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Auf Augenhöhe
Leitfaden zur Darstellung von
Menschen mit Behinderung
für Medienschaffende
2
Christiane Reppe, paralympische Sportlerin
Die Medien haben einen entschei-
denden Einfluss darauf, wie die Gesell-
schaft behinderte Menschen wahr-
nimmt und mit ihnen umgeht.
Medienschaffende können über eine
veränderte Darstellung (z. B. als
selbstbestimmte, statt als hilflose
Menschen) dabei mitwirken, dass
Berührungsängste abgebaut und Aus-
grenzung vermieden werden. Dieser
Leitfaden soll deshalb Journalist_innen,
Moderator_innen und Filmschaffende
sensibilisieren und ihnen helfen,
diskriminierende Darstellungen
behinderter Menschen zu vermeiden. 
3
Perspektive und Charakterisierung
authentisch und vielseitig
Menschen mit Behinderung sind Expert_innen in eigener Sache, d.h. binden
Sie in Ihre Berichterstattung aktiv die Sicht der behinderten Protagonist_innen mit
ein (Stichwort »nichts über uns ohne uns«).
Die reale Perspektive eines behinderten Menschen macht ihr fiktionales
Format authentischer, d.h. besetzen Sie Figuren mit Behinderung durch Schau-
spieler_innen mit Behinderung oder lassen Sie sich ggf. zur Darstellung umfassend
beraten.
Jeder erlebt seine Beeinträchtigung anders und »leidet« nicht zwangsläufig
darunter, z.B. ist Stephen Hawking in erster Linie Astrophysiker, nicht nur der
»an den Rollstuhl gefesselte Behinderte«.
Ihr Beitrag kann auch ohne »Helden-« oder »Opfergeschichte« faszinieren, z.B.
meistern Menschen mit Behinderungen nicht automatisch »tapfer« ihren Alltag oder
sind Menschen mit psychischen Erkrankungen nicht per se »gefährliche Verrückte«.
Menschen mit Behinderung sind keine geschlechtsneutralen Personen, d.h.
bedenken Sie in Ihren Beiträgen die unterschiedliche Perspektive von Frauen,
Männern und Kindern mit Behinderung.
Ein Perspektivwechsel auf Behinderung lohnt sich, denn z.B. sind nicht alle
Autist_innen nur IT-Spezialist_innen, sind Menschen mitTrisomie 21 nicht nur Schau-
spieler_innen.
4
Raúl Krauthausen, Aktivist
Bildsprache
Ein Blick auf Augenhöhe
Über gelungene Bilder können neue Vorbilder entstehen, z.B. fotografieren/
filmen Sie kleinwüchsige Menschen auf Augenhöhe (statt aus der Vogelperspektive)
und Menschen mit psychischen Erkrankungen so, wie sie ihre Beeinträchtigung
wahrnehmen (statt sie beispielsweise nur hinter Fenstergittern zu zeigen).
Das Thema Vielfalt und Gemeinsamkeit wird besonders durch Bildsprache
betont, z.B. fotografieren/filmen Sie Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen
nebeneinander mit dem Fokus auf die Gesichter und die Umgebung (statt die Hilfs-
mittel in den Vordergrund zu stellen).
Eine »Text/Ton-Bild-Schere« kann beim Thema Behinderung unbewusst
Klischees transportieren, z.B. vermeiden Sie bei Filmaufnahmen von behinderten
Menschen mitleiderregende Musik.
5
Themen
Vom Behindertsein zum Behindertwerden
Der Umstand, dass eine Person mit einer Behinderung lebt, könnte irrelevant
für den Beitrag sein, z.B. berichten Sie nicht voreilig über psychische Erkrankungen
eines Straftäters.
Meist ergeben sich »Behinderungen« eher durch die Umwelt, z.B. mangelnde
Barrierefreiheit, Vorurteile im Bekanntenkreis, Arbeitslosigkeit usw.
Behinderte Menschen haben auch eine Meinung zu anderen Themen als zu
ihrer Behinderung, z.B. interviewen Sie bei Umfragen oder Podiumsdiskussionen
auch behinderte Menschen zu Politik- und Gesellschaftsthemen; oder lassen Sie
Moderator_innen mit Behinderung ein Format moderieren, in dem es nicht um
Behinderung und Inklusion geht.
Das Thema Inklusion benötigt einen vielseitigen Blick, d.h. nutzen Sie mehrere
Perspektiven für ein umfassendes Meinungs- und Stimmungsbild.
Kika und Lucy Wilke, Band blind & lame
Kontext
Ein Thema für den Mainstream
Inklusion und Barrierefreiheit sindThemen für den Mainstream, z.B. interessiert
auch Eltern mit Kinderwagen, ob ein Aufzug funktioniert; oder möchten auch ältere
Menschen komplizierte Sachverhalte schnell verstehen.
Am ehesten erreichen Sie auch noch nicht sensibilisierte Zuschauer_innen,
wenn sie das Thema innerhalb von allen gesellschaftlich relevanten Themen
platzieren, z.B. in Kultur-, Politik- und Sport-Sendungen/Ressorts, und im TV und
Hörfunk mal zur Primetime bzw. im Print auf der 1. Seite.
Metaphern zu Behinderung in einem anderen Kontext sollten vermieden wer-
den, z.B. »autistisch« als Synonym für »stur« oder »schizophren« für »entscheidungs-
schwach«.
Im Kontext zu Berichten über psychische Erkrankungen sind Hinweise zu
Anlaufstellen hilfreich.
Spieler von Alba Berlin Rollis
Interview
Empfehlungen für den Ablauf
generell: Bereiten Sie sich auf ggf. besondere Erfordernisse vor und planen Sie
ausreichend Zeit ein. Das Interview läuft reibungsloser, wenn Sie bereits vorher
nachfragen, welche Gegebenheiten benötigt werden (Ort, Kommunikation); vermei-
den Sie unaufgefordertes Helfen (z.B. Anfassen, Schieben), da Ihr Gegenüber Ihnen
schon ggf. klare Hinweise geben wird; unterhalten Sie sich am besten auf Augenhöhe
im doppelten Sinn und nicht nur mit der Begleitperson (Assistenz, Dolmetscher_in);
es ist ratsam, Fragen aus Interesse zu stellen und sich dabei der Verantwortung be-
wusst zu sein, nicht zu indiskret zu werden, z.B. in voyeuristischer Weise zu intime
Fragen zu stellen oder zu schmerzhafte Erfahrungen aufzugreifen.
speziell: Achten Sie auf die jeweiligen Bedürfnisse Ihrer Interview-
partner_innen. Einige Menschen mit bestimmten Behinderungen haben
folgende Empfehlungen gegeben, die letztlich allen zu Gute kommen: blinde
Menschen brauchen z.B. eine klareWegbeschreibung und Details zur Positionierung
für ein Foto; autistische Menschen bevorzugen evtl. eine klare Struktur, z.B. einen
festen Zeitrahmen, eine rein schriftliche Kommunikation und einen ruhigen Ort (gilt
auch für schwerhörige Menschen); gehörlose Menschen brauchen häufig eine_n
Gebärdensprachdolmetscher_in; Menschen mit Lernschwierigkeiten (früher mit
»geistiger Behinderung«) benötigen evtl. leicht verständliche Formulierungen bis zu
»Leichter Sprache«, aber immer auf Augenhöhe; stotternde Menschen wollen in
Ruhe aussprechen können; Menschen mit psychischen Erkrankungen brauchen
evtl. genügend Zeit, um sich über schmerzhafte Erfahrungen austauschen zu kön-
nen.
7
Sprachliche Tipps
Warum eigentlich so? Warum nicht mal so?
Person XY leidet an … Person XY hat/lebt mit …
(Behinderung, Erkrankung…) (Behinderung ABC, Erkrankung ABC)
Ob jemand wirklich an seiner Behinderung/Erkrankung leidet, kann nur derjenige
selbst wissen. Viele behinderte Menschen leiden eher an Reaktionen und Gegeben-
heiten des Umfelds, und haben sich mit ihrer Behinderung arrangiert.
Person XY ist an den Rollstuhl Person XY sitzt, benutzt oder fährt
gefesselt. Rollstuhl, ist auf den Rollstuhl ange-
wiesen oder im Rollstuhl unterwegs.
An den »Rollstuhl gefesselt« zu sein, suggeriert ein Bild von Passivität, Ohnmacht und
Hilflosigkeit. Dabei bedeutet der Rollstuhl für die meisten Bewegungsfreiheit und
Teilhabe. Außerdem verlassen einige den Rollstuhl auch, z.B. um auf dem Sofa zu sit-
zen oder Auto zu fahren.
Handicap/gehandicapt Behinderung/behindert
Handicap wird zwar in Deutschland als progressiv verstanden, erinnert aber an »cap-
in-hand«, also die Verknüpfung von Behinderung und »Betteln« und wird daher im
britischen und anglo-amerikanischen Sprachraum kaum noch verwendet.
8
geistige Behinderung/ Menschen mit Lernschwierig-
geistig behindert keiten/mit kognitiven
Beeinträchtigungen
Viele Menschen, die als »geistig behindert« bezeichnet werden, finden dies diskrimi-
nierend, da nicht ihr »Geist« behindert ist, und sie z.B. nur Probleme mit dem Lernen
haben. Sie bevorzugen die Beschreibung »Menschen mit Lernschwierigkeiten«. Mehr
Informationen: Bewegung »Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland e.V.«
(www.menschzuerst.de)
trotz seiner/ihrer Behinderung ... mit seiner/ihrer Behinderung
Die Beschreibung »trotz Behinderung« unterstellt, dass der- oder demjenigen mit
Behinderung etwas nicht zugetraut wurde, und dass die Behinderung immer von
allen Aktionen abhält, statt einfach Teil einer Person zu sein.
taubstumm gehörlos, taub
Gehörlose Menschen sind nicht »stumm«, sondern sprechen entweder lautsprachlich
oder in der Gebärdensprache. Manche nennen sich auch »taub«.
gesund/normal vs. krank nicht behindert vs. behindert
Gesundheit und Normalität werden von jedem anders wahrgenommen. Behin-
derung ist nicht mit »Krankheit« zu verwechseln. Nach modernem Verständnis ist
»Behinderung« als Ergebnis einer Wechselwirkung zu verstehen: Eine Person mit
Beeinträchtigung trifft auf eine Barriere – es entsteht »Behinderung«.
9
Hier finden Sie eine Begriffsliste, die Leidmedien.de
des Sozialhelden e. V. zusammengestellt hat:
www.leidmedien.de/journalistische-tipps
Ansprechpartner_innen
Wenn Sie an Beratung zu den Themen »Vielfalt« und »Inklusion« in der Bericht-
erstattung interessiert sind oder Ihr Wissen in Schulungen und Workshops vertiefen
möchten, finden Sie Ansprechpartner_innen und weitere Informationen hier:
www.behindertenbeauftragte.de/leitfaden_medien
Themendienste
Suchen Sie Themen für Ihre Berichterstattung über Menschen mit Behinderungen,
können Sie unter folgenden Themendiensten nachsehen:
www.seelischegesundheit.net (Presse)
www.leidmedien.de (Service)
10
Teilnehmerin bei einem Rollstuhltraining
Weiterführende Leitfäden
Da Inklusion mehr bedeutet als die Partizipation von Menschen mit Behinderung,
finden Sie hier eine weiterführende Liste mit Leitfäden:
Menschen mit Migrationshintergrund:
www.neuemedienmacher.de (Wissen)
Homosexuelle Menschen:
www.blsj.de (Projekte, Schöner schreiben)
Menschen mit Armutserfahrung:
www.armutskonferenz.at (Publikationen)
Menschen im globalen Kontext (Rassismuskritik):
www.ber-ev.de (Infopool & Publikationen)
11
Laura Gehlhaar, Bloggerin, mit ihren Freundinnen
12
Verena Bentele, Behindertenbeauftragte
Hintergrund des Leitfadens ist die
Überzeugung, dass über Medien im
Sinne der UN-Behindertenrechts-
konvention eine neue Bewusstseins-
bildung erreicht werden kann, um ein
inklusives Leben von behinderten und
nicht behinderten Menschen zu
ermöglichen – ob in der Schule, im
Arbeitsleben oder in der Freizeit. Der
Leitfaden ist ein Produkt des Fach-
ausschusses »Kommunikation und
Medien« im Auftrag der Beauftragten
der Bundesregierung für die Belange
behinderter Menschen, Verena Bentele,
und basiert auf den Erfahrungen und
Medienworkshops des Aktions-
bündnisses Seelische Gesundheit und
des Projektes »Leidmedien.de« des
Sozialhelden e. V. Mitgewirkt haben
außerdem viele andere Verbände
behinderter Menschen sowie
Expert_innen aus dem Medienbereich.
13
14
Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen
Kleisthaus
Mauerstraße 53
10117 Berlin
Telefon: 030 18 527 2944
Fax: 030 18 527 1871
E-Mail: buero@behindertenbeauftragte.de
www.behindertenbeauftragte.de
Facebook.com/behindertenbeauftragte
Twitter.com/inklusionbewegt
Gestaltung: Enno Hurlin
Druck: Druckerei des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Bonn
Fotonachweis:
Andi Weiland, Sozialhelden e. V.
Behindertenbeauftragte/Henning Schacht, S. 12
15
www.behindertenbeauftragte.de
Rebecca Maskos, Journalistin, im Gespräch mit Fritz Pleitgen

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Auf Augenhöhe - Leitfaden zur Darstellung von Menschen mit Behinderung für Medienschaffende

  • 1. Auf Augenhöhe Leitfaden zur Darstellung von Menschen mit Behinderung für Medienschaffende
  • 2. 2 Christiane Reppe, paralympische Sportlerin Die Medien haben einen entschei- denden Einfluss darauf, wie die Gesell- schaft behinderte Menschen wahr- nimmt und mit ihnen umgeht. Medienschaffende können über eine veränderte Darstellung (z. B. als selbstbestimmte, statt als hilflose Menschen) dabei mitwirken, dass Berührungsängste abgebaut und Aus- grenzung vermieden werden. Dieser Leitfaden soll deshalb Journalist_innen, Moderator_innen und Filmschaffende sensibilisieren und ihnen helfen, diskriminierende Darstellungen behinderter Menschen zu vermeiden. 
  • 3. 3 Perspektive und Charakterisierung authentisch und vielseitig Menschen mit Behinderung sind Expert_innen in eigener Sache, d.h. binden Sie in Ihre Berichterstattung aktiv die Sicht der behinderten Protagonist_innen mit ein (Stichwort »nichts über uns ohne uns«). Die reale Perspektive eines behinderten Menschen macht ihr fiktionales Format authentischer, d.h. besetzen Sie Figuren mit Behinderung durch Schau- spieler_innen mit Behinderung oder lassen Sie sich ggf. zur Darstellung umfassend beraten. Jeder erlebt seine Beeinträchtigung anders und »leidet« nicht zwangsläufig darunter, z.B. ist Stephen Hawking in erster Linie Astrophysiker, nicht nur der »an den Rollstuhl gefesselte Behinderte«. Ihr Beitrag kann auch ohne »Helden-« oder »Opfergeschichte« faszinieren, z.B. meistern Menschen mit Behinderungen nicht automatisch »tapfer« ihren Alltag oder sind Menschen mit psychischen Erkrankungen nicht per se »gefährliche Verrückte«. Menschen mit Behinderung sind keine geschlechtsneutralen Personen, d.h. bedenken Sie in Ihren Beiträgen die unterschiedliche Perspektive von Frauen, Männern und Kindern mit Behinderung. Ein Perspektivwechsel auf Behinderung lohnt sich, denn z.B. sind nicht alle Autist_innen nur IT-Spezialist_innen, sind Menschen mitTrisomie 21 nicht nur Schau- spieler_innen.
  • 4. 4 Raúl Krauthausen, Aktivist Bildsprache Ein Blick auf Augenhöhe Über gelungene Bilder können neue Vorbilder entstehen, z.B. fotografieren/ filmen Sie kleinwüchsige Menschen auf Augenhöhe (statt aus der Vogelperspektive) und Menschen mit psychischen Erkrankungen so, wie sie ihre Beeinträchtigung wahrnehmen (statt sie beispielsweise nur hinter Fenstergittern zu zeigen). Das Thema Vielfalt und Gemeinsamkeit wird besonders durch Bildsprache betont, z.B. fotografieren/filmen Sie Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen nebeneinander mit dem Fokus auf die Gesichter und die Umgebung (statt die Hilfs- mittel in den Vordergrund zu stellen). Eine »Text/Ton-Bild-Schere« kann beim Thema Behinderung unbewusst Klischees transportieren, z.B. vermeiden Sie bei Filmaufnahmen von behinderten Menschen mitleiderregende Musik.
  • 5. 5 Themen Vom Behindertsein zum Behindertwerden Der Umstand, dass eine Person mit einer Behinderung lebt, könnte irrelevant für den Beitrag sein, z.B. berichten Sie nicht voreilig über psychische Erkrankungen eines Straftäters. Meist ergeben sich »Behinderungen« eher durch die Umwelt, z.B. mangelnde Barrierefreiheit, Vorurteile im Bekanntenkreis, Arbeitslosigkeit usw. Behinderte Menschen haben auch eine Meinung zu anderen Themen als zu ihrer Behinderung, z.B. interviewen Sie bei Umfragen oder Podiumsdiskussionen auch behinderte Menschen zu Politik- und Gesellschaftsthemen; oder lassen Sie Moderator_innen mit Behinderung ein Format moderieren, in dem es nicht um Behinderung und Inklusion geht. Das Thema Inklusion benötigt einen vielseitigen Blick, d.h. nutzen Sie mehrere Perspektiven für ein umfassendes Meinungs- und Stimmungsbild. Kika und Lucy Wilke, Band blind & lame
  • 6. Kontext Ein Thema für den Mainstream Inklusion und Barrierefreiheit sindThemen für den Mainstream, z.B. interessiert auch Eltern mit Kinderwagen, ob ein Aufzug funktioniert; oder möchten auch ältere Menschen komplizierte Sachverhalte schnell verstehen. Am ehesten erreichen Sie auch noch nicht sensibilisierte Zuschauer_innen, wenn sie das Thema innerhalb von allen gesellschaftlich relevanten Themen platzieren, z.B. in Kultur-, Politik- und Sport-Sendungen/Ressorts, und im TV und Hörfunk mal zur Primetime bzw. im Print auf der 1. Seite. Metaphern zu Behinderung in einem anderen Kontext sollten vermieden wer- den, z.B. »autistisch« als Synonym für »stur« oder »schizophren« für »entscheidungs- schwach«. Im Kontext zu Berichten über psychische Erkrankungen sind Hinweise zu Anlaufstellen hilfreich. Spieler von Alba Berlin Rollis
  • 7. Interview Empfehlungen für den Ablauf generell: Bereiten Sie sich auf ggf. besondere Erfordernisse vor und planen Sie ausreichend Zeit ein. Das Interview läuft reibungsloser, wenn Sie bereits vorher nachfragen, welche Gegebenheiten benötigt werden (Ort, Kommunikation); vermei- den Sie unaufgefordertes Helfen (z.B. Anfassen, Schieben), da Ihr Gegenüber Ihnen schon ggf. klare Hinweise geben wird; unterhalten Sie sich am besten auf Augenhöhe im doppelten Sinn und nicht nur mit der Begleitperson (Assistenz, Dolmetscher_in); es ist ratsam, Fragen aus Interesse zu stellen und sich dabei der Verantwortung be- wusst zu sein, nicht zu indiskret zu werden, z.B. in voyeuristischer Weise zu intime Fragen zu stellen oder zu schmerzhafte Erfahrungen aufzugreifen. speziell: Achten Sie auf die jeweiligen Bedürfnisse Ihrer Interview- partner_innen. Einige Menschen mit bestimmten Behinderungen haben folgende Empfehlungen gegeben, die letztlich allen zu Gute kommen: blinde Menschen brauchen z.B. eine klareWegbeschreibung und Details zur Positionierung für ein Foto; autistische Menschen bevorzugen evtl. eine klare Struktur, z.B. einen festen Zeitrahmen, eine rein schriftliche Kommunikation und einen ruhigen Ort (gilt auch für schwerhörige Menschen); gehörlose Menschen brauchen häufig eine_n Gebärdensprachdolmetscher_in; Menschen mit Lernschwierigkeiten (früher mit »geistiger Behinderung«) benötigen evtl. leicht verständliche Formulierungen bis zu »Leichter Sprache«, aber immer auf Augenhöhe; stotternde Menschen wollen in Ruhe aussprechen können; Menschen mit psychischen Erkrankungen brauchen evtl. genügend Zeit, um sich über schmerzhafte Erfahrungen austauschen zu kön- nen. 7
  • 8. Sprachliche Tipps Warum eigentlich so? Warum nicht mal so? Person XY leidet an … Person XY hat/lebt mit … (Behinderung, Erkrankung…) (Behinderung ABC, Erkrankung ABC) Ob jemand wirklich an seiner Behinderung/Erkrankung leidet, kann nur derjenige selbst wissen. Viele behinderte Menschen leiden eher an Reaktionen und Gegeben- heiten des Umfelds, und haben sich mit ihrer Behinderung arrangiert. Person XY ist an den Rollstuhl Person XY sitzt, benutzt oder fährt gefesselt. Rollstuhl, ist auf den Rollstuhl ange- wiesen oder im Rollstuhl unterwegs. An den »Rollstuhl gefesselt« zu sein, suggeriert ein Bild von Passivität, Ohnmacht und Hilflosigkeit. Dabei bedeutet der Rollstuhl für die meisten Bewegungsfreiheit und Teilhabe. Außerdem verlassen einige den Rollstuhl auch, z.B. um auf dem Sofa zu sit- zen oder Auto zu fahren. Handicap/gehandicapt Behinderung/behindert Handicap wird zwar in Deutschland als progressiv verstanden, erinnert aber an »cap- in-hand«, also die Verknüpfung von Behinderung und »Betteln« und wird daher im britischen und anglo-amerikanischen Sprachraum kaum noch verwendet. 8
  • 9. geistige Behinderung/ Menschen mit Lernschwierig- geistig behindert keiten/mit kognitiven Beeinträchtigungen Viele Menschen, die als »geistig behindert« bezeichnet werden, finden dies diskrimi- nierend, da nicht ihr »Geist« behindert ist, und sie z.B. nur Probleme mit dem Lernen haben. Sie bevorzugen die Beschreibung »Menschen mit Lernschwierigkeiten«. Mehr Informationen: Bewegung »Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland e.V.« (www.menschzuerst.de) trotz seiner/ihrer Behinderung ... mit seiner/ihrer Behinderung Die Beschreibung »trotz Behinderung« unterstellt, dass der- oder demjenigen mit Behinderung etwas nicht zugetraut wurde, und dass die Behinderung immer von allen Aktionen abhält, statt einfach Teil einer Person zu sein. taubstumm gehörlos, taub Gehörlose Menschen sind nicht »stumm«, sondern sprechen entweder lautsprachlich oder in der Gebärdensprache. Manche nennen sich auch »taub«. gesund/normal vs. krank nicht behindert vs. behindert Gesundheit und Normalität werden von jedem anders wahrgenommen. Behin- derung ist nicht mit »Krankheit« zu verwechseln. Nach modernem Verständnis ist »Behinderung« als Ergebnis einer Wechselwirkung zu verstehen: Eine Person mit Beeinträchtigung trifft auf eine Barriere – es entsteht »Behinderung«. 9 Hier finden Sie eine Begriffsliste, die Leidmedien.de des Sozialhelden e. V. zusammengestellt hat: www.leidmedien.de/journalistische-tipps
  • 10. Ansprechpartner_innen Wenn Sie an Beratung zu den Themen »Vielfalt« und »Inklusion« in der Bericht- erstattung interessiert sind oder Ihr Wissen in Schulungen und Workshops vertiefen möchten, finden Sie Ansprechpartner_innen und weitere Informationen hier: www.behindertenbeauftragte.de/leitfaden_medien Themendienste Suchen Sie Themen für Ihre Berichterstattung über Menschen mit Behinderungen, können Sie unter folgenden Themendiensten nachsehen: www.seelischegesundheit.net (Presse) www.leidmedien.de (Service) 10 Teilnehmerin bei einem Rollstuhltraining
  • 11. Weiterführende Leitfäden Da Inklusion mehr bedeutet als die Partizipation von Menschen mit Behinderung, finden Sie hier eine weiterführende Liste mit Leitfäden: Menschen mit Migrationshintergrund: www.neuemedienmacher.de (Wissen) Homosexuelle Menschen: www.blsj.de (Projekte, Schöner schreiben) Menschen mit Armutserfahrung: www.armutskonferenz.at (Publikationen) Menschen im globalen Kontext (Rassismuskritik): www.ber-ev.de (Infopool & Publikationen) 11 Laura Gehlhaar, Bloggerin, mit ihren Freundinnen
  • 12. 12 Verena Bentele, Behindertenbeauftragte Hintergrund des Leitfadens ist die Überzeugung, dass über Medien im Sinne der UN-Behindertenrechts- konvention eine neue Bewusstseins- bildung erreicht werden kann, um ein inklusives Leben von behinderten und nicht behinderten Menschen zu ermöglichen – ob in der Schule, im Arbeitsleben oder in der Freizeit. Der Leitfaden ist ein Produkt des Fach- ausschusses »Kommunikation und Medien« im Auftrag der Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Verena Bentele, und basiert auf den Erfahrungen und Medienworkshops des Aktions- bündnisses Seelische Gesundheit und des Projektes »Leidmedien.de« des Sozialhelden e. V. Mitgewirkt haben außerdem viele andere Verbände behinderter Menschen sowie Expert_innen aus dem Medienbereich.
  • 13. 13
  • 14. 14 Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen Kleisthaus Mauerstraße 53 10117 Berlin Telefon: 030 18 527 2944 Fax: 030 18 527 1871 E-Mail: buero@behindertenbeauftragte.de www.behindertenbeauftragte.de Facebook.com/behindertenbeauftragte Twitter.com/inklusionbewegt Gestaltung: Enno Hurlin Druck: Druckerei des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Bonn Fotonachweis: Andi Weiland, Sozialhelden e. V. Behindertenbeauftragte/Henning Schacht, S. 12
  • 15. 15