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Elisabeth Marie Mars,
Arbeitsstelle WELTBILDER (Hg.)
Ways of Life
Arbeitsstelle WELTBILDER
Fachstelle für Interkulturelle Pädagogik und Globales Lernen
e.V.
Elisabeth Marie Mars,
Arbeitsstelle WELTBILDER (Hg.)
Ways of Life
Janinka Lutze
Sarah
Agwu Igiri Akwari
Klara Giesler
Sidney Ochieng
Ange Imanishimwe
Marit von Graeve
Sören Götz
Barbara Scharfbillig
Nanjira Sambuli
Tobias Minzi
Carmen Müller
Nyagaki Gichia
Chris Orwa
Pililani
Elisabeth Kaneza
Robin
Grace
Jannet
Serhat Duman
Aliko Dangote
Louisa Esther Glatthaar
Sindiswa Mpimpilashe
Anne Salim
Mussa Sango
Tata Yawo Ametoenyenou
Birte Mensing
Nomawhetu Claire Kosani
Verone Mankou
Cathy
Pamela Nabembezi
Clifford
Richard Atem-Ojong
Gabriel Ngungaa Hangara
Robin Frisch
Hope Azeda
Judith Weidner
Shola Ade
Andiswa Duda
Lucy
Sophie Stolle
Athelina Lusanda Mjali
Nadja Nolte
Thilko Gläßgen
Bonaventure
Nozuko Eunice Nqokoto
Zidane Atem-Ojong
Charbel Gauthe
Pao Jim Engelbrecht
Elena Ziegler Ruiz
Robert Mugisha
Georg Chimpiko Banda
Ruth Nabembezi
Inga Eslage
Elisabeth Marie Mars,
Arbeitsstelle WELTBILDER (Hg.)
Vorwort
Dar es Salaam: Der beste Ort
um eine ­Firma zu gründen
Consommons local!
Wenn, dann richtig
BioCoop Rwanda: Ein Leuchtturmprojekt für
nachhaltigen Tourismus und Naturschutz
Plastiktüten sind untragbar
Eine Mango meiner Wahl
Inklusion made in Kenia
African dream oftechnology
Innovation durch offene Räume: Wie junge
Kreative ihr Land mit IT voranbringen
iHub Nairobi: Ort des Lernens,
Experimentierens und Entwickelns
4
6
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18
21
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30
33
38
40
42
44
Inhalt
Südafrika
Tansania
Togo
Kamerun
Ruanda
Ruanda
Malawi
Kenia
Kongo
Ruanda
Kenia
Kenia
2
African Cities: Am Puls der Großstadt
20 Personen, 1 Ziege und 1 Huhn
Hyundai Grace: mit Gottes Gnade zum Ziel
Welcome to the family
It’s deep in my heart
Drama for Life
Appsolut innovativ! Junge Perspektiven
für Uganda
Elisabeth Kaneza: Ich habe mich entschieden,
selberVorbild zu sein.
Hope – Ruanda zwischen Aufschwung und
Unterdrückung
Nobody build a house on the right side
Bist du glücklich? Eine malawische
Interview-Collage
52
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60
62
64
67
72
76
80
86
91
94
Äthiopien
Ruanda
Nigeria
Malawi, Kenia
Uganda
Ghana
Uganda
Südafrika
Südafrika
Uganda
Ruanda
Ruanda
Namibia
Malawi
3
Eduardo Galeano, uruguayischer Schriftsteller und Journalist, hat uns gewarnt:
		 „Wir dürfen nicht nur das Bild verändern,
	 wir müssen auch die Wirklichkeit verwandeln.“
4
Am 07.06.2016 wurde die erste Internationale Dekade für Menschen Afrikanischer Abstammung im Beisein
des Hochkommissariats der Vereinten Nationen für Menschenrechte in Deutschland/Berlin eröffnet. Zu
Beginn erklärte der Vorsitzende des Zentralrats der Afrikanischen Gemeinden, Moctar Kamara: „Unter Aner-
kennung verstehen wir die Rehabilitierung der Geschichte Afrikas und die Wiederherstellung der Würde von
Menschen afrikanischer Herkunft, die durch kolonial-rassistische Ideologien und Unterdrückung dauerhaft
beschädigt wurde.“
Mit unserem Schreib- und Buchprojekt „African Ways of Life“ greifen wir die Forderungen nach Aner-
kennung, Gerechtigkeit und Entwicklung mit einem Gegenbild auf: dem vorherrschenden Afrika-Bild und
dem damit verbundenen Eurozentrismus setzen wir vielfältige aktuelle Perspektiven von einzelnen Persön-
lichkeiten, Projekten und Geschichten aus verschiedenen afrikanischen Ländern entgegen. In neuen, alltäg-
lichen Farben erzählen wir von diesem vielschichtigen Kontinent und junge Autor*innen tragen mit eigenen
Beiträgen zum Imagewechsel bei. Deswegen ist dieses Buch nicht nur ein Buch über „die Anderen“, ­sondern
auch eines über uns – über unseren Blick und die gedanklichen Konstrukte gegenüber Afrika.
Wir hoffen, dass mit der Verschiebung alter Weltbilder vielfach veränderte Seh- und Aktionsmög-
lichkeiten einhergehen. Deswegen können Sie uns und die Autor*innen für weitere Informatio-
nen und Support für Ihre Aktivitäten innerhalb der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit anspre-
chen. Nutzen Sie dieses Arbeitsbuch als start up für eigene Konzepte und informieren Sie sich unter:
https://www.facebook.com/african.ways.of.life
Elisabeth Marie Mars,
Arbeitsstelle WELTBILDER
Vorwort
5
6
SÜDAFRIKA
7
I w a n na b e r ic h , I w a n na b e f a m o u s
I w a n na h ave l ot s l ot s of m o n ey, so a r a b ove t h e c l o u d s
I w a n na b e f re e l i ke N e l so n M a n d e l a , s t a n d t a l l l i ke a py r a m i d ,
so so co u r a g e o u s
N o p l a ce I ’d r a t h e r b e o h n a n a n a
Th e re’s n o p l a ce I ’d r a t h e r b e o h n a n a n a
Li ve a n d d ie i n A f r i ka
I w a n na l i ve a n d d ie i n A f r i ka
I w a n na fe e l l ove I w a n na b e re m e m b e re d
I w a n na g o d ow n i n h i s to r y, m a ke my m a m a p ro u d
Th e d a r ke r t h e b e r r y t h e s we e te r t h e ju ice
N a s i to k i ny u m b a n i mw a c h a m i l a n i m tu mw a1
Dar es Salaam:
Der beste Ort um eine
­Firma zu gründen
Sophie Stolle
1	 „Und ich verlasse mein Zuhause nicht. Wer seine Traditionen ablegt, ist ein Sklave.“ ­
(Sautisol – Live and die in Afrika)
8
TANSANIA
an ihren MacBooks arbeiten, Ausstellungen, Partys und Musik-
festivals am Wochenende, Lifestyle-Blogs und Instagram-
Berühmtheiten. Ja, es gibt sie diese Welt, hier in „Dar“. Zuletzt
sorgte der neugewählte Präsident John Magufuli international
für Aufsehen, der im Kampf gegen Korruption in der tansani-
schen Regierung vor allem Taten sprechen ließ. So wurde unter
anderem der Chef der nationalen Steuerbehörde suspendiert,
als er den Verblieb der Importsteuern für 350 Container nicht
erklären konnte.
Dar es Salaam ist dynamisch, seine junge Bevölkerung selbst-
bewusst, energiegeladen und ambitioniert die Entwicklung
ihres Landes voranzutreiben. Gerade jetzt scheint für viele
der richtige Zeitpunkt dafür gekommen zu sein. ­Unzählige
Es ist schwer, keine Gänsehaut zu bekommen, sich nicht mitrei-
ßen zu lassen von der Energie des kürzlich erschienenen Songs
„Live and die in Afrika“ der kenianischen Band Sautisol. Er
scheint die Ambitionen und das Selbstbewusstsein einer ganzen
Generation zu verkörpern und die Visionen der urbanen Jugend
Ostafrikas auf den Punkt zu bringen. Es ist eine ganz besonde-
re Stimmung, die nicht nur im kenianischen Nairobi, sondern
auch in Dar es Salaam, der Hauptstadt Tansanias, in der Luft
liegt. Mehr als vier Millionen Menschen leben in der Me­tropole
am Indischen Ozean, die zu den am schnellsten wachsenden
Städten der Welt gehört. Mehr als 70 % der Einwohner sind unter
40 Jahre alt. Die Mittelschicht wächst stetig.
Tansanier*innen, die im Bus mit zwei bis drei Smartphones
jonglieren, Cafés mit Wifi-Hotspots, deren Gäste konzentriert
9
13 Angestellte und es ist schwer zu sagen, in wie vielen Projek-
ten und Unternehmen er genau seine Finger im Spiel hat. Diese
reichen von Hochzeitsfotografie, über eine Autowaschanlage
und eine Radiosendung bis hin zur Organisation eines Tanzfes-
tivals. „Ich mag es nicht, mich jeden Tag darüber zu beschweren,
dass es keine Arbeit gibt, so wie viele Leute es tun.“
In Mussas Augen ist Tansania bestens geeignet, um eine
eigene Firma zu gründen: „Es ist ein großartiger Ort um sich
selbstständig zu machen. In Europa ist der Wettbewerb so groß,
viele Europäer haben bereits ein sehr hohes Level an Professio-
nalität. Tansania hingegen ist ein unbeschriebenes Blatt. Es gibt
noch so viele Möglichkeiten. Vieles wurde noch nicht gemacht.
Wir sind gerade erst aufgewacht und es gibt noch viel Luft nach
oben,sovieleLücken,diewirfüllenkönnen.AlsichmeineFirma
gegründet habe, konnte man die guten Grafikdesigner*innen in
Dar es Salaam an einer Hand abzählen. Viele von ihnen waren
Informatiker*innen, die sich ein bisschen Photoshop angeeig-
net, aber keine Ahnung von Grafikdesign hatten. Es gab also
immer noch Bedarf.“ Trotzdem treffen Gründer*innen in Tan-
sania auf Herausforderungen: „Ich wünsche mir, dass unsere
Regierung eine bessere Umgebung für Gründer*innen schafft.
Allein eine Firma zu registrieren dauert ewig und ist ein großer
bürokratischer Aufwand.“
Tansanier*innen kommen nach ihrem Auslandsstudium
bewusst in ihre Heimat zurück. Während die Mehrheit der
Deutschen in einem vermeintlich sicheren Angestelltenver-
hältnis arbeitet, trifft man in Dar es Salaam viele Menschen, die
Eigeninitiative ergreifen und sich durch den Aufbau einer Exis-
tenz wirtschaftlich unabhängig machen. Sicher nicht zuletzt
deshalb, weil es noch immer eine Herausforderung ist auf dem
Arbeitsmarkt eine Stelle zu finden. Aber auch, weil die junge
Generation nach mehr strebt als nur einem sicheren Einkom-
men: Sie will eigene Visionen verwirklichen und etwas bewir-
ken. Mehr als 50 % der urbanen tansanischen Erwerbstätigen
arbeiten selbstständig.
„Ich bin Künstler. Aber ich bin auch Unternehmer“, erzählt Mus-
sa Sango. Der 32-jährige Grafikdesigner hat 2007 seine eigene
Firma Art Graphics gegründet. „Ich habe schon als Kind davon
geträumt, mich selbstständig zu machen. Ich wollte noch nie
angestellt sein. Als Grundschüler habe ich Ladenwände mit
Werbung und Schriftzügen bemalt. Ich war so gesehen damals
schon selbstständig. Meinen ersten Job als Angestellter moch-
te ich nicht wirklich. Ich wollte kreativ sein, aber die Arbeit
war jeden Tag dieselbe, alles hat sich wiederholt. Mir war lang-
weilig. Also habe ich gekündigt und angefangen an eigenen
­kleinen Aufträgen zu arbeiten.“ Mittlerweile beschäftigt Mussa
10
TANSANIA
verdienen. Die Unternehmen hingegen erhalten für wenig
Geld professionelles Marketing. Ruka Company ist ein schönes
Beispiel dafür, wie eine von ausschließlich Tansanier*innen
gegründete Initiative, vollkommen unabhängig von Förderun-
gen und Entwicklungsgeldern, einen positiven Einfluss auf die
Gesellschaft nehmen kann.
„Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass wir Hilfe aus dem Aus-
land benötigen. Vor allem keine Gelder. Ich glaube, dass wir
Tansanier*innenunsselbsthelfenkönnen.Wirsolltenvielleicht
weniger egoistisch werden. Das gilt für die Politiker*innen, aber
auch für den ganz normalen Bürger. Warum zum Beispiel muss
ein Politiker ein teures Auto fahren? Das sind unsere eigenen
Probleme, die wir selbst lösen müssen. Europa kann uns als Ins-
pirationsquelle dienen, um neue Ziele anzustreben.“
Früher hatte Mussa den Traum in Europa zu leben. „Nach
meinem Abschluss ging ich nach Frankreich mit der Vorstellung
dort zu arbeiten. Durch das Fernsehen haben wir Tansanier ein
illusorisches Bild von Europa. Wir glauben das Leben in Europa
ist gut. Aber es war alles ganz anders. Es ist schwer, Arbeit zu fin-
den und alles ist so teuer! Nach einer Weile beschloss ich, nach
Tansania zurückzukehren, um die Entwicklung meines eigenen
Landes voranzutreiben.“
Während seiner Zeit in Frankreich wurde Mussa immer
wieder mit afrikanischen Stereotypen konfrontiert. „­Einige
meiner Freunde dachten, wenn man in Tansania nur aus dem
Flugzeug steigt, gäbe es überall Schlangen und Affen. Da musste
ich so lachen! Andere dachten, ich wäre der Sohn eines Häupt-
lings, der sich nur deswegen einen Flug nach Frankreich leis-
ten konnte. Afrika ist groß und so vielseitig. Allein Tansania
hat viele verschiedene Gesichter. Zwischen dem Leben auf dem
Land und dem Leben in der Stadt können Welten liegen.“
Entgegen dem gängigen Afrika-Bild, das Afrikaner*innen vor
allem mit Passivität und Ausweglosigkeit in Verbindung bringt,
sieht Mussa in seinen Landsleuten unheimlich viel Potential:
Es gibt eine Vision, die Mussa in allen seinen Projekten ver-
folgt: „Jeden Tag träume ich davon etwas an meine Gesellschaft
zurückzugeben, etwas zu schaffen, dass den Menschen hier
einen Nutzen bringt. Selbst mit meiner Autowaschanlage ver-
diene ich aktuell gar nichts. Ich freue mich einfach, dass es gut
läuft und lasse meine Angestellten den Gewinn untereinander
aufteilen.“
Vor drei Jahren hat Mussa den Verein MUDA Africa mit gegrün-
det, der jungen Tänzer*innen aus sozial schwachen Bevölke-
rungsschichten den Zugang zu Tanzunterricht ermöglicht und
so ihre Einstiegschancen auf dem kulturellen Arbeitsmarkt
steigert. Einmal jährlich organisiert er das Time2Dance Festi-
val, auf dem sich tansanische Tänzer*innen mit internationalen
Künstler*innen vernetzen und ihre Talente einem breiten Pub-
likum präsentieren können.
„Aber dann habe ich noch ein anderes Projekt …“, setzt
­Mussa zum  wiederholten Mal an. In seiner Radio-­Sendung
„Boresha Biashara“ („Handel verbessern“) spricht er mit
Kleinunternehmer*innen über Herausforderungen,  denen  sie
in  ihrem Alltag begegnen. Ziel ist es, einen Dialog mit der
Regierung herzustellen und eine Politik ­mitzugestalten, die
bessere Rahmenbedingungen für tan­sa­nische Klein­unter­
nehmer*innen schafft.
Sein aktuelles Herzensprojekt ist das Sozialunternehmen
Ruka Company (Ruka bedeutet springen). „In Tansania bekom-
men nur zehn Prozent aller Universitäts-Absolvent*innen
einen Arbeitsplatz. Darüber habe ich mir lange den Kopf zer-
brochen. Als gelernter Grafikdesigner habe ich beschlossen
Absolvent*innen in meiner Branche auf das Arbeitsleben vor-
zubereiten.“ Im Rahmen des Programms arbeiten Grafikdesign-
Absolvent*innen für ein bis zwei Monate in Unternehmen, die
bisher wenig in Marketing investiert haben. Sie können so ihr
Gelerntes anwenden, ihr Netzwerk ausbauen und etwas Geld
11
„Was ich an den Tansanier*innen schätze, ist, dass sie wirklich
jede Gelegenheit wahrnehmen. Sie haben diesen Durst, diesen
Willen. Sie setzen alles in Bewegung. Wenn sich ihnen die Gele-
genheit bietet mit etwas ein Geschäft zu machen, dann tun sie
alles, um erfolgreich zu sein.“
Mussa ist zuversichtlich, dass sich das negative Bild Afri-
kas umwerfen lässt. „Ich denke der wichtigste Schritt ist es, zu
­zeigen, was wir können! Wir können unser schlechtes Image
nicht wegzaubern, aber wir können Taten sprechen lassen,
­Dinge schaffen, die das Bild zurechtrücken und uns gegenseitig
inspirieren. Nach und nach wird es die Welt realisieren.“
Der 28-jährige Tobias Minzi verdient seit sieben Jahren als
Künstler seinen Lebensunterhalt. Unter dem Künstlernamen
„Minzi Mims“ arbeitete er zunächst als Maler. Später kamen die
Fotografie und dann das Filmen dazu. „Alles fing damit an, dass
ich mir eine kleine Digitalkamera gekauft hatte, um Fotos als
Grundlage für meine Gemälde zu machen. Das hat mein Inte-
resse an der Fotografie geweckt und ich organisierte Shootings
mit Models und fotografierte auf Events. Die Kamera hatte aber
auch eine Videofunktion. Damals hatte ich noch kein Videobe-
arbeitungsprogramm und habe die einzelnen Szenen einfach
zusammengefügt. Als die ersten Leute mir sagten, dass es ihnen
gefällt, hat mich das ermutigt mehr über das Filmemachen zu
lernen.“
Heute ist Minzi einer der gefragtesten Musikvideopro-
duzenten Dar es Salaams. Das Filmen, Regie führen und Bear-
beiten von Videos hat sich Minzi selbst beigebracht. „Nein, ich
habe nicht studiert. Aber wenn ich das so sage, dann stimmt das
eigentlich nicht richtig. Ich habe studiert, aber eben nicht an
einer Hochschule. Man lernt ja auf vielen Wegen. Ich habe zum
Beispiel viel mit Hilfe von Youtube gelernt. Und ich habe erfah-
renen Kameramännern und Regisseuren bei ihrer Arbeit über
die Schulter geschaut.“ 2012 entschloss sich Minzi dazu, sich
als Videograf selbstständig zu machen. „Ich habe mir die Arbeit
anderer tansanischer Videografen angesehen und bin zu dem
Schluss gekommen, dass ich etwas Größeres schaffen kann. Ich
habe mich gefragt: Warum nicht ich? Ich kaufte mir eine neue
Kamera und produzierte mein erstes Musikvideo zu „DSM“ von
Kitwana. Viele mochten das Video und so fing alles an. Je mehr
Aufträge ich bekam, umso mehr habe ich dazugelernt.“ Mittler-
weile hat Minzi seine eigene Crew und gibt sein Wissen an ande-
re weiter.
Ähnlich wie Mussa, sieht Minzi viele Entwicklungsmög-
lichkeiten für Unternehmer*innen in Tansania. „Tansania eig-
net sich dafür, ein Unternehmen zu gründen, weil es noch nicht
ausgereift ist. Damit meine ich, dass so viele Dinge noch nicht
ausprobiert wurden. Das sieht man zum Beispiel anhand tansa-
nischer Filme oder Musikvideos. Es gibt Leute, die mit großen
Künstler*innen zusammenarbeiten und gut bezahlt werden,
aber einfach nichts Neues, nichts Besonderes machen.“
Immer mehr junge Tansanier*innen scheinen den Weg
in die Selbstständigkeit zu gehen: „Früher haben viele danach
gestrebt, eine Anstellung zu finden. Der erste Gedanke war es
immer, sich nach dem Studium anstellen zu lassen – für jede*n.
Aber das verändert sich jetzt nach und nach, weil viele Men-
schen begreifen, dass man als Freischaffende*r viel erfolgrei-
cher sein kann.“
12
TANSANIA
Dass der Weg in das Musikvideo-Business steinig war, hielt
Minzi nicht davon ab, an seinem Ziel festzuhalten. „An das rich-
tige Equipment zu kommen, war am Anfang wirklich schwer.
Aber auch Künstler*innen zu finden, die sich die Kosten für
ein Musikvideo leisten konnten. Also habe ich mir zunächst
Künstler*innen gesucht, die zwar talentiert, aber unbekannt
waren und habe Musikvideos umsonst gemacht, um meine
Arbeit zeigen zu können. Ich habe viel gemalt, um mich über
Wasser zu halten.“ Sein Erfolg liegt letztlich darin begründet,
dass Minzi für seine Arbeit brennt: „Ich hatte keine Zweifel
daran, dass ich es schaffen werde. Denn ich habe meine Arbeit
immer geliebt. Alles, was ich mache, kommt aus tiefstem Her-
zen. Mir ging es nie darum reich oder berühmt zu werden. Es
ging immer nur darum diesem starken Bedürfnis nachzugehen,
etwas Schönes zu kreieren, das Menschen sich ansehen. Manch-
mal liege ich nachts mit verrückten Ideen wach und denke dar-
über nach, wie ich sie am besten umsetzen kann. Dann stehe ich
früh auf und fange gleich an.“
Minzi liebt es, zu experimentieren und neue Technologien aus-
zuprobieren. Als einer der ersten in Tansania benutzte er Droh-
nen für seine Musikvideos. Seine Experimentierfreudigkeit
setzt neue Maßstäbe in der Szene: „Vor ein paar Jahren gab es nur
wenige etablierte Regisseur*innen. Als sie gemerkt haben, dass
wir, die jungen und unbekannten Filmemacher*innen, ganz
neue Sachen ausprobieren, haben manche komplett aufgehört.
Andere haben versucht mit der Veränderung mitzugehen. Wir
haben also wirklich eine Weiterentwicklung in der Szene ange-
stoßen.“
Minzi gehört zu der Art von Menschen, für die kein Ziel zu
hoch gesteckt, kein Traum zu unrealistisch erscheint. Für ihn
ist der Weg noch lange nicht zu Ende. „Ich habe mein Ziel noch
nicht einmal zur Hälfte erreicht. Viele Ideen, die ich umsetzen
möchte, erfordern besseres Equipment, also auch mehr Geld.
Am liebsten möchte ich eines Tages einen richtigen Film dre-
hen. Wenn ich mir unsere tansanischen Filme anschaue, möch-
te ich jedes Mal weinen. Alles ist schlecht, von dem Drehbuch
bis zu den Aufnahmen. Also stellte ich mir die Frage: Warum
13
drehe ich nicht selbst einen Film?“ Gerade arbeitet er an einem
ersten Kurzfilm.
Als Teilnehmer an einem Workshop in Dänemark sorg-
te Minzi für Aufsehen. „Viele haben die Vorstellung, dass in
Afrika niemand etwas kann und viele glauben, wir leben alle
im Busch. Niemand konnte es fassen, jemanden aus Afrika zu
treffen, der Videos am Computer bearbeitet. „Woher kannst du
das? Wo hast du das gelernt?“ Das hat einfach nicht mit ihrem
Bild zusammengepasst. Wir sollten versuchen, dieses Bild zu
ändern, indem wir unsere Arbeit selbstbewusst in die Welt hin-
austragen. So können alle sehen, was wir in Tansania machen.
Die Repräsentation meines Landes im Ausland sehe ich tatsäch-
lich als einen wichtigen Teil meiner Arbeit an.“
Minzi möchte mehr junge Menschen dazu ermutigen, ihre
Träume zu verwirklichen: „Ich arbeite mit vielen Jugendlichen
zusammen, teile mein Wissen mit ihnen und begleite sie auf
ihrem Weg. Einige haben mittlerweile eigene Firmen gegrün-
det. Ich liebe es, junge Menschen zu inspirieren, sie wachzurüt-
teln und ihnen zu zeigen, dass ich einer von ihnen bin und dass
sie das auch können.“
Geschichten, wie die von Mussa und Minzi, gibt es viele in Dar es
Salaam. Es ist tatsächlich schwer, ihnen nicht über den Weg zu
laufen. Sie vermitteln das Gefühl, dass gerade jetzt ein ganz ent-
scheidender Zeitpunkt für die Zukunft Tansanias gekommen
ist. Ein Punkt, an dem alles möglich ist. An dem kein Traum zu
unrealistisch ist. An dem die junge Generation die Entwicklung
ihres Landes selbst in die Hand nimmt. So nehmen viele junge
Tansanier*innen aus eigenen Impulsen heraus positiven Ein-
fluss auf ihr Leben und das ihrer Mitmenschen, sei es durch die
Schaffung von Arbeitsplätzen oder die Inhalte ihrer Arbeit. Ihre
Geschichten können auch uns Deutschen als Inspirationsquelle
dienen. Denn viele Deutsche wagen den Schritt in die Selbst-
ständigkeit erst gar nicht: Es sind vor allem Selbstzweifel und
die Angst vorm Scheitern, die uns dabei im Weg stehen. Mussa
und Minzi lehren, uns den Mut aufzubringen, unserer tiefsten
Leidenschaft zu folgen. Für unsere Träume zu kämpfen, in klei-
nen Schritten auf unsere Ziele hinzuarbeiten und Visionen zu
verfolgen. Und letztlich etwas nicht nur für uns selbst, sondern
auch für unsere Mitmenschen zu hinterlassen. D
Sophie Stolle, Jahrgang 1992
Freie Swahili-Übersetzerin, Fotografin und Autorin,
B.A. Afrikawissenschaften & Volkswirtschaftslehre an der Humboldt-Universität zu Berlin,
Auslands- und Studienaufenthalte:
10/2011–02/2012: The New Paradigm Community Based Organization, Gita, Kenia
Praktikum im Bereich Mikrofinanzierung
08/2012: DAAD-Stipendiatin an der State University of Zanzibar, Tansania
Fortgeschrittener Swahili-Sprachkurs
08/2013–03/2014: Tanzania Renewable Energy ­Association, Dar es Salaam, Tansania
Praktikum im Bereich Erneuerbare Energien
(und diverse Rucksackreisen durch Uganda, Rwanda, Malawi, Zambia, Botswana, Namibia und Südafrika)
Seit 10/2015: Wohnsitz in Dar es Salaam
Interessenschwerpunkte: Entrepreneurship und ­Innovationen in Afrika, zeitgenössische Kunstszene
­Afrikas, Generation Y und urbane Jugend Afrikas
Website:
www.instagram.com/daimaphotography/
http://sophiestolle.com
14
TANSANIA
Consommons local!
Pao Jim Engelbrecht
Tata Yawo Ametoenyenou hat genug von den bizarren Zuständen in seinem Land.
Betriebe, die lokal produzieren, kleben chinesische Schriftzeichen auf die Etiketten,
damit man denkt, der Inhalt komme aus Asien. Die Werbeindustrie hat es in Togo
geschafft, dass der Großteil der Bevölkerung den importierten Produkten weitaus
mehr vertraut als den lokalen. Ähnlich im Nachbarland Ghana, wo z. B. der Marktan-
teil der Billigimporte von Geflügel innerhalb der letzten 25 Jahre von 20 auf 90 Prozent
gestiegen ist, während nur noch zehn Prozent von Bauern vor Ort stammen. Der Preis-
unterschied ist extrem: Umgerechnet vier Euro kostet das Huhn vom ghanaischen
Bauern, die Hälfte zahlt man für die importierten Geflügelteile. Dabei sind das oft die
in Europa und Amerika unbeliebten Körperteile der Tiere. Knochige Hühnerrücken
zum Beispiel, isst man in Deutschland eher selten.
Tata, freundliches Gesicht mit dezentem Schnauzer, ist immer schick gekleidet und
gut informiert. Aus seiner Sicht kann das Menschenrecht auf Nahrung nur durch
re­gionale Produkte durchgesetzt und geachtet werden. Denn nur durch sie sei es mög-
lich, Nahrung gerecht zu verteilen, sich gesund zu ernähren und kulturelle Besonder-
heiten der Ernährung zu respektieren. „Ich weiß, dass ich mich selber noch nicht opti-
mal ernähre“, sagt Tata und klopft auf seinen runden Bauch. „Aber seit Jahren kaufe
ich nur noch lokale Lebensmittel und achte genau darauf, was ich esse.“
Tata hat eine zivilgesellschaftliche Organisation gegründet, um auf die gesundheit­
lichen Risiken sowie auf die wirtschaftlichen und ökologischen Schäden von Import-
ware aufmerksam zu machen. Die OADEL (Organisation für lokale Ernährung und
Entwicklung) setzt sich für die Produktion und den Konsum von lokalen Lebensmit-
teln ein. „Unsere Bauern hier verwenden kaum Pestizide und ihre Ernten müssen nicht
von weit her eingeflogen werden“, sagt Tata. Insbesondere in Anbetracht des absehba-
ren „Peak Phosphor“, einer der wichtigsten Bestandteile von Düngemitteln, der kaum
zu ersetzen ist, wird es in der Landwirtschaft in den nächsten Jahrzehnten immer grö-
ßere Probleme geben, den wachsenden Bedarf an Nahrungsmitteln bei schwindenden
15
Ackerflächen zu decken. Der Weltagrarbericht von 20091 fasst
zusammen, dass der Erhalt regionaler Subsistenz- und Klein-
bauern der beste Weg ist, dem rasanten Verlust fruchtbarer
Böden entgegenzuwirken. Aus ökologischer, wirtschaftlicher
und sozialer Sicht ist ein Umdenken also dringend nötig.
Obwohl sie hohe Transportkosten inklusive einer langen Flug-
reise hinter sich haben, unterbieten die EU-subventionierten
Lebensmittel lokale Produkte im Preis oft deutlich. Doch vie-
le Konsument*innen bevorzugen die importierten Produkte
nicht nur des Preises wegen. Die massive Lebensmittelwerbung
auf Plakaten und im Fernsehen zeichnet und produziert ein
bizarres Bild von guter Ernährung. So kommt es zu dem ver-
breiteten Irrglauben, dass togolesische Lebensmittel meist von
einer schlechten Qualität seien, während der in der Werbung
gepriesene Reis aus Thailand , die Maggi-Würfel und Coca-Cola
gesund seien und geradezu ein Statussymbol sind – sie kommen
ja aus „Yovodé“, aus dem Land der Weißen. So gut funktioniert
Werbung. Dass Inhalt und Qualität meistens genau das Gegen-
teil von dem sind, was die Verpackung verspricht, versucht Tata
bekannt zu machen.
Den vielen kleinen, lokalen Betrieben möchte er helfen, indem
er zum Beispiel Sammelbestellungen für ihren Bedarf an Ver-
packungen übernimmt und Bar-Codes drucken lässt. „Dadurch
sparen sie Geld und vereinheitlichen das Design lokaler Pro-
dukte“, sagt er. So könnte sich das Label „lokal“ eher etablieren,
weil Käufer*innen es am Äußeren erkennen. Um seinen Lands-
leuten das Misstrauen vor lokalen Produkten zu nehmen, führt
OADEL Laboranalysen von Lebensmitteln durch und zertifi-
ziert, was bedenkenlos konsumiert werden kann. Doch „selbst,
wenn wir die Leute davon überzeugen konnten, dass unsere
lokalen Lebensmittel besser sind als die importierten, wissen
sie nicht, wo sie diese im Alltag kaufen können“, sagt Tata und
schüttelt den Kopf angesichts der Vielzahl von Hindernissen.
Die importierten Produkte haben sich etabliert und sind überall
zu finden, Lokales muss man lange suchen und oft direkt beim
Hersteller bestellen.
Aus diesem Grund hat Tata in Lomé die BoBaR eröffnet:
ein kleines, aus Holz konstruiertes Ensemble aus Boutique, Bar
und Restaurant – BoBaR – wo es ausschließlich lokales Essen
und Getränke gibt und wo regelmäßig Foren mit Verkostungen
stattfinden. Direkt an einer Lagune gelegen, bietet die Terras-
se des Restaurants ein nettes, ruhiges Plätzchen inmitten der
wuseligen Stadt.
Tata ist in einem sozial sehr engagierten Umfeld aufgewach-
sen und hat früh die Arbeit in Vereinen und Gewerkschaften
kennengelernt. Er erzählt, wie er schon als Kind bei den Ver-
sammlungen von örtlichen Bürgerinitiativen kleine Aufgaben
übernommen hat und mit 15 Jahren schließlich Sekretär des
Jugendverbandes seines Viertels wurde, um dessen Interessen
gegenüber der Regierung zu vertreten. Später nahm er neben
seinem Soziologiestudium an einem Ausbildungsprogramm
für Koordinatoren teil und arbeitete bereits als Student in ver-
schiedenen gemeinnützigen Organisationen. Angefangen hat
er bei Projekten zu Mikrokrediten, ländlicher Entwicklung und
in Gruppen zur Stärkung der Demokratie. Für Tata hat der lokale
Konsum immer noch eine Menge damit zu tun, außerdem lässt
sich im Bereich von Produktion und Ernährung aus seiner Sicht
mehr bewegen als auf politischer Ebene.
Dass Ernährung politisch sein kann, überrascht wenig.
Doch Erfolge der OADEL sind mehr als eine Förderung der loka-
len Wirtschaft und Gesundheit der Konsument*innen. Es sind
Schritte zur wahren Unabhängigkeit Afrikas von kolonialis-
tischen Strukturen in Form von Ernährungssouveränität. Es
sind Veränderungen, die auch die afrikanische Identität stärken
können, weil sie zeigen, dass togolesische Unternehmen erfolg-
reich sind – wenn man sie nur lässt.
So verändern sich nicht nur Gewohnheiten, sondern auch
Perspektiven vor Ort. Durch den Slogan „Consommons les pro-
duits de notre terroir!“ – Lasst uns die Produkte von unserem
Grund und Boden konsumieren! – werden unbewusste Para-
digmen in Frage gestellt. Viele sind überrascht, wenn sie zum
1	Quelle: www.unep.org/dewa/agassessment/reports/IAASTD/EN/Agricul-
ture%20at%20a%20Crossroads_Global%20Report%20%28English%29.pdf
16
TOGO
ersten Mal mit dieser Sicht der Dinge konfrontiert werden,
gibt es doch an der überall verfügbaren Coca-Cola scheinbar
nichts auszusetzen. Doch auf den Foren und Veranstaltungen,
die Tata organisiert, stellt er immer wieder erfreut fest, dass die
Teilnehmer*innen seine Anliegen schnell verstehen und sein
Vorhaben unterstützen.
Die BoBaR ist ein Anfang. Hier können die Leute zwar schon
wie in wenigen anderen Läden lokale Zutaten zum Kochen kau-
fen, aber Tata wünscht sich, dass man sie eines Tages in vielen
Läden im ganzen Land findet. Außerdem plant er, mehr Gerichte
mit lokalen Zutaten zu entwickeln, die sich einfach zubereiten
lassen und eine direkte Konkurrenz zum importierten Fast Food
sind. Ein leichtes lokales Sandwich statt einem amerikanischen
Hamburger ist der Plan. Regionalen Ingwerlikör gibt es schon.
Und Tata liebt ihn. Man merkt ihm seine Erfahrung als Koor-
dinator von großen Projekten an. Tata hat viele Ideen und eine
genaue Vorstellung davon, was zu tun ist. Für unser Gespräch
schien er nicht unendlich viel Zeit zu haben, was für togolesi-
sche Verhältnisse ungewöhnlich ist. Plötzlich steht er auf und
muss los. Er ist eben nicht nur sympathischer Idealist, sondern
auch Manager. D
Fachinput Freihandelsabkommen
Seit 2006 versucht die EU afrikanische Staaten (und andere ehemalige europäische Kolonien) dazu
zu drängen, ihre Zölle schrittweise abzuschaffen und ihre Märkte für europäische Güter noch mehr zu
öffnen. Als Kenia die Unterschrift des Abkommens verweigerte, wurden am 1. Oktober 2014 Einfuhrzölle
auf kenianische Produkte verhängt. Nachdem betroffene Firmen Arbeiter*innen entlassen mussten, weil
die Kosten für sie zu hoch wurden, stimmte die Regierung kurz darauf doch zu. „Stärkung der Partner-
schaft“, nennt das die EU. Viele afrikanische Staaten wehren sich immer noch ­gegen das einseitige
Wirtschafts-Partnerschaftsabkommen (EPA), das zudem neue Steuern auf Exportgüter in die EU verbie-
ten soll. Im Senegal haben Rapper sogar ein „Stopp EPA“-Lied geschrieben.
Parallelen zu TTIP sind unübersehbar. Kritiker*innen geht es dabei ebenfalls darum, kleine, regionale
Betriebe zu unterstützen, statt minderwertige Nahrung von großen Konzernen konsumieren zu müssen,
die der Gesundheit, der Umwelt und der gerechten Verteilung von Einkommen schaden. Man fragt sich,
warum man es den togolesischen bzw. afrikanischen Hersteller*innen nicht leichter macht, ihre Waren
im eigenen Land zu verkaufen und sich eine unabhängige Existenz aufzubauen. Für die nachhaltige
wirtschaftliche Entwicklung von Togo bzw. afrikanischen Ländern wäre genau das ein richtiger Weg.
Pao Jim Engelbrecht, Jahrgang 1995, Student,
Studium Generale an der Technischen Universität Berlin,
Auslandsjahr in Togo 2014–2015
17
Nach der ersten Produktionsrunde muss Richard erst mal los
zur Arbeit, denn er hat noch einen anderen Beruf. Seit seinem
Journalistik-Studium arbeitet er beim Radiosender der Bap-
tistischen Kirche in Kamerun, die ihren Sitz in Bamenda hat.
Zum Glück hat er es nicht weit von seinem Haus zur Arbeit. Dort
moderiert er eine Wunschsendung und im Anschluss die Mor-
gennachrichten: Neues aus der Kirche, aus Kamerun und dem
Rest der Welt.
Journalist ist Richard eigentlich gerne, aber seine Arbeit bei
der Kirche sieht er mehr als Ehrenamt. „Anderswo würde ich
besser bezahlt werden. Mein Gehalt reicht gerade so für meine
täglichen Ausgaben.“ Um aber seine Pläne, wie beispielweise
ein Masterstudium oder seine Familie zu finanzieren, müssen
andere Einkommensquellen her.
Inspiration suchte er sich dafür bei Aliko Dangote, dem
reichsten Mann Afrikas. Der kommt aus Nigeria und schreibt in
seiner Biographie darüber, wie er mit wenig Kapital ein weitrei-
chendes Wirtschaftsimperium aufgebaut hat. „Ich dachte mir,
wenn ich eines Tages der reichste Mann Afrikas werden möchte,
dann sollte ich jetzt loslegen daran zu arbeiten.“
Morgens halb sechs in Bamenda, Hauptstadt der Nord-West
Region Kameruns. Erst ist ein Klappern zu hören, dann Schritte,
jemand trägt etwas Schweres. Wieder ein Klappern, dann ziem-
licher Lärm, der nicht mehr aufhört.
Wer da rumpelt, das sind Richard Atem-Ojong und sein
Neffe Zidane, der bei ihm wohnt. Die beiden leben in einer
Drei-Zimmer-Wohnung und an diesem Morgen ist es Zidanes
Aufgabe, noch vor der Schule die erste Charge Karottensaft zu
produzieren. Die beiden haben im Laufe des Jahres 2015 ein
Kleinunternehmen aufgebaut: Jules Natural Juice.
Noch ist die Produktionskette sehr kurz. Auf dem nahe gele-
genen Nkwen Market kaufen sie Obst und Karotten ein, die sie
mit zwei Entsaftungsmaschinen zu Säften verarbeiten. Diese
werden in Flaschen abgefüllt und so verschlossen, dass erst die
Konsument*innen sie wieder aufmachen können. Auf jede Fla-
sche wird das passende Etikett geklebt, das von einer Agentur
in der Wirtschaftsmetropole Douala konzipiert wurde. „Wenn,
dann richtig“ ist Richards Devise. Gerade der Eindruck nach
außen sei wichtig für das Geschäft.
Wenn,
dann richtig
Birte Mensing
18
KAMERUN
Noch ist „Jules“ kein Goldesel, auch wenn das von außen für
viele Leute in Richards Umfeld so scheinen mag. Um offizi-
ell als Unternehmen auftreten zu können, musste er den Pro-
zess der Registrierung durchlaufen. Dahinter steckt vor allem
eine Menge Papierkram, Verhandlungen mit dem Anwalt über
sein Honorar und Zahlungen an den Staat (Registrierungsge-
bühr). Wenn alle Papiere eingereicht sind, heißt es erst mal drei
Mo­nate warten, bis alle Unterlagen geprüft sind. Der finanzielle
Aufwand ist relativ hoch – 500 bis 700 € – bei einem monatli-
chen Gehalt von 100 €. Wenn dann aber alles bestätigt ist, gibt es
zur Belohnung eine Steuerermäßigung für drei bis zehn Jahre.
Doch auch, wenn der Saftverkauf bis jetzt mehr Investiti-
on erfordert als er Gewinn bringt, sieht Richard noch eine ganz
andere Funktion in seinem Unternehmen: „Für mich ist es auch
ein Zeichen, dass man alles sein und tun kann, was man möch-
te.“ Er hofft, dass sich Leute ein Beispiel daran nehmen, ihre
eigenen Ideen zu verwirklichen und sich zutrauen, etwas auf-
bauen zu können. Und damit im besten Falle noch etwas für die
Gemeinschaft tun.
Mittags zurück zum Radio, Nachrichten moderieren. Nach den
Kurznachrichten ist es Zeit, die Ware zu den Verbraucher*innen
zu bringen. Hierbei spielt Richards ursprünglicher Arbeits-
platz eine große Rolle. Auf dem Gelände der Kirche arbeiten­
Und als er sich mal wieder darüber ärgerte, dass es bei Feiern
und besonderen Anlässen immer nur extrem süße Softdrinks
mit Kohlensäure und künstlichem Geschmack gibt, war die
Idee zu „Jules“ geboren. „Es kommt mir fast so vor, als hätten die
­Leute hier vergessen, wie Natur schmeckt. Wenn ich das Leben
von Leuten besser machen kann und dabei auch noch Geld ver-
diene – was will ich mehr?“
Los ging es im ganz kleinen Rahmen – eine Maschine, ein Sack
Karotten, ein Sack Ananas, die ersten Säfte. Heute sind es zwei
Maschinen, mehr Obst und mehr Säfte, die täglich auf Bestel-
lung ausgeliefert werden – an Einzelpersonen oder zu Veran-
staltungen.
Nach der Morgenschicht beim Radio geht die Produktion
in die zweite Runde. Dafür hat er sich im Herbst 2015 Unter-
stützung  geholt und einen Raum gemietet, direkt neben sei-
ner Wohnung. Delphine und Edouane kommen vormittags
und kümmern sich darum, dass es mittags Säfte gibt, die an
die Kund*innen ausgeliefert werden. Vier verschiedene Sorten
sind mittlerweile im Angebot: CaPi (steht für carrot und pine-
apple), Cocktail (Papaya, Passionsfrucht, Ananas) und Soursop
(Stachel­annone). Diese Frucht gilt als sehr gesund und ist für
manche mittlerweile Teil ihrer Diät geworden.
19
mit meinem eigenen Ersparten angefangen. Das war so klein,
dass es keine Möglichkeit gab, einen Kredit aufzunehmen oder
Investoren zu finden. Deswegen musste ich Kompromisse ein-
gehen, die sich auf das Image des Produkts ausgewirkt haben.
Kameruner*innen sind oft skeptisch – neue Dinge zu akzeptie-
ren ist eine Herausforderung.“
Um daran nicht zu scheitern, hat Richard mit Freunden die
„Pacesetters“ gegründet. Übersetzen könnte man das mit: „Die,
die voran schreiten.“ Es geht ihnen darum, sich gegenseitig zu
fördern und zu bestärken in ihren Ideen, auch wenn diese für
die meisten Leute merkwürdig scheinen. „Wenn es Leute gibt,
die zu dir aufschauen, reicht es nicht, ihnen zu sagen, dass sie
ihre Träume realisieren sollen. Wenn du aber deine Visionen
umsetzt, dann sagt das mehr als tausend Worte.“
Kochen, essen, Zeit schlafen zu gehen. Denn am nächsten Mor-
gen ist sicher wieder so einiges geplant. Doch nachts bleibt Zeit
zu träumen. Davon, wie es irgendwann sein wird: „Manchmal
erschrecken mich meine Pläne für mein Unternehmen selbst.
Ich will aus „Jules“ ein national anerkanntes Produkt machen.
100 % natürliche, frische Fruchtsäfte auf Bestellung in den
großen Städten Kameruns. Tagesfrische Produktion. Der Weg
dahin? Standardisierung der Produktionsprozesse, kleine Fabri-
kationsstätten, dichte Lieferkette, Etablierung der Marke. Doch
das Kapital dazu muss erst einmal erwirtschaftet werden.“ D
besonders viele Menschen in Verwaltungspositionen. Konfe-
renzen werden organisiert. Und was bietet sich da besser an als
Fruchtsäfte zur Erfrischung? Noch geht es darum, den Markt
zu schaffen und zu gestalten. Über Mundpropaganda verbrei-
tet sich das Angebot – immer mehr Bestellungen erreichen
Richard. „Die Nachfrage ist groß, aber wir können sie nicht
befriedigen, weil wir zu schwache und zu wenige Maschinen
haben. Und zu wenig Mitarbeiter*innen, die sich um den Ver-
kauf kümmern. Die daraus resultierenden Effekte sind unzu-
friedene Kund*innen, eingeschränkte Reichweite und dadurch
weniger Umsatz.“
Doch das hält ihn nicht davon ab, seine Idee weiter zu verfol-
gen. Schon im Studium interessierte er sich auch für Marketing.
Das ist jetzt besonders hilfreich dabei, „Jules“ ein Standing in
Bamenda zu verschaffen. Und auch wenn sich so Business und
Beruf gegenseitig befruchten, bleibt doch eine Doppelbela-
stung.
Die gleicht er durch seinen Glauben aus, der ihm immer
wieder Perspektiven gibt. Gott auch in Business-Fragen zu Rate
ziehen, findet er mehr als legitim. Damit verbunden ist für ihn
auch, christliche Grundideen bei „Jules“ umzusetzen. Er behan-
delt seine Mitarbeiter*innen wie gute Freunde. Und hört sich
auch gerne an, was sie zu sagen haben. Denn von anderen zu ler-
nen ist ein Schlüssel zum Erfolg. „Ich bin der Typ, der eine Kerze
anzündet, anstatt über die Dunkelheit zu fluchen.“
Es ist Nachmittag geworden, Richard trifft sich mit einem
Vermieter. Er ist auf der Suche nach einem Laden, in dem er
die Säfte verkaufen kann, ohne durch die ganze Stadt zu fah-
ren, um Bestellungen auszuliefern. Dort soll gleichzeitig ein
kleines Café  entstehen oder eher eine Saftbar. Aber auch in
Bamenda ist der Immobilienmarkt nicht mehr das, was er
einmal war. Gute Lage spiegelt sich in den Preisen. Und da ist
Richard ziemlich schnell bei seinem nach wie vor größten Pro­
blem – „lack of capital“, auf Deutsch: zu wenig Kapital. „Ich habe
Birte Mensing, Jahrgang 1994, Bachelor-Studium Public
Governance across Borders in Münster und Enschede
(Niederlande), internationaler Freiwilligendienst mit Brot
für die Welt in Bamenda, Kamerun 2012/2013
Redaktionsleitung von „mitten.drin“, einem
Freiwilligenmagazin, www. freiwilligenmagazin.de
20
KAMERUN
Ange Imanishimwe (Jahrgang 1986) hat ein klares Ziel: Er möch-
te die nachhaltige Entwicklung seines Landes Ruanda fördern
und damit Natur und Menschen helfen.
Ange wuchs in einer ländlich geprägten Gegend im Tare Sec-
tor im Süden Ruandas auf. Er ist einer von sechs Kindern, sein
Vater war Grundschullehrer, seine Mutter versorgte den Haus-
halt und bewirtschaftete die Felder der Familie. Auch wenn
die Eltern nur ein geringes Einkommen hatten, wussten sie
dieses gut zu verwalten und so konnten sie ihren Kindern den
Schulbesuch ermöglichen. Ange bekam die Armut bei seinen
Nachbarn ebenso mit wie die Veränderungen in der Natur und
so engagierte er sich bereits in jungen Jahren für seine Umwelt
und begann schnell sich für Themen wie Naturschutz und Land-
schaftsentwicklung zu interessieren. Ein Grund dafür war, wie
BioCoop Rwanda
Ein Leuchtturmprojekt für nachhaltigen
Tourismus und Naturschutz
Janinka Lutze
21
Ange sagt, dass sein Biologielehrer in der Grundschule ihn mit
seinem Wissen inspirierte. Bereits mit sieben Jahren war seine
Liebe zur Natur so groß, dass er begann seine Nachbarn mit sei-
nen Informationen aus dem Unterricht und den Schulbüchern
beispielsweise über nachhaltige Landwirtschaft in Gesprächen
aufzuklären. Spannende Themen für ihn waren schon damals
die Biodiversität sowie Ökosystemdienstleistungen. Das Wis-
sen über Ressourcen also, die die Natur uns Menschen zur
Verfügung stellt, wie etwa Atemluft, Trinkwasser, Nahrung,
Baumaterialien und ähnliches. So fragte Ange seine Nachbarn
beispielsweise, warum sie Tiere wie Vögel, Mäuse, Schlangen
oder Fledermäuse töteten, die auf ihren Äckern fraßen. Er ver-
suchte ihnen metaphorisch zu erklären, dass diese auf dem
Acker wahrscheinlich einen Quadratmeter zerstören, aber
dafür woanders 10 Hektar bepflanzen – durch Samen im Kot
oder Bestäuben. Oder er erklärte den Menschen, dass es ihnen
selbst schaden würde, wenn sie ihren Müll auf die Felder werfen,
weil der Boden die schädlichen Stoffe aufnimmt, die anschlie-
ßend in die Lebensmittel gelangen.
Das Verständnis für ökologische Zusammenhänge war für ihn
wichtig und so absolvierte er nach dem Schulabschluss seinen
Bachelor in Zoologie und Umweltschutz (BSc. Zoology and Con-
servation) und seinen Master in Biodiversitätsschutz (MSc. Bio-
diversity Conservation). Derzeit beginnt er seine Promotion im
Bereich Biologie.
2012 gründete er die Kooperative BioCoop Rwanda, die im
Dorf Gasarenda direkt am Nyungwe Nationalpark ihr Büro hat
und im gesamten Distrikt Nyamagabe tätig ist. Der Nyungwe
Nationalpark ist der größte Bergnebelwald Ostafrikas und mit
seinen knapp 1000 km2 nimmt er 3 % der Landesfläche Ruandas
ein. Im Süden grenzt er direkt an den Kibira Nationalpark in
Burundi an. Der Nyungwe ist ein Hotspot der Biodiversität und
beheimatet mehr als 300 Vogelarten, einige davon endemisch
(sie kommen nur in Ruanda und teilweise nur im Nyungwe
Na­tionalpark vor), zahlreiche Insektenarten und 75 Säugetier-
arten, darunter 13 Primatenarten. Von der Idee eine Kooperative
zu gründen, konnte Ange damals einige Abiturienten überzeu-
gen: 2012, bei der Gründung von BioCoop, waren sie zu zwanzig
und jeder steuerte 2000 ruandische Franc (etwa 2–3 Euro) bei.
Das war das Startkapital. Noch im gleichen Jahr wurde Ange
als „Top Young Innovator of Rwanda“ geehrt. Das Preisgeld nut-
ze er um die Aktivitäten von BioCoop auszubauen. Für seine
Leistungen und Erfolge im Biodiversitätsschutz, vor allem für
seine Ideen in Sachen nachhaltige Imkerei und die Einführung
von Ökotourismus im Nyungwe bekam er ein Stipendium und
konnte für sechs Wochen an die University of California Berkely
zu einem akademischen Training über Umweltschutz.
Mit der Gründung von BioCoop Rwanda und seiner weiteren
Arbeit bzw. Engagement verfolgt Ange Imanishimwe zahlrei-
che  Ziele1. So möchte er die Umwelt schützen, die Natur und
­Nationalparks Ruandas erhalten sowie dem Verlust an Biodi­
versität entgegenwirken. Gleichzeitig möchte er das Leben
seiner Mitmenschen in Ruanda verbessern und hat dabei vor
allem die Zielgruppe Jugendliche vor Augen. Ruanda ist eines
der ärmsten Länder der Welt und viele Familien leben unter
der Armutsgrenze. Es herrscht eine hohe Arbeitslosigkeit sowie
Perspektivlosigkeit, gerade in der jungen Bevölkerung. Natur-
schutz und nachhaltiger Umgang mit Ressourcen sind im All-
tag der meisten Ruander kein Thema. Doch Ange möchte dies
ändern und mit seinen Projekten die Bedeutung des Natur-
schutzes den Menschen näher bringen und ihnen gleichzeitig
neue Alternativen und Perspektiven aufzeigen. Mit BioCoop
1  In Ruanda gibt es derzeit drei Nationalparks (Volcanoes, Akagera und
Nyungwe), die zahlreiche Tier- und Pflanzenarten beherbergen, darunter
auch eine Vielzahl an endemischen Arten. Vor allem durch die verschie-
denen Landschaftstypen von Savannen (z. B. Baumsavannen im Akagera
Nationalpark) über Moore- und Feuchtgebiete, Seen und Fließgewässer
bis hin zu den Wäldern, bietet Ruanda zahlreichen Arten verschiedene
Habitate und so kommt es zu der großen Anzahl an Arten in dem kleinen
afrikanischen Land. Mit insgesamt knapp 3200 km2 hat Ruanda somit
12,2 % seiner Landesfläche zu Schutzgebieten ausgewiesen. Die Aus-
weisung des Gishwati Waldes zum Nationalpark würde dies zwar nur um
weniger als 1 % erweitern, wäre jedoch ein sinnvoller Schutz für den Wald
und somit sämtlichen Tier-und Pflanzenarten, die er beherbergt und
würde so ein großer Schritt gegen den Biodiversitätsverlust Ruandas
bedeuten, was auch ein großes Anliegen von Ange Imanishimwe ist.
22
RUANDA
Rwanda hat Ange bereits verschiedene Maßnahmen durchge-
führt und Projekte gestartet: So gibt es im Nyungwe National-
park ein Imker-Projekt. Hier haben Menschen aus den umlie-
genden Dörfern in Workshops die Möglichkeit das Imkern zu
erlernen und eine Lizenz zu bekommen, um im Nationalpark
Bienenreusen aufstellen. Der Honig wird in lokalen Läden sowie
im Zentrum der Nationalparks an die Touristen verkauft und
bietet den Imkern eine zusätzliche Einnahmequelle.
BioCoop Rwanda setzt sich auch mit den illegalen Aktivitäten
– wie die illegale Jagd sowie das illegale Abholzen – im Nyungwe
sowie in den anderen beiden Nationalparks Ruandas auseinan-
der und versucht Alternativen zu entwickeln. Jagd und Abhol-
zen waren natürlich früher Tradition und eine Lebensgrundlage
vieler Menschen in Ruanda, vor allem in den Regionen um die
heutigen Nationalparks. In den meisten Fällen geschah dies
ausschließlich zum Eigenverbrauch. Doch die Jagd – vor allem
die kommerzielle und illegale Jagd – tragen maßgeblich zum
Artenschwund in Ruanda bei, ebenso wie auch der Lebensraum-
verlust. Durch die Abholzung verlieren die Tiere ihr Habitat und
es entstehen bekanntermaßen große Probleme im Ökosystem
des Waldes sowie beim Klima2. Gegen illegales Jagen gibt es
inzwischen Rangerkontrollen, finanziert durch das Rwandan
Development Board (RDB), gegen die Abholzung betreibt Bio-
Coop Rwanda verschiedene Projekte. Es gibt Workshops für die
Menschen aus den umliegenden Dörfern sowie Pflanzprojekte.
Im Gebiet des Nationalparks werden kontinuierlich neue Bäume
gepflanzt. Zusätzlich entsteht an der Nationalparkgrenze ein
Schutzgürtel aus Bäumen. Den Menschen das Abholzen zu ver-
bieten, wäre keine Lösung, da sie das Holz für den Bau und als
Feuerholz benötigen. BioCoop Rwanda bietet Aufklärungsar-
beit und Alternativen an: In Workshops werden holz- und koh-
leschonende Kocher vorgestellt, die die Arbeit der Holzbeschaf-
fung erleichtern, Geld sparen beim Kauf der Kohle und gesünder
sind wegen geringerer Rauchentwicklung. Zusätzlich gibt es
Informationen über weitere Ressourcen-schonende ­Verfahren
für den Verbrauch von Wasser und Holz.
2  Dies betrifft sowohl das Mikroklima in dem Waldgebiet, da der Baum
beispielsweise durch eine große Krone viel Schatten wirft und so am
Boden für ein kühleres Klima sorgt. Global gesehen sind Bäume wichtige
CO2-Speicher und das vermehrte Abholzen von Wäldern sorgt dafür,
dass das CO2 wieder freigesetzt wird und sich so die Zusammensetzung
der Atmosphäre ändert und zur Erwärmung führt, da die Atmosphäre die
Sonnenenergie nicht mehr so gut abblocken kann und sie die Erde so
mehr erwärmt. Die ist global zu spüren aber auch die Unterschiede der
Luftreinheit kann man an einzelnen Orten spüren und so wird die Luft in
waldarmen Gegenden oft als weniger „frisch“ empfunden.
23
Da Bäume jedoch nicht nur im Nationalpark sinnvoll sind,
betreut Ange mit BioCoop Rwanda auch ein Projekt zur Stadtbe-
grünung.DortwerdendielokalenAutoritätensowieinteressier-
te Bürger*innen über die Vorteile von Bäumen aufgeklärt und es
werden in den Städten Bäume gepflanzt. Hier ist auch wichtig,
Alternativen anzubieten, dass diese Bäume nicht wegen Mangel
an Feuerholz gefällt werden.
Im Distrikt Nyamagabe, in dem die Kooperative BioCoop arbei-
tet, ist – wie auch anderswo – Mangelernährung ein häufig auf-
tretendes Problem. Als Lösung für dieses Problem hat BioCoop
ein Projekt ins Leben gerufen, bei dem Milchkühe an Familien
mit Mangelernährung vergeben werden. Milch ist eine wichti-
ge Eiweißquelle und in Ruanda, wenn es für die Familie mög-
lich ist, Bestandteil der Ernährung. Zusätzlich hat BioCoop in
­Gasarenda eine Milchsammelstation eingerichtet. Dort können
die Familien ihre überschüssige Milch abgeben. Die gesammel-
te Milch wird in der Station haltbar gemacht und anschließend
in verschiedenen Läden im Distrikt, aber auch in der Haupt-
stadt Kigali und Bujumbura in 5-Liter Kanistern verkauft. Jede
Familie hat eine Mitgliedskarte, auf der bei jeder Milchabgabe
die Literanzahl notiert wird. Am Ende des Monats wird das Geld
ausgezahlt. Viele der Familien nutzen dies für die Bezahlung der
Schulgebühren für ihre Kinder, zur Anschaffung weiterer Nah-
rungsmittel oder für den Ausbau ihrer Wohnungen und einen
Anschluss ans Stromnetz.
Seit 2000 hat Ruanda ein visionäres Entwicklungspro-
gramm für die Bereiche Gleichberechtigung, Schulbildung,
Gesundheitssystem und Kampf
gegen die Arbeitslosigkeit. Eines der
Ziele ist bis 2020 die Stromversor-
gung ausschließlich aus erneuerba-
ren Energiequellen zu realisieren
und alle Haushalte an das Stromnetz
anzuschließen. Mit dem Ausbau der
Energieerzeugung durch erneuerbare Energien hat Ruanda
bereits begonnen und verfügt über eine der modernsten Pho-
tovoltaikanlagen der Welt. In der Nähe der Hauptstadt Kigali
betreibt „Gigawatt Global“ eine 100 Sonnensegel-Anlage mit
einer Leistung von 8,5 Megawatt. Desweiteren gibt es zahlreiche
kleine Anlagen, die Krankenhäuser, Schulen und andere öffent-
liche Gebäude versorgen. Der Ausbau von Erdwärmenutzung
geschieht bereits im Nordwesten des Landes um die Virunga-
Vulkankette und ebenso die Nutzung von Wasserkraft. Einige
kleine Kraftwerke sind bereits in Betrieb, mindestens 20 weitere
sollen in den nächsten Jahren gebaut werden.
Ruanda ist weltweit ein Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit.
Und auch im Naturschutz ist das Land stark engagiert. Es gibt
mehrere Gesetze, die zum Natur- und Umweltschutz beitragen
sollen, wie etwa das Verbot Müll aller Art – und sei es nur ein
Bonbonpapier – auf den Boden zu werfen sowie das landesweite
Plastiktütenverbot. Ebenso gibt es wirksame Naturschutzge-
setze sowie Schutzbemühungen zum Erhalt der Nationalparks.
Desweiteren ist geplant, den noch sehr naturnahen Wald Gish-
wati im Nordwesten des Landes als vierten Nationalpark auszu-
weisen. Dies würde seinen Schutzstatus erhöhen und gleichzei-
tig ein weiteres touristisches Potenzial darstellen.
24
RUANDA
Ruandas Wirtschaft wird zu einem großen Teil vom Tourismus
getragen. Die meisten Touristen (etwa 70 %) kommen um die
Touren zu den Berggorilla (Gorilla beringei beringei) im Volcano-
es Nationalpark zu machen. Doch auch die anderen Touren, wie
etwa zum Grab der bekannten Gorillaforscherin Diane Fossey
oder zu den Goldmeerkatzen (Cercopithecus kandti) sind sehr
beliebt, ebenso wie die Ausflüge im Akagera Nationalpark oder
dem Nyungwe Nationalpark. In diesem gibt es beispielsweise
Touren zu Familien vom Gemeinen Schimpansen (Pan troglody-
tes)oderGruppenvonAngola-Stummelaffen(Colobus angolensis).
Doch auch außerhalb der Nationalparks gibt es zahlreiche
spannende Möglichkeiten für Touristen. Deshalb bietet Ange
­Imanishimwe mit BioCoop Rwanda umweltfreundliche Wan-
der- und Fahrradtouren zu Themen wie Natur und Kultur in den
Dörfern um den Nyungwe an. Hier geht es um die traditionelle
Honiggewinnung aus den Bienenreusen, die Herstellung von
Bier aus Sorghum und Bananen, die Verarbeitung von Pflanzen
für traditionelle Medizin und Förderung der regionalen Kultur.
Auch von anderen Anbietern gibt es vergleichsweise viele Ange-
bote im Bereich des Ökotourismus, die zudem von der Regierung
unterstützt werden. Denn diese möchte, dass auch die lokale
Bevölkerung, die nicht im Tourismussektor arbeitet, vom Tou-
rismus profitiert. So gehen beispielsweise 10 % der Einnahmen
im Volcanoes Nationalpark in die Entwicklung der umliegen-
den Dörfer. Es werden Schulen und Gesundheitszentren gebaut
und Menschen bei der Landwirtschaft unterstützt. Eine Mauer
um den Nationalpark, finanziert durch diese Gelder, schützt die
Äcker vor den Tieren aus dem Wald. Sollte es dennoch zu Wild-
schäden durch Waldelefanten oder Buffalos auf den umliegen-
den Äckern kommen, so übernimmt die Regierung Ruandas die
Haftung für die entstandenen Schäden. Durch die Ausweisung
als Schutzgebiete oder Nationalparks werden den Menschen
lebenswichtige und kulturell wichtige Ressourcen genommen,
für die ein Ausgleich geschaffen werden muss. Die ruandische
Regierung scheint mit ihrem Konzept bisher viel Erfolg zu
haben. Die ruandische Bevölkerung akzeptiert die National-
parks und ist stolz auf seine Natur, vor allem auf seine Gorillas.
Das sieht man deutlich auf dem jährlich stattfindenden Fest
„Kwita izina“ (Kinyarwanda für: Namen geben). Seit 2005 wer-
den den in dem jeweiligen Jahr im Volcanoes Nationalpark neu
geborenen Gorillababys Namen gegeben. Dies geschieht mit
einer großen Zeremonie und einer Rede des Präsidenten (der-
zeit Paul Kagame). Die Feierlichkeit wird live im ruandischen
­Fernsehen übertragen. Das Fest ist ein jährliches Erinnern an
die Schönheit der Natur und Schutzwürdigkeit der Biodiver-
sität. Genau dies ist auch Ange Imanishimwe wichtig und so
versucht BioCoop Rwanda mit seinen Projekten mehr für die
Akzeptanz zum Schutz des Nyungwe Nationalparks zu tun und
gleichzeitig Arbeitsplätze zu schaffen und den Menschen eine
Arbeit im Einklang mit der Natur nahe zu legen. Beispielsweise
durch die Anpflanzung von Hecken aus Nutzpflanzen um die-
se später zu ernten und gleichzeitig die Felder an Hügelhän-
gen vor Erosion zu schützen, da dies ein Verlust der nutzbaren
Ackerfläche und somit wieder ein Verlust an Lebensmitteln
bedeuten würde. Oder das Nutzen von Fruchtfolgen, bei denen
nacheinander auf den Feldern verschiedene Früchte angebaut
25
werden, die sich gegenseitig beim Wachstum unterstützen oder
den Boden für die nächste Frucht vorbereiten und so eine dau-
erhafte Bodenfruchtbarkeit gewährleisten. Mit dieser Strate-
gie hat BioCoop bereits große Erfolge – nicht zuletzt durch die
Schaffung von insgesamt mehr als 800 Arbeitsplätzen bis 2014.
Ähnlich erfolgreich sind die „environmental clubs“ (Umwelt-
Arbeitsgemeinschaften), die BioCoop in Schulen in der Umge-
bung anbietet. So wie Ange Imanishimwe sich in seiner Jugend
schon mit dem Thema Umweltschutz auseinander gesetzt hat,
wird hier Schüler*innen die Möglichkeit gegeben, dies gemein-
sam zu tun und durch einen Begleiter von BioCoop Ideen und
Unterstützung zu bekommen. Die Jugendlichen sind sehr froh
darüber und die Arbeitsgemeinschaften erfreuen sich großer
Nachfrage. Die Teilnehmenden eignen sich einen hohen Kennt-
nisstand und ein gutes Verständnis über ökologische Zusam-
menhänge und die Auswirkungen ihres Verhaltens an. Gemein-
sam versuchen sie, in ihren Familien, Schulen und Dörfern für
mehr Aufklärung zu sorgen und gemeinschaftlich Projekte wie
beispielsweise Pflanzaktionen durchzuführen. BioCoop bietet
neben den Umwelt-Arbeitsgemeinschaften auch Fortbildungen,
Computerkurse und Ausbildungsstipendien für Jugendliche an.
Auch unter den Beteiligten der Kooperative BioCoop selbst
befinden sich viele junge Erwachsene. Die Kooperative basiert
auf Freiwilligkeit und so ist es sehr erfreulich, dass sie sich so
großer Beliebtheit erfreut und Menschen aus verschiedenen
Berufsfeldern (Gesundheitswesen, Landwirtschaft, Bildung)
der Kooperative beigetreten und in ihr aktiv sind. Wie beispiels-
weise der Lehrer Sylvestre, der neben seiner Tätigkeit als Ober-
schullehrer ehrenamtlich die environmental clubs in mehreren
Schulen leitet, regelmäßig die Situation der Milchsammelstati-
on kontrolliert und Berichte für BioCoop verfasst.
Die Kooperative BioCoop Rwanda ist ein leuchtendes Beispiel
dafür wie ein einzelner Mensch, der mit Leidenschaft und Wil-
len für seine Ziele kämpft, etwas so Großes schaffen kann. Ange
Imanishimwe aus Ruanda, einem der ärmsten Länder der Welt,
verändert eine Region, die dort lebenden Menschen und letzt-
lich auch die Welt. D
REMA: www.minirena.gov.rw/index.php?id=91
Biocoop Rwanda: http://biocoop.rw/
http://minirena.gov.rw/index.php?id=209
Links zu Ökotourismus:
Tourismus in Ruanda: www.rwandatourism.com/
Rwanda natural recources authority:
http://rnra.rw/index.php?id=2
Janinka Lutze war 2009/2010 zum ersten Mal im
Rahmen ihres internationalen Freiwilligenjahres in
Ruanda, Bachelor in „Naturschutz und Land­schafts­
planung“, aktuell Masterstudiengang „Regional­
entwicklung und Naturschutz“. Sowohl im Rahmen
des Studiums als auch privat arbeitet Janinka Lutze
in ­verschiedenen Naturschutzprojekten in Ruanda
und ist regelmäßig dort um ihre Freunde zu besuchen.
Derzeit mehrmonatige Kartier- und Forschungsarbeit
im Rahmen der Masterarbeit über Amphibien in Costa
Rica.
26
RUANDA
Wir leben in einem Zeitalter des Plastiks. Kunststoffe sind zu
einem der wichtigsten Materialien unserer Zeit geworden.
Ob in Schuhen, Autos oder Duschgel, sie sind allgegenwärtig.
Plastik hat besondere Qualitäten. Im Gegensatz zu Papier ist es
wasserfest und beständiger, darüber hinaus lässt es sich wie-
der verwenden und hat eine lange Lebenszeit. Doch genau hier
liegt auch das Problem. Plastik ist nicht biologisch abbaubar und
beim Zerfallsprozess entstehen giftige Stoffe. Ein verrücktes
Beispiel für das Ausmaß unserer „Plastikwelt“ sind die Lego-
Strände im Südwesten Englands. Nachdem 1997 im Ärmelkanal
ein Container-Schiff, beladen mit verschiedenen Spielzeug-
teilen, verunglückte, gerieten 4,8 Millionen Legosteine in das
Meer. Bis heute werden an den Stränden Legosteine gefunden.
Plastikmüll ist ein globales Problem. In allen Ländern der Welt
und insbesondere in Ländern des globalen Südens ist die Plas-
tikproduktion seit den 1990er Jahren stark ausgeweitet worden.
Die Nachfrage steigt überall auf der Welt. Dies hängt damit
zusammen, dass Plastik oft mit Fortschritt, Moderne oder auch
Sauberkeit assoziiert wird. In afrikanischen Staaten mit einem
ausgeprägten sozioökonomischen Wachstum wie Ghana, Nige-
ria oder Kenia ist Plastik zu einer wirtschaftspolitischen Frage
geworden: Verschiedene Lobbyisten versuchen die Produktion
weiter auszubauen und damit weitere Arbeitsplätze zu schaffen.
Die Auswirkungen der weltweit steigenden Plastikproduktion
sind allerdings prekär. Neben den vielen positiven Eigenschaf-
ten, wie zum Beispiel Beständigkeit oder Elastizität, hat Plastik
den großen Nachteil, dass es nicht biologisch abbaubar ist.
Insbesondere der Plastikmüll in den Ozeanen hat gravie-
rende Auswirkungen auf die ozeanischen und terrestrischen
Ökosysteme. Doch neben den Folgen für die Tiere und die Natur
wird auch das Leben der Menschen direkt betroffen. Die kleinen
und omnipräsenten Begleiter unseres Lebens, wie Verpackun-
gen von CDs, Zigarettenpäckchen oder Taschentüchern zerset-
zen sich nicht und bleiben immer in unseren Ökosystemen vor-
handen.
In vielen tropischen und subtropischen Staaten mit erhöh-
tem Malariarisiko sind Plastiktüten eine optimale Brutstätte
für Malaria-Mücken. In Nairobi, der Hauptstadt Kenias, wurde
festgestellt, dass Plastiktüten die Kanalisation blockieren und
damit das Hochwasserrisiko erhöhen. Die Auswirkungen des
Plastikmülls betreffen jedoch nicht nur die Ökosysteme, die
Verbreitung von Krankheiten, sondern auch die Wirtschaft.
In vielen Staaten, darunter auch Deutschland, führt die Ver-
schmutzung von Stränden zu einem Rückgang des Tourismus
und zu einer kostenintensiven Reinigung.
Was unternehmen die Staaten und die Zivilgesellschaft, um das
Plastiktütenproblem zu lösen? Die ersten Staaten, die das Plas-
tiktütenproblem aktiv bekämpft haben, befinden sich im globa-
len Süden. Das erste Plastiktütenverbot weltweit wurde 2002 in
Plastiktüten
sind untragbar
Robin Frisch
27
Bangladesch eingeführt. Der Staat, in dem das strengste Verbot
eingeführt wurde, ist Ruanda. Der kleine ostafrikanische Staat,
der in westlichen Medien häufig nur im Kontext des Genozids
1994 beleuchtet wird, wird als Musterschüler in umweltpoliti-
schen Fragen international gewertschätzt. Die Hauptstadt Kiga-
li gilt als die sauberste Stadt auf dem gesamten afrikanischen
Kontinent und es gibt neben dem Plastiktütenverbot (2004)
Umweltzonen, in denen der Autoverkehr verboten ist. Seit 1998
existiert darüber hinaus an jedem letzten Samstag im Monat
ein gemeinschaftlicher Dienst – Umuganda – bei dem im gan-
zen Land etwa 80 % der ruandischen Bevölkerung die Straßen
vom Müll säubern und andere zivilgesellschaftliche Aktivitä-
ten durchführen. Umuganda bedeutet übersetzt „Zusammen-
kommen mit einem gemeinsamen Ziel“ und ist Pflicht für alle
Bürger*innen Ruandas zwischen 18–65 Jahren. Dieser gemein-
schaftliche Dienst hat nicht nur einen nachhaltigen Effekt für
die Sauberkeit der Straßen, sondern ist auch ein wichtiger Bei-
trag zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls.
Neben dem Musterbeispiel Ruanda gibt es weitere afrikanische
Staaten, die Maßnahmen gegen Plastiktüten eingeführt haben.
Eritrea und Somalia (2005), Botswana, Tansania und Ugan-
da (2007), Kenia und Togo (2011), Mauretanien und Mali haben
2013 offiziell ein Verbot von Plastiktüten eingeführt. Es mag
überraschen, dass so viele Staaten auf dem afrikanischen Kon-
tinent Gesetze gegen den Gebrauch von Plastiktüten erlassen
haben – die Reichweite ist unterschiedlich. In Ruanda gibt es
ein komplettes Verbot von Plastiktüten. Bei einer Grenzkontrol-
le kann man laut Reiseberichten erleben, dass die Verpackung
von Süßigkeiten abgegeben werden muss. In Südafrika erhebt
der Staat eine Steuer auf Plastiktüten, um so den Gebrauch
zu senken. In den meisten Staaten werden Tüten bis zu einer
bestimmten „Dicke“ verboten. Dünne Plastiktüten, in Deutsch-
land vor allem in Drogeriemärkten erhältlich, sind in fast allen
genannten Staaten verboten. Da viele Gesetze noch nicht lange
in Kraft getreten sind und die gesamte Bevölkerung von einem
Verbot überzeugt werden muss, gestaltet sich die Einhaltung
oft schwierig. Es braucht seine Zeit bis alle Verkäufer*innen auf
allen Märkten und in allen Supermärkten akzeptieren, keine
28
RUANDA
Plastiktüten mehr zu verkaufen. Widerstand kommt auch von
der Plastikindustrie, die den Verlust von Arbeitsplätzen the-
matisiert. Um ein vollständiges Plastiktütenverbot durchzu-
setzen, müssen nicht zuletzt auch die Konsument*innen dazu
bereit sein, andere, zum Beispiel traditionelle Verpackungen zu
benutzen.
Plastiktüten sind allerdings nicht nur ein Thema für die Regie-
rungen, sondern vor allem auch für zivilgesellschaftliche
Akteur*innen. 2010 hat sich eine panafrikanische grüne Partei
(Federation of Green Parties of Africa) gegründet, die Umwelt-
bewegungen und Parteien aus 28 Staaten verbindet. Die wohl
bekannteste Bewegung auf dem Kontinent ist das „Greenbelt
Movement“ in Kenia, welches 1977 zur Wiederaufforstung der
Wälder gegründet wurde. Die Gründerin, Wangari Maathai,
https://en.wikipedia.org/wiki/Phase-out_of_lightweight_plas-
tic_bags#/media/File:Plastic_bag_legislation.svg
Quellen:
www.haz.de/Nachrichten/Panorama/Uebersicht/In-Cornwall-werden-Legosteine-
nach-Schiffshavarie-von-1997-angeschwemmt
http://rwandapedia.rw/explore/umuganda
www.mindfully.org/Plastic/Bans/Somalia-Bans-Plastic1mar05.html
www.lemonde.fr/planete/article/2013/01/03/l-interdiction-des-sacs-en-plastique-se-
mondialise_1812467_3244.html
lehrte in Nairobi Biologie und war zwischen 2003 und 2005
Umweltministerin in Kenia. Für ihren herausragenden Bei-
trag zur nachhaltigen Entwicklung, für Demokratie und Frie-
den wurde ihr 2004 der Friedensnobelpreis verliehen. Diese
Bewegung setzt sich auch entschieden für einen nachhaltige-
ren Umgang mit Plastiktüten ein. In Nairobi befindet sich der
Hauptsitz des United Nations Environmental Programs (UNEP).
Der Direktor, der Deutsch-Brasilianer Achim Steiner macht
seit fünf Jahren aktiv Werbung für Plastiktütenverbote in allen
Ländern der Welt. Es bleibt spannend, ob es zu einem globalen
Plastiktütenverbot kommt und inwiefern die afrikanischen
Staaten ihre Vorreiterrolle wahrnehmen. D
Robin Frisch, Jahrgang 1994, Bachelor „Internationale
und europäische Governance“ in Lille und Münster,
2012–2013 Freiwilliges Soziales Jahr in Lomé/Togo
Kontakt: robin.frisch@yahoo.de
29
„Meine Füße sind spezielle Füße. Sie sind nicht weit verbreitet in
Malawi.“ Mit diesem Satz erklärt Georg Chimpiko Banda Kindern
seine Klumpfüße. In schwarzen Business-Socken liegen sie aus-
gestreckt vor ihm auf einem kleinen Bambustisch. An derselben
Straße, die wenige hundert Meter weiter zu den sagenhaften Sen-
ga Bay-Stränden des Malawi Sees führt, zeigt ein Metallschild sein
Lebensprojekt: KODO. Die ersten beiden Buchstaben stehen für
„Kuthandiza Osayenda“ – übersetzt: Hilfe für diejenigen, die nicht
laufen können – in der malawischen Amtssprache Chichewa. Ein
roter Pfeil zeigt von Schild und Straße weg auf zwei kleine Back-
steinhäuser.
Als Georg noch klein war, wurde er von seiner Mutter auf
dem Rücken zur Schule getragen, täglich 1.5 km, hin und
zurück. Georg wusste schon früh, was er später werden
wollte: mobil. Zudem wollte er sich ein Auto leisten können.
Wäre Georg mit Füßen wie jeder andere geboren, wäre
er Soldat geworden: Sein Vater erzählte viele inspirieren-
de Geschichten vom Krieg in Kongo Kinshasa. Weil es viel
Streit in der Familie gab, zog die Mutter mit Georg und sei-
ner älteren Schwester 1970 zurück zu ihren Eltern.
Bei seiner Großmutter war das Leben besser. Die
Grundschule lag nur 400 m vom Haus der Großmutter ent-
fernt. Am frühen Morgen, wenn der Sand noch feucht und
weich war, konnte Georg die Distanz auf eigenen Klumpfü-
ßen bewältigen. Nach Schulende zwang ihn der heiße Boden
in der Schule zu bleiben. Die Sonne, der aufgeheizte Sand
und die kleinen spitzen Steine bereiteten seinen bloßen
Füßen Schmerzen.
Eine Mango meiner Wahl
Elena Ziegler Ruiz
30
MALAWI
Nur in der Regenzeit war die Erde nass und weich. Eines Tages
während dieser Zeit ging Georg mit Freunden „Mangos jagen“.
Die Bäume hingen voll davon. Die anderen Jungen kletterten
hinauf. Georg zeigte in die Äste auf die Früchte, die er haben
wollte. „Die hier“? fragten die anderen. Wenn Georg nickte,
pflückten sie die ersehnte Mango und aßen sie selbst. Danach
bat Georg die Freunde ihm klettern zu helfen und hievte sich
selbst in die hohen Äste. „Ich wollte eine Mango meiner eigenen
Wahl“, erklärt Georg heute. Doch es war Januar, Regenzeit. Die
Wassermassen fielen ohne Vorwarnung. „Ein richtiger Sturm,
mit Hagel und Gewitter“, erinnert sich Georg. Die anderen Jun-
gen sprangen von den Ästen und rannten nach Hause. Georg
blieb im Baum, eineinhalb Stunden, bis seine Mutter ihn suchen
kam. „Sie war eine große Frau“, sagt Georg lächelnd. „Sie konnte
mich aus dem Baum pflücken und nach Hause tragen.“
1973 schrieb Georg das Abschlussexamen der Grundschule
nicht gut genug, um für die weiterführende Schule ausgewählt
zu werden. Er wiederholte. „Hör nicht auf, es zu versuchen“,
riet seine Mutter ihm, „irgendwann wird Gott dich belohnen.“
Georg lernte vier Jahre in der achten Klasse, bis er 1977 auf die
Secondary School durfte. Die Formulare der weiterführenden
Schule fragten zum ersten Mal nach Geburtsdaten. Georg legte
selbst den 25.Juli 1958 fest.
Im dritten Jahr an der weiterführenden Schule sprach ihn
ein Schüler auf dem Schulgelände an, auf seine Füße deutend.
Der Junge war aus der Großstadt Blantyre hergezogen, das dor-
tige Missionars-Krankenhaus „Queen Elizabeth“ hatte seine
Schwester mit orthopädischen Schuhen ausstatten können.
Durch diesen Hinweis bekam Georg 1979 seine ersten schwar-
zen Lederschuhe.
Ein Jahr nach Abschluss an der weiterführenden Schule, 1982,
kaufte der malawische Staat von Japan seine erste Satelliten-
station und Georg absolvierte in der Abteilung für „Post and
Telecommunication“ eine internationale Berufsausbildung mit
anschließendem Studium zum Ingenieur. An Georgs Schule
herrschte ein reger Austausch zwischen Malawi, Lesotho, Bots-
wana und Swasiland. 1991 schloss er mit Diplom ab und startete
seine Karriere in einer Zeit, in der es noch keine Mobiltelefone
gab, aber viele Probleme mit dem malawischen Festnetz. „Die
meisten meiner Freunde kenne ich über das Telefon“, erkennt
Georg schmunzelnd. Er reparierte ihre Telefonverbindungen. So
gelangte er auch zu seinem ersten Auto. Eine französische Kun-
din wollte ihm zu mehr Mobilität verhelfen und vermachte ihm
den alten Renault ihres Sohnes.
Georg fand, es war Zeit, etwas zurückzugeben: „Ich wollte zu
einer Brücke werden, zwischen Menschen mit Mobilitätspro-
blemen und den Hilfsmitteln.“ Im Jahr 2000 kaufte er den ers-
ten Rollstuhl und schenkte ihn einer Mutter von zwei Kindern,
deren Kaiserschnittnarbe das Laufen auf Krücken schmerzhaft
machte. Mithilfe zweier Schulfreunde erwarb Georg anschlie-
ßend zehn weitere Tricycles: Dreiräder mit Handpedalen an
einem Lenker am vorderen Rad.
Unerwartet kam eine Organisation aus Nordirland auf ihn zu,
die mit ihm erkannte: Seine Rollstühle würden die Menschen
zwar mobiler machen, aber sie blieben Bettler auf Rollstüh-
len. Deswegen kaufte Georg mit dem Vertrag der Organisation
ein Grundstück neben der Straße und ließ dort ein Backstein-
häuschen bauen. KODO war gegründet. Das zweite D steht für
31
disability, O für outreach. KODO bot Workshops im Bambus-
Möbel-Bau und Schneidern an. 2009 stattete eine schottische
Organisation KODO mit Nähmaschinen aus, die mit Handkur-
bel statt Fußpedal oder Elektrizität betrieben werden.
Mit einem Material-Starterpaket im Wert von 20 € kehren die
KODO-Lehrlinge in ihre Dörfer zurück und eröffnen dort ein
kleines Geschäft. Auch KODO selbst versucht sich mit dem
Verkauf von Bambusmöbeln zu finanzieren. Doch die meisten
Malawier können Geld für Möbel nur von Mai bis Oktober aus-
geben, der halbjährigen Verkaufssaison ihrer letzten Ernte. Im
Dezember fällt mit den ersten Tropfen der Regenzeit der Start-
schuss für die neue Saat – nicht nur die potentiellen Kunden,
sondern auch die KODO-Absolventen investieren ihr gesamtes
Geld in teuren Dünger. Die Kleinunternehmen scheitern an
geringer Nachfrage und fehlendem Budget für neues Materi-
al. Das war der Anlass, um Workshops anzubieten, Bio-Dünger
selbst herzustellen.
Noch schlafen die KODO-Lehrlinge auf dem Boden in Georgs
Büro. Für den Bau von Schlafräumen fehlt das Geld. Aber Georg
will kein Geld von seinen Sponsoren. Eigentlich will er auch kei-
ne Rollstühle. Im Moment hängen 500 gespendete Rollstühle in
Amerika fest und 100 weitere in Sambia, doch es gibt kein Geld
für den Transport. Georg wünscht sich nachhaltige, eigenstän­
dige Maßnahmen: Ein Anschluss KODOs ans Stromnetz, Mate-
rial und Workshops, um die KODO-Lehrlinge zu ermächtigen,
ihreRollstühleselbstzuschweißen.MiteinerMaismühle,einem
Elektro-Reparatur-Werkstatt oder einem Nahrungsmittel­laden
könnte sich KODO sogar ganzjährig selbstständig finanzieren.
Georg ist jetzt in Rente gegangen, um sich Vollzeit um sein
­Projekt zu kümmern. Seine Vision ist groß: „Empowering the
dis­abled people for tomorrow – not for the past!“ D
Elena Ziegler Ruiz, Jahrgang 1996, Studentin der Medizin,
Internationaler Freiwilligendienst in Salima, Malawi in 2014/15
32
MALAWI
Noch vor einigen Monaten hätte ich nicht damit gerechnet, das Mittelmeer zu überqueren, den Indischen
Ozean zu sehen, Affen an Häuserwänden zu bestaunen und mich in dieses Land zu verlieben. Nun, es begann
mit einer Querschnittsqualifikation in meinem Allerwelts-Studiengang mit dem überaus nüchternen Titel:
Gesundheitsversorgung vor Ort weltweit-Community Based Rehabilitation als Strategie inklusiver Entwicklung
der WHO. „Wieso nicht?“, dachte ich mir. Endlich mal keine Cashflows und Bilanzen, kein Schumpeter oder
Keynes, keine unwägbaren Theorie-Modelle.
Community Based Rehabilitation (CBR) ist ein Ansatz, bei welchem Menschen mit (und ohne) Beeinträch-
tigungen eine Lebensgrundlage auf Basis von bestimmten Prämissen gewährt werden soll. So sollen diese
Menschen in allen Teilen der Gesellschaft dieselben Möglichkeiten und Chancen bekommen wie andere,
vielleicht nicht beeinträchtigte. Es geht um ein gesellschaftliches Miteinander, um so Hürden zu überwinden
und die Lebensqualität für alle im selben Maße zu erhöhen. Und ich durfte nun sehen, wie die Theorie in der
Praxis – in Kenia – funktioniert.
Inklusion made in Kenia
Serhat Duman
33
Von der Sonne geküsst und angekommen an der Pawni Univer-
sity, wurden wir von Prof. Dr. Shauri begrüßt, welcher unter
den Studierenden einfach nur „Prof“ genannt wird. „In Kenya,
when you say Jambo, evertyhing is fine! Haku na ma tata!“ sag-
te der Prof. Dieses kurze, so lebensfrohe und intensive Wort
bringt es auf den Punkt: wo immer man Jambo sagt, egal in
welcher Lebenslage, man bekommt ein Lächeln und die kenia-
nische Freundlichkeit zu sehen. Wir wurden durch den großen
Campus herumgeführt. Der Campus bzw. die ganze Universi-
tät sind relativ jung. Das Gelände ist unglaublich groß und mit
viel Natur gesegnet. Hier werden auch Hühner gezüchtet, Obst
und Gemüse angebaut, auch zur Selbstversorgung. Die Gesprä-
che mit den Kommiliton*innen über Politik, Religion und auch
Sexualität waren offen und ehrlich, was man in afrikanischen
Ländern oft – aus unserer westlichen Sicht – nicht erwartet. Und
ich dachte schon, es herrscht erst einmal tagelanges Schweigen.
Weit geirrt!
In einigen Feld-Gängen durften wir nun den CBR-Ansatz
anhand der örtlichen Einrichtungen begutachten. Es begann
mit der „APDK-Rehabilitation-Clinic“ in Mombasa. Bei APDK
handelt es sich um die „Association for the physically disabled
of Kenya“, welche im ganzen Land verschiedene Kliniken und
Einrichtungen unterhält. In jener
Klinik in Mombasa werden Kinder
mit physischer Beeinträchtigung
behandelt und mit Prothesen
versorgt. Es existiert eine eigene
Werkstatt, in welcher sämtliche
Prothesen hergestellt werden. Und hier hatte ich schon den ers-
ten WOW-Moment. Zu sehen, wie mit einfachsten Mitteln, mit
Eisenstangen, Kunststoff, Holz und handwerklichem Geschick
diese Prothesen hergestellt wurden, ja, das war schon ziemlich
erstaunlich. Wir wissen nur allzu gut, wie teuer und kompli-
ziert in Deutschland die Herstellung von Prothesen ist. Umso
begeisterter war ich von den „made in kenya“ Prothesen, welche
allesamt gut zu funktionieren scheinen. Hier arbeiten ausgebil-
dete Ärzte und Pfleger, es hat alles seine Professionalität. Viel-
leicht sollten wir uns hier mal eine Scheibe „Improvisierung“
abschneiden: Warum schwer und teuer entwickeln und herstel-
len, wenn es auch einfache Möglichkeiten gibt? Keep it simple!
Kenia ist ziemlich beispielhaft für die Anwendung des CBR-
Ansatzes, was uns ein Ausflug ins Landesinnere zeigte. In Taita
besuchten wir eine Einrichtung für Menschen mit Albinismus.
Die Einrichtung versucht einerseits den von der Gesellschaft
ausgegrenzten Menschen mit Albinismus eine Lebensgrund­
lage zu verschaffen, andererseits die Menschen in der Region
über deren Schwierigkeiten aufzuklären. An der kenianischen
Grenze zu Tansania gibt es leider immer wieder Übergriffe
auf Menschen mit Albinismus, welche hier Halt und Fürsorge
erfahren.
34
KENIA
Dass Menschen mit Beeinträchtigungen in Kenia eine große
Beachtungbekommen,wurdeineinemanderUnistattfindenden
Workshop unterstrichen. Die kenianischen Kommiliton*innen
berichteten von ihren Erfahrungen mit Behinderungen, man-
che hatten selbst körperliche Einschränkungen und konnten
somit uns am „eigenen Leib“ von ihren Erfahrungen berich-
ten. Viele der Kommiliton*innen engagieren sich ehrenamtlich
für Behinderte oder pflegen im Familienumfeld Menschen mit
Behinderungen. Es sei, wie mir die Studierenden bestätigten,
eine Frage der Menschlichkeit sich um diese Menschen zu küm-
mern. Das wird gerne getan. Die Hilfsbereitschaft, die ich hier
erlebt habe, scheint ziemlich ausgeprägt zu sein. Die Studieren-
den machten mental einen sehr starken Eindruck auf mich. Sie
sind stolz, Kenianer zu sein und möchten nur zu gerne zeigen,
was dies heißt. Sei es im Umgang mit den Mitmenschen oder
durch die offene Wissbegierde, die Gastfreundschaft oder ein-
fach nur kleine Gesten der Aufmerksamkeit.
Ein Sonntag in Kenia ist wie ein Sonntag in Deutschland. Er
ist Ruhetag. Ich ergriff an einem Sonntag die Initiative, mit
einem kenianischen Studenten einen Ausflug nach Mombasa zu
un­ternehmen. Mombasa, dieser Name, so mysteriös, aufregend,
pulsierend und etwas abenteuerlich. Diese Stadt ist ein Dschun-
gel, den es gilt zu durchqueren. Man muss sie mögen, nichts für
Leute, die kein Gedränge und Körperkontakt mögen.
Auf dem Weg von Kilifi nach Mombasa – in den überaus „rusti­
kalen“ Matatus (optisch sehr individuell gestaltete Kleinbus-
Taxen) – passierte etwas in meinen Augen sehr emotionales. Es
war einer jener Momente, welchen man zwar mit einer Kame-
ra hätte einfangen können, das Bild aber nicht die Gefühlsla-
ge beschrieben hätte. Vor uns im Bus saßen zwei kenianische
Mütter nebeneinander, beide mit ihren Babys auf dem Schoß.
Die eine Mutter war christlich, die andere war muslimisch.
Die Babys blickten sich gegenseitig mit ihren knopfförmigen,
unschuldigen und erwartungsvoll blickenden Augen an, sie
reichten sich gegenseitig die Hand und hielten sich gegenseitig
fest. Es gab selten für mich einen Moment, in dem mehr Huma-
nität, mehr Nächstenliebe, mehr Frieden ausgestrahlt wurde als
in diesem Moment. Denn dieses Bild steht symbolisch für ganz
Kenia: Hier existieren zwei Weltreligionen nebeneinander, ohne
dass es zu Konflikten kommt, ohne dass Hass geschürt wird,
ohne dass Zerwürfnisse vorherrschen. Und keiner lebt in sei-
nen Communities isoliert, hier ist alles ein melting pot: Chris-
ten, Muslime , Inder, Araber und noch mehr – hier trifft alles
aufeinander und alle verstehen sich mit allen. An der Uni wird
35
psychisch eingeschränkter Schüler (ca. 10 Jahre alt) habe eine
ausgeprägte künstlerische Fähigkeit. Diese zeigte der Direk-
tor mir anhand eines Bildes. Der kleine Junge habe ein Portrait
des kenianischen Präsidenten gemalt, welches dem Original
unglaublich nahe kam. „Als wir dieses Bild dem kenianischen
Präsidenten bei einem Besuch gezeigt haben“, so der Direktor,
„entschied sich der Präsident das Kind zu fördern und es auf
eine Begabtenschule zu schicken.“ Das sind die kleinen, aber
doch bedeutenden Happy Ends, die verdeutlichen, dass auch in
einem Land wie Kenia, einzelne und individuelle Fähigkeiten
der Kinder erkannt und gefördert werden. Dies sei kein Ein-
zelfall, versicherte mir der Direktor, was ich ihm auch glaube.
Einen Aspekt, der mir als BWL-Student auffiel, gilt es noch zu
erwähnen: Kenianer*innen sind echte Unternehmer*innen!
Die meisten Kenianer*innen sind selbständig, sei es ein kleiner
Kiosk unter einem Blechdach oder ein Ziehwagen mit Gemüse
oder Getränken. In diesem Land ist Entrepreneurship ein gro-
ßes Thema, was auch Barack Obama bei seiner Ankunfts-Rede
vor tausenden Kenianer in Nairobi bestätigte. Auch hier sahen
wir anhand von Beispielen, wie der CBR-Ansatz greift. Men-
schen mit Beeinträchtigungen bekommen Schulungen, Mikro-
kredite und personelle Unterstützung bei Behördengängen für
den Aufbau ihres Geschäftsvorhabens, damit sie mit ihrer Exis-
tenzgründung erfolgreich starten können.
­gemeinsam vor Beginn der Vorlesung gebetet, egal ob Christ*in
oder Muslim*in. Es ist nur zu schade, dass in den deutschen
Medien kein Platz ist für Bilder dieser afrikanischen Freund-
schaftskultur. Den „Montagsspaziergängern“ hierzulande wür-
de man mit solchen Erkenntnissen ihre gesamte Weltanschau-
ung zerstören.
An der Sahajarand Special School hatte ich ein Schlüsseler-
lebnis, welches mir sehr nahe ging. Es ist angeblich die größte
Schule für Kinder mit Beeinträchtigungen. Wir kamen recht-
zeitig zum Gottesdienst, die Kinder haben alle fröhlich gesun-
gen und mitgemacht. Als wir uns zum Gottesdienst hinsetzten,
kamen viele Kinder zu uns. Was sollte ich machen? Empfahl
mir doch der Arzt, welcher mich vor der Reise geimpft hat,
Kontakt mit Kindern zu meiden, wegen ansteckender Krank-
heiten. Sollte ich darauf hören? In diesem Moment war mir das
ziemlich egal und eh zu spät, weil sie alle auf mich zu rannten.
Die Freude und Neugierde, welche diese Kinder an mir zeigten,
war unbeschreiblich. Viele sahen zum ersten Mal ein „Weiß-
brot“ und umso bedeutender war dann diese konkrete Begeg-
nung. Die Größe dieser Schule hat mich beeindruckt, sie bietet
Platz für einige hundert Schüler*innen, samt Unterkunft und
Verpflegung. Dass die Kinder in dieser Schule eine Perspekti-
ve haben, zeigte mir der Direktor anhand eines Beispiels. Ein
36
KENIA
Wenn ich jetzt hier schreibe, „Kenia ist technologisch Deutsch-
land voraus“, erwarte ich Spott, böse Wörter und laute Lacher.
Aber es stimmt, zumindest in mancherlei Hinsicht. In Kenia
existiert beispielsweise ein mobiles Zahlungssystem namens
„MPesa“. Dabei handelt es sich um eine Möglichkeit, mit dem
Handy per SMS finanzielle Transaktionen zu machen. Viele
Shops, egal ob Supermarkt, Friseur oder Metzger haben eine
Zahlungsannahmestelle,umGeldaufdasHandyzuüberweisen.
Der Grund für den Erfolg dieses Systems sind die weiten Wege zu
Banken in ländlichen Regionen – und dass Banken in der Bevöl-
kerung kein großes Vertrauen genießen. Sein Handy hat man
immer dabei, weshalb man somit kein Bankkonto mehr benö-
tigt. Viele lassen selbst ihre Löhne auf ihr Handy überweisen.
So einfach, so effektiv und doch für Deutschland undenkbar.
MPesa ist einer der Hauptgründe, weshalb Unternehmertum in
Kenia so gut und einfach funktioniert. Es hat auch seinen Vor-
teil, wenn wenig Bürokratie existiert und auch mal Regierung
und Privatwirtschaft an einem Strang ziehen.
Kenia hat viele Geschichten zu erzählen, die es wert sind, dass
man ihnen zuhört, lauscht und wertvolle Erkenntnisse daraus
zieht. Dieses Land beweist – als Repräsentant Afrikas – dass vie-
le Dinge richtig gemacht werden, dass wir voneinander lernen
können, dass wir uns vieles zu Herzen nehmen sollten, dass wir
unsere mit Ressentiments belastete Sicht auf diesen Kontinent
und seine Menschen ändern können. Die Fürsorge für Menschen
mit Behinderungen, die kulturelle Offenheit und Toleranz, die
Gastfreundschaft jenseits von all-incl.-Urlaubs-Atmosphäre,
welche wir gerne als Maßstab nehmen plus die positive Kraft,
Stärke und Willen, die man in vielen Begegnungen spüren kann.
Was nehme ich mit aus Kenia? Natürlich Gewürze, Tücher und
ein paar Früchte. Und wichtiger: Kenia, du hast mich umarmt
und mir dein Lächeln geschenkt, ASANTE SANA! D
Serhat Duman, Jahrgang 1988, ist BWL-Student
an der School of Management der Technischen
Universität München. Im Rahmen eines interdisziplinä-
ren Seminars zum Thema „Livelihood and (Dis)ability“
im Zusammenhang mit dem von der WHO entwickelten
Ansatz „Community Based Rehabilitation“ am Lehrstuhl
Diversitätssoziologie der Technischen Universität
München, befasste sich Serhat Duman mit dem Themen
Inklusion und Diversität im internationalen Kontext.
­Hier­zu wurde anhand einer im September 2015 statt-
findenden Summer School an der Pawni University
in Kilifi, Kenia die Anwendung des Community Based
Rehabilitation Ansatzes in verschiedenen Feld-Studien
näher betrachtet.
Serhat Duman interessiert sich für Entwicklungs­
zusammen­arbeit, Entrepreneurship in Afrika und
Außen­politik.
Infos über die Summer School:
https://www.diversitaetssoziologie.sg.tum.de/forschung/
bewilligte-forschungsprojekte/cbresearch/
Lehrstuhl Diversitätssoziologie:
https://www.diversitaetssoziologie.sg.tum.de
Link zur Partneruniversität in Kenia:
www.pu.ac.ke
37
Verone Mankou nahm sich die Verantwortung zu Herzen und
präsentierte 2012 das erste Smartphone aus Afrika und für
Afrika namens Elikia, was so viel wie „Hoffnung“ in Lingala,
der nationalen Sprache Kongos bedeutet. Das Smartphone ver-
fügt über einen 3,5 Zoll Touchscreen, einen RAM-Speicher von
512 Mb und einen 650 MHz-Prozessor. Der interne Speicher ist
256 Mb groß und kann bis zu 32 Gb erweitert werden. Elikia
hat eine Kamera mit 5 Megapixeln. Das Ziel des ehrgeizigen
Unternehmers Mankou ist es, das Smartphone für weniger als
200 Dollar zu verkaufen. Trotz des für afrikanische Lebensver-
hältnisse durchaus hohen Preises – 172 € – haben sich viele ein
Elikia geleistet. Neben den gängigen Funktionen des Telefons
ist es für viele Verbraucher*innen ein Produkt, auf das sie als
Afrikaner*innen stolz sind. Kurz danach folgten zwei weitere
Smartphones: das Elikia Mokè (das kleine Elikia) und das Eli­kia
L (das große Elikia).
Mit seiner Firma
VMK trägt Verone Man-
kou erheblich zu einem
Imagewandel bei. Die
Welt soll jetzt wissen,
dass in Afrika, speziell
in Kongo Smartphones
und Tablets produziert
werden. In einem Land,
E in ­Po r t rait vo n ­Ve ro ne M ankou 2 9,
E nt w ick le r d es e r s te n ­Tab le t s ma de
i n  Af rica
Einige nennen ihn den „Steve Jobs von Afrika“ und für das ame-
rikanischeWirtschaftsmagazinForbesgehörterdefinitivzuden
„30 under 30“, den dreißig besten jungen Unternehmer*innen
unter dreißig Jahren aus Afrika. Nach einer Ausbildung zum
Informatikingenieur gründete Verone Mankou mit knapp 23
Jahren sein Unternehmen VMK. Die Initialen stehen als Abkür-
zungfürVou Mou Ka,was„wacht auf“inderimWestenderDemo-
kratischen Republik Kongo verbreiteten Kikongosprache heißt.
In der heutigen von Smartphones und Computern beherrschten
Welt hat der junge Unternehmer das Ziel, die Nummer Eins auf
dem Kontinent zu sein.
Sein Durchbruch erfolgte im Dezember 2011, als er das ers-
te Tablet auf den Markt brachte, das in Afrika entwickelt wurde
und die Bezeichnung Way-C trägt. Der mit Android 2.3 funk­
tionierende 7-Zoll-PC machte aus seinem Entwickler einen
Hoffnungsträger im Bereich der Informationstechnologie und
der Telefonie für einen ganzen Kontinent. Denn im Vergleich
zu den Produkten anderer Hersteller ist das Tablet preisgüns-
tig und bietet gleichzeitig Dienstleistungen, die bei anderen
Anbietern nicht zu finden sind, vor allem telefonieren, im Inter-
net surfen, fotografieren und Musik hören.
AmericanAfrican dream oftechnology
Charbel Gauthe
38
KONGO
Jahr 2017 auf 350 Millionen verdoppeln. Der Wunsch Verones
ist natürlich das wichtigste Glied in diesem Prozess zu sein. Sein
Interesse gilt vor allem der Entwicklung afrikanischer Inhalte
(Apps, Spiele usw.) für seine Produkte.
Der auf fast allen wichtigen Konferenzen weltweit zu sehende
Unternehmer ist Preisträger des Africa People Awards 2011 und
hat nur ein Ziel: mit den großen Firmen in dem Bereich konkur-
rieren zu können und allen Afrikaner*innen einen einfachen
Zugang zur numerischen Welt zu ermöglichen. Wie er selbst
sagt: „Es reicht nicht gute Produkte anzubieten, diese müssen
auch zugänglich sein.“ Eine unbestreitbare Wahrheit.
Als Vorreiter im Bereich der innovativen Technologien verkör-
pert Verone Mankou die neue 2.0 Generation in Afrika. In sei-
nem Buch Congo: terre de technologies (Kongo: Brennpunkt für
Technologien) erschienen im November 2014 bei L’Harmattan
fordert er die Afrikaner*innen auf, Unternehmen zu gründen
und in neue Technologien zu investieren. Mit seiner Innova­
tionsfähigkeit hat Vérone Mankou eine Erfolgsstory geschrie-
ben. D
das bisher für den Rohstoff bekannt ist, nämlich das Coltan,
woraus das Metall Tantal gewonnen wird, das in unseren Han-
dys, Laptops und vielen Elektrogeräten steckt.
Und wenn hier von Produktion die Rede ist, dann heißt es
ab jetzt, dass 80 % der Produktteile in Kongo zusammengebaut
werden. Eine Premiere im afrikanisch-frankophonen Raum.
Denn früher wurden Produkte in Kongo in der Firma konzipiert,
aber in China montiert. Das ist jetzt Geschichte und zeigt, dass
Afrikaner*innen ihr Land, ihren Kontinent bewegen. Wie Vero-
ne Mankou es sagt: „Wir existieren! Kommen Sie und sehen Sie,
was wir machen.“
Die Leute sollen verstehen, dass man in Afrika investieren und
Großes realisieren kann. Außerdem gibt es in Afrika junge Leu-
te, die etwas ändern wollen bzw. etwas ändern.
In der VMK-Fabrik arbeiten ca. 100 junge Frauen und
Männer, die in der Firma ausgebildet und betreut wurden.
Später werden sie eingestellt. Das hat den Vorteil, einheimi-
sche Arbeitskräfte direkt vor Ort zu rekrutieren statt teure
„Expert*innen“ ins Land kommen zu lassen. Es werden konkret
neue Arbeitsstellen geschaffen.
Es ist kein Geheimnis mehr, dass auf dem afrikanischen Kon-
tinent der Multimediamarkt aufblüht. Einer Studie der Bera-
tungsfirma Deloitte zufolge wird sich allein die Zahl der inter-
netfähigen Handys auf dem afrikanischen Kontinent bis zum
Charbel Gauthe M.A. wurde 1987 in Parakou/Benin
geboren. Nach seinem Studium im Fach Deutsch als
Fremdsprache und Germanistik in Benin und Deutsch­
land sowie einer Ausbildung als PR-Referent in Frank­
reich arbeitet er seit 2013 als Sprachdozent und
Integrationskursleiter in Bielefeld. Als leidenschaftlicher
Panafrikanist ist er auf entwicklungspolitischen Seminare
bzw. Konferenzen zu sehen, als Gast oder als Moderator
von Workshops zu den Themen Bildung und Rassismus.
www.afrinous.com
39
meisten von ihnen sind im kLab, Ruandas erstem ,Technology
Hub‘ in der Hauptstadt Kigali registriert. Einer davon ist Robert
Mugisha. Der 24-Jährige geht seit der Gründung des kLabs 2012
regelmäßig dorthin. Er gehörte damit zu einer anfänglichen
Gruppe von 20 innovativen jungen Erwachsenen, die einen offe-
nen Raum zum Austausch und Lernen für Gleichgesinnte nut-
zen wollten. Im Botschaftsviertel Kacyiru haben die Gründer
des kLab die oberste Etage
des Telecom-Hochhauses
zu einem offenen Raum
mit mehreren Sitzgrup-
pen, einem Café und einer
großen Dachterrasse aus-
gebaut. Der Name kLab ist
eine Abkürzung für ‚Know-
ledge Lab‘, also Wissensla-
bor.
Eine neue Wirtschaft soll her. Eine, die nicht nur landwirt­
schaftliche Erzeugnisse hervorbringt, sondern auf Wissen
basiert und dieses reproduziert. Am liebsten irgendwas mit
Informationstechnik. Das ist eines der Ziele, die sich Ruan-
da mit seiner Vision 2020 gesetzt hat. Und genau das, was viele
Student*innen, junge Unternehmen und Innovative des klei-
nen ostafrikanischen Landes bereits in die Tat umsetzen. Die
Innovation durch
offene Räume
Wie junge Kreative ihr Land
mit ITvoranbringen
Louisa Esther Glatthaar
40
RUANDA
1	 Lösungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik
Doch eigentliches Herz und Seele des kLab sind nicht sichtbar.
Es sind das freie WLAN, welches zu den besten des Landes gehört
und vor allem das Wissen. „Das kLab ist nicht nur ein Internet-
café. Wir sind ein Entwicklungszentrum, das vom Austausch
und der Hilfe zwischen Mentor*innen und der stetig wachsen-
den Gemeinschaft lebt. Leute kommen hierher, um für ihre
Ideen und Projekte Partner zu finden oder sie selbst mit Hilfe
der anderen umzusetzen. Schon mehrere erfolgreiche Business-
Modelle sind hier im kLab entstanden“, berichtet Robert stolz.
Auch er hat seine eigene Firma im kLab gestartet. Der Program-
mierer sagt, dass er erst durch diesen offenen Raum den Rück-
halt und das Wissen bekommen habe, das er für sein Startup
benötigte. „Neben technischer Unterstützung profitierte ich
auch von der wirtschaftlichen Beratung im kLab.“
Heute ist Robert Mitglied des kLab-Kernteams. Dieses besteht
aus einem Hauptmanager, seinem Stellvertreter, einem
Gemeinschaftsmanager und fünf weiteren Mitgliedern, die
alle dem Aufsichtsrat unterstehen. Seit seinen Anfängen hat
sich die Gemeinschaft des kLabs auf mehr als 200 ­registrierte
Mitglieder bereits verzehnfacht. Alle Angebote des kLabs,
vom ruhigen Arbeitsplatz über die Mentor*innen bis zu Ver-
anstaltungen, sind kostenlos – für jede*n. Sowohl Männer als
auch Frauen kämen gleichermaßen während der täglichen Öff-
nungszeiten von sieben Uhr morgens bis neun Uhr abends, um
ihre Ideen zu entwickeln, erklärt Robert. „kLabs Mission ist es,
die Entwicklung innovativer ICT-Lösungen1 zu fördern. Das
schaffen wir nur durch eine offene, aktive Gemeinschaft von
Entwickler*innen, Mentor*innen und Unternehmer*innen.“
Das Angebot des kLab wird durch regelmäßige Veran-
staltungen und Workshops oder Events wie Hackathons oder
Networking Sessions abgerundet. „Jeden Mittwochabend prä-
sentiert außerdem ein Mitglied des offenen Raums, an wel-
chem Projekt gerade gearbeitet wird. Donnerstags berichten
Gastsprecher*innen von ihren Arbeitsfeldern. Dabei geht es
vor allem um IT, aber auch um Investitionen, Finanzierung und
Kooperationspartnerschaft. Auch bedeutende internationale
Veranstaltungen, wie zum Beispiel „Transform Africa“, werden
vom kLab mit organisiert“, sagt Robert mit einem Glänzen in
den Augen.
Er träumt davon, sein Land weiter zu entwickeln. „Selbst
wenn du am Anfang nichts hast, kannst du Großes erreichen.
Leute kommen hierher und entdecken die Welt der Technolo-
gie. Die Technologie wird es sein, die unser Land weiter vor-
an bringt“, sagt er und lässt seinen Blick über Kigali und sei-
ne Hügel schweifen. „Von hier hat man den besten Blick über
Ki­gali. Schon allein deshalb lohnt es sich zu kommen“, sagt er
und schmunzelt. Und es gibt einen Tischkicker. „Der ist dafür
da, dass wir nicht vor unseren Computern, sondern an den Stan-
gen des Kickers durchdrehen, wenn die Technologie doch nicht
so will wie wir.“
Das kLab hat auch andere inspiriert. Im gleichen Viertel gibt
es nun ein zweites Technology Hub namens ‚Think‘. Auch das
‚Impact Hub‘ in Kigali wurde neu gegründet. Die Entstehung
solcher Austausch- und Arbeitsplätze im IT-Bereich scheint in
Ruanda noch lange nicht am Ende angelangt zu sein.
Konkurrenz? „Nein, Bestätigung“, sagt Robert.D
Louisa Esther Glatthaar, Jahrgang 1995, Studentin
an der Universität Leipzig: Politikwissenschaft und
Afrikanistik, Auslandsaufenthalte: Frankreich 2010/2011
und Ruanda 2013/2014
Louisa Esther Glatthaar arbeitet auch als freie Journalistin:
louisaglatthaar.wix.com/journalist
Twitter: @GLouisaE
LinkedIn: Louisa E. Glatthaar
41
42
KENIA
43
iHub Nairobi
Ort des Lernens, Experimentierens
und Entwickelns
Alev Coban
44
KENIA
1	 Macharia, Joel and Mutuku, Leo (2014) Financing Technology Businesses in Kenya.
Source: www.ihub.co.ke/ihubresearch/jb_FinancingTechnologyBusinesspdf2014-2-7-09-49-09.pdf
iHub ist der größte Technology Hub in Nairobi und einer der prominentesten innova­
tiven Orte in der Subsahara Afrikas.
iHub befindet sich in einem vierstöckigen Gebäude namens Magua Bishop ­Centre
und bietet verschiedene Räumlichkeiten für Techniker*innen, Investor*innen, Tech-
nologieunternehmen, Hacker*innen und Forscher*innen an. Sie treffen sich zum
gemeinsamen Arbeiten, Diskutieren und Netzwerken1.
Doch wie lässt sich der Ort des iHubs genauer beschreiben? Unterhält man sich mit
Menschen dort, wird als einer der wichtigsten Treffpunkte, mit dem der iHub sofort
assoziiert wird, der Community Space im vierten Stock oder auch einfach nur „ups-
tairs“ oder „4th floor“ genannt. Hier gäbe es den besten Kaffee, serviert von Rose. Ihre
Bar lädt zum Pausieren und Socializen ein. Ansonsten wird der Community Space eher
von Tischen und Menschen an ihren Laptops dominiert. Es gibt verschiedene Sitz­
bereiche für unterschiedliche iHub-Mitglieder*innen – die white, green und red mem-
bers unterscheiden sich in der Häufigkeit der Nutzung der Arbeitsplätze und damit
45
­zusammenhängend dem Mitgliedsbeitrag, den sie zahlen. Zwei
Couchlandschaften und zwei Kicker machen den Community
Space gemütlich.
Ansonsten lassen sich in dem Gebäude viele kleine Details
entdecken: „Super Mario“-Abbildungen im Treppenhaus, an
denen jede*r vorbeiläuft um in den dritten Stock zu kommen
und Schilder zu Verhaltensweisen bei einem Feueralarm, die
darauf hinweisen, das Gebäude zuerst zu verlassen und dann
erst den Feuerausbruch auf Twitter oder Facebook zu veröffent-
lichen. Die restlichen Stockwerke des iHub sind sehr divers: Man
trifft auf das m:lab, das aus vielen Büros mit verschlossenen
Milchglas-Türen besteht, in denen Start-ups mobile Apps kre-
ieren. Auch Microsoft hat hier seine eigene Ecke eingerichtet.
In der Mitte dieser vielen Türen steht eine gläserne Vitrine mit
dutzenden Handys – die Testobjekte der Entwickler*innen im
m:lab. Im zweiten Stock geht es weiter mit den Forscher*innen
bei iHub Research und der Beratungs- und Finanzabteilung. Die
Baustelle von Gearbox – ein Raum voller Maschinen, um mate-
rielle Technologien wie Hardware zu bauen – nimmt immer
mehr Form an. Auch die Firma BRCK, die ein WiFi-Modem für
Orte mit schlechter Strom- und Internetverbindung vertreibt,
wartet auf eine größere Bürofläche im zweiten Stock aufgrund
ihres wachsenden Unternehmens. Im Erdgeschoss befinden sich
noch unzählige Büros von Menschen, die sich beispielsweise
auf die Nutzer*innen-Freundlichkeit von Technologie (UX Lab)
­spezialisiert haben sowie weitere Start-Ups.
Welche Menschen befinden sich in dem Gebäude mit solch
diversen Arbeitsplätzen? Wie eingangs beschrieben: iHub ist
ein Ort für technikversierte Menschen. Selbst beschreiben sich
diese oft als techies, technological entrepreneurs oder geeks. Was
zeichnet die geeks im iHub aus? Und wie gestalten sie ihren All-
tag? Auf den ersten Blick erscheint der Alltag im iHub von außen
betrachtet und im Vergleich zu seinen vielen Erfolgsgeschich-
ten geradezu öde. Alle sitzen an ihren Laptops, starren auf den
Bildschirm, tippen wie wild, codieren oder schauen YouTube-
Videos. Kopfhörer scheinen ein Muss zu sein. Denn um sich
in einer Coworking-Atmosphäre konzentrieren zu können,
wird Musik aus den Kopfhörern zum Abschotten scheinbar zur
Notwendigkeit. So arbeiten alle konzentriert vor sich hin. Die-
se Arbeitsroutine kann nicht einmal durch einen möglichen
Stromausfall gestört werden, da iHub über riesige Generatoren
verfügt, die den nötigen Strom in solchen Fällen liefern.
Die intensive und konzentrierte Arbeitszeit wird zwar nicht
durch einen Stromausfall unterbrochen, wohl aber durch kur-
 BILD
4
46
KENIA
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  • 3. Ways of Life Janinka Lutze Sarah Agwu Igiri Akwari Klara Giesler Sidney Ochieng Ange Imanishimwe Marit von Graeve Sören Götz Barbara Scharfbillig Nanjira Sambuli Tobias Minzi Carmen Müller Nyagaki Gichia Chris Orwa Pililani Elisabeth Kaneza Robin Grace Jannet Serhat Duman Aliko Dangote Louisa Esther Glatthaar Sindiswa Mpimpilashe Anne Salim Mussa Sango Tata Yawo Ametoenyenou Birte Mensing Nomawhetu Claire Kosani Verone Mankou Cathy Pamela Nabembezi Clifford Richard Atem-Ojong Gabriel Ngungaa Hangara Robin Frisch Hope Azeda Judith Weidner Shola Ade Andiswa Duda Lucy Sophie Stolle Athelina Lusanda Mjali Nadja Nolte Thilko Gläßgen Bonaventure Nozuko Eunice Nqokoto Zidane Atem-Ojong Charbel Gauthe Pao Jim Engelbrecht Elena Ziegler Ruiz Robert Mugisha Georg Chimpiko Banda Ruth Nabembezi Inga Eslage Elisabeth Marie Mars, Arbeitsstelle WELTBILDER (Hg.)
  • 4. Vorwort Dar es Salaam: Der beste Ort um eine ­Firma zu gründen Consommons local! Wenn, dann richtig BioCoop Rwanda: Ein Leuchtturmprojekt für nachhaltigen Tourismus und Naturschutz Plastiktüten sind untragbar Eine Mango meiner Wahl Inklusion made in Kenia African dream oftechnology Innovation durch offene Räume: Wie junge Kreative ihr Land mit IT voranbringen iHub Nairobi: Ort des Lernens, Experimentierens und Entwickelns 4 6 8 15 18 21 27 30 33 38 40 42 44 Inhalt Südafrika Tansania Togo Kamerun Ruanda Ruanda Malawi Kenia Kongo Ruanda Kenia Kenia 2
  • 5. African Cities: Am Puls der Großstadt 20 Personen, 1 Ziege und 1 Huhn Hyundai Grace: mit Gottes Gnade zum Ziel Welcome to the family It’s deep in my heart Drama for Life Appsolut innovativ! Junge Perspektiven für Uganda Elisabeth Kaneza: Ich habe mich entschieden, selberVorbild zu sein. Hope – Ruanda zwischen Aufschwung und Unterdrückung Nobody build a house on the right side Bist du glücklich? Eine malawische Interview-Collage 52 54 56 58 60 62 64 67 72 76 80 86 91 94 Äthiopien Ruanda Nigeria Malawi, Kenia Uganda Ghana Uganda Südafrika Südafrika Uganda Ruanda Ruanda Namibia Malawi 3
  • 6. Eduardo Galeano, uruguayischer Schriftsteller und Journalist, hat uns gewarnt: „Wir dürfen nicht nur das Bild verändern, wir müssen auch die Wirklichkeit verwandeln.“ 4
  • 7. Am 07.06.2016 wurde die erste Internationale Dekade für Menschen Afrikanischer Abstammung im Beisein des Hochkommissariats der Vereinten Nationen für Menschenrechte in Deutschland/Berlin eröffnet. Zu Beginn erklärte der Vorsitzende des Zentralrats der Afrikanischen Gemeinden, Moctar Kamara: „Unter Aner- kennung verstehen wir die Rehabilitierung der Geschichte Afrikas und die Wiederherstellung der Würde von Menschen afrikanischer Herkunft, die durch kolonial-rassistische Ideologien und Unterdrückung dauerhaft beschädigt wurde.“ Mit unserem Schreib- und Buchprojekt „African Ways of Life“ greifen wir die Forderungen nach Aner- kennung, Gerechtigkeit und Entwicklung mit einem Gegenbild auf: dem vorherrschenden Afrika-Bild und dem damit verbundenen Eurozentrismus setzen wir vielfältige aktuelle Perspektiven von einzelnen Persön- lichkeiten, Projekten und Geschichten aus verschiedenen afrikanischen Ländern entgegen. In neuen, alltäg- lichen Farben erzählen wir von diesem vielschichtigen Kontinent und junge Autor*innen tragen mit eigenen Beiträgen zum Imagewechsel bei. Deswegen ist dieses Buch nicht nur ein Buch über „die Anderen“, ­sondern auch eines über uns – über unseren Blick und die gedanklichen Konstrukte gegenüber Afrika. Wir hoffen, dass mit der Verschiebung alter Weltbilder vielfach veränderte Seh- und Aktionsmög- lichkeiten einhergehen. Deswegen können Sie uns und die Autor*innen für weitere Informatio- nen und Support für Ihre Aktivitäten innerhalb der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit anspre- chen. Nutzen Sie dieses Arbeitsbuch als start up für eigene Konzepte und informieren Sie sich unter: https://www.facebook.com/african.ways.of.life Elisabeth Marie Mars, Arbeitsstelle WELTBILDER Vorwort 5
  • 9. 7
  • 10. I w a n na b e r ic h , I w a n na b e f a m o u s I w a n na h ave l ot s l ot s of m o n ey, so a r a b ove t h e c l o u d s I w a n na b e f re e l i ke N e l so n M a n d e l a , s t a n d t a l l l i ke a py r a m i d , so so co u r a g e o u s N o p l a ce I ’d r a t h e r b e o h n a n a n a Th e re’s n o p l a ce I ’d r a t h e r b e o h n a n a n a Li ve a n d d ie i n A f r i ka I w a n na l i ve a n d d ie i n A f r i ka I w a n na fe e l l ove I w a n na b e re m e m b e re d I w a n na g o d ow n i n h i s to r y, m a ke my m a m a p ro u d Th e d a r ke r t h e b e r r y t h e s we e te r t h e ju ice N a s i to k i ny u m b a n i mw a c h a m i l a n i m tu mw a1 Dar es Salaam: Der beste Ort um eine ­Firma zu gründen Sophie Stolle 1 „Und ich verlasse mein Zuhause nicht. Wer seine Traditionen ablegt, ist ein Sklave.“ ­ (Sautisol – Live and die in Afrika) 8 TANSANIA
  • 11. an ihren MacBooks arbeiten, Ausstellungen, Partys und Musik- festivals am Wochenende, Lifestyle-Blogs und Instagram- Berühmtheiten. Ja, es gibt sie diese Welt, hier in „Dar“. Zuletzt sorgte der neugewählte Präsident John Magufuli international für Aufsehen, der im Kampf gegen Korruption in der tansani- schen Regierung vor allem Taten sprechen ließ. So wurde unter anderem der Chef der nationalen Steuerbehörde suspendiert, als er den Verblieb der Importsteuern für 350 Container nicht erklären konnte. Dar es Salaam ist dynamisch, seine junge Bevölkerung selbst- bewusst, energiegeladen und ambitioniert die Entwicklung ihres Landes voranzutreiben. Gerade jetzt scheint für viele der richtige Zeitpunkt dafür gekommen zu sein. ­Unzählige Es ist schwer, keine Gänsehaut zu bekommen, sich nicht mitrei- ßen zu lassen von der Energie des kürzlich erschienenen Songs „Live and die in Afrika“ der kenianischen Band Sautisol. Er scheint die Ambitionen und das Selbstbewusstsein einer ganzen Generation zu verkörpern und die Visionen der urbanen Jugend Ostafrikas auf den Punkt zu bringen. Es ist eine ganz besonde- re Stimmung, die nicht nur im kenianischen Nairobi, sondern auch in Dar es Salaam, der Hauptstadt Tansanias, in der Luft liegt. Mehr als vier Millionen Menschen leben in der Me­tropole am Indischen Ozean, die zu den am schnellsten wachsenden Städten der Welt gehört. Mehr als 70 % der Einwohner sind unter 40 Jahre alt. Die Mittelschicht wächst stetig. Tansanier*innen, die im Bus mit zwei bis drei Smartphones jonglieren, Cafés mit Wifi-Hotspots, deren Gäste konzentriert 9
  • 12. 13 Angestellte und es ist schwer zu sagen, in wie vielen Projek- ten und Unternehmen er genau seine Finger im Spiel hat. Diese reichen von Hochzeitsfotografie, über eine Autowaschanlage und eine Radiosendung bis hin zur Organisation eines Tanzfes- tivals. „Ich mag es nicht, mich jeden Tag darüber zu beschweren, dass es keine Arbeit gibt, so wie viele Leute es tun.“ In Mussas Augen ist Tansania bestens geeignet, um eine eigene Firma zu gründen: „Es ist ein großartiger Ort um sich selbstständig zu machen. In Europa ist der Wettbewerb so groß, viele Europäer haben bereits ein sehr hohes Level an Professio- nalität. Tansania hingegen ist ein unbeschriebenes Blatt. Es gibt noch so viele Möglichkeiten. Vieles wurde noch nicht gemacht. Wir sind gerade erst aufgewacht und es gibt noch viel Luft nach oben,sovieleLücken,diewirfüllenkönnen.AlsichmeineFirma gegründet habe, konnte man die guten Grafikdesigner*innen in Dar es Salaam an einer Hand abzählen. Viele von ihnen waren Informatiker*innen, die sich ein bisschen Photoshop angeeig- net, aber keine Ahnung von Grafikdesign hatten. Es gab also immer noch Bedarf.“ Trotzdem treffen Gründer*innen in Tan- sania auf Herausforderungen: „Ich wünsche mir, dass unsere Regierung eine bessere Umgebung für Gründer*innen schafft. Allein eine Firma zu registrieren dauert ewig und ist ein großer bürokratischer Aufwand.“ Tansanier*innen kommen nach ihrem Auslandsstudium bewusst in ihre Heimat zurück. Während die Mehrheit der Deutschen in einem vermeintlich sicheren Angestelltenver- hältnis arbeitet, trifft man in Dar es Salaam viele Menschen, die Eigeninitiative ergreifen und sich durch den Aufbau einer Exis- tenz wirtschaftlich unabhängig machen. Sicher nicht zuletzt deshalb, weil es noch immer eine Herausforderung ist auf dem Arbeitsmarkt eine Stelle zu finden. Aber auch, weil die junge Generation nach mehr strebt als nur einem sicheren Einkom- men: Sie will eigene Visionen verwirklichen und etwas bewir- ken. Mehr als 50 % der urbanen tansanischen Erwerbstätigen arbeiten selbstständig. „Ich bin Künstler. Aber ich bin auch Unternehmer“, erzählt Mus- sa Sango. Der 32-jährige Grafikdesigner hat 2007 seine eigene Firma Art Graphics gegründet. „Ich habe schon als Kind davon geträumt, mich selbstständig zu machen. Ich wollte noch nie angestellt sein. Als Grundschüler habe ich Ladenwände mit Werbung und Schriftzügen bemalt. Ich war so gesehen damals schon selbstständig. Meinen ersten Job als Angestellter moch- te ich nicht wirklich. Ich wollte kreativ sein, aber die Arbeit war jeden Tag dieselbe, alles hat sich wiederholt. Mir war lang- weilig. Also habe ich gekündigt und angefangen an eigenen ­kleinen Aufträgen zu arbeiten.“ Mittlerweile beschäftigt Mussa 10 TANSANIA
  • 13. verdienen. Die Unternehmen hingegen erhalten für wenig Geld professionelles Marketing. Ruka Company ist ein schönes Beispiel dafür, wie eine von ausschließlich Tansanier*innen gegründete Initiative, vollkommen unabhängig von Förderun- gen und Entwicklungsgeldern, einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft nehmen kann. „Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass wir Hilfe aus dem Aus- land benötigen. Vor allem keine Gelder. Ich glaube, dass wir Tansanier*innenunsselbsthelfenkönnen.Wirsolltenvielleicht weniger egoistisch werden. Das gilt für die Politiker*innen, aber auch für den ganz normalen Bürger. Warum zum Beispiel muss ein Politiker ein teures Auto fahren? Das sind unsere eigenen Probleme, die wir selbst lösen müssen. Europa kann uns als Ins- pirationsquelle dienen, um neue Ziele anzustreben.“ Früher hatte Mussa den Traum in Europa zu leben. „Nach meinem Abschluss ging ich nach Frankreich mit der Vorstellung dort zu arbeiten. Durch das Fernsehen haben wir Tansanier ein illusorisches Bild von Europa. Wir glauben das Leben in Europa ist gut. Aber es war alles ganz anders. Es ist schwer, Arbeit zu fin- den und alles ist so teuer! Nach einer Weile beschloss ich, nach Tansania zurückzukehren, um die Entwicklung meines eigenen Landes voranzutreiben.“ Während seiner Zeit in Frankreich wurde Mussa immer wieder mit afrikanischen Stereotypen konfrontiert. „­Einige meiner Freunde dachten, wenn man in Tansania nur aus dem Flugzeug steigt, gäbe es überall Schlangen und Affen. Da musste ich so lachen! Andere dachten, ich wäre der Sohn eines Häupt- lings, der sich nur deswegen einen Flug nach Frankreich leis- ten konnte. Afrika ist groß und so vielseitig. Allein Tansania hat viele verschiedene Gesichter. Zwischen dem Leben auf dem Land und dem Leben in der Stadt können Welten liegen.“ Entgegen dem gängigen Afrika-Bild, das Afrikaner*innen vor allem mit Passivität und Ausweglosigkeit in Verbindung bringt, sieht Mussa in seinen Landsleuten unheimlich viel Potential: Es gibt eine Vision, die Mussa in allen seinen Projekten ver- folgt: „Jeden Tag träume ich davon etwas an meine Gesellschaft zurückzugeben, etwas zu schaffen, dass den Menschen hier einen Nutzen bringt. Selbst mit meiner Autowaschanlage ver- diene ich aktuell gar nichts. Ich freue mich einfach, dass es gut läuft und lasse meine Angestellten den Gewinn untereinander aufteilen.“ Vor drei Jahren hat Mussa den Verein MUDA Africa mit gegrün- det, der jungen Tänzer*innen aus sozial schwachen Bevölke- rungsschichten den Zugang zu Tanzunterricht ermöglicht und so ihre Einstiegschancen auf dem kulturellen Arbeitsmarkt steigert. Einmal jährlich organisiert er das Time2Dance Festi- val, auf dem sich tansanische Tänzer*innen mit internationalen Künstler*innen vernetzen und ihre Talente einem breiten Pub- likum präsentieren können. „Aber dann habe ich noch ein anderes Projekt …“, setzt ­Mussa zum  wiederholten Mal an. In seiner Radio-­Sendung „Boresha Biashara“ („Handel verbessern“) spricht er mit Kleinunternehmer*innen über Herausforderungen,  denen  sie in  ihrem Alltag begegnen. Ziel ist es, einen Dialog mit der Regierung herzustellen und eine Politik ­mitzugestalten, die bessere Rahmenbedingungen für tan­sa­nische Klein­unter­ nehmer*innen schafft. Sein aktuelles Herzensprojekt ist das Sozialunternehmen Ruka Company (Ruka bedeutet springen). „In Tansania bekom- men nur zehn Prozent aller Universitäts-Absolvent*innen einen Arbeitsplatz. Darüber habe ich mir lange den Kopf zer- brochen. Als gelernter Grafikdesigner habe ich beschlossen Absolvent*innen in meiner Branche auf das Arbeitsleben vor- zubereiten.“ Im Rahmen des Programms arbeiten Grafikdesign- Absolvent*innen für ein bis zwei Monate in Unternehmen, die bisher wenig in Marketing investiert haben. Sie können so ihr Gelerntes anwenden, ihr Netzwerk ausbauen und etwas Geld 11
  • 14. „Was ich an den Tansanier*innen schätze, ist, dass sie wirklich jede Gelegenheit wahrnehmen. Sie haben diesen Durst, diesen Willen. Sie setzen alles in Bewegung. Wenn sich ihnen die Gele- genheit bietet mit etwas ein Geschäft zu machen, dann tun sie alles, um erfolgreich zu sein.“ Mussa ist zuversichtlich, dass sich das negative Bild Afri- kas umwerfen lässt. „Ich denke der wichtigste Schritt ist es, zu ­zeigen, was wir können! Wir können unser schlechtes Image nicht wegzaubern, aber wir können Taten sprechen lassen, ­Dinge schaffen, die das Bild zurechtrücken und uns gegenseitig inspirieren. Nach und nach wird es die Welt realisieren.“ Der 28-jährige Tobias Minzi verdient seit sieben Jahren als Künstler seinen Lebensunterhalt. Unter dem Künstlernamen „Minzi Mims“ arbeitete er zunächst als Maler. Später kamen die Fotografie und dann das Filmen dazu. „Alles fing damit an, dass ich mir eine kleine Digitalkamera gekauft hatte, um Fotos als Grundlage für meine Gemälde zu machen. Das hat mein Inte- resse an der Fotografie geweckt und ich organisierte Shootings mit Models und fotografierte auf Events. Die Kamera hatte aber auch eine Videofunktion. Damals hatte ich noch kein Videobe- arbeitungsprogramm und habe die einzelnen Szenen einfach zusammengefügt. Als die ersten Leute mir sagten, dass es ihnen gefällt, hat mich das ermutigt mehr über das Filmemachen zu lernen.“ Heute ist Minzi einer der gefragtesten Musikvideopro- duzenten Dar es Salaams. Das Filmen, Regie führen und Bear- beiten von Videos hat sich Minzi selbst beigebracht. „Nein, ich habe nicht studiert. Aber wenn ich das so sage, dann stimmt das eigentlich nicht richtig. Ich habe studiert, aber eben nicht an einer Hochschule. Man lernt ja auf vielen Wegen. Ich habe zum Beispiel viel mit Hilfe von Youtube gelernt. Und ich habe erfah- renen Kameramännern und Regisseuren bei ihrer Arbeit über die Schulter geschaut.“ 2012 entschloss sich Minzi dazu, sich als Videograf selbstständig zu machen. „Ich habe mir die Arbeit anderer tansanischer Videografen angesehen und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich etwas Größeres schaffen kann. Ich habe mich gefragt: Warum nicht ich? Ich kaufte mir eine neue Kamera und produzierte mein erstes Musikvideo zu „DSM“ von Kitwana. Viele mochten das Video und so fing alles an. Je mehr Aufträge ich bekam, umso mehr habe ich dazugelernt.“ Mittler- weile hat Minzi seine eigene Crew und gibt sein Wissen an ande- re weiter. Ähnlich wie Mussa, sieht Minzi viele Entwicklungsmög- lichkeiten für Unternehmer*innen in Tansania. „Tansania eig- net sich dafür, ein Unternehmen zu gründen, weil es noch nicht ausgereift ist. Damit meine ich, dass so viele Dinge noch nicht ausprobiert wurden. Das sieht man zum Beispiel anhand tansa- nischer Filme oder Musikvideos. Es gibt Leute, die mit großen Künstler*innen zusammenarbeiten und gut bezahlt werden, aber einfach nichts Neues, nichts Besonderes machen.“ Immer mehr junge Tansanier*innen scheinen den Weg in die Selbstständigkeit zu gehen: „Früher haben viele danach gestrebt, eine Anstellung zu finden. Der erste Gedanke war es immer, sich nach dem Studium anstellen zu lassen – für jede*n. Aber das verändert sich jetzt nach und nach, weil viele Men- schen begreifen, dass man als Freischaffende*r viel erfolgrei- cher sein kann.“ 12 TANSANIA
  • 15. Dass der Weg in das Musikvideo-Business steinig war, hielt Minzi nicht davon ab, an seinem Ziel festzuhalten. „An das rich- tige Equipment zu kommen, war am Anfang wirklich schwer. Aber auch Künstler*innen zu finden, die sich die Kosten für ein Musikvideo leisten konnten. Also habe ich mir zunächst Künstler*innen gesucht, die zwar talentiert, aber unbekannt waren und habe Musikvideos umsonst gemacht, um meine Arbeit zeigen zu können. Ich habe viel gemalt, um mich über Wasser zu halten.“ Sein Erfolg liegt letztlich darin begründet, dass Minzi für seine Arbeit brennt: „Ich hatte keine Zweifel daran, dass ich es schaffen werde. Denn ich habe meine Arbeit immer geliebt. Alles, was ich mache, kommt aus tiefstem Her- zen. Mir ging es nie darum reich oder berühmt zu werden. Es ging immer nur darum diesem starken Bedürfnis nachzugehen, etwas Schönes zu kreieren, das Menschen sich ansehen. Manch- mal liege ich nachts mit verrückten Ideen wach und denke dar- über nach, wie ich sie am besten umsetzen kann. Dann stehe ich früh auf und fange gleich an.“ Minzi liebt es, zu experimentieren und neue Technologien aus- zuprobieren. Als einer der ersten in Tansania benutzte er Droh- nen für seine Musikvideos. Seine Experimentierfreudigkeit setzt neue Maßstäbe in der Szene: „Vor ein paar Jahren gab es nur wenige etablierte Regisseur*innen. Als sie gemerkt haben, dass wir, die jungen und unbekannten Filmemacher*innen, ganz neue Sachen ausprobieren, haben manche komplett aufgehört. Andere haben versucht mit der Veränderung mitzugehen. Wir haben also wirklich eine Weiterentwicklung in der Szene ange- stoßen.“ Minzi gehört zu der Art von Menschen, für die kein Ziel zu hoch gesteckt, kein Traum zu unrealistisch erscheint. Für ihn ist der Weg noch lange nicht zu Ende. „Ich habe mein Ziel noch nicht einmal zur Hälfte erreicht. Viele Ideen, die ich umsetzen möchte, erfordern besseres Equipment, also auch mehr Geld. Am liebsten möchte ich eines Tages einen richtigen Film dre- hen. Wenn ich mir unsere tansanischen Filme anschaue, möch- te ich jedes Mal weinen. Alles ist schlecht, von dem Drehbuch bis zu den Aufnahmen. Also stellte ich mir die Frage: Warum 13
  • 16. drehe ich nicht selbst einen Film?“ Gerade arbeitet er an einem ersten Kurzfilm. Als Teilnehmer an einem Workshop in Dänemark sorg- te Minzi für Aufsehen. „Viele haben die Vorstellung, dass in Afrika niemand etwas kann und viele glauben, wir leben alle im Busch. Niemand konnte es fassen, jemanden aus Afrika zu treffen, der Videos am Computer bearbeitet. „Woher kannst du das? Wo hast du das gelernt?“ Das hat einfach nicht mit ihrem Bild zusammengepasst. Wir sollten versuchen, dieses Bild zu ändern, indem wir unsere Arbeit selbstbewusst in die Welt hin- austragen. So können alle sehen, was wir in Tansania machen. Die Repräsentation meines Landes im Ausland sehe ich tatsäch- lich als einen wichtigen Teil meiner Arbeit an.“ Minzi möchte mehr junge Menschen dazu ermutigen, ihre Träume zu verwirklichen: „Ich arbeite mit vielen Jugendlichen zusammen, teile mein Wissen mit ihnen und begleite sie auf ihrem Weg. Einige haben mittlerweile eigene Firmen gegrün- det. Ich liebe es, junge Menschen zu inspirieren, sie wachzurüt- teln und ihnen zu zeigen, dass ich einer von ihnen bin und dass sie das auch können.“ Geschichten, wie die von Mussa und Minzi, gibt es viele in Dar es Salaam. Es ist tatsächlich schwer, ihnen nicht über den Weg zu laufen. Sie vermitteln das Gefühl, dass gerade jetzt ein ganz ent- scheidender Zeitpunkt für die Zukunft Tansanias gekommen ist. Ein Punkt, an dem alles möglich ist. An dem kein Traum zu unrealistisch ist. An dem die junge Generation die Entwicklung ihres Landes selbst in die Hand nimmt. So nehmen viele junge Tansanier*innen aus eigenen Impulsen heraus positiven Ein- fluss auf ihr Leben und das ihrer Mitmenschen, sei es durch die Schaffung von Arbeitsplätzen oder die Inhalte ihrer Arbeit. Ihre Geschichten können auch uns Deutschen als Inspirationsquelle dienen. Denn viele Deutsche wagen den Schritt in die Selbst- ständigkeit erst gar nicht: Es sind vor allem Selbstzweifel und die Angst vorm Scheitern, die uns dabei im Weg stehen. Mussa und Minzi lehren, uns den Mut aufzubringen, unserer tiefsten Leidenschaft zu folgen. Für unsere Träume zu kämpfen, in klei- nen Schritten auf unsere Ziele hinzuarbeiten und Visionen zu verfolgen. Und letztlich etwas nicht nur für uns selbst, sondern auch für unsere Mitmenschen zu hinterlassen. D Sophie Stolle, Jahrgang 1992 Freie Swahili-Übersetzerin, Fotografin und Autorin, B.A. Afrikawissenschaften & Volkswirtschaftslehre an der Humboldt-Universität zu Berlin, Auslands- und Studienaufenthalte: 10/2011–02/2012: The New Paradigm Community Based Organization, Gita, Kenia Praktikum im Bereich Mikrofinanzierung 08/2012: DAAD-Stipendiatin an der State University of Zanzibar, Tansania Fortgeschrittener Swahili-Sprachkurs 08/2013–03/2014: Tanzania Renewable Energy ­Association, Dar es Salaam, Tansania Praktikum im Bereich Erneuerbare Energien (und diverse Rucksackreisen durch Uganda, Rwanda, Malawi, Zambia, Botswana, Namibia und Südafrika) Seit 10/2015: Wohnsitz in Dar es Salaam Interessenschwerpunkte: Entrepreneurship und ­Innovationen in Afrika, zeitgenössische Kunstszene ­Afrikas, Generation Y und urbane Jugend Afrikas Website: www.instagram.com/daimaphotography/ http://sophiestolle.com 14 TANSANIA
  • 17. Consommons local! Pao Jim Engelbrecht Tata Yawo Ametoenyenou hat genug von den bizarren Zuständen in seinem Land. Betriebe, die lokal produzieren, kleben chinesische Schriftzeichen auf die Etiketten, damit man denkt, der Inhalt komme aus Asien. Die Werbeindustrie hat es in Togo geschafft, dass der Großteil der Bevölkerung den importierten Produkten weitaus mehr vertraut als den lokalen. Ähnlich im Nachbarland Ghana, wo z. B. der Marktan- teil der Billigimporte von Geflügel innerhalb der letzten 25 Jahre von 20 auf 90 Prozent gestiegen ist, während nur noch zehn Prozent von Bauern vor Ort stammen. Der Preis- unterschied ist extrem: Umgerechnet vier Euro kostet das Huhn vom ghanaischen Bauern, die Hälfte zahlt man für die importierten Geflügelteile. Dabei sind das oft die in Europa und Amerika unbeliebten Körperteile der Tiere. Knochige Hühnerrücken zum Beispiel, isst man in Deutschland eher selten. Tata, freundliches Gesicht mit dezentem Schnauzer, ist immer schick gekleidet und gut informiert. Aus seiner Sicht kann das Menschenrecht auf Nahrung nur durch re­gionale Produkte durchgesetzt und geachtet werden. Denn nur durch sie sei es mög- lich, Nahrung gerecht zu verteilen, sich gesund zu ernähren und kulturelle Besonder- heiten der Ernährung zu respektieren. „Ich weiß, dass ich mich selber noch nicht opti- mal ernähre“, sagt Tata und klopft auf seinen runden Bauch. „Aber seit Jahren kaufe ich nur noch lokale Lebensmittel und achte genau darauf, was ich esse.“ Tata hat eine zivilgesellschaftliche Organisation gegründet, um auf die gesundheit­ lichen Risiken sowie auf die wirtschaftlichen und ökologischen Schäden von Import- ware aufmerksam zu machen. Die OADEL (Organisation für lokale Ernährung und Entwicklung) setzt sich für die Produktion und den Konsum von lokalen Lebensmit- teln ein. „Unsere Bauern hier verwenden kaum Pestizide und ihre Ernten müssen nicht von weit her eingeflogen werden“, sagt Tata. Insbesondere in Anbetracht des absehba- ren „Peak Phosphor“, einer der wichtigsten Bestandteile von Düngemitteln, der kaum zu ersetzen ist, wird es in der Landwirtschaft in den nächsten Jahrzehnten immer grö- ßere Probleme geben, den wachsenden Bedarf an Nahrungsmitteln bei schwindenden 15
  • 18. Ackerflächen zu decken. Der Weltagrarbericht von 20091 fasst zusammen, dass der Erhalt regionaler Subsistenz- und Klein- bauern der beste Weg ist, dem rasanten Verlust fruchtbarer Böden entgegenzuwirken. Aus ökologischer, wirtschaftlicher und sozialer Sicht ist ein Umdenken also dringend nötig. Obwohl sie hohe Transportkosten inklusive einer langen Flug- reise hinter sich haben, unterbieten die EU-subventionierten Lebensmittel lokale Produkte im Preis oft deutlich. Doch vie- le Konsument*innen bevorzugen die importierten Produkte nicht nur des Preises wegen. Die massive Lebensmittelwerbung auf Plakaten und im Fernsehen zeichnet und produziert ein bizarres Bild von guter Ernährung. So kommt es zu dem ver- breiteten Irrglauben, dass togolesische Lebensmittel meist von einer schlechten Qualität seien, während der in der Werbung gepriesene Reis aus Thailand , die Maggi-Würfel und Coca-Cola gesund seien und geradezu ein Statussymbol sind – sie kommen ja aus „Yovodé“, aus dem Land der Weißen. So gut funktioniert Werbung. Dass Inhalt und Qualität meistens genau das Gegen- teil von dem sind, was die Verpackung verspricht, versucht Tata bekannt zu machen. Den vielen kleinen, lokalen Betrieben möchte er helfen, indem er zum Beispiel Sammelbestellungen für ihren Bedarf an Ver- packungen übernimmt und Bar-Codes drucken lässt. „Dadurch sparen sie Geld und vereinheitlichen das Design lokaler Pro- dukte“, sagt er. So könnte sich das Label „lokal“ eher etablieren, weil Käufer*innen es am Äußeren erkennen. Um seinen Lands- leuten das Misstrauen vor lokalen Produkten zu nehmen, führt OADEL Laboranalysen von Lebensmitteln durch und zertifi- ziert, was bedenkenlos konsumiert werden kann. Doch „selbst, wenn wir die Leute davon überzeugen konnten, dass unsere lokalen Lebensmittel besser sind als die importierten, wissen sie nicht, wo sie diese im Alltag kaufen können“, sagt Tata und schüttelt den Kopf angesichts der Vielzahl von Hindernissen. Die importierten Produkte haben sich etabliert und sind überall zu finden, Lokales muss man lange suchen und oft direkt beim Hersteller bestellen. Aus diesem Grund hat Tata in Lomé die BoBaR eröffnet: ein kleines, aus Holz konstruiertes Ensemble aus Boutique, Bar und Restaurant – BoBaR – wo es ausschließlich lokales Essen und Getränke gibt und wo regelmäßig Foren mit Verkostungen stattfinden. Direkt an einer Lagune gelegen, bietet die Terras- se des Restaurants ein nettes, ruhiges Plätzchen inmitten der wuseligen Stadt. Tata ist in einem sozial sehr engagierten Umfeld aufgewach- sen und hat früh die Arbeit in Vereinen und Gewerkschaften kennengelernt. Er erzählt, wie er schon als Kind bei den Ver- sammlungen von örtlichen Bürgerinitiativen kleine Aufgaben übernommen hat und mit 15 Jahren schließlich Sekretär des Jugendverbandes seines Viertels wurde, um dessen Interessen gegenüber der Regierung zu vertreten. Später nahm er neben seinem Soziologiestudium an einem Ausbildungsprogramm für Koordinatoren teil und arbeitete bereits als Student in ver- schiedenen gemeinnützigen Organisationen. Angefangen hat er bei Projekten zu Mikrokrediten, ländlicher Entwicklung und in Gruppen zur Stärkung der Demokratie. Für Tata hat der lokale Konsum immer noch eine Menge damit zu tun, außerdem lässt sich im Bereich von Produktion und Ernährung aus seiner Sicht mehr bewegen als auf politischer Ebene. Dass Ernährung politisch sein kann, überrascht wenig. Doch Erfolge der OADEL sind mehr als eine Förderung der loka- len Wirtschaft und Gesundheit der Konsument*innen. Es sind Schritte zur wahren Unabhängigkeit Afrikas von kolonialis- tischen Strukturen in Form von Ernährungssouveränität. Es sind Veränderungen, die auch die afrikanische Identität stärken können, weil sie zeigen, dass togolesische Unternehmen erfolg- reich sind – wenn man sie nur lässt. So verändern sich nicht nur Gewohnheiten, sondern auch Perspektiven vor Ort. Durch den Slogan „Consommons les pro- duits de notre terroir!“ – Lasst uns die Produkte von unserem Grund und Boden konsumieren! – werden unbewusste Para- digmen in Frage gestellt. Viele sind überrascht, wenn sie zum 1 Quelle: www.unep.org/dewa/agassessment/reports/IAASTD/EN/Agricul- ture%20at%20a%20Crossroads_Global%20Report%20%28English%29.pdf 16 TOGO
  • 19. ersten Mal mit dieser Sicht der Dinge konfrontiert werden, gibt es doch an der überall verfügbaren Coca-Cola scheinbar nichts auszusetzen. Doch auf den Foren und Veranstaltungen, die Tata organisiert, stellt er immer wieder erfreut fest, dass die Teilnehmer*innen seine Anliegen schnell verstehen und sein Vorhaben unterstützen. Die BoBaR ist ein Anfang. Hier können die Leute zwar schon wie in wenigen anderen Läden lokale Zutaten zum Kochen kau- fen, aber Tata wünscht sich, dass man sie eines Tages in vielen Läden im ganzen Land findet. Außerdem plant er, mehr Gerichte mit lokalen Zutaten zu entwickeln, die sich einfach zubereiten lassen und eine direkte Konkurrenz zum importierten Fast Food sind. Ein leichtes lokales Sandwich statt einem amerikanischen Hamburger ist der Plan. Regionalen Ingwerlikör gibt es schon. Und Tata liebt ihn. Man merkt ihm seine Erfahrung als Koor- dinator von großen Projekten an. Tata hat viele Ideen und eine genaue Vorstellung davon, was zu tun ist. Für unser Gespräch schien er nicht unendlich viel Zeit zu haben, was für togolesi- sche Verhältnisse ungewöhnlich ist. Plötzlich steht er auf und muss los. Er ist eben nicht nur sympathischer Idealist, sondern auch Manager. D Fachinput Freihandelsabkommen Seit 2006 versucht die EU afrikanische Staaten (und andere ehemalige europäische Kolonien) dazu zu drängen, ihre Zölle schrittweise abzuschaffen und ihre Märkte für europäische Güter noch mehr zu öffnen. Als Kenia die Unterschrift des Abkommens verweigerte, wurden am 1. Oktober 2014 Einfuhrzölle auf kenianische Produkte verhängt. Nachdem betroffene Firmen Arbeiter*innen entlassen mussten, weil die Kosten für sie zu hoch wurden, stimmte die Regierung kurz darauf doch zu. „Stärkung der Partner- schaft“, nennt das die EU. Viele afrikanische Staaten wehren sich immer noch ­gegen das einseitige Wirtschafts-Partnerschaftsabkommen (EPA), das zudem neue Steuern auf Exportgüter in die EU verbie- ten soll. Im Senegal haben Rapper sogar ein „Stopp EPA“-Lied geschrieben. Parallelen zu TTIP sind unübersehbar. Kritiker*innen geht es dabei ebenfalls darum, kleine, regionale Betriebe zu unterstützen, statt minderwertige Nahrung von großen Konzernen konsumieren zu müssen, die der Gesundheit, der Umwelt und der gerechten Verteilung von Einkommen schaden. Man fragt sich, warum man es den togolesischen bzw. afrikanischen Hersteller*innen nicht leichter macht, ihre Waren im eigenen Land zu verkaufen und sich eine unabhängige Existenz aufzubauen. Für die nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung von Togo bzw. afrikanischen Ländern wäre genau das ein richtiger Weg. Pao Jim Engelbrecht, Jahrgang 1995, Student, Studium Generale an der Technischen Universität Berlin, Auslandsjahr in Togo 2014–2015 17
  • 20. Nach der ersten Produktionsrunde muss Richard erst mal los zur Arbeit, denn er hat noch einen anderen Beruf. Seit seinem Journalistik-Studium arbeitet er beim Radiosender der Bap- tistischen Kirche in Kamerun, die ihren Sitz in Bamenda hat. Zum Glück hat er es nicht weit von seinem Haus zur Arbeit. Dort moderiert er eine Wunschsendung und im Anschluss die Mor- gennachrichten: Neues aus der Kirche, aus Kamerun und dem Rest der Welt. Journalist ist Richard eigentlich gerne, aber seine Arbeit bei der Kirche sieht er mehr als Ehrenamt. „Anderswo würde ich besser bezahlt werden. Mein Gehalt reicht gerade so für meine täglichen Ausgaben.“ Um aber seine Pläne, wie beispielweise ein Masterstudium oder seine Familie zu finanzieren, müssen andere Einkommensquellen her. Inspiration suchte er sich dafür bei Aliko Dangote, dem reichsten Mann Afrikas. Der kommt aus Nigeria und schreibt in seiner Biographie darüber, wie er mit wenig Kapital ein weitrei- chendes Wirtschaftsimperium aufgebaut hat. „Ich dachte mir, wenn ich eines Tages der reichste Mann Afrikas werden möchte, dann sollte ich jetzt loslegen daran zu arbeiten.“ Morgens halb sechs in Bamenda, Hauptstadt der Nord-West Region Kameruns. Erst ist ein Klappern zu hören, dann Schritte, jemand trägt etwas Schweres. Wieder ein Klappern, dann ziem- licher Lärm, der nicht mehr aufhört. Wer da rumpelt, das sind Richard Atem-Ojong und sein Neffe Zidane, der bei ihm wohnt. Die beiden leben in einer Drei-Zimmer-Wohnung und an diesem Morgen ist es Zidanes Aufgabe, noch vor der Schule die erste Charge Karottensaft zu produzieren. Die beiden haben im Laufe des Jahres 2015 ein Kleinunternehmen aufgebaut: Jules Natural Juice. Noch ist die Produktionskette sehr kurz. Auf dem nahe gele- genen Nkwen Market kaufen sie Obst und Karotten ein, die sie mit zwei Entsaftungsmaschinen zu Säften verarbeiten. Diese werden in Flaschen abgefüllt und so verschlossen, dass erst die Konsument*innen sie wieder aufmachen können. Auf jede Fla- sche wird das passende Etikett geklebt, das von einer Agentur in der Wirtschaftsmetropole Douala konzipiert wurde. „Wenn, dann richtig“ ist Richards Devise. Gerade der Eindruck nach außen sei wichtig für das Geschäft. Wenn, dann richtig Birte Mensing 18 KAMERUN
  • 21. Noch ist „Jules“ kein Goldesel, auch wenn das von außen für viele Leute in Richards Umfeld so scheinen mag. Um offizi- ell als Unternehmen auftreten zu können, musste er den Pro- zess der Registrierung durchlaufen. Dahinter steckt vor allem eine Menge Papierkram, Verhandlungen mit dem Anwalt über sein Honorar und Zahlungen an den Staat (Registrierungsge- bühr). Wenn alle Papiere eingereicht sind, heißt es erst mal drei Mo­nate warten, bis alle Unterlagen geprüft sind. Der finanzielle Aufwand ist relativ hoch – 500 bis 700 € – bei einem monatli- chen Gehalt von 100 €. Wenn dann aber alles bestätigt ist, gibt es zur Belohnung eine Steuerermäßigung für drei bis zehn Jahre. Doch auch, wenn der Saftverkauf bis jetzt mehr Investiti- on erfordert als er Gewinn bringt, sieht Richard noch eine ganz andere Funktion in seinem Unternehmen: „Für mich ist es auch ein Zeichen, dass man alles sein und tun kann, was man möch- te.“ Er hofft, dass sich Leute ein Beispiel daran nehmen, ihre eigenen Ideen zu verwirklichen und sich zutrauen, etwas auf- bauen zu können. Und damit im besten Falle noch etwas für die Gemeinschaft tun. Mittags zurück zum Radio, Nachrichten moderieren. Nach den Kurznachrichten ist es Zeit, die Ware zu den Verbraucher*innen zu bringen. Hierbei spielt Richards ursprünglicher Arbeits- platz eine große Rolle. Auf dem Gelände der Kirche arbeiten­ Und als er sich mal wieder darüber ärgerte, dass es bei Feiern und besonderen Anlässen immer nur extrem süße Softdrinks mit Kohlensäure und künstlichem Geschmack gibt, war die Idee zu „Jules“ geboren. „Es kommt mir fast so vor, als hätten die ­Leute hier vergessen, wie Natur schmeckt. Wenn ich das Leben von Leuten besser machen kann und dabei auch noch Geld ver- diene – was will ich mehr?“ Los ging es im ganz kleinen Rahmen – eine Maschine, ein Sack Karotten, ein Sack Ananas, die ersten Säfte. Heute sind es zwei Maschinen, mehr Obst und mehr Säfte, die täglich auf Bestel- lung ausgeliefert werden – an Einzelpersonen oder zu Veran- staltungen. Nach der Morgenschicht beim Radio geht die Produktion in die zweite Runde. Dafür hat er sich im Herbst 2015 Unter- stützung  geholt und einen Raum gemietet, direkt neben sei- ner Wohnung. Delphine und Edouane kommen vormittags und kümmern sich darum, dass es mittags Säfte gibt, die an die Kund*innen ausgeliefert werden. Vier verschiedene Sorten sind mittlerweile im Angebot: CaPi (steht für carrot und pine- apple), Cocktail (Papaya, Passionsfrucht, Ananas) und Soursop (Stachel­annone). Diese Frucht gilt als sehr gesund und ist für manche mittlerweile Teil ihrer Diät geworden. 19
  • 22. mit meinem eigenen Ersparten angefangen. Das war so klein, dass es keine Möglichkeit gab, einen Kredit aufzunehmen oder Investoren zu finden. Deswegen musste ich Kompromisse ein- gehen, die sich auf das Image des Produkts ausgewirkt haben. Kameruner*innen sind oft skeptisch – neue Dinge zu akzeptie- ren ist eine Herausforderung.“ Um daran nicht zu scheitern, hat Richard mit Freunden die „Pacesetters“ gegründet. Übersetzen könnte man das mit: „Die, die voran schreiten.“ Es geht ihnen darum, sich gegenseitig zu fördern und zu bestärken in ihren Ideen, auch wenn diese für die meisten Leute merkwürdig scheinen. „Wenn es Leute gibt, die zu dir aufschauen, reicht es nicht, ihnen zu sagen, dass sie ihre Träume realisieren sollen. Wenn du aber deine Visionen umsetzt, dann sagt das mehr als tausend Worte.“ Kochen, essen, Zeit schlafen zu gehen. Denn am nächsten Mor- gen ist sicher wieder so einiges geplant. Doch nachts bleibt Zeit zu träumen. Davon, wie es irgendwann sein wird: „Manchmal erschrecken mich meine Pläne für mein Unternehmen selbst. Ich will aus „Jules“ ein national anerkanntes Produkt machen. 100 % natürliche, frische Fruchtsäfte auf Bestellung in den großen Städten Kameruns. Tagesfrische Produktion. Der Weg dahin? Standardisierung der Produktionsprozesse, kleine Fabri- kationsstätten, dichte Lieferkette, Etablierung der Marke. Doch das Kapital dazu muss erst einmal erwirtschaftet werden.“ D besonders viele Menschen in Verwaltungspositionen. Konfe- renzen werden organisiert. Und was bietet sich da besser an als Fruchtsäfte zur Erfrischung? Noch geht es darum, den Markt zu schaffen und zu gestalten. Über Mundpropaganda verbrei- tet sich das Angebot – immer mehr Bestellungen erreichen Richard. „Die Nachfrage ist groß, aber wir können sie nicht befriedigen, weil wir zu schwache und zu wenige Maschinen haben. Und zu wenig Mitarbeiter*innen, die sich um den Ver- kauf kümmern. Die daraus resultierenden Effekte sind unzu- friedene Kund*innen, eingeschränkte Reichweite und dadurch weniger Umsatz.“ Doch das hält ihn nicht davon ab, seine Idee weiter zu verfol- gen. Schon im Studium interessierte er sich auch für Marketing. Das ist jetzt besonders hilfreich dabei, „Jules“ ein Standing in Bamenda zu verschaffen. Und auch wenn sich so Business und Beruf gegenseitig befruchten, bleibt doch eine Doppelbela- stung. Die gleicht er durch seinen Glauben aus, der ihm immer wieder Perspektiven gibt. Gott auch in Business-Fragen zu Rate ziehen, findet er mehr als legitim. Damit verbunden ist für ihn auch, christliche Grundideen bei „Jules“ umzusetzen. Er behan- delt seine Mitarbeiter*innen wie gute Freunde. Und hört sich auch gerne an, was sie zu sagen haben. Denn von anderen zu ler- nen ist ein Schlüssel zum Erfolg. „Ich bin der Typ, der eine Kerze anzündet, anstatt über die Dunkelheit zu fluchen.“ Es ist Nachmittag geworden, Richard trifft sich mit einem Vermieter. Er ist auf der Suche nach einem Laden, in dem er die Säfte verkaufen kann, ohne durch die ganze Stadt zu fah- ren, um Bestellungen auszuliefern. Dort soll gleichzeitig ein kleines Café  entstehen oder eher eine Saftbar. Aber auch in Bamenda ist der Immobilienmarkt nicht mehr das, was er einmal war. Gute Lage spiegelt sich in den Preisen. Und da ist Richard ziemlich schnell bei seinem nach wie vor größten Pro­ blem – „lack of capital“, auf Deutsch: zu wenig Kapital. „Ich habe Birte Mensing, Jahrgang 1994, Bachelor-Studium Public Governance across Borders in Münster und Enschede (Niederlande), internationaler Freiwilligendienst mit Brot für die Welt in Bamenda, Kamerun 2012/2013 Redaktionsleitung von „mitten.drin“, einem Freiwilligenmagazin, www. freiwilligenmagazin.de 20 KAMERUN
  • 23. Ange Imanishimwe (Jahrgang 1986) hat ein klares Ziel: Er möch- te die nachhaltige Entwicklung seines Landes Ruanda fördern und damit Natur und Menschen helfen. Ange wuchs in einer ländlich geprägten Gegend im Tare Sec- tor im Süden Ruandas auf. Er ist einer von sechs Kindern, sein Vater war Grundschullehrer, seine Mutter versorgte den Haus- halt und bewirtschaftete die Felder der Familie. Auch wenn die Eltern nur ein geringes Einkommen hatten, wussten sie dieses gut zu verwalten und so konnten sie ihren Kindern den Schulbesuch ermöglichen. Ange bekam die Armut bei seinen Nachbarn ebenso mit wie die Veränderungen in der Natur und so engagierte er sich bereits in jungen Jahren für seine Umwelt und begann schnell sich für Themen wie Naturschutz und Land- schaftsentwicklung zu interessieren. Ein Grund dafür war, wie BioCoop Rwanda Ein Leuchtturmprojekt für nachhaltigen Tourismus und Naturschutz Janinka Lutze 21
  • 24. Ange sagt, dass sein Biologielehrer in der Grundschule ihn mit seinem Wissen inspirierte. Bereits mit sieben Jahren war seine Liebe zur Natur so groß, dass er begann seine Nachbarn mit sei- nen Informationen aus dem Unterricht und den Schulbüchern beispielsweise über nachhaltige Landwirtschaft in Gesprächen aufzuklären. Spannende Themen für ihn waren schon damals die Biodiversität sowie Ökosystemdienstleistungen. Das Wis- sen über Ressourcen also, die die Natur uns Menschen zur Verfügung stellt, wie etwa Atemluft, Trinkwasser, Nahrung, Baumaterialien und ähnliches. So fragte Ange seine Nachbarn beispielsweise, warum sie Tiere wie Vögel, Mäuse, Schlangen oder Fledermäuse töteten, die auf ihren Äckern fraßen. Er ver- suchte ihnen metaphorisch zu erklären, dass diese auf dem Acker wahrscheinlich einen Quadratmeter zerstören, aber dafür woanders 10 Hektar bepflanzen – durch Samen im Kot oder Bestäuben. Oder er erklärte den Menschen, dass es ihnen selbst schaden würde, wenn sie ihren Müll auf die Felder werfen, weil der Boden die schädlichen Stoffe aufnimmt, die anschlie- ßend in die Lebensmittel gelangen. Das Verständnis für ökologische Zusammenhänge war für ihn wichtig und so absolvierte er nach dem Schulabschluss seinen Bachelor in Zoologie und Umweltschutz (BSc. Zoology and Con- servation) und seinen Master in Biodiversitätsschutz (MSc. Bio- diversity Conservation). Derzeit beginnt er seine Promotion im Bereich Biologie. 2012 gründete er die Kooperative BioCoop Rwanda, die im Dorf Gasarenda direkt am Nyungwe Nationalpark ihr Büro hat und im gesamten Distrikt Nyamagabe tätig ist. Der Nyungwe Nationalpark ist der größte Bergnebelwald Ostafrikas und mit seinen knapp 1000 km2 nimmt er 3 % der Landesfläche Ruandas ein. Im Süden grenzt er direkt an den Kibira Nationalpark in Burundi an. Der Nyungwe ist ein Hotspot der Biodiversität und beheimatet mehr als 300 Vogelarten, einige davon endemisch (sie kommen nur in Ruanda und teilweise nur im Nyungwe Na­tionalpark vor), zahlreiche Insektenarten und 75 Säugetier- arten, darunter 13 Primatenarten. Von der Idee eine Kooperative zu gründen, konnte Ange damals einige Abiturienten überzeu- gen: 2012, bei der Gründung von BioCoop, waren sie zu zwanzig und jeder steuerte 2000 ruandische Franc (etwa 2–3 Euro) bei. Das war das Startkapital. Noch im gleichen Jahr wurde Ange als „Top Young Innovator of Rwanda“ geehrt. Das Preisgeld nut- ze er um die Aktivitäten von BioCoop auszubauen. Für seine Leistungen und Erfolge im Biodiversitätsschutz, vor allem für seine Ideen in Sachen nachhaltige Imkerei und die Einführung von Ökotourismus im Nyungwe bekam er ein Stipendium und konnte für sechs Wochen an die University of California Berkely zu einem akademischen Training über Umweltschutz. Mit der Gründung von BioCoop Rwanda und seiner weiteren Arbeit bzw. Engagement verfolgt Ange Imanishimwe zahlrei- che  Ziele1. So möchte er die Umwelt schützen, die Natur und ­Nationalparks Ruandas erhalten sowie dem Verlust an Biodi­ versität entgegenwirken. Gleichzeitig möchte er das Leben seiner Mitmenschen in Ruanda verbessern und hat dabei vor allem die Zielgruppe Jugendliche vor Augen. Ruanda ist eines der ärmsten Länder der Welt und viele Familien leben unter der Armutsgrenze. Es herrscht eine hohe Arbeitslosigkeit sowie Perspektivlosigkeit, gerade in der jungen Bevölkerung. Natur- schutz und nachhaltiger Umgang mit Ressourcen sind im All- tag der meisten Ruander kein Thema. Doch Ange möchte dies ändern und mit seinen Projekten die Bedeutung des Natur- schutzes den Menschen näher bringen und ihnen gleichzeitig neue Alternativen und Perspektiven aufzeigen. Mit BioCoop 1  In Ruanda gibt es derzeit drei Nationalparks (Volcanoes, Akagera und Nyungwe), die zahlreiche Tier- und Pflanzenarten beherbergen, darunter auch eine Vielzahl an endemischen Arten. Vor allem durch die verschie- denen Landschaftstypen von Savannen (z. B. Baumsavannen im Akagera Nationalpark) über Moore- und Feuchtgebiete, Seen und Fließgewässer bis hin zu den Wäldern, bietet Ruanda zahlreichen Arten verschiedene Habitate und so kommt es zu der großen Anzahl an Arten in dem kleinen afrikanischen Land. Mit insgesamt knapp 3200 km2 hat Ruanda somit 12,2 % seiner Landesfläche zu Schutzgebieten ausgewiesen. Die Aus- weisung des Gishwati Waldes zum Nationalpark würde dies zwar nur um weniger als 1 % erweitern, wäre jedoch ein sinnvoller Schutz für den Wald und somit sämtlichen Tier-und Pflanzenarten, die er beherbergt und würde so ein großer Schritt gegen den Biodiversitätsverlust Ruandas bedeuten, was auch ein großes Anliegen von Ange Imanishimwe ist. 22 RUANDA
  • 25. Rwanda hat Ange bereits verschiedene Maßnahmen durchge- führt und Projekte gestartet: So gibt es im Nyungwe National- park ein Imker-Projekt. Hier haben Menschen aus den umlie- genden Dörfern in Workshops die Möglichkeit das Imkern zu erlernen und eine Lizenz zu bekommen, um im Nationalpark Bienenreusen aufstellen. Der Honig wird in lokalen Läden sowie im Zentrum der Nationalparks an die Touristen verkauft und bietet den Imkern eine zusätzliche Einnahmequelle. BioCoop Rwanda setzt sich auch mit den illegalen Aktivitäten – wie die illegale Jagd sowie das illegale Abholzen – im Nyungwe sowie in den anderen beiden Nationalparks Ruandas auseinan- der und versucht Alternativen zu entwickeln. Jagd und Abhol- zen waren natürlich früher Tradition und eine Lebensgrundlage vieler Menschen in Ruanda, vor allem in den Regionen um die heutigen Nationalparks. In den meisten Fällen geschah dies ausschließlich zum Eigenverbrauch. Doch die Jagd – vor allem die kommerzielle und illegale Jagd – tragen maßgeblich zum Artenschwund in Ruanda bei, ebenso wie auch der Lebensraum- verlust. Durch die Abholzung verlieren die Tiere ihr Habitat und es entstehen bekanntermaßen große Probleme im Ökosystem des Waldes sowie beim Klima2. Gegen illegales Jagen gibt es inzwischen Rangerkontrollen, finanziert durch das Rwandan Development Board (RDB), gegen die Abholzung betreibt Bio- Coop Rwanda verschiedene Projekte. Es gibt Workshops für die Menschen aus den umliegenden Dörfern sowie Pflanzprojekte. Im Gebiet des Nationalparks werden kontinuierlich neue Bäume gepflanzt. Zusätzlich entsteht an der Nationalparkgrenze ein Schutzgürtel aus Bäumen. Den Menschen das Abholzen zu ver- bieten, wäre keine Lösung, da sie das Holz für den Bau und als Feuerholz benötigen. BioCoop Rwanda bietet Aufklärungsar- beit und Alternativen an: In Workshops werden holz- und koh- leschonende Kocher vorgestellt, die die Arbeit der Holzbeschaf- fung erleichtern, Geld sparen beim Kauf der Kohle und gesünder sind wegen geringerer Rauchentwicklung. Zusätzlich gibt es Informationen über weitere Ressourcen-schonende ­Verfahren für den Verbrauch von Wasser und Holz. 2  Dies betrifft sowohl das Mikroklima in dem Waldgebiet, da der Baum beispielsweise durch eine große Krone viel Schatten wirft und so am Boden für ein kühleres Klima sorgt. Global gesehen sind Bäume wichtige CO2-Speicher und das vermehrte Abholzen von Wäldern sorgt dafür, dass das CO2 wieder freigesetzt wird und sich so die Zusammensetzung der Atmosphäre ändert und zur Erwärmung führt, da die Atmosphäre die Sonnenenergie nicht mehr so gut abblocken kann und sie die Erde so mehr erwärmt. Die ist global zu spüren aber auch die Unterschiede der Luftreinheit kann man an einzelnen Orten spüren und so wird die Luft in waldarmen Gegenden oft als weniger „frisch“ empfunden. 23
  • 26. Da Bäume jedoch nicht nur im Nationalpark sinnvoll sind, betreut Ange mit BioCoop Rwanda auch ein Projekt zur Stadtbe- grünung.DortwerdendielokalenAutoritätensowieinteressier- te Bürger*innen über die Vorteile von Bäumen aufgeklärt und es werden in den Städten Bäume gepflanzt. Hier ist auch wichtig, Alternativen anzubieten, dass diese Bäume nicht wegen Mangel an Feuerholz gefällt werden. Im Distrikt Nyamagabe, in dem die Kooperative BioCoop arbei- tet, ist – wie auch anderswo – Mangelernährung ein häufig auf- tretendes Problem. Als Lösung für dieses Problem hat BioCoop ein Projekt ins Leben gerufen, bei dem Milchkühe an Familien mit Mangelernährung vergeben werden. Milch ist eine wichti- ge Eiweißquelle und in Ruanda, wenn es für die Familie mög- lich ist, Bestandteil der Ernährung. Zusätzlich hat BioCoop in ­Gasarenda eine Milchsammelstation eingerichtet. Dort können die Familien ihre überschüssige Milch abgeben. Die gesammel- te Milch wird in der Station haltbar gemacht und anschließend in verschiedenen Läden im Distrikt, aber auch in der Haupt- stadt Kigali und Bujumbura in 5-Liter Kanistern verkauft. Jede Familie hat eine Mitgliedskarte, auf der bei jeder Milchabgabe die Literanzahl notiert wird. Am Ende des Monats wird das Geld ausgezahlt. Viele der Familien nutzen dies für die Bezahlung der Schulgebühren für ihre Kinder, zur Anschaffung weiterer Nah- rungsmittel oder für den Ausbau ihrer Wohnungen und einen Anschluss ans Stromnetz. Seit 2000 hat Ruanda ein visionäres Entwicklungspro- gramm für die Bereiche Gleichberechtigung, Schulbildung, Gesundheitssystem und Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Eines der Ziele ist bis 2020 die Stromversor- gung ausschließlich aus erneuerba- ren Energiequellen zu realisieren und alle Haushalte an das Stromnetz anzuschließen. Mit dem Ausbau der Energieerzeugung durch erneuerbare Energien hat Ruanda bereits begonnen und verfügt über eine der modernsten Pho- tovoltaikanlagen der Welt. In der Nähe der Hauptstadt Kigali betreibt „Gigawatt Global“ eine 100 Sonnensegel-Anlage mit einer Leistung von 8,5 Megawatt. Desweiteren gibt es zahlreiche kleine Anlagen, die Krankenhäuser, Schulen und andere öffent- liche Gebäude versorgen. Der Ausbau von Erdwärmenutzung geschieht bereits im Nordwesten des Landes um die Virunga- Vulkankette und ebenso die Nutzung von Wasserkraft. Einige kleine Kraftwerke sind bereits in Betrieb, mindestens 20 weitere sollen in den nächsten Jahren gebaut werden. Ruanda ist weltweit ein Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit. Und auch im Naturschutz ist das Land stark engagiert. Es gibt mehrere Gesetze, die zum Natur- und Umweltschutz beitragen sollen, wie etwa das Verbot Müll aller Art – und sei es nur ein Bonbonpapier – auf den Boden zu werfen sowie das landesweite Plastiktütenverbot. Ebenso gibt es wirksame Naturschutzge- setze sowie Schutzbemühungen zum Erhalt der Nationalparks. Desweiteren ist geplant, den noch sehr naturnahen Wald Gish- wati im Nordwesten des Landes als vierten Nationalpark auszu- weisen. Dies würde seinen Schutzstatus erhöhen und gleichzei- tig ein weiteres touristisches Potenzial darstellen. 24 RUANDA
  • 27. Ruandas Wirtschaft wird zu einem großen Teil vom Tourismus getragen. Die meisten Touristen (etwa 70 %) kommen um die Touren zu den Berggorilla (Gorilla beringei beringei) im Volcano- es Nationalpark zu machen. Doch auch die anderen Touren, wie etwa zum Grab der bekannten Gorillaforscherin Diane Fossey oder zu den Goldmeerkatzen (Cercopithecus kandti) sind sehr beliebt, ebenso wie die Ausflüge im Akagera Nationalpark oder dem Nyungwe Nationalpark. In diesem gibt es beispielsweise Touren zu Familien vom Gemeinen Schimpansen (Pan troglody- tes)oderGruppenvonAngola-Stummelaffen(Colobus angolensis). Doch auch außerhalb der Nationalparks gibt es zahlreiche spannende Möglichkeiten für Touristen. Deshalb bietet Ange ­Imanishimwe mit BioCoop Rwanda umweltfreundliche Wan- der- und Fahrradtouren zu Themen wie Natur und Kultur in den Dörfern um den Nyungwe an. Hier geht es um die traditionelle Honiggewinnung aus den Bienenreusen, die Herstellung von Bier aus Sorghum und Bananen, die Verarbeitung von Pflanzen für traditionelle Medizin und Förderung der regionalen Kultur. Auch von anderen Anbietern gibt es vergleichsweise viele Ange- bote im Bereich des Ökotourismus, die zudem von der Regierung unterstützt werden. Denn diese möchte, dass auch die lokale Bevölkerung, die nicht im Tourismussektor arbeitet, vom Tou- rismus profitiert. So gehen beispielsweise 10 % der Einnahmen im Volcanoes Nationalpark in die Entwicklung der umliegen- den Dörfer. Es werden Schulen und Gesundheitszentren gebaut und Menschen bei der Landwirtschaft unterstützt. Eine Mauer um den Nationalpark, finanziert durch diese Gelder, schützt die Äcker vor den Tieren aus dem Wald. Sollte es dennoch zu Wild- schäden durch Waldelefanten oder Buffalos auf den umliegen- den Äckern kommen, so übernimmt die Regierung Ruandas die Haftung für die entstandenen Schäden. Durch die Ausweisung als Schutzgebiete oder Nationalparks werden den Menschen lebenswichtige und kulturell wichtige Ressourcen genommen, für die ein Ausgleich geschaffen werden muss. Die ruandische Regierung scheint mit ihrem Konzept bisher viel Erfolg zu haben. Die ruandische Bevölkerung akzeptiert die National- parks und ist stolz auf seine Natur, vor allem auf seine Gorillas. Das sieht man deutlich auf dem jährlich stattfindenden Fest „Kwita izina“ (Kinyarwanda für: Namen geben). Seit 2005 wer- den den in dem jeweiligen Jahr im Volcanoes Nationalpark neu geborenen Gorillababys Namen gegeben. Dies geschieht mit einer großen Zeremonie und einer Rede des Präsidenten (der- zeit Paul Kagame). Die Feierlichkeit wird live im ruandischen ­Fernsehen übertragen. Das Fest ist ein jährliches Erinnern an die Schönheit der Natur und Schutzwürdigkeit der Biodiver- sität. Genau dies ist auch Ange Imanishimwe wichtig und so versucht BioCoop Rwanda mit seinen Projekten mehr für die Akzeptanz zum Schutz des Nyungwe Nationalparks zu tun und gleichzeitig Arbeitsplätze zu schaffen und den Menschen eine Arbeit im Einklang mit der Natur nahe zu legen. Beispielsweise durch die Anpflanzung von Hecken aus Nutzpflanzen um die- se später zu ernten und gleichzeitig die Felder an Hügelhän- gen vor Erosion zu schützen, da dies ein Verlust der nutzbaren Ackerfläche und somit wieder ein Verlust an Lebensmitteln bedeuten würde. Oder das Nutzen von Fruchtfolgen, bei denen nacheinander auf den Feldern verschiedene Früchte angebaut 25
  • 28. werden, die sich gegenseitig beim Wachstum unterstützen oder den Boden für die nächste Frucht vorbereiten und so eine dau- erhafte Bodenfruchtbarkeit gewährleisten. Mit dieser Strate- gie hat BioCoop bereits große Erfolge – nicht zuletzt durch die Schaffung von insgesamt mehr als 800 Arbeitsplätzen bis 2014. Ähnlich erfolgreich sind die „environmental clubs“ (Umwelt- Arbeitsgemeinschaften), die BioCoop in Schulen in der Umge- bung anbietet. So wie Ange Imanishimwe sich in seiner Jugend schon mit dem Thema Umweltschutz auseinander gesetzt hat, wird hier Schüler*innen die Möglichkeit gegeben, dies gemein- sam zu tun und durch einen Begleiter von BioCoop Ideen und Unterstützung zu bekommen. Die Jugendlichen sind sehr froh darüber und die Arbeitsgemeinschaften erfreuen sich großer Nachfrage. Die Teilnehmenden eignen sich einen hohen Kennt- nisstand und ein gutes Verständnis über ökologische Zusam- menhänge und die Auswirkungen ihres Verhaltens an. Gemein- sam versuchen sie, in ihren Familien, Schulen und Dörfern für mehr Aufklärung zu sorgen und gemeinschaftlich Projekte wie beispielsweise Pflanzaktionen durchzuführen. BioCoop bietet neben den Umwelt-Arbeitsgemeinschaften auch Fortbildungen, Computerkurse und Ausbildungsstipendien für Jugendliche an. Auch unter den Beteiligten der Kooperative BioCoop selbst befinden sich viele junge Erwachsene. Die Kooperative basiert auf Freiwilligkeit und so ist es sehr erfreulich, dass sie sich so großer Beliebtheit erfreut und Menschen aus verschiedenen Berufsfeldern (Gesundheitswesen, Landwirtschaft, Bildung) der Kooperative beigetreten und in ihr aktiv sind. Wie beispiels- weise der Lehrer Sylvestre, der neben seiner Tätigkeit als Ober- schullehrer ehrenamtlich die environmental clubs in mehreren Schulen leitet, regelmäßig die Situation der Milchsammelstati- on kontrolliert und Berichte für BioCoop verfasst. Die Kooperative BioCoop Rwanda ist ein leuchtendes Beispiel dafür wie ein einzelner Mensch, der mit Leidenschaft und Wil- len für seine Ziele kämpft, etwas so Großes schaffen kann. Ange Imanishimwe aus Ruanda, einem der ärmsten Länder der Welt, verändert eine Region, die dort lebenden Menschen und letzt- lich auch die Welt. D REMA: www.minirena.gov.rw/index.php?id=91 Biocoop Rwanda: http://biocoop.rw/ http://minirena.gov.rw/index.php?id=209 Links zu Ökotourismus: Tourismus in Ruanda: www.rwandatourism.com/ Rwanda natural recources authority: http://rnra.rw/index.php?id=2 Janinka Lutze war 2009/2010 zum ersten Mal im Rahmen ihres internationalen Freiwilligenjahres in Ruanda, Bachelor in „Naturschutz und Land­schafts­ planung“, aktuell Masterstudiengang „Regional­ entwicklung und Naturschutz“. Sowohl im Rahmen des Studiums als auch privat arbeitet Janinka Lutze in ­verschiedenen Naturschutzprojekten in Ruanda und ist regelmäßig dort um ihre Freunde zu besuchen. Derzeit mehrmonatige Kartier- und Forschungsarbeit im Rahmen der Masterarbeit über Amphibien in Costa Rica. 26 RUANDA
  • 29. Wir leben in einem Zeitalter des Plastiks. Kunststoffe sind zu einem der wichtigsten Materialien unserer Zeit geworden. Ob in Schuhen, Autos oder Duschgel, sie sind allgegenwärtig. Plastik hat besondere Qualitäten. Im Gegensatz zu Papier ist es wasserfest und beständiger, darüber hinaus lässt es sich wie- der verwenden und hat eine lange Lebenszeit. Doch genau hier liegt auch das Problem. Plastik ist nicht biologisch abbaubar und beim Zerfallsprozess entstehen giftige Stoffe. Ein verrücktes Beispiel für das Ausmaß unserer „Plastikwelt“ sind die Lego- Strände im Südwesten Englands. Nachdem 1997 im Ärmelkanal ein Container-Schiff, beladen mit verschiedenen Spielzeug- teilen, verunglückte, gerieten 4,8 Millionen Legosteine in das Meer. Bis heute werden an den Stränden Legosteine gefunden. Plastikmüll ist ein globales Problem. In allen Ländern der Welt und insbesondere in Ländern des globalen Südens ist die Plas- tikproduktion seit den 1990er Jahren stark ausgeweitet worden. Die Nachfrage steigt überall auf der Welt. Dies hängt damit zusammen, dass Plastik oft mit Fortschritt, Moderne oder auch Sauberkeit assoziiert wird. In afrikanischen Staaten mit einem ausgeprägten sozioökonomischen Wachstum wie Ghana, Nige- ria oder Kenia ist Plastik zu einer wirtschaftspolitischen Frage geworden: Verschiedene Lobbyisten versuchen die Produktion weiter auszubauen und damit weitere Arbeitsplätze zu schaffen. Die Auswirkungen der weltweit steigenden Plastikproduktion sind allerdings prekär. Neben den vielen positiven Eigenschaf- ten, wie zum Beispiel Beständigkeit oder Elastizität, hat Plastik den großen Nachteil, dass es nicht biologisch abbaubar ist. Insbesondere der Plastikmüll in den Ozeanen hat gravie- rende Auswirkungen auf die ozeanischen und terrestrischen Ökosysteme. Doch neben den Folgen für die Tiere und die Natur wird auch das Leben der Menschen direkt betroffen. Die kleinen und omnipräsenten Begleiter unseres Lebens, wie Verpackun- gen von CDs, Zigarettenpäckchen oder Taschentüchern zerset- zen sich nicht und bleiben immer in unseren Ökosystemen vor- handen. In vielen tropischen und subtropischen Staaten mit erhöh- tem Malariarisiko sind Plastiktüten eine optimale Brutstätte für Malaria-Mücken. In Nairobi, der Hauptstadt Kenias, wurde festgestellt, dass Plastiktüten die Kanalisation blockieren und damit das Hochwasserrisiko erhöhen. Die Auswirkungen des Plastikmülls betreffen jedoch nicht nur die Ökosysteme, die Verbreitung von Krankheiten, sondern auch die Wirtschaft. In vielen Staaten, darunter auch Deutschland, führt die Ver- schmutzung von Stränden zu einem Rückgang des Tourismus und zu einer kostenintensiven Reinigung. Was unternehmen die Staaten und die Zivilgesellschaft, um das Plastiktütenproblem zu lösen? Die ersten Staaten, die das Plas- tiktütenproblem aktiv bekämpft haben, befinden sich im globa- len Süden. Das erste Plastiktütenverbot weltweit wurde 2002 in Plastiktüten sind untragbar Robin Frisch 27
  • 30. Bangladesch eingeführt. Der Staat, in dem das strengste Verbot eingeführt wurde, ist Ruanda. Der kleine ostafrikanische Staat, der in westlichen Medien häufig nur im Kontext des Genozids 1994 beleuchtet wird, wird als Musterschüler in umweltpoliti- schen Fragen international gewertschätzt. Die Hauptstadt Kiga- li gilt als die sauberste Stadt auf dem gesamten afrikanischen Kontinent und es gibt neben dem Plastiktütenverbot (2004) Umweltzonen, in denen der Autoverkehr verboten ist. Seit 1998 existiert darüber hinaus an jedem letzten Samstag im Monat ein gemeinschaftlicher Dienst – Umuganda – bei dem im gan- zen Land etwa 80 % der ruandischen Bevölkerung die Straßen vom Müll säubern und andere zivilgesellschaftliche Aktivitä- ten durchführen. Umuganda bedeutet übersetzt „Zusammen- kommen mit einem gemeinsamen Ziel“ und ist Pflicht für alle Bürger*innen Ruandas zwischen 18–65 Jahren. Dieser gemein- schaftliche Dienst hat nicht nur einen nachhaltigen Effekt für die Sauberkeit der Straßen, sondern ist auch ein wichtiger Bei- trag zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls. Neben dem Musterbeispiel Ruanda gibt es weitere afrikanische Staaten, die Maßnahmen gegen Plastiktüten eingeführt haben. Eritrea und Somalia (2005), Botswana, Tansania und Ugan- da (2007), Kenia und Togo (2011), Mauretanien und Mali haben 2013 offiziell ein Verbot von Plastiktüten eingeführt. Es mag überraschen, dass so viele Staaten auf dem afrikanischen Kon- tinent Gesetze gegen den Gebrauch von Plastiktüten erlassen haben – die Reichweite ist unterschiedlich. In Ruanda gibt es ein komplettes Verbot von Plastiktüten. Bei einer Grenzkontrol- le kann man laut Reiseberichten erleben, dass die Verpackung von Süßigkeiten abgegeben werden muss. In Südafrika erhebt der Staat eine Steuer auf Plastiktüten, um so den Gebrauch zu senken. In den meisten Staaten werden Tüten bis zu einer bestimmten „Dicke“ verboten. Dünne Plastiktüten, in Deutsch- land vor allem in Drogeriemärkten erhältlich, sind in fast allen genannten Staaten verboten. Da viele Gesetze noch nicht lange in Kraft getreten sind und die gesamte Bevölkerung von einem Verbot überzeugt werden muss, gestaltet sich die Einhaltung oft schwierig. Es braucht seine Zeit bis alle Verkäufer*innen auf allen Märkten und in allen Supermärkten akzeptieren, keine 28 RUANDA
  • 31. Plastiktüten mehr zu verkaufen. Widerstand kommt auch von der Plastikindustrie, die den Verlust von Arbeitsplätzen the- matisiert. Um ein vollständiges Plastiktütenverbot durchzu- setzen, müssen nicht zuletzt auch die Konsument*innen dazu bereit sein, andere, zum Beispiel traditionelle Verpackungen zu benutzen. Plastiktüten sind allerdings nicht nur ein Thema für die Regie- rungen, sondern vor allem auch für zivilgesellschaftliche Akteur*innen. 2010 hat sich eine panafrikanische grüne Partei (Federation of Green Parties of Africa) gegründet, die Umwelt- bewegungen und Parteien aus 28 Staaten verbindet. Die wohl bekannteste Bewegung auf dem Kontinent ist das „Greenbelt Movement“ in Kenia, welches 1977 zur Wiederaufforstung der Wälder gegründet wurde. Die Gründerin, Wangari Maathai, https://en.wikipedia.org/wiki/Phase-out_of_lightweight_plas- tic_bags#/media/File:Plastic_bag_legislation.svg Quellen: www.haz.de/Nachrichten/Panorama/Uebersicht/In-Cornwall-werden-Legosteine- nach-Schiffshavarie-von-1997-angeschwemmt http://rwandapedia.rw/explore/umuganda www.mindfully.org/Plastic/Bans/Somalia-Bans-Plastic1mar05.html www.lemonde.fr/planete/article/2013/01/03/l-interdiction-des-sacs-en-plastique-se- mondialise_1812467_3244.html lehrte in Nairobi Biologie und war zwischen 2003 und 2005 Umweltministerin in Kenia. Für ihren herausragenden Bei- trag zur nachhaltigen Entwicklung, für Demokratie und Frie- den wurde ihr 2004 der Friedensnobelpreis verliehen. Diese Bewegung setzt sich auch entschieden für einen nachhaltige- ren Umgang mit Plastiktüten ein. In Nairobi befindet sich der Hauptsitz des United Nations Environmental Programs (UNEP). Der Direktor, der Deutsch-Brasilianer Achim Steiner macht seit fünf Jahren aktiv Werbung für Plastiktütenverbote in allen Ländern der Welt. Es bleibt spannend, ob es zu einem globalen Plastiktütenverbot kommt und inwiefern die afrikanischen Staaten ihre Vorreiterrolle wahrnehmen. D Robin Frisch, Jahrgang 1994, Bachelor „Internationale und europäische Governance“ in Lille und Münster, 2012–2013 Freiwilliges Soziales Jahr in Lomé/Togo Kontakt: robin.frisch@yahoo.de 29
  • 32. „Meine Füße sind spezielle Füße. Sie sind nicht weit verbreitet in Malawi.“ Mit diesem Satz erklärt Georg Chimpiko Banda Kindern seine Klumpfüße. In schwarzen Business-Socken liegen sie aus- gestreckt vor ihm auf einem kleinen Bambustisch. An derselben Straße, die wenige hundert Meter weiter zu den sagenhaften Sen- ga Bay-Stränden des Malawi Sees führt, zeigt ein Metallschild sein Lebensprojekt: KODO. Die ersten beiden Buchstaben stehen für „Kuthandiza Osayenda“ – übersetzt: Hilfe für diejenigen, die nicht laufen können – in der malawischen Amtssprache Chichewa. Ein roter Pfeil zeigt von Schild und Straße weg auf zwei kleine Back- steinhäuser. Als Georg noch klein war, wurde er von seiner Mutter auf dem Rücken zur Schule getragen, täglich 1.5 km, hin und zurück. Georg wusste schon früh, was er später werden wollte: mobil. Zudem wollte er sich ein Auto leisten können. Wäre Georg mit Füßen wie jeder andere geboren, wäre er Soldat geworden: Sein Vater erzählte viele inspirieren- de Geschichten vom Krieg in Kongo Kinshasa. Weil es viel Streit in der Familie gab, zog die Mutter mit Georg und sei- ner älteren Schwester 1970 zurück zu ihren Eltern. Bei seiner Großmutter war das Leben besser. Die Grundschule lag nur 400 m vom Haus der Großmutter ent- fernt. Am frühen Morgen, wenn der Sand noch feucht und weich war, konnte Georg die Distanz auf eigenen Klumpfü- ßen bewältigen. Nach Schulende zwang ihn der heiße Boden in der Schule zu bleiben. Die Sonne, der aufgeheizte Sand und die kleinen spitzen Steine bereiteten seinen bloßen Füßen Schmerzen. Eine Mango meiner Wahl Elena Ziegler Ruiz 30 MALAWI
  • 33. Nur in der Regenzeit war die Erde nass und weich. Eines Tages während dieser Zeit ging Georg mit Freunden „Mangos jagen“. Die Bäume hingen voll davon. Die anderen Jungen kletterten hinauf. Georg zeigte in die Äste auf die Früchte, die er haben wollte. „Die hier“? fragten die anderen. Wenn Georg nickte, pflückten sie die ersehnte Mango und aßen sie selbst. Danach bat Georg die Freunde ihm klettern zu helfen und hievte sich selbst in die hohen Äste. „Ich wollte eine Mango meiner eigenen Wahl“, erklärt Georg heute. Doch es war Januar, Regenzeit. Die Wassermassen fielen ohne Vorwarnung. „Ein richtiger Sturm, mit Hagel und Gewitter“, erinnert sich Georg. Die anderen Jun- gen sprangen von den Ästen und rannten nach Hause. Georg blieb im Baum, eineinhalb Stunden, bis seine Mutter ihn suchen kam. „Sie war eine große Frau“, sagt Georg lächelnd. „Sie konnte mich aus dem Baum pflücken und nach Hause tragen.“ 1973 schrieb Georg das Abschlussexamen der Grundschule nicht gut genug, um für die weiterführende Schule ausgewählt zu werden. Er wiederholte. „Hör nicht auf, es zu versuchen“, riet seine Mutter ihm, „irgendwann wird Gott dich belohnen.“ Georg lernte vier Jahre in der achten Klasse, bis er 1977 auf die Secondary School durfte. Die Formulare der weiterführenden Schule fragten zum ersten Mal nach Geburtsdaten. Georg legte selbst den 25.Juli 1958 fest. Im dritten Jahr an der weiterführenden Schule sprach ihn ein Schüler auf dem Schulgelände an, auf seine Füße deutend. Der Junge war aus der Großstadt Blantyre hergezogen, das dor- tige Missionars-Krankenhaus „Queen Elizabeth“ hatte seine Schwester mit orthopädischen Schuhen ausstatten können. Durch diesen Hinweis bekam Georg 1979 seine ersten schwar- zen Lederschuhe. Ein Jahr nach Abschluss an der weiterführenden Schule, 1982, kaufte der malawische Staat von Japan seine erste Satelliten- station und Georg absolvierte in der Abteilung für „Post and Telecommunication“ eine internationale Berufsausbildung mit anschließendem Studium zum Ingenieur. An Georgs Schule herrschte ein reger Austausch zwischen Malawi, Lesotho, Bots- wana und Swasiland. 1991 schloss er mit Diplom ab und startete seine Karriere in einer Zeit, in der es noch keine Mobiltelefone gab, aber viele Probleme mit dem malawischen Festnetz. „Die meisten meiner Freunde kenne ich über das Telefon“, erkennt Georg schmunzelnd. Er reparierte ihre Telefonverbindungen. So gelangte er auch zu seinem ersten Auto. Eine französische Kun- din wollte ihm zu mehr Mobilität verhelfen und vermachte ihm den alten Renault ihres Sohnes. Georg fand, es war Zeit, etwas zurückzugeben: „Ich wollte zu einer Brücke werden, zwischen Menschen mit Mobilitätspro- blemen und den Hilfsmitteln.“ Im Jahr 2000 kaufte er den ers- ten Rollstuhl und schenkte ihn einer Mutter von zwei Kindern, deren Kaiserschnittnarbe das Laufen auf Krücken schmerzhaft machte. Mithilfe zweier Schulfreunde erwarb Georg anschlie- ßend zehn weitere Tricycles: Dreiräder mit Handpedalen an einem Lenker am vorderen Rad. Unerwartet kam eine Organisation aus Nordirland auf ihn zu, die mit ihm erkannte: Seine Rollstühle würden die Menschen zwar mobiler machen, aber sie blieben Bettler auf Rollstüh- len. Deswegen kaufte Georg mit dem Vertrag der Organisation ein Grundstück neben der Straße und ließ dort ein Backstein- häuschen bauen. KODO war gegründet. Das zweite D steht für 31
  • 34. disability, O für outreach. KODO bot Workshops im Bambus- Möbel-Bau und Schneidern an. 2009 stattete eine schottische Organisation KODO mit Nähmaschinen aus, die mit Handkur- bel statt Fußpedal oder Elektrizität betrieben werden. Mit einem Material-Starterpaket im Wert von 20 € kehren die KODO-Lehrlinge in ihre Dörfer zurück und eröffnen dort ein kleines Geschäft. Auch KODO selbst versucht sich mit dem Verkauf von Bambusmöbeln zu finanzieren. Doch die meisten Malawier können Geld für Möbel nur von Mai bis Oktober aus- geben, der halbjährigen Verkaufssaison ihrer letzten Ernte. Im Dezember fällt mit den ersten Tropfen der Regenzeit der Start- schuss für die neue Saat – nicht nur die potentiellen Kunden, sondern auch die KODO-Absolventen investieren ihr gesamtes Geld in teuren Dünger. Die Kleinunternehmen scheitern an geringer Nachfrage und fehlendem Budget für neues Materi- al. Das war der Anlass, um Workshops anzubieten, Bio-Dünger selbst herzustellen. Noch schlafen die KODO-Lehrlinge auf dem Boden in Georgs Büro. Für den Bau von Schlafräumen fehlt das Geld. Aber Georg will kein Geld von seinen Sponsoren. Eigentlich will er auch kei- ne Rollstühle. Im Moment hängen 500 gespendete Rollstühle in Amerika fest und 100 weitere in Sambia, doch es gibt kein Geld für den Transport. Georg wünscht sich nachhaltige, eigenstän­ dige Maßnahmen: Ein Anschluss KODOs ans Stromnetz, Mate- rial und Workshops, um die KODO-Lehrlinge zu ermächtigen, ihreRollstühleselbstzuschweißen.MiteinerMaismühle,einem Elektro-Reparatur-Werkstatt oder einem Nahrungsmittel­laden könnte sich KODO sogar ganzjährig selbstständig finanzieren. Georg ist jetzt in Rente gegangen, um sich Vollzeit um sein ­Projekt zu kümmern. Seine Vision ist groß: „Empowering the dis­abled people for tomorrow – not for the past!“ D Elena Ziegler Ruiz, Jahrgang 1996, Studentin der Medizin, Internationaler Freiwilligendienst in Salima, Malawi in 2014/15 32 MALAWI
  • 35. Noch vor einigen Monaten hätte ich nicht damit gerechnet, das Mittelmeer zu überqueren, den Indischen Ozean zu sehen, Affen an Häuserwänden zu bestaunen und mich in dieses Land zu verlieben. Nun, es begann mit einer Querschnittsqualifikation in meinem Allerwelts-Studiengang mit dem überaus nüchternen Titel: Gesundheitsversorgung vor Ort weltweit-Community Based Rehabilitation als Strategie inklusiver Entwicklung der WHO. „Wieso nicht?“, dachte ich mir. Endlich mal keine Cashflows und Bilanzen, kein Schumpeter oder Keynes, keine unwägbaren Theorie-Modelle. Community Based Rehabilitation (CBR) ist ein Ansatz, bei welchem Menschen mit (und ohne) Beeinträch- tigungen eine Lebensgrundlage auf Basis von bestimmten Prämissen gewährt werden soll. So sollen diese Menschen in allen Teilen der Gesellschaft dieselben Möglichkeiten und Chancen bekommen wie andere, vielleicht nicht beeinträchtigte. Es geht um ein gesellschaftliches Miteinander, um so Hürden zu überwinden und die Lebensqualität für alle im selben Maße zu erhöhen. Und ich durfte nun sehen, wie die Theorie in der Praxis – in Kenia – funktioniert. Inklusion made in Kenia Serhat Duman 33
  • 36. Von der Sonne geküsst und angekommen an der Pawni Univer- sity, wurden wir von Prof. Dr. Shauri begrüßt, welcher unter den Studierenden einfach nur „Prof“ genannt wird. „In Kenya, when you say Jambo, evertyhing is fine! Haku na ma tata!“ sag- te der Prof. Dieses kurze, so lebensfrohe und intensive Wort bringt es auf den Punkt: wo immer man Jambo sagt, egal in welcher Lebenslage, man bekommt ein Lächeln und die kenia- nische Freundlichkeit zu sehen. Wir wurden durch den großen Campus herumgeführt. Der Campus bzw. die ganze Universi- tät sind relativ jung. Das Gelände ist unglaublich groß und mit viel Natur gesegnet. Hier werden auch Hühner gezüchtet, Obst und Gemüse angebaut, auch zur Selbstversorgung. Die Gesprä- che mit den Kommiliton*innen über Politik, Religion und auch Sexualität waren offen und ehrlich, was man in afrikanischen Ländern oft – aus unserer westlichen Sicht – nicht erwartet. Und ich dachte schon, es herrscht erst einmal tagelanges Schweigen. Weit geirrt! In einigen Feld-Gängen durften wir nun den CBR-Ansatz anhand der örtlichen Einrichtungen begutachten. Es begann mit der „APDK-Rehabilitation-Clinic“ in Mombasa. Bei APDK handelt es sich um die „Association for the physically disabled of Kenya“, welche im ganzen Land verschiedene Kliniken und Einrichtungen unterhält. In jener Klinik in Mombasa werden Kinder mit physischer Beeinträchtigung behandelt und mit Prothesen versorgt. Es existiert eine eigene Werkstatt, in welcher sämtliche Prothesen hergestellt werden. Und hier hatte ich schon den ers- ten WOW-Moment. Zu sehen, wie mit einfachsten Mitteln, mit Eisenstangen, Kunststoff, Holz und handwerklichem Geschick diese Prothesen hergestellt wurden, ja, das war schon ziemlich erstaunlich. Wir wissen nur allzu gut, wie teuer und kompli- ziert in Deutschland die Herstellung von Prothesen ist. Umso begeisterter war ich von den „made in kenya“ Prothesen, welche allesamt gut zu funktionieren scheinen. Hier arbeiten ausgebil- dete Ärzte und Pfleger, es hat alles seine Professionalität. Viel- leicht sollten wir uns hier mal eine Scheibe „Improvisierung“ abschneiden: Warum schwer und teuer entwickeln und herstel- len, wenn es auch einfache Möglichkeiten gibt? Keep it simple! Kenia ist ziemlich beispielhaft für die Anwendung des CBR- Ansatzes, was uns ein Ausflug ins Landesinnere zeigte. In Taita besuchten wir eine Einrichtung für Menschen mit Albinismus. Die Einrichtung versucht einerseits den von der Gesellschaft ausgegrenzten Menschen mit Albinismus eine Lebensgrund­ lage zu verschaffen, andererseits die Menschen in der Region über deren Schwierigkeiten aufzuklären. An der kenianischen Grenze zu Tansania gibt es leider immer wieder Übergriffe auf Menschen mit Albinismus, welche hier Halt und Fürsorge erfahren. 34 KENIA
  • 37. Dass Menschen mit Beeinträchtigungen in Kenia eine große Beachtungbekommen,wurdeineinemanderUnistattfindenden Workshop unterstrichen. Die kenianischen Kommiliton*innen berichteten von ihren Erfahrungen mit Behinderungen, man- che hatten selbst körperliche Einschränkungen und konnten somit uns am „eigenen Leib“ von ihren Erfahrungen berich- ten. Viele der Kommiliton*innen engagieren sich ehrenamtlich für Behinderte oder pflegen im Familienumfeld Menschen mit Behinderungen. Es sei, wie mir die Studierenden bestätigten, eine Frage der Menschlichkeit sich um diese Menschen zu küm- mern. Das wird gerne getan. Die Hilfsbereitschaft, die ich hier erlebt habe, scheint ziemlich ausgeprägt zu sein. Die Studieren- den machten mental einen sehr starken Eindruck auf mich. Sie sind stolz, Kenianer zu sein und möchten nur zu gerne zeigen, was dies heißt. Sei es im Umgang mit den Mitmenschen oder durch die offene Wissbegierde, die Gastfreundschaft oder ein- fach nur kleine Gesten der Aufmerksamkeit. Ein Sonntag in Kenia ist wie ein Sonntag in Deutschland. Er ist Ruhetag. Ich ergriff an einem Sonntag die Initiative, mit einem kenianischen Studenten einen Ausflug nach Mombasa zu un­ternehmen. Mombasa, dieser Name, so mysteriös, aufregend, pulsierend und etwas abenteuerlich. Diese Stadt ist ein Dschun- gel, den es gilt zu durchqueren. Man muss sie mögen, nichts für Leute, die kein Gedränge und Körperkontakt mögen. Auf dem Weg von Kilifi nach Mombasa – in den überaus „rusti­ kalen“ Matatus (optisch sehr individuell gestaltete Kleinbus- Taxen) – passierte etwas in meinen Augen sehr emotionales. Es war einer jener Momente, welchen man zwar mit einer Kame- ra hätte einfangen können, das Bild aber nicht die Gefühlsla- ge beschrieben hätte. Vor uns im Bus saßen zwei kenianische Mütter nebeneinander, beide mit ihren Babys auf dem Schoß. Die eine Mutter war christlich, die andere war muslimisch. Die Babys blickten sich gegenseitig mit ihren knopfförmigen, unschuldigen und erwartungsvoll blickenden Augen an, sie reichten sich gegenseitig die Hand und hielten sich gegenseitig fest. Es gab selten für mich einen Moment, in dem mehr Huma- nität, mehr Nächstenliebe, mehr Frieden ausgestrahlt wurde als in diesem Moment. Denn dieses Bild steht symbolisch für ganz Kenia: Hier existieren zwei Weltreligionen nebeneinander, ohne dass es zu Konflikten kommt, ohne dass Hass geschürt wird, ohne dass Zerwürfnisse vorherrschen. Und keiner lebt in sei- nen Communities isoliert, hier ist alles ein melting pot: Chris- ten, Muslime , Inder, Araber und noch mehr – hier trifft alles aufeinander und alle verstehen sich mit allen. An der Uni wird 35
  • 38. psychisch eingeschränkter Schüler (ca. 10 Jahre alt) habe eine ausgeprägte künstlerische Fähigkeit. Diese zeigte der Direk- tor mir anhand eines Bildes. Der kleine Junge habe ein Portrait des kenianischen Präsidenten gemalt, welches dem Original unglaublich nahe kam. „Als wir dieses Bild dem kenianischen Präsidenten bei einem Besuch gezeigt haben“, so der Direktor, „entschied sich der Präsident das Kind zu fördern und es auf eine Begabtenschule zu schicken.“ Das sind die kleinen, aber doch bedeutenden Happy Ends, die verdeutlichen, dass auch in einem Land wie Kenia, einzelne und individuelle Fähigkeiten der Kinder erkannt und gefördert werden. Dies sei kein Ein- zelfall, versicherte mir der Direktor, was ich ihm auch glaube. Einen Aspekt, der mir als BWL-Student auffiel, gilt es noch zu erwähnen: Kenianer*innen sind echte Unternehmer*innen! Die meisten Kenianer*innen sind selbständig, sei es ein kleiner Kiosk unter einem Blechdach oder ein Ziehwagen mit Gemüse oder Getränken. In diesem Land ist Entrepreneurship ein gro- ßes Thema, was auch Barack Obama bei seiner Ankunfts-Rede vor tausenden Kenianer in Nairobi bestätigte. Auch hier sahen wir anhand von Beispielen, wie der CBR-Ansatz greift. Men- schen mit Beeinträchtigungen bekommen Schulungen, Mikro- kredite und personelle Unterstützung bei Behördengängen für den Aufbau ihres Geschäftsvorhabens, damit sie mit ihrer Exis- tenzgründung erfolgreich starten können. ­gemeinsam vor Beginn der Vorlesung gebetet, egal ob Christ*in oder Muslim*in. Es ist nur zu schade, dass in den deutschen Medien kein Platz ist für Bilder dieser afrikanischen Freund- schaftskultur. Den „Montagsspaziergängern“ hierzulande wür- de man mit solchen Erkenntnissen ihre gesamte Weltanschau- ung zerstören. An der Sahajarand Special School hatte ich ein Schlüsseler- lebnis, welches mir sehr nahe ging. Es ist angeblich die größte Schule für Kinder mit Beeinträchtigungen. Wir kamen recht- zeitig zum Gottesdienst, die Kinder haben alle fröhlich gesun- gen und mitgemacht. Als wir uns zum Gottesdienst hinsetzten, kamen viele Kinder zu uns. Was sollte ich machen? Empfahl mir doch der Arzt, welcher mich vor der Reise geimpft hat, Kontakt mit Kindern zu meiden, wegen ansteckender Krank- heiten. Sollte ich darauf hören? In diesem Moment war mir das ziemlich egal und eh zu spät, weil sie alle auf mich zu rannten. Die Freude und Neugierde, welche diese Kinder an mir zeigten, war unbeschreiblich. Viele sahen zum ersten Mal ein „Weiß- brot“ und umso bedeutender war dann diese konkrete Begeg- nung. Die Größe dieser Schule hat mich beeindruckt, sie bietet Platz für einige hundert Schüler*innen, samt Unterkunft und Verpflegung. Dass die Kinder in dieser Schule eine Perspekti- ve haben, zeigte mir der Direktor anhand eines Beispiels. Ein 36 KENIA
  • 39. Wenn ich jetzt hier schreibe, „Kenia ist technologisch Deutsch- land voraus“, erwarte ich Spott, böse Wörter und laute Lacher. Aber es stimmt, zumindest in mancherlei Hinsicht. In Kenia existiert beispielsweise ein mobiles Zahlungssystem namens „MPesa“. Dabei handelt es sich um eine Möglichkeit, mit dem Handy per SMS finanzielle Transaktionen zu machen. Viele Shops, egal ob Supermarkt, Friseur oder Metzger haben eine Zahlungsannahmestelle,umGeldaufdasHandyzuüberweisen. Der Grund für den Erfolg dieses Systems sind die weiten Wege zu Banken in ländlichen Regionen – und dass Banken in der Bevöl- kerung kein großes Vertrauen genießen. Sein Handy hat man immer dabei, weshalb man somit kein Bankkonto mehr benö- tigt. Viele lassen selbst ihre Löhne auf ihr Handy überweisen. So einfach, so effektiv und doch für Deutschland undenkbar. MPesa ist einer der Hauptgründe, weshalb Unternehmertum in Kenia so gut und einfach funktioniert. Es hat auch seinen Vor- teil, wenn wenig Bürokratie existiert und auch mal Regierung und Privatwirtschaft an einem Strang ziehen. Kenia hat viele Geschichten zu erzählen, die es wert sind, dass man ihnen zuhört, lauscht und wertvolle Erkenntnisse daraus zieht. Dieses Land beweist – als Repräsentant Afrikas – dass vie- le Dinge richtig gemacht werden, dass wir voneinander lernen können, dass wir uns vieles zu Herzen nehmen sollten, dass wir unsere mit Ressentiments belastete Sicht auf diesen Kontinent und seine Menschen ändern können. Die Fürsorge für Menschen mit Behinderungen, die kulturelle Offenheit und Toleranz, die Gastfreundschaft jenseits von all-incl.-Urlaubs-Atmosphäre, welche wir gerne als Maßstab nehmen plus die positive Kraft, Stärke und Willen, die man in vielen Begegnungen spüren kann. Was nehme ich mit aus Kenia? Natürlich Gewürze, Tücher und ein paar Früchte. Und wichtiger: Kenia, du hast mich umarmt und mir dein Lächeln geschenkt, ASANTE SANA! D Serhat Duman, Jahrgang 1988, ist BWL-Student an der School of Management der Technischen Universität München. Im Rahmen eines interdisziplinä- ren Seminars zum Thema „Livelihood and (Dis)ability“ im Zusammenhang mit dem von der WHO entwickelten Ansatz „Community Based Rehabilitation“ am Lehrstuhl Diversitätssoziologie der Technischen Universität München, befasste sich Serhat Duman mit dem Themen Inklusion und Diversität im internationalen Kontext. ­Hier­zu wurde anhand einer im September 2015 statt- findenden Summer School an der Pawni University in Kilifi, Kenia die Anwendung des Community Based Rehabilitation Ansatzes in verschiedenen Feld-Studien näher betrachtet. Serhat Duman interessiert sich für Entwicklungs­ zusammen­arbeit, Entrepreneurship in Afrika und Außen­politik. Infos über die Summer School: https://www.diversitaetssoziologie.sg.tum.de/forschung/ bewilligte-forschungsprojekte/cbresearch/ Lehrstuhl Diversitätssoziologie: https://www.diversitaetssoziologie.sg.tum.de Link zur Partneruniversität in Kenia: www.pu.ac.ke 37
  • 40. Verone Mankou nahm sich die Verantwortung zu Herzen und präsentierte 2012 das erste Smartphone aus Afrika und für Afrika namens Elikia, was so viel wie „Hoffnung“ in Lingala, der nationalen Sprache Kongos bedeutet. Das Smartphone ver- fügt über einen 3,5 Zoll Touchscreen, einen RAM-Speicher von 512 Mb und einen 650 MHz-Prozessor. Der interne Speicher ist 256 Mb groß und kann bis zu 32 Gb erweitert werden. Elikia hat eine Kamera mit 5 Megapixeln. Das Ziel des ehrgeizigen Unternehmers Mankou ist es, das Smartphone für weniger als 200 Dollar zu verkaufen. Trotz des für afrikanische Lebensver- hältnisse durchaus hohen Preises – 172 € – haben sich viele ein Elikia geleistet. Neben den gängigen Funktionen des Telefons ist es für viele Verbraucher*innen ein Produkt, auf das sie als Afrikaner*innen stolz sind. Kurz danach folgten zwei weitere Smartphones: das Elikia Mokè (das kleine Elikia) und das Eli­kia L (das große Elikia). Mit seiner Firma VMK trägt Verone Man- kou erheblich zu einem Imagewandel bei. Die Welt soll jetzt wissen, dass in Afrika, speziell in Kongo Smartphones und Tablets produziert werden. In einem Land, E in ­Po r t rait vo n ­Ve ro ne M ankou 2 9, E nt w ick le r d es e r s te n ­Tab le t s ma de i n  Af rica Einige nennen ihn den „Steve Jobs von Afrika“ und für das ame- rikanischeWirtschaftsmagazinForbesgehörterdefinitivzuden „30 under 30“, den dreißig besten jungen Unternehmer*innen unter dreißig Jahren aus Afrika. Nach einer Ausbildung zum Informatikingenieur gründete Verone Mankou mit knapp 23 Jahren sein Unternehmen VMK. Die Initialen stehen als Abkür- zungfürVou Mou Ka,was„wacht auf“inderimWestenderDemo- kratischen Republik Kongo verbreiteten Kikongosprache heißt. In der heutigen von Smartphones und Computern beherrschten Welt hat der junge Unternehmer das Ziel, die Nummer Eins auf dem Kontinent zu sein. Sein Durchbruch erfolgte im Dezember 2011, als er das ers- te Tablet auf den Markt brachte, das in Afrika entwickelt wurde und die Bezeichnung Way-C trägt. Der mit Android 2.3 funk­ tionierende 7-Zoll-PC machte aus seinem Entwickler einen Hoffnungsträger im Bereich der Informationstechnologie und der Telefonie für einen ganzen Kontinent. Denn im Vergleich zu den Produkten anderer Hersteller ist das Tablet preisgüns- tig und bietet gleichzeitig Dienstleistungen, die bei anderen Anbietern nicht zu finden sind, vor allem telefonieren, im Inter- net surfen, fotografieren und Musik hören. AmericanAfrican dream oftechnology Charbel Gauthe 38 KONGO
  • 41. Jahr 2017 auf 350 Millionen verdoppeln. Der Wunsch Verones ist natürlich das wichtigste Glied in diesem Prozess zu sein. Sein Interesse gilt vor allem der Entwicklung afrikanischer Inhalte (Apps, Spiele usw.) für seine Produkte. Der auf fast allen wichtigen Konferenzen weltweit zu sehende Unternehmer ist Preisträger des Africa People Awards 2011 und hat nur ein Ziel: mit den großen Firmen in dem Bereich konkur- rieren zu können und allen Afrikaner*innen einen einfachen Zugang zur numerischen Welt zu ermöglichen. Wie er selbst sagt: „Es reicht nicht gute Produkte anzubieten, diese müssen auch zugänglich sein.“ Eine unbestreitbare Wahrheit. Als Vorreiter im Bereich der innovativen Technologien verkör- pert Verone Mankou die neue 2.0 Generation in Afrika. In sei- nem Buch Congo: terre de technologies (Kongo: Brennpunkt für Technologien) erschienen im November 2014 bei L’Harmattan fordert er die Afrikaner*innen auf, Unternehmen zu gründen und in neue Technologien zu investieren. Mit seiner Innova­ tionsfähigkeit hat Vérone Mankou eine Erfolgsstory geschrie- ben. D das bisher für den Rohstoff bekannt ist, nämlich das Coltan, woraus das Metall Tantal gewonnen wird, das in unseren Han- dys, Laptops und vielen Elektrogeräten steckt. Und wenn hier von Produktion die Rede ist, dann heißt es ab jetzt, dass 80 % der Produktteile in Kongo zusammengebaut werden. Eine Premiere im afrikanisch-frankophonen Raum. Denn früher wurden Produkte in Kongo in der Firma konzipiert, aber in China montiert. Das ist jetzt Geschichte und zeigt, dass Afrikaner*innen ihr Land, ihren Kontinent bewegen. Wie Vero- ne Mankou es sagt: „Wir existieren! Kommen Sie und sehen Sie, was wir machen.“ Die Leute sollen verstehen, dass man in Afrika investieren und Großes realisieren kann. Außerdem gibt es in Afrika junge Leu- te, die etwas ändern wollen bzw. etwas ändern. In der VMK-Fabrik arbeiten ca. 100 junge Frauen und Männer, die in der Firma ausgebildet und betreut wurden. Später werden sie eingestellt. Das hat den Vorteil, einheimi- sche Arbeitskräfte direkt vor Ort zu rekrutieren statt teure „Expert*innen“ ins Land kommen zu lassen. Es werden konkret neue Arbeitsstellen geschaffen. Es ist kein Geheimnis mehr, dass auf dem afrikanischen Kon- tinent der Multimediamarkt aufblüht. Einer Studie der Bera- tungsfirma Deloitte zufolge wird sich allein die Zahl der inter- netfähigen Handys auf dem afrikanischen Kontinent bis zum Charbel Gauthe M.A. wurde 1987 in Parakou/Benin geboren. Nach seinem Studium im Fach Deutsch als Fremdsprache und Germanistik in Benin und Deutsch­ land sowie einer Ausbildung als PR-Referent in Frank­ reich arbeitet er seit 2013 als Sprachdozent und Integrationskursleiter in Bielefeld. Als leidenschaftlicher Panafrikanist ist er auf entwicklungspolitischen Seminare bzw. Konferenzen zu sehen, als Gast oder als Moderator von Workshops zu den Themen Bildung und Rassismus. www.afrinous.com 39
  • 42. meisten von ihnen sind im kLab, Ruandas erstem ,Technology Hub‘ in der Hauptstadt Kigali registriert. Einer davon ist Robert Mugisha. Der 24-Jährige geht seit der Gründung des kLabs 2012 regelmäßig dorthin. Er gehörte damit zu einer anfänglichen Gruppe von 20 innovativen jungen Erwachsenen, die einen offe- nen Raum zum Austausch und Lernen für Gleichgesinnte nut- zen wollten. Im Botschaftsviertel Kacyiru haben die Gründer des kLab die oberste Etage des Telecom-Hochhauses zu einem offenen Raum mit mehreren Sitzgrup- pen, einem Café und einer großen Dachterrasse aus- gebaut. Der Name kLab ist eine Abkürzung für ‚Know- ledge Lab‘, also Wissensla- bor. Eine neue Wirtschaft soll her. Eine, die nicht nur landwirt­ schaftliche Erzeugnisse hervorbringt, sondern auf Wissen basiert und dieses reproduziert. Am liebsten irgendwas mit Informationstechnik. Das ist eines der Ziele, die sich Ruan- da mit seiner Vision 2020 gesetzt hat. Und genau das, was viele Student*innen, junge Unternehmen und Innovative des klei- nen ostafrikanischen Landes bereits in die Tat umsetzen. Die Innovation durch offene Räume Wie junge Kreative ihr Land mit ITvoranbringen Louisa Esther Glatthaar 40 RUANDA
  • 43. 1 Lösungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik Doch eigentliches Herz und Seele des kLab sind nicht sichtbar. Es sind das freie WLAN, welches zu den besten des Landes gehört und vor allem das Wissen. „Das kLab ist nicht nur ein Internet- café. Wir sind ein Entwicklungszentrum, das vom Austausch und der Hilfe zwischen Mentor*innen und der stetig wachsen- den Gemeinschaft lebt. Leute kommen hierher, um für ihre Ideen und Projekte Partner zu finden oder sie selbst mit Hilfe der anderen umzusetzen. Schon mehrere erfolgreiche Business- Modelle sind hier im kLab entstanden“, berichtet Robert stolz. Auch er hat seine eigene Firma im kLab gestartet. Der Program- mierer sagt, dass er erst durch diesen offenen Raum den Rück- halt und das Wissen bekommen habe, das er für sein Startup benötigte. „Neben technischer Unterstützung profitierte ich auch von der wirtschaftlichen Beratung im kLab.“ Heute ist Robert Mitglied des kLab-Kernteams. Dieses besteht aus einem Hauptmanager, seinem Stellvertreter, einem Gemeinschaftsmanager und fünf weiteren Mitgliedern, die alle dem Aufsichtsrat unterstehen. Seit seinen Anfängen hat sich die Gemeinschaft des kLabs auf mehr als 200 ­registrierte Mitglieder bereits verzehnfacht. Alle Angebote des kLabs, vom ruhigen Arbeitsplatz über die Mentor*innen bis zu Ver- anstaltungen, sind kostenlos – für jede*n. Sowohl Männer als auch Frauen kämen gleichermaßen während der täglichen Öff- nungszeiten von sieben Uhr morgens bis neun Uhr abends, um ihre Ideen zu entwickeln, erklärt Robert. „kLabs Mission ist es, die Entwicklung innovativer ICT-Lösungen1 zu fördern. Das schaffen wir nur durch eine offene, aktive Gemeinschaft von Entwickler*innen, Mentor*innen und Unternehmer*innen.“ Das Angebot des kLab wird durch regelmäßige Veran- staltungen und Workshops oder Events wie Hackathons oder Networking Sessions abgerundet. „Jeden Mittwochabend prä- sentiert außerdem ein Mitglied des offenen Raums, an wel- chem Projekt gerade gearbeitet wird. Donnerstags berichten Gastsprecher*innen von ihren Arbeitsfeldern. Dabei geht es vor allem um IT, aber auch um Investitionen, Finanzierung und Kooperationspartnerschaft. Auch bedeutende internationale Veranstaltungen, wie zum Beispiel „Transform Africa“, werden vom kLab mit organisiert“, sagt Robert mit einem Glänzen in den Augen. Er träumt davon, sein Land weiter zu entwickeln. „Selbst wenn du am Anfang nichts hast, kannst du Großes erreichen. Leute kommen hierher und entdecken die Welt der Technolo- gie. Die Technologie wird es sein, die unser Land weiter vor- an bringt“, sagt er und lässt seinen Blick über Kigali und sei- ne Hügel schweifen. „Von hier hat man den besten Blick über Ki­gali. Schon allein deshalb lohnt es sich zu kommen“, sagt er und schmunzelt. Und es gibt einen Tischkicker. „Der ist dafür da, dass wir nicht vor unseren Computern, sondern an den Stan- gen des Kickers durchdrehen, wenn die Technologie doch nicht so will wie wir.“ Das kLab hat auch andere inspiriert. Im gleichen Viertel gibt es nun ein zweites Technology Hub namens ‚Think‘. Auch das ‚Impact Hub‘ in Kigali wurde neu gegründet. Die Entstehung solcher Austausch- und Arbeitsplätze im IT-Bereich scheint in Ruanda noch lange nicht am Ende angelangt zu sein. Konkurrenz? „Nein, Bestätigung“, sagt Robert.D Louisa Esther Glatthaar, Jahrgang 1995, Studentin an der Universität Leipzig: Politikwissenschaft und Afrikanistik, Auslandsaufenthalte: Frankreich 2010/2011 und Ruanda 2013/2014 Louisa Esther Glatthaar arbeitet auch als freie Journalistin: louisaglatthaar.wix.com/journalist Twitter: @GLouisaE LinkedIn: Louisa E. Glatthaar 41
  • 45. 43
  • 46. iHub Nairobi Ort des Lernens, Experimentierens und Entwickelns Alev Coban 44 KENIA
  • 47. 1 Macharia, Joel and Mutuku, Leo (2014) Financing Technology Businesses in Kenya. Source: www.ihub.co.ke/ihubresearch/jb_FinancingTechnologyBusinesspdf2014-2-7-09-49-09.pdf iHub ist der größte Technology Hub in Nairobi und einer der prominentesten innova­ tiven Orte in der Subsahara Afrikas. iHub befindet sich in einem vierstöckigen Gebäude namens Magua Bishop ­Centre und bietet verschiedene Räumlichkeiten für Techniker*innen, Investor*innen, Tech- nologieunternehmen, Hacker*innen und Forscher*innen an. Sie treffen sich zum gemeinsamen Arbeiten, Diskutieren und Netzwerken1. Doch wie lässt sich der Ort des iHubs genauer beschreiben? Unterhält man sich mit Menschen dort, wird als einer der wichtigsten Treffpunkte, mit dem der iHub sofort assoziiert wird, der Community Space im vierten Stock oder auch einfach nur „ups- tairs“ oder „4th floor“ genannt. Hier gäbe es den besten Kaffee, serviert von Rose. Ihre Bar lädt zum Pausieren und Socializen ein. Ansonsten wird der Community Space eher von Tischen und Menschen an ihren Laptops dominiert. Es gibt verschiedene Sitz­ bereiche für unterschiedliche iHub-Mitglieder*innen – die white, green und red mem- bers unterscheiden sich in der Häufigkeit der Nutzung der Arbeitsplätze und damit 45
  • 48. ­zusammenhängend dem Mitgliedsbeitrag, den sie zahlen. Zwei Couchlandschaften und zwei Kicker machen den Community Space gemütlich. Ansonsten lassen sich in dem Gebäude viele kleine Details entdecken: „Super Mario“-Abbildungen im Treppenhaus, an denen jede*r vorbeiläuft um in den dritten Stock zu kommen und Schilder zu Verhaltensweisen bei einem Feueralarm, die darauf hinweisen, das Gebäude zuerst zu verlassen und dann erst den Feuerausbruch auf Twitter oder Facebook zu veröffent- lichen. Die restlichen Stockwerke des iHub sind sehr divers: Man trifft auf das m:lab, das aus vielen Büros mit verschlossenen Milchglas-Türen besteht, in denen Start-ups mobile Apps kre- ieren. Auch Microsoft hat hier seine eigene Ecke eingerichtet. In der Mitte dieser vielen Türen steht eine gläserne Vitrine mit dutzenden Handys – die Testobjekte der Entwickler*innen im m:lab. Im zweiten Stock geht es weiter mit den Forscher*innen bei iHub Research und der Beratungs- und Finanzabteilung. Die Baustelle von Gearbox – ein Raum voller Maschinen, um mate- rielle Technologien wie Hardware zu bauen – nimmt immer mehr Form an. Auch die Firma BRCK, die ein WiFi-Modem für Orte mit schlechter Strom- und Internetverbindung vertreibt, wartet auf eine größere Bürofläche im zweiten Stock aufgrund ihres wachsenden Unternehmens. Im Erdgeschoss befinden sich noch unzählige Büros von Menschen, die sich beispielsweise auf die Nutzer*innen-Freundlichkeit von Technologie (UX Lab) ­spezialisiert haben sowie weitere Start-Ups. Welche Menschen befinden sich in dem Gebäude mit solch diversen Arbeitsplätzen? Wie eingangs beschrieben: iHub ist ein Ort für technikversierte Menschen. Selbst beschreiben sich diese oft als techies, technological entrepreneurs oder geeks. Was zeichnet die geeks im iHub aus? Und wie gestalten sie ihren All- tag? Auf den ersten Blick erscheint der Alltag im iHub von außen betrachtet und im Vergleich zu seinen vielen Erfolgsgeschich- ten geradezu öde. Alle sitzen an ihren Laptops, starren auf den Bildschirm, tippen wie wild, codieren oder schauen YouTube- Videos. Kopfhörer scheinen ein Muss zu sein. Denn um sich in einer Coworking-Atmosphäre konzentrieren zu können, wird Musik aus den Kopfhörern zum Abschotten scheinbar zur Notwendigkeit. So arbeiten alle konzentriert vor sich hin. Die- se Arbeitsroutine kann nicht einmal durch einen möglichen Stromausfall gestört werden, da iHub über riesige Generatoren verfügt, die den nötigen Strom in solchen Fällen liefern. Die intensive und konzentrierte Arbeitszeit wird zwar nicht durch einen Stromausfall unterbrochen, wohl aber durch kur-  BILD 4 46 KENIA