute noch tut. Mit der Gruppe kam damals
nach Hamburg auch der Rektor unserer Hochschule Professor Marian Bobran. Untergebracht
waren wir beide bei Friedhelm und Helga Sauerland, die uns sehr herzlich empfangen haben.
Polen war damals noch ein anderes Land. Die Zeit der Wende sollte erst einige Jahre später
kommen. Ich kann mich erinnern, dass Professor Bobran, der geplant hat,
Partnerbeziehungen mit der Universität Hamburg anzuknüpfen, einfach nicht fassen konnte,
dass der deutsche Rektor sich geweigert hat, es eigenwillig zu entscheiden, sondern es der
Initiative der einzelnen Fakultäten überlassen wollte. Der polnische Rektor empfand es als
eine große Schwäche dieses Amtes in Deutschland. Demokratie war bei uns eben noch wenig
praktiziert . Es war auch der Höhepunkt der Mangelwirtschaft in Polen. Friedhelm Sauerland,
der uns nach diesem ersten Treffen in Hamburg immer wieder in Polen besuchte (bis er als
Rentner ganz nach Rzeszow übersiedelt ist), brachte immer als Gastgeschenk neben Wein,
Kaffee und verschiedenen ausgefallenen Käsesorten auch duftendes farbiges Toilettenpapier
mit, das im grauen Polen wie eine Luxusware aussah.
Seit der Zeit ist viel Wasser den Fluss Wisłok und die Alster hinabgeflossen. Es gibt
die gleichen Waren in den Läden, junges buntes Volk auf den Rzeszower Strassen sieht genau
so aus wie in Hamburg und in jeder anderen Stadt Europas, demütigende Kontrollen an den
Grenzen sind in Vergessenheit geraten. Es gibt aber immer mehr Zeitdruck und Probleme
mit Gastgeschenkideen…
Olek Pietrek, Marian Bobran, Friedhelm Sauerland ‒ die drei Männer, mit denen
meine älteste Erinnerung an Hamburg verbunden ist, wurden von uns nach und nach auf dem
gleichen Friedhof in Rzeszow verabschiedet. Aber wenn ich an unsere gemeinsame
Geschichte zurückblicke, sehe ich weniger konkrete Veranstaltungen als eben Gesichter von
Menschen, die ich in dieser Zeit getroffen habe. Wenn man Erinnerungen Revue passieren
lässt, sind sie alle da - die Lebenden und die Verstorbenen. Die Ausstellung „Vier Grafiker
aus Rzeszow“, die ich vor Jahren in Hamburg mit veranstaltet habe, assoziiere ich u.a. mit
dem Gesicht von Dr. Hanno Jochimsen, der eine sehr schöne, einfühlsame Einführung
gemacht hat und mit dem damaligen Rzeszower Woiwoden Kazimierz Ferenc, einem der
wenigen mir bekannten Politiker, der wirklich Ahnung von der Kunst hatte. In all den Jahren
bin ich vielen Menschen aus Hamburg begegnet, deren Gesichter in mir warme Gefühle
erwecken ‒ Ola Jeschke-Zillmer, Ihr Mann Hatschi, Waltraud Hoffmann, in der letzten Zeit
Viola Krizak, die mit großem Talent das Werk ihrer Vorgänger weiterführt.
Es gibt aber ein Gesicht, das praktisch in jeder Erinnerung an Hamburg auftaucht- das
von Gerd Hoffmann. Gerd ‒ spiritus movens aller Kontakte und Projekte ‒ ist für mich ein
Mensch, von dem jeder, der sich für deutsch-polnische Freundschaft einsetzt, lernen sollte,
wie man es richtig macht. Lieber Gerd, ich gratuliere Dir zu Deinem Lebenswerk. Liebe
Freunde aus Hamburg, ich gratuliere Euch zu diesem schönen Jubiläum.
Marta Jakubowicz-Pisarek