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HNO
https://doi.org/10.1007/s00106-020-00952-8
© Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von
Springer Nature 2020
Wissenschaftliche Leitung
M. Canis, München
T. Hoffmann, Ulm
J. Löhler, Bad Bramstedt
P. Mir-Salim, Berlin
S. Strieth, Bonn
CME
Zertifizierte Fortbildung
Diagnostik und Behandlung der
Otitis externa
Florian Simon
Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, LMU Klinikum, München, Deutschland
Zusammenfassung
Online teilnehmen unter:
www.springermedizin.de/cme
Für diese Fortbildungseinheit
werden 3 Punkte vergeben.
Kontakt
Springer Medizin Kundenservice
Tel. 0800 77 80 777
(kostenfrei in Deutschland)
E-Mail:
kundenservice@springermedizin.de
Informationen
zur Teilnahme und Zertifizierung finden
Sie im CME-Fragebogen am Ende des
Beitrags.
Die Otitis externa ist eine der häufigsten Infektionen im Kopf- und Halsbereich, da etwa
10% aller Menschen mindestens einmal im Leben daran erkranken. Es handelt sich um
eine Infektion der Kutis und Subkutis des äußeren Gehörgangs, die durch Bakterien,
Viren und Pilze sowie durch Allergene oder degenerative toxische Substanzen verursacht
wird. Als Begleiterscheinung kann sich eine Infektion des Trommelfells (Myringitis)
entwickeln. Typischerweise treten ein einseitiger, selten beidseitiger Ohrenschmerz
(Otalgie) sowie ein begleitender Hörverlust und manchmal auch Ausfluss aus dem
Ohr (Otorrhö) auf. Im Allgemeinen ist die Otalgie einer der häufigsten Gründe für die
Konsultation eines Hausarztes in Deutschland (4,2–7,7%), insbesondere bei Kindern bis
zu 14 Jahren.
Schlüsselwörter
Äußeres Ohr · Äußerer Gehörgang · Trommelfell · Antibiotika · Steroide
Lernziele
Nachdem Sie den vorliegenden Beitrag durchgearbeitet haben, ...
– gelingt Ihnen ein sicheres Erkennen einer Otitis externa in Zusammenschau der
Anamnese sowie der typischen klinischen Befunde,
– kennen Sie die Standardtherapie gemäß den geltenden Leitlinien bei unkomplizierten
Verläufen und verfügen Sie über Sicherheit im Umgang mit dieser Therapie,
– können Sie erkennen, wann ein komplizierter oder sich chronifizierender Verlauf
vorliegt, der eine zügige HNO-ärztliche Anbindung erfordert, um Komplikationen zu
vermeiden,
– wissen Sie um die typischen Differenzialdiagnosen bei Ohrenschmerzen und können
Sie sicher unterscheiden zwischen der Otitis externa und anderen, insbesondere
entzündlichen Erkrankungen des Ohrs.
HNO 1
CME
Einleitung
Etwa 10% der Menschen leiden im Laufe ihres Lebens einmal an
einer Otitis externa. Somit zählt die Otitis externa (Gehörgangsent-
zündung) zu den häufigsten Erkrankungen im HNO-Bereich. Solch
eine Entzündung von Kutis und Subkutis des äußeren Gehörgangs
kann durch Bakterien, Viren und Pilze, aber auch durch Allergene
oderdegenerativ-toxischwirksamenSubstanzenausgelöstwerden
[1]. Dabei kann auch das Trommelfell beteiligt sein, d.h. es tritt
eine Myringitis auf. Typischerweise stellen sich die Patienten mit
einem einseitigen, selten beidseitigen Ohrenschmerz (Otalgie),
sowie meist einer begleitenden Hörminderung und teilweise Aus-
fluss aus dem betroffenen Ohr (Otorrhö) vor. Allgemein stellt der
Ohrenschmerz, insbesondere bei Kindern bis 14 Jahren, einen der
häufigsten Beratungsanlässe in deutschen Allgemeinarztpraxen
dar (4,2–7,7%, [2]).
Ursachen. Der Gehörgang und das Trommelfell sind gegen das
Eindringen von Erregern durch den Verlauf des äußeren Gehör-
gangs sowie durch die im äußeren Drittel befindlichen Haare mit
Talg- und Schweißdrüsen geschützt. Das durch diese Drüsen pro-
duzierte Zerumen trägt insbesondere durch seinen sauren pH-
Wert zum Schutz vor Entzündungen bei. Insbesondere Menschen,
die unter Gehörgangsekzemen leiden oder einen engen äußeren
Gehörgang haben, leiden häufiger unter einer Otitis externa. Au-
ßerdem können mechanische Traumata, feuchte Umgebungen
(insbesondere der Besuch von Schwimmbädern) und die Verwen-
dung von Hörgeräten das Risiko erhöhen, an einer Otitis externa zu
erkranken [3].
Kasuistik
Der typische Fall: Aus einer Familie, die Sie seit Jahren betreuen, stellt
Ihnen die Mutter an einem heißen Augusttag die 12-jährige Tochter
notfallmäßig vor. Die Tochter klagt seit den frühen Morgenstunden über
ausgeprägte Ohrenschmerzen links, welche nur schlecht auf die Gabe
von Schmerzmitteln ansprechen. Zudem berichtet das Mädchen, dass sie
auf dem linken Ohr seit Beginn der Schmerzen kaum noch etwas höre.
Der Mutter habe am Morgen auf dem Kopfkissen der Tochter mehrere
gelblicheFlecken entdeckt.Das Mädchen ist ansonsten gesund und fit und
war auch die vergangenen Tage bei gutem Wetter mit ihren Freundinnen
am nahe gelegenen Badesee gewesen. Bei der körperlichen Untersuchung
sehen Sie einen gelblichen Ausfluss aus dem linken Gehörgang (Abb. 1).
Bei Druck auf den Tragus gibt die Patientin eine kurzzeitige, starke
Aggravation der Schmerzen an. In der Spiegeluntersuchung mit dem
Otoskop ist der linke Gehörgang massiv geschwollen und gerötet, sodass
Sie kein Gehörgangslumen mehr erkennen können. Die Beurteilung des
Trommelfells ist dementsprechend auch nicht möglich.
In Zusammenschau der Anamnese und der Befunde ist die Diagnose
einer diffusen akuten Otitis externa höchstwahrscheinlich, weshalb die
Therapie mittels lokal pflegenden und abschwellenden Maßnahmen
sowie topischer antibiotischerTherapie umgehend eingeleitet wird. Zum
Ausschluss einer folgenreichen Otitis media mit Innenohrbeteiligung,
welche in einem solchen Fall insgesamt untypisch ist, erfolgt ein
orientierender Weber-Versuch, welcher in das betroffene Ohr lateralisiert
ist, und somit zur konsekutiven Schallleitungshörminderung durch
die vollständige Verlegung des Gehörgangs passt. Eine kurzfristige
Wiedervorstellung der Patientin nach 24 oder 48h wurde vereinbart. Hier
zeigt sich bereits wieder ein gut einsehbares Gehörgangslumen, sodass
das reizlose Trommelfell eingesehen werden kann und eine zusätzlich
vorliegende Myringitis oder Otitis media nun sicher ausgeschlossen
werden kann. Nach weiteren 3–4 Tagen bestellen Sie die Patientin erneut
ein. Es zeigt sich nun ein reizloser ohrmikroskopischer Befund, sodass
Sie die Behandlung abschließen können. Ergänzend empfehlen Sie der
Familie noch, auf eine trocknende Gehörgangspflege nach dem Baden,
insbesondere in potenziell schmutzigen Gewässern, zu achten, um das
Risiko eines erneuten Auftretens einer Otitis externa zu reduzieren.
Abb. 1 9 Typisches Bildeiner
akuten, diffusen Otitis externa
Abstract
Diagnosis and treatment of external otitis
External otitis is one of the most common infections in the head and neck
region, as about 10% of all people suffer from it at least once during their
life. It is an infection of the cutis and subcutisof the outer ear canal caused
by bacteria, viruses, and fungus as well as allergens or degenerative toxic
substances. A concomitant infection of the eardrum (myringitis) may
develop. Patients typicallypresent with unilateral,rarely bilateral,earache
(otalgia), with accompanying hearing loss and sometimes discharge from
the ear (otorrhea). In general, otalgia is one of the most common reasons
for consulting a general practitionerin Germany (4.2–7.7%), especiallyfor
children up to 14 years.
Keywords
Outer ear · Ear canal · Tympanic membrane · Antibacterial agents ·
Steroids
Es lassen sich 4 verschiedene Formen der Otitis externa von-
einander abgrenzen. Diese sind:
– die akute diffuse Otitis externa,
– die akute lokalisierte Otitis externa,
– die chronische Otitis externa sowie
– die maligne, nekrotisierende Otitis externa.
Um das Fortschreiten einer akuten Otitis externa in die chronische
oder maligne Form zu verhindern, ist eine zügige Diagnosestel-
lung und konsequente Therapie wichtig. Zudem ist auch bei einem
klinisch eindeutigen Befund eine zielgerichtete Anamnese uner-
lässlich, die entsprechende Risikofaktoren berücksichtigt, welche
dieEntwicklungeiner chronifizierendenoder nekrotisierenden Oti-
tis externa begünstigen können sowie Hinweise auf eine typische
Differenzialdiagnose darstellen.
2 HNO
CME
Abb. 2 8 OhrmikroskopiemitSchwellungundRötungderGehörgangshaut
sowie eitrigem Sekret im Restlumen beinicht mehreinsehbaremTrommel-
fell im Rahmen einerakuten diffusen Otitisexterna. (Aus: [6])
Akute diffuse Otitis externa
Die akute diffuse Otitis externa (Abb. 1 und 2) ist die häufigste
Entzündung des äußeren Gehörgangs und wird durch Bakterien,
seltener durch Pilze verursacht. Im Volksmund wird diese Form
der Otitis externa auch häufig Badeotitis genannt, da sie häufig
nach Schwimmen in verunreinigten Gewässern entsteht. Einen
Überblick über die häufigsten Erreger gibt Tab. 1; [4].
Klinik. Diese Gehörgangsentzündung beginnt meist mit einem
Juckreiz, danach setzen starke Schmerzen ein. Oft kommt es
zu einer Sekretion. Durch das Zuschwellen des Gehörgangs ent-
steht außerdem eine Schwerhörigkeit. Fieber und Schwellung
der Halslymphknoten können hinzutreten.
Diagnose. Es zeigt sich eine Rötung und Schwellung des äußeren
Gehörgangs, das Trommelfell ist häufig nicht einsehbar. Häufig
liegt eine begleitende Myringitis (Trommelfellentzündung) vor.
Diese wird typischerweise meist nur dann erkannt, wenn das Trom-
melfell bei Diagnosestellung noch einsehbar ist und eine Rötung
mit verstärkter Gefäßzeichnung aufweist. In diesen Fällen ist
die Diagnosestellung einer primären Otitis externa für den Unter-
sucher erschwert, da differenzialdiagnostisch eine perforierende
Tab. 1 ÜberblicküberdiehäufigstenErregerderakutendiffusenOtitis
externa
Erreger Häufigkeit (%)
Pseudomonas aeruginosa 58
Staphylococcus aureus 18
Proteus mirabilis 4
Escherichia coli 2
Pilze 2
Abb. 3 8 TypischerohrmikroskopischerBefundbei einerOtitisexterna mit
Pilzbeteiligung.(© O.Michel,aus:[7], mit freundl. Genehmigung)
akute Otitis media mit sekundärer Otitis externa ebenfalls in Be-
tracht kommt. Es zeigt sich eine Schmerzprogredienz bei Druck
auf den Tragus und beim Kauen. Bei Pilzinfektionen imponiert
ein weißlicher bis dunkelbräunlicher Belag im Gehörgang (Abb. 3).
Ein Abstrich erleichtert ggf. die gezielte Therapie, erfolgt normaler-
weise jedoch erst bei Therapieresistenz. Sollte zudem der klinische
Verdacht auf eine Otitis media bestehen, dann sollte eine endos-
kopische Untersuchung des Nasopharynx zum Ausschluss einer
Verlegung des Tubenwulstes erfolgen und die Therapie um die
Förderung der Tubenventilation mittels eines abschwellenden
Nasensprays sowie eines intensivierten Tubenventilationstrai-
nings (Toynbee- oder Valsalva-Manöver) ergänzt werden. Zudem
sollte orientierend ein Weber-Test mit der Stimmgabel erfolgen.
Die typischerweise im Rahmen der akuten Otitis externa und auch
einer unkomplizierten Otitis media vorliegende Schallleitungs-
hörminderung führt zu einer Lateralisierung in das betroffene
Ohr. Sollte sich eine Lateralisierung des Weber-Tests in das „gesun-
de“ kontralaterale Ohr zeigen, so ist stets eine sofortige erweitere
HNO-ärztliche Abklärung einschließlich audiometrischer Diagnos-
tik indiziert.
Differenzialdiagnosen. Eine Mittelohrentzündung, eine Otitis
externa maligna oder ein Gehörgangskarzinom sind auszuschlie-
ßen.
Therapie. Die subtile Reinigung des äußeren Gehörgangs mit
H2O2-Lösung (3%) und die tägliche Streifeneinlage sind wich-
tige Maßnahmen. Die Streifenbehandlung wird mit Salbe (z.B.
Fluocinolonacetonid/Neomycin, off-label-use) oder kortison- bzw.
ciprofloxacinhaltigen Lösungen durchgeführt. Nach Abschwellen
des Gehörgangs sollte auf Streifen verzichtet und auf antibiotika-
haltige Lösungen ggf. in Kombination mit topischen Steroiden
HNO 3
CME
umgestellt werden. Die Therapie erfolgt für mindestens eine Wo-
che. Bei einer Beteiligung von Pilzen sollten zusätzlich antimykoti-
sche Präparate (z.B. Clotrimazol-Lösung) verwendet werden. Eine
systemische Antibiotikatherapie ist bei einer akuten Otitis externa
nicht indiziert. Bei Diabetespatienten und Therapieresistenz
sollte dies jedoch erwogen werden. In diesen Fällen kann eine
frühzeitige, hochdosierte systemische antibiotische Therapie ggf.
das Fortschreiten hin zu einer chronischen oder nekrotisierenden
Form verhindern. Dennoch ist die Indikation stets kritisch zu disku-
tieren, da im Rahmen der hochdosierten antibiotischen Therapie,
insbesondere bei Nachweis von Pseudomonas-aeruginosa-Spezies,
die Entstehung von Resistenzen häufig ist.
Akute lokalisierte Otitis externa
Bei der akuten lokalen Otitis externa handelt es sich um eine
Entzündung mit Einschmelzung im Bereich der Haarfollikel des
äußeren Gehörgangs im Sinne eines Gehörgangsfurunkels. Er-
reger ist typischerweise Staphylococcus aureus.
Klinik. Starke Ohrenschmerzen sowie eine durch die Schwellung
bedingte Schallleitungsschwerhörigkeit sind Leitsymptome.
Diagnose. Die Inspektion des äußeren Gehörgangs ergibt eine
putride Pustel mit perifokaler Rötung und Schwellung.
Differenzialdiagnosen. Eine akute diffuse Otitis externa oder ei-
ne Mittelohrentzündung sind Differenzialdiagnosen.
Therapie. Nach abschwellenden Maßnahmen mittels Streifen-
einlage erfolgt zur Drainage des putriden Sekrets eine Inzision
mittels Skalpell oder großvolumiger Kanüle und ggf. ergänzen-
der, stumpfer Spaltung mittels eines Klemmchens. Dieses wird von
den meisten Patienten nach Oberflächenanästhesie durch z.B.
Kältespray toleriert. Bei ausgeprägter Berührungsempfindlichkeit
kann eine Lokalanästhesie, z.B. mit Articain in Kombination mit
Epinephrin, von retroaurikulär erforderlich sein. Bei (Klein-)Kindern
sollte großzügig die Entlastung in einer kurzen Sedierung oder
Maskennarkose erwogen werden.
Chronische Otitis externa
Die chronische und die chronisch rezidivierende Otitis externa ent-
stehen häufig auf dem Boden einer seborrhoischen Dermatitis,
eines Diabetes mellitus, einer Sensibilisierung gegen Waschmittel
sowie einer chronischen Mittelohrentzündung.
Klinik. Im Vordergrund der Symptomatik steht ein Juckreiz im be-
troffenen Gehörgang. Zudem können bei einer akuten Exazerbati-
on auch sämtliche Symptome einer akuten, diffusen Otitis externa
hinzutreten.
Diagnose. Bei der Ohrmikroskopie zeigt sich häufig eine sebor-
rhoische Schuppung sowie eine Rötung der Gehörgangshaut. Bei
einer akuten Exazerbation kommen eine Schwellung und Sezernie-
rung hinzu. Eine Allergietestung sowie die Untersuchung auf Dia-
betes mellitus sollten durchgeführt werden. Zudem müssen eine
Trommelfellperforation und chronische Mittelohrentzündung aus-
geschlossen werden.
Differenzialdiagnosen. Eine Otitis externa maligna, ein Gehör-
gangscholesteatom oder -karzinom müssen differenzialdiagnos-
tisch in Betracht gezogen werden. Insbesondere bei ipsi-, selten
kontralateral vergrößerten zervikalen Lymphknoten, welche so-
nographisch malignitätssuspekt erscheinen, sollte frühzeitig das
seltene Gehörgangskarzinom in Betracht gezogen werden. Typi-
sche Kriterien sind hier eine rundliche Konfiguration, ein fehlender
Hilus sowie ein diffuses Durchblutungsmuster in der Dopplersono-
graphie. Ein Kurzdurchmesser von mehr als einem Zentimeter stellt
nur ein weiches Kriterium dar, da eine solche Vergrößerung der zer-
vikalen Lymphknoten, insbesondere im Kieferwinkel beim deutlich
häufigeren entzündlichen Prozess, typisch ist. Eine Probebiopsie
aus dem Gehörgang, welche meist gut in Lokalanästhesie erfolgen
kann, ist zur histologischen Sicherung eines Gehörgangskarzinoms
indiziert.
Therapie. Die Therapie der chronischen Gehörgangsentzündung
gestaltet sich häufig schwierig und langwierig. Im Vordergrund
steht eine trocknende Gehörgangspflege (z.B. Föhnen in Rich-
tung der nach hinten oben gezogenen Ohrmuschel nach dem
Duschen oder Baden). Außerdem wird die Regulation des pH-
Werts der Gehörgangshaut (z.B. essigsaure Tropfen 0,5%) emp-
fohlen. Gute Therapieerfolge konnten auch mit Tacrolimus-Sal-
be 0,03% erzielt werden. Bei ekzematösen Veränderungen und
Therapieresistenz kann das vorübergehende Einbringen von to-
pischen Steroiden (z.B. triamcinolonacetonidhaltige Creme) eine
wirksame Ergänzung der bekannten Therapiemaßnahmen darstel-
len. Ein schlecht eingestellter oder neu diagnostizierter Diabetes
mellitus muss behandelt, eine chronische Trommelfellperforation
verschlossen werden. Im Rahmen der Heilung einer Otitis externa
chronica kann es zu einem Blunting mit konsekutiver Schalllei-
tungsschwerhörigkeit kommen. Diese muss dringend operativ ver-
sorgt werden. Bei Patienten mit Zeichen einer chronisch trockenen,
ekzematösen Gehörgangshaut sollte nach Abheilung der akuten
Entzündung eine dauerhafte, rückfettende Gehörgangspflege
durchgeführtwerden. Hierzu könnenu.a. 1–2 Tropfenhandelsübli-
ches Olivenöl 2-bis 3-mal pro WocheindenGehörgangeingetropft
werden.
Maligne, nekrotisierende Otitis externa
BeiDiabetespatienten oder immungeschwächtenPatienten, ins-
besondere nach Organtransplantation oder unter laufender bzw.
kürzlich stattgehabter Chemotherapie, kann eine nekrotisierende
GehörgangsentzündungalsKomplikationeinerakutenOtitisexter-
na auftreten. Die Otitis externa maligna stellt eine Osteomyelitis
mit Ausbreitung entlang der Otobasis und möglichem Übergrei-
fen auf Hirnnerven dar. Als Erreger liegt meistens Pseudomonas
aeruginosa vor.
Klinik. Leitsymptome sind starke Schmerzen, eine fötide Sekreti-
on aus dem Gehörgang, Granulationen im Gehörgang, frühzeitige
4 HNO
CME
Abb. 4 8 OhrmikroskopischerBefundeinerlokalen akutenOtitisexter-
na mit dem klinischen Bildeines Gehörgangsfurunkels.(© O.Michel,mit
freundl.Genehmigung)
Ausfälle von Hirnnerven, insbesondere des N. facialis, sowie ein oft
reduzierter Allgemeinzustand. Da bei ausgeprägten Befunden eine
meningeale Beteiligung möglich ist, sollten stets im Rahmen der
klinischenUntersuchungauchdietypischenMeningitiszeichenwie
Nackensteifigkeit, Schmerzen beim Bewegen des Kopfes, Lichtem-
pfindlichkeit und Fieber berücksichtigt werden.
Diagnose. Neben der Anamnese ist die Gehörgangsinspektion
wegweisend. Es zeigen sich häufig Granulationen mit freiliegen-
dem Knochen im Bereich des Gehörgangs. Das Blutzuckerta-
gesprofil und der HbA1c-Wert weisen auf einen schlecht einge-
stellten Diabetes hin. Bei Verdacht auf eine Osteomyelitis sollte
eine hochauflösende Computertomographie (CT) des Felsen-
beins angefertigt werden, welche im Fall einer nekrotisierenden
Otitis Osteolysen zeigt. Bei Vorliegen von Osteolysen sollte eine
ergänzende Knochenszintigraphie der Schädelbasis erfolgen,
die den klinischen und CT-morphologischen Verdacht auf eine Os-
teomyelitis beweisen oder ausschließen kann. Bei Nachweis einer
Osteomyelitis sollte im Verlauf bei primär konservativem Thera-
pieversuch der Knochenbefall sowohl szintigraphisch als auch CT-
morphologisch kontrolliert werden (Abb. 4, 5 und 6). Eine Probe-
entnahme sowie ein Keimnachweis dient dem Ausschluss eines
Gehörgangsmalignoms. Eine Hörprüfung, eine Gleichgewichts-
untersuchung und eine Funktionsprüfung des N. facialis und
N. trigeminus komplettieren die Untersuchung. Sollte sich der
Verdacht auf einen begleitenden Meningismus zeigen, so ist eine
umgehende neurologische Mitbeurteilung, ggf. einschließlich
Durchführung einer Lumbalpunktion, notwendig.
Abb. 5 8 Nachweis einerfortgeschrittenen Destruktion des knöchernen
Gehörgangs(rotePfeile)beieinemPatientenmiteinerOtitisexternamaligna
in derComputertomographie derFelsenbeine
Abb. 6 8 KnochenszintigraphiemitNachweiseineOsteomyelitisimBereich
derlinken Schädelbasis (roterPfeil)bei Otitis externa necroticans
Differenzialdiagnosen. Differenzialdiagnostisch sind insbeson-
dere ein Gehörgangskarzinom und ein Gehörgangscholesteatom
zu berücksichtigen.
Therapie. Neben der Behandlung eines zugrunde liegenden Dia-
betes mellitus und der täglichen subtilen Gehörgangsreinigung,
ggf.mitKürettagederGranulationen,stehteinelangfristigehoch-
dosierte Antibiotikatherapie über mindestens 6 Wochen im
Mittelpunkt der Behandlung. Diese sollte erregergerecht mit ei-
HNO 5
CME
Tab. 2 Antibiotikatherapie derOtitisexterna maligna
1. Wahl Ciprofloxacin (3× 400mg i.v. bzw. 2× 750mg p.o.)
2. Wahl Piperacillin (3× 4g i.v.)± Aminoglykosid-Antibiotikum
3. Wahl Meropenem (3× 1g i.v.)± Aminoglykosid-Antibiotikum
nem pseudomonasempfindlichen Präparat erfolgen (Tab. 2;
[5]).
Wöchentliche Abstriche lassen rechtzeitig eine Resistenz der
Erreger gegen das applizierte Antibiotikum erkennen und ermögli-
chen eine antibiogrammgerechte Umstellung, falls nötig. Bei Per-
sistenz der Entzündung sowie klinisch, knochenszintigraphisch
oder computertomographisch erkennbarer Progredienz der Er-
krankung trotz ausreichender konservativer Maßnahmen ist die
operative Sanierung in Abhängigkeit vom Ausmaß der entzünd-
lichen Infiltration durch begrenztes Ausbohren des erkrankten
Knochenbezirks bis hin zu einer Ohrradikaloperation und la-
teraler Petrosektomie indiziert. Bei sehr ausgeprägten Befunden,
u.a. bei initial bereits bestehender meningealer Beteiligung, sollte
die Indikation zur umgehenden operativen Sanierung großzügig
gestellt werden. Der operative Zugang erfolgt hier typischerwei-
se von retroaurikulär. Bei ausgedehnter knöcherner Destruktion
der Laterobasis in der präoperativen Bildgebung mit Verdacht auf
eine meningeale Beteiligung sollte ein interdisziplinäres opera-
tives Konzept zusammen mit den neurochirurgischen Kollegen
erarbeitet werden.
Fazit für die Praxis
5 Zunächststeht die Gehörgangspflege und topische medikamentöse
Therapie der akuten Otitis externa im Vordergrund.
5 Bei Patienten, die unter rezidivierender oder chronischer Otitis ex-
terna leiden, sollte stets ein neu aufgetretener oder insuffizient be-
handelter Diabetes mellitus ausgeschlossen werden.
5 Bei Verdacht auf eine maligne Otitis externa sollte die weitere Diag-
nostik und der Beginn einer hochdosierten antibiotischen Therapie
zügig erfolgen.
5 Bei Therapieresistenz muss differenzialdiagnostisch stets ein Gehör-
gangskarzinom in Erwägung gezogen werden.
5 Bis auf den Fall einer unkompliziert verlaufenden akuten diffusen
Otitis externa empfiehlt es sich stets, einen HNO-ärztlichen Facharzt
konsiliarisch hinzuzuziehen.
Korrespondenzadresse
Dr. med. Florian Simon
Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, LMU Klinikum
Marchioninistr. 15, 81377 München, Deutschland
florian.simon@med.uni-muenchen.de
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. GemäßdenRichtliniendesSpringerMedizinVerlagswerden
AutorenundWissenschaftlicheLeitungimRahmenderManuskripterstellungund
Manuskriptfreigabeaufgefordert,einevollständigeErklärungzuihrenfinanziellen
undnichtfinanziellenInteressenabzugeben.
Autoren. F. Simon:A.FinanzielleInteressen:Forschungsförderungzurpersönlichen
Verfügung:FörderprogrammfürForschungundLehre(FöFoLe),Ludwigs-Maximilian-
Universität(LMU)München,Friedrich-Baur-Stiftung,Ludwigs-Maximilian-Universität
München.–B.NichtfinanzielleInteressen:AngestellterHNO-Arzt,KlinikundPoliklinik
fürHNO-Heilkunde,LMUKlinikumMünchen|Mitgliedschaft:DeutscheGesellschaft
fürHNO-Heilkunde,Kopf-Hals-Chirurgie.
Wissenschaftliche Leitung. DievollständigeErklärungzumInteressenkonfliktder
WissenschaftlichenLeitungfindenSieamKursderzertifiziertenFortbildungaufwww.
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gelderandenVerlagfließen.
FürdiesenBeitragwurdenvondenAutorenkeineStudienanMenschenoderTieren
durchgeführt.FürdieaufgeführtenStudiengeltendiejeweilsdortangegebenen
ethischenRichtlinien.
Literatur
1. AWMF-Leitlinie Ohrenschmerzen (S2k). https://www.awmf.org/leitlinien/detail/
ll/053-009.html(zuletztabgerufenam10.Juni2020).
2. Kühlein (2008) Kontinuierliche Morbiditätsregistrierung in der Hausarztpraxis
(CONTENT-Daten).Urban&Vogel,München
3. HajioffMK(2015)Otitisexterna.BMJClinEvid15:510
4. Neheretal(2004)Acuteotitisexterna:efficacyandtolerabilityofN-chlorotaurine,
anovelendogenousantisepticagent.Laryngoscope114(5):850–854
5. AWMF-LeitlinieAntibiotikatherapiederInfektionenanKopfundHals(S2).https://
www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/017-066.html (zuletzt abgerufen am 10. Juni
2020).
6. Lumassegger M, Nagl M, Pototschnig C et al (2010) Therapieresistente Otitis
externa mit zusätzlicher Trommelfellperforation. HNO 58:927–930. https://doi.
org/10.1007/s00106-010-2082-1
7. MichelO(2017)Otitisexternagezieltbehandeln.CME14:9–17.https://doi.org/10.
1007/s11298-017-5980-7
6 HNO
CME-Fragebogen
Zu den Kursen dieser Zeitschrift: Scannen Sie den QR-Code
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Diagnostik und Behandlung der Otitis externa
? Welcher ist der häufigste Erreger einer
akuten diffusen Otitis externa?
◯ Escherichia coli
◯ Pseudomonas aeruginosa
◯ Pilze
◯ Coronaviren
◯ Proteus mirabilis
? Es kommt ein 76-jähriger Patient in
Ihre Praxis, den Sie bereits seit vielen
Jahren wegen mehrerer internistischer
Diagnosen betreuen. Aktuell berichtet
Ihnen der Patient, dass er seit knapp
4 Wochen unter rechtsseitigen Ohren-
schmerzen sowie einer Hörminderung
leide. In der Apotheke habe er nach
Schilderung der Beschwerden bereits
Ohrentropfen erhalten, die vorüberge-
hend etwas Besserung gebracht hät-
ten. Seit 3 Tagen habe er nun jedoch
auch eine einseitige leichte Lähmung
des Gesichts bemerkt, weshalb er nun
doch etwas Sorge vor „etwas Schlim-
merem“ habe. Welche der folgenden
Erkrankungen könnte am ehesten die
Beschwerden erklären?
◯ Akute diffuse Otitis externa
◯ Chronische Otitis externa
◯ Nekrotisierende Otitis externa
◯ Akute lokalisierte Otitis externa
◯ Chronische Otitis media mesotympanalis
? Welche internistische Erkrankung ist
prädisponiert für die Entwicklung ei-
ner Otitis externa necroticans?
◯ Arterielle Hypertonie
◯ Adipositas
◯ Herzinsuffizienz
◯ Gastroösophageale Refluxkrankheit
◯ Diabetes mellitus
? Ihnen wurde ein Patient mit einer
nekrotisierenden Otitis externa zur
stationären Weiterbehandlung zuge-
wiesen. Die Diagnose wurde durch
den niedergelassenen Kollegen in Zu-
sammenschau der klinischen Befunde
einer chronischen Otitis externa sowie
einer Computertomographie (CT) der
Schädelbasis, welche knöcherne Arro-
sionen auf der betroffenen Seite zeigt,
gestellt. Sie möchten nun ergänzend
abklären, ob bei Nachweis einer knö-
chernen Affektion in der CT eine Os-
teomyelitis der Schädelbasis vorliegt.
Welche Untersuchung veranlassen Sie
für die weitere Abklärung?
◯ Magnetresonanztomographie (MRT)
◯ Knochenszintigraphie
◯ Sonographie
◯ Feinnadelaspiration
◯ Elastographie
? Welche der folgenden Erkrankungen
stellt eine Differenzialdiagnose der
chronischen Otitis externa dar?
◯ Akute lokalisierte Otitis externa
◯ Gehörgangsexostosen
◯ Akustikusneurinom
◯ Otosklerose
◯ Gehörgangskarzinom
? Welche Form der Otitis externa liegt
am ehesten vor, wenn sich, bei sonst
gesundem Patienten, zusätzlich zur
Symptomatik im Gehörgang eine ipsi-
laterale Fazialisparese zeigt?
◯ Nekrotisierende Otitis externa
◯ Diffuse akute Otitis externa
◯ Chronisch-rezidivierendeOtitis externa
◯ Lokalisierte akute Otitis externa
◯ Seborrhoische Otitis externa
Informationen zur zertifizierten Fortbildung
Diese Fortbildung wurde von der
Ärztekammer Nordrhein für das
„Fortbildungszertifikat der Ärztekammer“
gemäß § 5 ihrer Fortbildungsordnung mit
3 Punkten (Kategorie D) anerkannt und ist
damit auch für andere Ärztekammern
anerkennungsfähig.
Anerkennung in Österreich: Für das
Diplom-Fortbildungs-Programm (DFP)
werden die von deutschen
Landesärztekammern anerkannten
Fortbildungspunkte aufgrund der
Gleichwertigkeit im gleichen Umfang als
DFP-Punkte anerkannt (§ 14, Abschnitt 1,
Verordnung über ärztliche Fortbildung,
Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) 2013).
Hinweise zur Teilnahme:
– Die Teilnahme an dem zertifi-
zierten Kurs ist nur online auf
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– Der Teilnahmezeitraum beträgt
12 Monate. Den Teilnahmeschluss
finden Sie online beim Kurs.
– Die Fragen und ihre zugehörigen
Antwortmöglichkeiten werden
online in zufälliger Reihenfolge
zusammengestellt.
– Pro Frage ist jeweils nur eine Antwort
zutreffend.
– Für eine erfolgreiche Teilnahme müssen
70% der Fragen richtig beantwortet
werden.
– Teilnehmen können Abonnenten
dieser Fachzeitschrift und e.Med- und
e.Dent-Abonnenten.
Online teilnehmen unter www.springermedizin.de/cme HNO 7
CME-Fragebogen
? Ein 69-jähriger Patient stellt sich in
Ihrer Sprechstunde mit zunehmender
Hörminderung vor. Neben einer ge-
ringen Otorrhoe beklagt der Patient
lediglich ein leichtes Völlegefühl. Der
Patient wurde seit 6 Wochen mit anti-
biotischen Tropfen durch den Hausarzt
behandelt, ohne Besserung. Ohrmi-
kroskopisch sehen Sie eine den Gehör-
gang subtotal verlegende granulie-
rende Raumforderung. Zudem tasten
sich geschwollene Halslymphknoten
ipsilateral. Welches weitere Vorgehen
ist am ehesten zielführend?
◯ Triamcinolonacetonid-haltige Creme
◯ Entnahme einer Probeexzision
◯ Systemische Glukokortikoide per os
◯ Gehörgangserweiterungsplastik
◯ Antimykotische Therapie
? Welcher ist der häufigste Erreger einer
akuten lokalen Otitis externa?
◯ Escherichia coli
◯ Enterokokken
◯ Influenzaviren
◯ Streptokokken
◯ Staphylococcus aureus
? Was ist ein typischer, prädisponieren-
der Faktor für die Entwicklung einer
Otitis externa chronica?
◯ Piercing der Ohrmuschel
◯ Traumatische Gehörgangsverletzung
◯ Sensibilisierung gegenüber Waschmitteln
◯ Morbus Addison
◯ Chronische Tubenventilationsstörung
? Bei Ihnen stellt sich ein junger Patient
vor, der seit 3 Tagen unter einseitigen
Ohrenschmerzen leidet. Die letzten
Tage habe er bei sommerlichen Tem-
peraturen mit Freunden am Badesee
verbracht. Nun seien die Schmerzen
jedoch so schlimm, dass er dringend
Hilfe benötige. Bereits aufgrund der
Anamnese hegen Sie den Verdacht,
dass es sich um eine sog. Badeotitis
handeln könnte. Welches Zeichen wä-
re bei der klinischen Untersuchung
typisch für diese Verdachtsdiagnose?
◯ Kieferhöhlenklopfschmerz
◯ Mastoidklopfschmerz
◯ Tragusdruckschmerz
◯ Druckschmerz der Helix
◯ Klopfschmerz temporal
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  • 1. HNO https://doi.org/10.1007/s00106-020-00952-8 © Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Wissenschaftliche Leitung M. Canis, München T. Hoffmann, Ulm J. Löhler, Bad Bramstedt P. Mir-Salim, Berlin S. Strieth, Bonn CME Zertifizierte Fortbildung Diagnostik und Behandlung der Otitis externa Florian Simon Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, LMU Klinikum, München, Deutschland Zusammenfassung Online teilnehmen unter: www.springermedizin.de/cme Für diese Fortbildungseinheit werden 3 Punkte vergeben. Kontakt Springer Medizin Kundenservice Tel. 0800 77 80 777 (kostenfrei in Deutschland) E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Informationen zur Teilnahme und Zertifizierung finden Sie im CME-Fragebogen am Ende des Beitrags. Die Otitis externa ist eine der häufigsten Infektionen im Kopf- und Halsbereich, da etwa 10% aller Menschen mindestens einmal im Leben daran erkranken. Es handelt sich um eine Infektion der Kutis und Subkutis des äußeren Gehörgangs, die durch Bakterien, Viren und Pilze sowie durch Allergene oder degenerative toxische Substanzen verursacht wird. Als Begleiterscheinung kann sich eine Infektion des Trommelfells (Myringitis) entwickeln. Typischerweise treten ein einseitiger, selten beidseitiger Ohrenschmerz (Otalgie) sowie ein begleitender Hörverlust und manchmal auch Ausfluss aus dem Ohr (Otorrhö) auf. Im Allgemeinen ist die Otalgie einer der häufigsten Gründe für die Konsultation eines Hausarztes in Deutschland (4,2–7,7%), insbesondere bei Kindern bis zu 14 Jahren. Schlüsselwörter Äußeres Ohr · Äußerer Gehörgang · Trommelfell · Antibiotika · Steroide Lernziele Nachdem Sie den vorliegenden Beitrag durchgearbeitet haben, ... – gelingt Ihnen ein sicheres Erkennen einer Otitis externa in Zusammenschau der Anamnese sowie der typischen klinischen Befunde, – kennen Sie die Standardtherapie gemäß den geltenden Leitlinien bei unkomplizierten Verläufen und verfügen Sie über Sicherheit im Umgang mit dieser Therapie, – können Sie erkennen, wann ein komplizierter oder sich chronifizierender Verlauf vorliegt, der eine zügige HNO-ärztliche Anbindung erfordert, um Komplikationen zu vermeiden, – wissen Sie um die typischen Differenzialdiagnosen bei Ohrenschmerzen und können Sie sicher unterscheiden zwischen der Otitis externa und anderen, insbesondere entzündlichen Erkrankungen des Ohrs. HNO 1
  • 2. CME Einleitung Etwa 10% der Menschen leiden im Laufe ihres Lebens einmal an einer Otitis externa. Somit zählt die Otitis externa (Gehörgangsent- zündung) zu den häufigsten Erkrankungen im HNO-Bereich. Solch eine Entzündung von Kutis und Subkutis des äußeren Gehörgangs kann durch Bakterien, Viren und Pilze, aber auch durch Allergene oderdegenerativ-toxischwirksamenSubstanzenausgelöstwerden [1]. Dabei kann auch das Trommelfell beteiligt sein, d.h. es tritt eine Myringitis auf. Typischerweise stellen sich die Patienten mit einem einseitigen, selten beidseitigen Ohrenschmerz (Otalgie), sowie meist einer begleitenden Hörminderung und teilweise Aus- fluss aus dem betroffenen Ohr (Otorrhö) vor. Allgemein stellt der Ohrenschmerz, insbesondere bei Kindern bis 14 Jahren, einen der häufigsten Beratungsanlässe in deutschen Allgemeinarztpraxen dar (4,2–7,7%, [2]). Ursachen. Der Gehörgang und das Trommelfell sind gegen das Eindringen von Erregern durch den Verlauf des äußeren Gehör- gangs sowie durch die im äußeren Drittel befindlichen Haare mit Talg- und Schweißdrüsen geschützt. Das durch diese Drüsen pro- duzierte Zerumen trägt insbesondere durch seinen sauren pH- Wert zum Schutz vor Entzündungen bei. Insbesondere Menschen, die unter Gehörgangsekzemen leiden oder einen engen äußeren Gehörgang haben, leiden häufiger unter einer Otitis externa. Au- ßerdem können mechanische Traumata, feuchte Umgebungen (insbesondere der Besuch von Schwimmbädern) und die Verwen- dung von Hörgeräten das Risiko erhöhen, an einer Otitis externa zu erkranken [3]. Kasuistik Der typische Fall: Aus einer Familie, die Sie seit Jahren betreuen, stellt Ihnen die Mutter an einem heißen Augusttag die 12-jährige Tochter notfallmäßig vor. Die Tochter klagt seit den frühen Morgenstunden über ausgeprägte Ohrenschmerzen links, welche nur schlecht auf die Gabe von Schmerzmitteln ansprechen. Zudem berichtet das Mädchen, dass sie auf dem linken Ohr seit Beginn der Schmerzen kaum noch etwas höre. Der Mutter habe am Morgen auf dem Kopfkissen der Tochter mehrere gelblicheFlecken entdeckt.Das Mädchen ist ansonsten gesund und fit und war auch die vergangenen Tage bei gutem Wetter mit ihren Freundinnen am nahe gelegenen Badesee gewesen. Bei der körperlichen Untersuchung sehen Sie einen gelblichen Ausfluss aus dem linken Gehörgang (Abb. 1). Bei Druck auf den Tragus gibt die Patientin eine kurzzeitige, starke Aggravation der Schmerzen an. In der Spiegeluntersuchung mit dem Otoskop ist der linke Gehörgang massiv geschwollen und gerötet, sodass Sie kein Gehörgangslumen mehr erkennen können. Die Beurteilung des Trommelfells ist dementsprechend auch nicht möglich. In Zusammenschau der Anamnese und der Befunde ist die Diagnose einer diffusen akuten Otitis externa höchstwahrscheinlich, weshalb die Therapie mittels lokal pflegenden und abschwellenden Maßnahmen sowie topischer antibiotischerTherapie umgehend eingeleitet wird. Zum Ausschluss einer folgenreichen Otitis media mit Innenohrbeteiligung, welche in einem solchen Fall insgesamt untypisch ist, erfolgt ein orientierender Weber-Versuch, welcher in das betroffene Ohr lateralisiert ist, und somit zur konsekutiven Schallleitungshörminderung durch die vollständige Verlegung des Gehörgangs passt. Eine kurzfristige Wiedervorstellung der Patientin nach 24 oder 48h wurde vereinbart. Hier zeigt sich bereits wieder ein gut einsehbares Gehörgangslumen, sodass das reizlose Trommelfell eingesehen werden kann und eine zusätzlich vorliegende Myringitis oder Otitis media nun sicher ausgeschlossen werden kann. Nach weiteren 3–4 Tagen bestellen Sie die Patientin erneut ein. Es zeigt sich nun ein reizloser ohrmikroskopischer Befund, sodass Sie die Behandlung abschließen können. Ergänzend empfehlen Sie der Familie noch, auf eine trocknende Gehörgangspflege nach dem Baden, insbesondere in potenziell schmutzigen Gewässern, zu achten, um das Risiko eines erneuten Auftretens einer Otitis externa zu reduzieren. Abb. 1 9 Typisches Bildeiner akuten, diffusen Otitis externa Abstract Diagnosis and treatment of external otitis External otitis is one of the most common infections in the head and neck region, as about 10% of all people suffer from it at least once during their life. It is an infection of the cutis and subcutisof the outer ear canal caused by bacteria, viruses, and fungus as well as allergens or degenerative toxic substances. A concomitant infection of the eardrum (myringitis) may develop. Patients typicallypresent with unilateral,rarely bilateral,earache (otalgia), with accompanying hearing loss and sometimes discharge from the ear (otorrhea). In general, otalgia is one of the most common reasons for consulting a general practitionerin Germany (4.2–7.7%), especiallyfor children up to 14 years. Keywords Outer ear · Ear canal · Tympanic membrane · Antibacterial agents · Steroids Es lassen sich 4 verschiedene Formen der Otitis externa von- einander abgrenzen. Diese sind: – die akute diffuse Otitis externa, – die akute lokalisierte Otitis externa, – die chronische Otitis externa sowie – die maligne, nekrotisierende Otitis externa. Um das Fortschreiten einer akuten Otitis externa in die chronische oder maligne Form zu verhindern, ist eine zügige Diagnosestel- lung und konsequente Therapie wichtig. Zudem ist auch bei einem klinisch eindeutigen Befund eine zielgerichtete Anamnese uner- lässlich, die entsprechende Risikofaktoren berücksichtigt, welche dieEntwicklungeiner chronifizierendenoder nekrotisierenden Oti- tis externa begünstigen können sowie Hinweise auf eine typische Differenzialdiagnose darstellen. 2 HNO
  • 3. CME Abb. 2 8 OhrmikroskopiemitSchwellungundRötungderGehörgangshaut sowie eitrigem Sekret im Restlumen beinicht mehreinsehbaremTrommel- fell im Rahmen einerakuten diffusen Otitisexterna. (Aus: [6]) Akute diffuse Otitis externa Die akute diffuse Otitis externa (Abb. 1 und 2) ist die häufigste Entzündung des äußeren Gehörgangs und wird durch Bakterien, seltener durch Pilze verursacht. Im Volksmund wird diese Form der Otitis externa auch häufig Badeotitis genannt, da sie häufig nach Schwimmen in verunreinigten Gewässern entsteht. Einen Überblick über die häufigsten Erreger gibt Tab. 1; [4]. Klinik. Diese Gehörgangsentzündung beginnt meist mit einem Juckreiz, danach setzen starke Schmerzen ein. Oft kommt es zu einer Sekretion. Durch das Zuschwellen des Gehörgangs ent- steht außerdem eine Schwerhörigkeit. Fieber und Schwellung der Halslymphknoten können hinzutreten. Diagnose. Es zeigt sich eine Rötung und Schwellung des äußeren Gehörgangs, das Trommelfell ist häufig nicht einsehbar. Häufig liegt eine begleitende Myringitis (Trommelfellentzündung) vor. Diese wird typischerweise meist nur dann erkannt, wenn das Trom- melfell bei Diagnosestellung noch einsehbar ist und eine Rötung mit verstärkter Gefäßzeichnung aufweist. In diesen Fällen ist die Diagnosestellung einer primären Otitis externa für den Unter- sucher erschwert, da differenzialdiagnostisch eine perforierende Tab. 1 ÜberblicküberdiehäufigstenErregerderakutendiffusenOtitis externa Erreger Häufigkeit (%) Pseudomonas aeruginosa 58 Staphylococcus aureus 18 Proteus mirabilis 4 Escherichia coli 2 Pilze 2 Abb. 3 8 TypischerohrmikroskopischerBefundbei einerOtitisexterna mit Pilzbeteiligung.(© O.Michel,aus:[7], mit freundl. Genehmigung) akute Otitis media mit sekundärer Otitis externa ebenfalls in Be- tracht kommt. Es zeigt sich eine Schmerzprogredienz bei Druck auf den Tragus und beim Kauen. Bei Pilzinfektionen imponiert ein weißlicher bis dunkelbräunlicher Belag im Gehörgang (Abb. 3). Ein Abstrich erleichtert ggf. die gezielte Therapie, erfolgt normaler- weise jedoch erst bei Therapieresistenz. Sollte zudem der klinische Verdacht auf eine Otitis media bestehen, dann sollte eine endos- kopische Untersuchung des Nasopharynx zum Ausschluss einer Verlegung des Tubenwulstes erfolgen und die Therapie um die Förderung der Tubenventilation mittels eines abschwellenden Nasensprays sowie eines intensivierten Tubenventilationstrai- nings (Toynbee- oder Valsalva-Manöver) ergänzt werden. Zudem sollte orientierend ein Weber-Test mit der Stimmgabel erfolgen. Die typischerweise im Rahmen der akuten Otitis externa und auch einer unkomplizierten Otitis media vorliegende Schallleitungs- hörminderung führt zu einer Lateralisierung in das betroffene Ohr. Sollte sich eine Lateralisierung des Weber-Tests in das „gesun- de“ kontralaterale Ohr zeigen, so ist stets eine sofortige erweitere HNO-ärztliche Abklärung einschließlich audiometrischer Diagnos- tik indiziert. Differenzialdiagnosen. Eine Mittelohrentzündung, eine Otitis externa maligna oder ein Gehörgangskarzinom sind auszuschlie- ßen. Therapie. Die subtile Reinigung des äußeren Gehörgangs mit H2O2-Lösung (3%) und die tägliche Streifeneinlage sind wich- tige Maßnahmen. Die Streifenbehandlung wird mit Salbe (z.B. Fluocinolonacetonid/Neomycin, off-label-use) oder kortison- bzw. ciprofloxacinhaltigen Lösungen durchgeführt. Nach Abschwellen des Gehörgangs sollte auf Streifen verzichtet und auf antibiotika- haltige Lösungen ggf. in Kombination mit topischen Steroiden HNO 3
  • 4. CME umgestellt werden. Die Therapie erfolgt für mindestens eine Wo- che. Bei einer Beteiligung von Pilzen sollten zusätzlich antimykoti- sche Präparate (z.B. Clotrimazol-Lösung) verwendet werden. Eine systemische Antibiotikatherapie ist bei einer akuten Otitis externa nicht indiziert. Bei Diabetespatienten und Therapieresistenz sollte dies jedoch erwogen werden. In diesen Fällen kann eine frühzeitige, hochdosierte systemische antibiotische Therapie ggf. das Fortschreiten hin zu einer chronischen oder nekrotisierenden Form verhindern. Dennoch ist die Indikation stets kritisch zu disku- tieren, da im Rahmen der hochdosierten antibiotischen Therapie, insbesondere bei Nachweis von Pseudomonas-aeruginosa-Spezies, die Entstehung von Resistenzen häufig ist. Akute lokalisierte Otitis externa Bei der akuten lokalen Otitis externa handelt es sich um eine Entzündung mit Einschmelzung im Bereich der Haarfollikel des äußeren Gehörgangs im Sinne eines Gehörgangsfurunkels. Er- reger ist typischerweise Staphylococcus aureus. Klinik. Starke Ohrenschmerzen sowie eine durch die Schwellung bedingte Schallleitungsschwerhörigkeit sind Leitsymptome. Diagnose. Die Inspektion des äußeren Gehörgangs ergibt eine putride Pustel mit perifokaler Rötung und Schwellung. Differenzialdiagnosen. Eine akute diffuse Otitis externa oder ei- ne Mittelohrentzündung sind Differenzialdiagnosen. Therapie. Nach abschwellenden Maßnahmen mittels Streifen- einlage erfolgt zur Drainage des putriden Sekrets eine Inzision mittels Skalpell oder großvolumiger Kanüle und ggf. ergänzen- der, stumpfer Spaltung mittels eines Klemmchens. Dieses wird von den meisten Patienten nach Oberflächenanästhesie durch z.B. Kältespray toleriert. Bei ausgeprägter Berührungsempfindlichkeit kann eine Lokalanästhesie, z.B. mit Articain in Kombination mit Epinephrin, von retroaurikulär erforderlich sein. Bei (Klein-)Kindern sollte großzügig die Entlastung in einer kurzen Sedierung oder Maskennarkose erwogen werden. Chronische Otitis externa Die chronische und die chronisch rezidivierende Otitis externa ent- stehen häufig auf dem Boden einer seborrhoischen Dermatitis, eines Diabetes mellitus, einer Sensibilisierung gegen Waschmittel sowie einer chronischen Mittelohrentzündung. Klinik. Im Vordergrund der Symptomatik steht ein Juckreiz im be- troffenen Gehörgang. Zudem können bei einer akuten Exazerbati- on auch sämtliche Symptome einer akuten, diffusen Otitis externa hinzutreten. Diagnose. Bei der Ohrmikroskopie zeigt sich häufig eine sebor- rhoische Schuppung sowie eine Rötung der Gehörgangshaut. Bei einer akuten Exazerbation kommen eine Schwellung und Sezernie- rung hinzu. Eine Allergietestung sowie die Untersuchung auf Dia- betes mellitus sollten durchgeführt werden. Zudem müssen eine Trommelfellperforation und chronische Mittelohrentzündung aus- geschlossen werden. Differenzialdiagnosen. Eine Otitis externa maligna, ein Gehör- gangscholesteatom oder -karzinom müssen differenzialdiagnos- tisch in Betracht gezogen werden. Insbesondere bei ipsi-, selten kontralateral vergrößerten zervikalen Lymphknoten, welche so- nographisch malignitätssuspekt erscheinen, sollte frühzeitig das seltene Gehörgangskarzinom in Betracht gezogen werden. Typi- sche Kriterien sind hier eine rundliche Konfiguration, ein fehlender Hilus sowie ein diffuses Durchblutungsmuster in der Dopplersono- graphie. Ein Kurzdurchmesser von mehr als einem Zentimeter stellt nur ein weiches Kriterium dar, da eine solche Vergrößerung der zer- vikalen Lymphknoten, insbesondere im Kieferwinkel beim deutlich häufigeren entzündlichen Prozess, typisch ist. Eine Probebiopsie aus dem Gehörgang, welche meist gut in Lokalanästhesie erfolgen kann, ist zur histologischen Sicherung eines Gehörgangskarzinoms indiziert. Therapie. Die Therapie der chronischen Gehörgangsentzündung gestaltet sich häufig schwierig und langwierig. Im Vordergrund steht eine trocknende Gehörgangspflege (z.B. Föhnen in Rich- tung der nach hinten oben gezogenen Ohrmuschel nach dem Duschen oder Baden). Außerdem wird die Regulation des pH- Werts der Gehörgangshaut (z.B. essigsaure Tropfen 0,5%) emp- fohlen. Gute Therapieerfolge konnten auch mit Tacrolimus-Sal- be 0,03% erzielt werden. Bei ekzematösen Veränderungen und Therapieresistenz kann das vorübergehende Einbringen von to- pischen Steroiden (z.B. triamcinolonacetonidhaltige Creme) eine wirksame Ergänzung der bekannten Therapiemaßnahmen darstel- len. Ein schlecht eingestellter oder neu diagnostizierter Diabetes mellitus muss behandelt, eine chronische Trommelfellperforation verschlossen werden. Im Rahmen der Heilung einer Otitis externa chronica kann es zu einem Blunting mit konsekutiver Schalllei- tungsschwerhörigkeit kommen. Diese muss dringend operativ ver- sorgt werden. Bei Patienten mit Zeichen einer chronisch trockenen, ekzematösen Gehörgangshaut sollte nach Abheilung der akuten Entzündung eine dauerhafte, rückfettende Gehörgangspflege durchgeführtwerden. Hierzu könnenu.a. 1–2 Tropfenhandelsübli- ches Olivenöl 2-bis 3-mal pro WocheindenGehörgangeingetropft werden. Maligne, nekrotisierende Otitis externa BeiDiabetespatienten oder immungeschwächtenPatienten, ins- besondere nach Organtransplantation oder unter laufender bzw. kürzlich stattgehabter Chemotherapie, kann eine nekrotisierende GehörgangsentzündungalsKomplikationeinerakutenOtitisexter- na auftreten. Die Otitis externa maligna stellt eine Osteomyelitis mit Ausbreitung entlang der Otobasis und möglichem Übergrei- fen auf Hirnnerven dar. Als Erreger liegt meistens Pseudomonas aeruginosa vor. Klinik. Leitsymptome sind starke Schmerzen, eine fötide Sekreti- on aus dem Gehörgang, Granulationen im Gehörgang, frühzeitige 4 HNO
  • 5. CME Abb. 4 8 OhrmikroskopischerBefundeinerlokalen akutenOtitisexter- na mit dem klinischen Bildeines Gehörgangsfurunkels.(© O.Michel,mit freundl.Genehmigung) Ausfälle von Hirnnerven, insbesondere des N. facialis, sowie ein oft reduzierter Allgemeinzustand. Da bei ausgeprägten Befunden eine meningeale Beteiligung möglich ist, sollten stets im Rahmen der klinischenUntersuchungauchdietypischenMeningitiszeichenwie Nackensteifigkeit, Schmerzen beim Bewegen des Kopfes, Lichtem- pfindlichkeit und Fieber berücksichtigt werden. Diagnose. Neben der Anamnese ist die Gehörgangsinspektion wegweisend. Es zeigen sich häufig Granulationen mit freiliegen- dem Knochen im Bereich des Gehörgangs. Das Blutzuckerta- gesprofil und der HbA1c-Wert weisen auf einen schlecht einge- stellten Diabetes hin. Bei Verdacht auf eine Osteomyelitis sollte eine hochauflösende Computertomographie (CT) des Felsen- beins angefertigt werden, welche im Fall einer nekrotisierenden Otitis Osteolysen zeigt. Bei Vorliegen von Osteolysen sollte eine ergänzende Knochenszintigraphie der Schädelbasis erfolgen, die den klinischen und CT-morphologischen Verdacht auf eine Os- teomyelitis beweisen oder ausschließen kann. Bei Nachweis einer Osteomyelitis sollte im Verlauf bei primär konservativem Thera- pieversuch der Knochenbefall sowohl szintigraphisch als auch CT- morphologisch kontrolliert werden (Abb. 4, 5 und 6). Eine Probe- entnahme sowie ein Keimnachweis dient dem Ausschluss eines Gehörgangsmalignoms. Eine Hörprüfung, eine Gleichgewichts- untersuchung und eine Funktionsprüfung des N. facialis und N. trigeminus komplettieren die Untersuchung. Sollte sich der Verdacht auf einen begleitenden Meningismus zeigen, so ist eine umgehende neurologische Mitbeurteilung, ggf. einschließlich Durchführung einer Lumbalpunktion, notwendig. Abb. 5 8 Nachweis einerfortgeschrittenen Destruktion des knöchernen Gehörgangs(rotePfeile)beieinemPatientenmiteinerOtitisexternamaligna in derComputertomographie derFelsenbeine Abb. 6 8 KnochenszintigraphiemitNachweiseineOsteomyelitisimBereich derlinken Schädelbasis (roterPfeil)bei Otitis externa necroticans Differenzialdiagnosen. Differenzialdiagnostisch sind insbeson- dere ein Gehörgangskarzinom und ein Gehörgangscholesteatom zu berücksichtigen. Therapie. Neben der Behandlung eines zugrunde liegenden Dia- betes mellitus und der täglichen subtilen Gehörgangsreinigung, ggf.mitKürettagederGranulationen,stehteinelangfristigehoch- dosierte Antibiotikatherapie über mindestens 6 Wochen im Mittelpunkt der Behandlung. Diese sollte erregergerecht mit ei- HNO 5
  • 6. CME Tab. 2 Antibiotikatherapie derOtitisexterna maligna 1. Wahl Ciprofloxacin (3× 400mg i.v. bzw. 2× 750mg p.o.) 2. Wahl Piperacillin (3× 4g i.v.)± Aminoglykosid-Antibiotikum 3. Wahl Meropenem (3× 1g i.v.)± Aminoglykosid-Antibiotikum nem pseudomonasempfindlichen Präparat erfolgen (Tab. 2; [5]). Wöchentliche Abstriche lassen rechtzeitig eine Resistenz der Erreger gegen das applizierte Antibiotikum erkennen und ermögli- chen eine antibiogrammgerechte Umstellung, falls nötig. Bei Per- sistenz der Entzündung sowie klinisch, knochenszintigraphisch oder computertomographisch erkennbarer Progredienz der Er- krankung trotz ausreichender konservativer Maßnahmen ist die operative Sanierung in Abhängigkeit vom Ausmaß der entzünd- lichen Infiltration durch begrenztes Ausbohren des erkrankten Knochenbezirks bis hin zu einer Ohrradikaloperation und la- teraler Petrosektomie indiziert. Bei sehr ausgeprägten Befunden, u.a. bei initial bereits bestehender meningealer Beteiligung, sollte die Indikation zur umgehenden operativen Sanierung großzügig gestellt werden. Der operative Zugang erfolgt hier typischerwei- se von retroaurikulär. Bei ausgedehnter knöcherner Destruktion der Laterobasis in der präoperativen Bildgebung mit Verdacht auf eine meningeale Beteiligung sollte ein interdisziplinäres opera- tives Konzept zusammen mit den neurochirurgischen Kollegen erarbeitet werden. Fazit für die Praxis 5 Zunächststeht die Gehörgangspflege und topische medikamentöse Therapie der akuten Otitis externa im Vordergrund. 5 Bei Patienten, die unter rezidivierender oder chronischer Otitis ex- terna leiden, sollte stets ein neu aufgetretener oder insuffizient be- handelter Diabetes mellitus ausgeschlossen werden. 5 Bei Verdacht auf eine maligne Otitis externa sollte die weitere Diag- nostik und der Beginn einer hochdosierten antibiotischen Therapie zügig erfolgen. 5 Bei Therapieresistenz muss differenzialdiagnostisch stets ein Gehör- gangskarzinom in Erwägung gezogen werden. 5 Bis auf den Fall einer unkompliziert verlaufenden akuten diffusen Otitis externa empfiehlt es sich stets, einen HNO-ärztlichen Facharzt konsiliarisch hinzuzuziehen. Korrespondenzadresse Dr. med. Florian Simon Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, LMU Klinikum Marchioninistr. 15, 81377 München, Deutschland florian.simon@med.uni-muenchen.de Einhaltung ethischer Richtlinien Interessenkonflikt. GemäßdenRichtliniendesSpringerMedizinVerlagswerden AutorenundWissenschaftlicheLeitungimRahmenderManuskripterstellungund Manuskriptfreigabeaufgefordert,einevollständigeErklärungzuihrenfinanziellen undnichtfinanziellenInteressenabzugeben. Autoren. F. Simon:A.FinanzielleInteressen:Forschungsförderungzurpersönlichen Verfügung:FörderprogrammfürForschungundLehre(FöFoLe),Ludwigs-Maximilian- Universität(LMU)München,Friedrich-Baur-Stiftung,Ludwigs-Maximilian-Universität München.–B.NichtfinanzielleInteressen:AngestellterHNO-Arzt,KlinikundPoliklinik fürHNO-Heilkunde,LMUKlinikumMünchen|Mitgliedschaft:DeutscheGesellschaft fürHNO-Heilkunde,Kopf-Hals-Chirurgie. Wissenschaftliche Leitung. DievollständigeErklärungzumInteressenkonfliktder WissenschaftlichenLeitungfindenSieamKursderzertifiziertenFortbildungaufwww. springermedizin.de/cme. Der Verlag erklärt,dassfürdiePublikationdieserCME-FortbildungkeineSponsoren- gelderandenVerlagfließen. FürdiesenBeitragwurdenvondenAutorenkeineStudienanMenschenoderTieren durchgeführt.FürdieaufgeführtenStudiengeltendiejeweilsdortangegebenen ethischenRichtlinien. Literatur 1. AWMF-Leitlinie Ohrenschmerzen (S2k). https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ ll/053-009.html(zuletztabgerufenam10.Juni2020). 2. Kühlein (2008) Kontinuierliche Morbiditätsregistrierung in der Hausarztpraxis (CONTENT-Daten).Urban&Vogel,München 3. HajioffMK(2015)Otitisexterna.BMJClinEvid15:510 4. Neheretal(2004)Acuteotitisexterna:efficacyandtolerabilityofN-chlorotaurine, anovelendogenousantisepticagent.Laryngoscope114(5):850–854 5. AWMF-LeitlinieAntibiotikatherapiederInfektionenanKopfundHals(S2).https:// www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/017-066.html (zuletzt abgerufen am 10. Juni 2020). 6. Lumassegger M, Nagl M, Pototschnig C et al (2010) Therapieresistente Otitis externa mit zusätzlicher Trommelfellperforation. HNO 58:927–930. https://doi. org/10.1007/s00106-010-2082-1 7. MichelO(2017)Otitisexternagezieltbehandeln.CME14:9–17.https://doi.org/10. 1007/s11298-017-5980-7 6 HNO
  • 7. CME-Fragebogen Zu den Kursen dieser Zeitschrift: Scannen Sie den QR-Code oder gehen Sie auf www.springermedizin.de/kurse-hno-zeitschrift Diagnostik und Behandlung der Otitis externa ? Welcher ist der häufigste Erreger einer akuten diffusen Otitis externa? ◯ Escherichia coli ◯ Pseudomonas aeruginosa ◯ Pilze ◯ Coronaviren ◯ Proteus mirabilis ? Es kommt ein 76-jähriger Patient in Ihre Praxis, den Sie bereits seit vielen Jahren wegen mehrerer internistischer Diagnosen betreuen. Aktuell berichtet Ihnen der Patient, dass er seit knapp 4 Wochen unter rechtsseitigen Ohren- schmerzen sowie einer Hörminderung leide. In der Apotheke habe er nach Schilderung der Beschwerden bereits Ohrentropfen erhalten, die vorüberge- hend etwas Besserung gebracht hät- ten. Seit 3 Tagen habe er nun jedoch auch eine einseitige leichte Lähmung des Gesichts bemerkt, weshalb er nun doch etwas Sorge vor „etwas Schlim- merem“ habe. Welche der folgenden Erkrankungen könnte am ehesten die Beschwerden erklären? ◯ Akute diffuse Otitis externa ◯ Chronische Otitis externa ◯ Nekrotisierende Otitis externa ◯ Akute lokalisierte Otitis externa ◯ Chronische Otitis media mesotympanalis ? Welche internistische Erkrankung ist prädisponiert für die Entwicklung ei- ner Otitis externa necroticans? ◯ Arterielle Hypertonie ◯ Adipositas ◯ Herzinsuffizienz ◯ Gastroösophageale Refluxkrankheit ◯ Diabetes mellitus ? Ihnen wurde ein Patient mit einer nekrotisierenden Otitis externa zur stationären Weiterbehandlung zuge- wiesen. Die Diagnose wurde durch den niedergelassenen Kollegen in Zu- sammenschau der klinischen Befunde einer chronischen Otitis externa sowie einer Computertomographie (CT) der Schädelbasis, welche knöcherne Arro- sionen auf der betroffenen Seite zeigt, gestellt. Sie möchten nun ergänzend abklären, ob bei Nachweis einer knö- chernen Affektion in der CT eine Os- teomyelitis der Schädelbasis vorliegt. Welche Untersuchung veranlassen Sie für die weitere Abklärung? ◯ Magnetresonanztomographie (MRT) ◯ Knochenszintigraphie ◯ Sonographie ◯ Feinnadelaspiration ◯ Elastographie ? Welche der folgenden Erkrankungen stellt eine Differenzialdiagnose der chronischen Otitis externa dar? ◯ Akute lokalisierte Otitis externa ◯ Gehörgangsexostosen ◯ Akustikusneurinom ◯ Otosklerose ◯ Gehörgangskarzinom ? Welche Form der Otitis externa liegt am ehesten vor, wenn sich, bei sonst gesundem Patienten, zusätzlich zur Symptomatik im Gehörgang eine ipsi- laterale Fazialisparese zeigt? ◯ Nekrotisierende Otitis externa ◯ Diffuse akute Otitis externa ◯ Chronisch-rezidivierendeOtitis externa ◯ Lokalisierte akute Otitis externa ◯ Seborrhoische Otitis externa Informationen zur zertifizierten Fortbildung Diese Fortbildung wurde von der Ärztekammer Nordrhein für das „Fortbildungszertifikat der Ärztekammer“ gemäß § 5 ihrer Fortbildungsordnung mit 3 Punkten (Kategorie D) anerkannt und ist damit auch für andere Ärztekammern anerkennungsfähig. Anerkennung in Österreich: Für das Diplom-Fortbildungs-Programm (DFP) werden die von deutschen Landesärztekammern anerkannten Fortbildungspunkte aufgrund der Gleichwertigkeit im gleichen Umfang als DFP-Punkte anerkannt (§ 14, Abschnitt 1, Verordnung über ärztliche Fortbildung, Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) 2013). Hinweise zur Teilnahme: – Die Teilnahme an dem zertifi- zierten Kurs ist nur online auf www.springermedizin.de/cmemöglich. – Der Teilnahmezeitraum beträgt 12 Monate. Den Teilnahmeschluss finden Sie online beim Kurs. – Die Fragen und ihre zugehörigen Antwortmöglichkeiten werden online in zufälliger Reihenfolge zusammengestellt. – Pro Frage ist jeweils nur eine Antwort zutreffend. – Für eine erfolgreiche Teilnahme müssen 70% der Fragen richtig beantwortet werden. – Teilnehmen können Abonnenten dieser Fachzeitschrift und e.Med- und e.Dent-Abonnenten. Online teilnehmen unter www.springermedizin.de/cme HNO 7
  • 8. CME-Fragebogen ? Ein 69-jähriger Patient stellt sich in Ihrer Sprechstunde mit zunehmender Hörminderung vor. Neben einer ge- ringen Otorrhoe beklagt der Patient lediglich ein leichtes Völlegefühl. Der Patient wurde seit 6 Wochen mit anti- biotischen Tropfen durch den Hausarzt behandelt, ohne Besserung. Ohrmi- kroskopisch sehen Sie eine den Gehör- gang subtotal verlegende granulie- rende Raumforderung. Zudem tasten sich geschwollene Halslymphknoten ipsilateral. Welches weitere Vorgehen ist am ehesten zielführend? ◯ Triamcinolonacetonid-haltige Creme ◯ Entnahme einer Probeexzision ◯ Systemische Glukokortikoide per os ◯ Gehörgangserweiterungsplastik ◯ Antimykotische Therapie ? Welcher ist der häufigste Erreger einer akuten lokalen Otitis externa? ◯ Escherichia coli ◯ Enterokokken ◯ Influenzaviren ◯ Streptokokken ◯ Staphylococcus aureus ? Was ist ein typischer, prädisponieren- der Faktor für die Entwicklung einer Otitis externa chronica? ◯ Piercing der Ohrmuschel ◯ Traumatische Gehörgangsverletzung ◯ Sensibilisierung gegenüber Waschmitteln ◯ Morbus Addison ◯ Chronische Tubenventilationsstörung ? Bei Ihnen stellt sich ein junger Patient vor, der seit 3 Tagen unter einseitigen Ohrenschmerzen leidet. Die letzten Tage habe er bei sommerlichen Tem- peraturen mit Freunden am Badesee verbracht. Nun seien die Schmerzen jedoch so schlimm, dass er dringend Hilfe benötige. Bereits aufgrund der Anamnese hegen Sie den Verdacht, dass es sich um eine sog. Badeotitis handeln könnte. Welches Zeichen wä- re bei der klinischen Untersuchung typisch für diese Verdachtsdiagnose? ◯ Kieferhöhlenklopfschmerz ◯ Mastoidklopfschmerz ◯ Tragusdruckschmerz ◯ Druckschmerz der Helix ◯ Klopfschmerz temporal 8 HNO Online teilnehmen unter www.springermedizin.de/cme