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Reisebericht
40 | swiss-cuisine | Mai 2013
Der in der Winzerküche zubereitete Lunch mit örtlichen Spezialitäten w
«Sun, gras, dust». In einem der trockensten Gebiete der Welt
wird Wein angebaut. Dies im Südwesten Afrikas, in Namibia.
Das Land ist mit elf ethnischen Gruppen ein afrikanischer
Vielvölkerstaat. Auf riesigen Farmen werden primär Rinder
gezüchtet. Auf nur 20 Prozent des Landes können sich
Menschen im Einklang mit dem kargen und trockenen
Umfeld ansiedeln. Namibia, abgeleitet von der Wüste
«Namib» ist mit 2,1 Millionen eines der am extrem niedrig
besiedelten Länder.
Text und Fotos Roland Bieri,
mail@bi-com.ch
Der Staat ist eine ehemalige
deutsche Kolonie, deshalb der
deutschabstammende Name
der prosperierenden und ers-
ten Winery des Landes in Oma-
ruru, auf der Höhe der Kalahari
Desert: «Kristall Kellerei». Die
engagierte Winzerin Katrin
Weder erwartet uns unter dem
Torbogen und führt uns durch
die angrenzenden Weinfelder.
Das Ehepaar hat die Distillerie,
die sich auf Brandy speziali-
siert hatte, im Jahre 2008
gekauft. In den letzten fünf
Jahren konnte das Gut zu einer
kleinen Winery ausgebaut wer-
den. Dabei kann man sich auf
kein Know-how beziehen,
denn niemand kann einen Rat
geben, alles muss selbst ausge-
testet werden. Denn die Traube
ist hier immer «in den Startlö-
chern» und kommt nie zur
Ruhe. Nachts hat es Tempera-
turen wie im Winter, bis zu
minus 6 Grad, und tagsüber bis
zu 28 Grad. Demzufolge ist die
Traubenwahl von grosser
Wichtigkeit. Das Gut liegt
direkt am Trockenfluss des
Omaruru’s, der Wasser in wei-
ter Tiefe sammelt. Doch die
letzte wie die aktuelle Saison
ist ausgesprochen wasserarm.
Gerechnet wird im Normalfall
mit 280 mm pro Jahr, zur Zeit
sind es lediglich 90 mm. Die
Trockenheit ist übrigens zur
Zeit (März 2013) im ganzen
Land prekär spürbar.
Traubenlese Januar bis
März
Gestartet wurde mit der weis-
sen Colombard-Traube aus der
Region Cognac, die ausgespro-
chen resistent ist. Zufrieden
sind die Winzer auch mit der
Tinta Barocca, die unter ande-
rem für den Portwein in Portu-
gal Verwendung findet und
sich im trockenen Gebiet wohl
fühlt, da sie sich mit der Hitze
gut zurecht findet. Versuche
laufen zur Zeit mit der Malbec-
Traube, die sich in Argentinien
sehr erfolgreich entwickelt hat.
Denn wie gesagt, es muss alles
in eigener Regie mühsam
recherchiert werden. Geerntet
wird im Sommer/anfangs
Herbst, in den Monaten Januar
bis März. Deshalb die lange
Ernte, da die diversen Rebsor-
ten nicht zur selben Zeit reif
sind und «dank» Regenmangel
die Arbeit nicht so hektisch
erledigt werden muss.
Der Anbau erfolgt biolo-
gisch, die Produktion beträgt
im Moment 2‘500 Flaschen
Weiss- und 1‘200 Flaschen Rot-
wein. Das Unternehmensziel
ist es, die Anzahl Flaschen
innert kurzer Zeit um das Dop-
pelte zu erhöhen und demzu-
folge die Fläche auf fünf Hek-
taren auszubauen. Doch ist
dabei immer das Wasserpro-
blem im Auge zu halten. Spritz-
mittel werden in dieser war-
men und trockenen Klimazone
so gut wie nicht benötigt.
Dafür macht die nächtliche
Kälte und der Frost am Fluss-
ufer zu schaffen. Um dem ent-
gegen zu wirken, wird mittels
rund sechzig leeren Ölfässern
das Holz des Kameldornbau-
mes, der Baum Afrikas, zur
Glut entfacht. Auf die Holz-
kohle kommt getrockneter
Dung von Rindern und Pfer-
den. So bilden sich dunkel auf-
steigende Wolken, die sich
schützend über die Rebfelder
legen.
Auch Spirituosen werden
erzeugt
Der Absatz erfolgt über den
Direktverkauf sowie Lieferung
an wenige Lodges und Restau-
rants. Ein willkommener
Kunde ist das renommierte
Restaurant Gathemann in der
drei Stunden auf Schotterstras-
sen erreichbaren Hauptstadt
WEIN AUS DER
SANDWÜSTE
Mai 2013 | swiss-cuisine| 41
wie Trockenfleisch vom Zebra Ein unfiltrierter Cuvé Ruby Cabernet/Cabernet Sauvignon/Tinta Barocca, 12%
Windhoek, dessen Besitzer Urs
Gamma Schweizer Konsul ist.
Da die Quantität noch klein ist
und der Bedarf gross, setzt das
Winzerpaar notgedrungen auf
die clevere Marketingidee,
ihren Wein lediglich in 5dl-Fla-
schen abzufüllen, damit meh-
rere Kunden mit den raren
Spezialitäten erfreut werden
können.
Doch nicht nur Wein ist das
Erzeugnis des Hauses, sondern
exklusive Destillate kommen
aus dem Keller, wie der Matisa-
Schnaps (Kaktusfeige) und
Lumela (Affen-Orange –
Strychnios cocculoides), deren
Geschmack zwischen dem
einer Orange und einer
Banane liegt. Wenn man das
karge, jedoch facettenreiche,
farbenfrohe Namibia bereist,
so kann man sich nicht vorstel-
len, dass sich in diesem Wüs-
tenland Wein kultivieren lässt.
Doch dies ist lediglich mit
einer immensen Leidenschaft
und grossem Engagement
möglich. Hoffen wir, dass das
Winzerpaar dies in eigener
Regie und ohne irgendwelche
externe Fachberatung errei-
chen kann. Und dass sich wei-
terhin begeisterte Gäste, pri-
mär Touristen, von der
Gastfreundschaft verwöhnen
lassen. Denn wie auf den
Weingütern Südafrikas üblich,
werden auch bei Weders zur
Weindegustation kreative
leichte Lunches serviert. Und
noch eine Eigenheit: Zur Pro-
duktepalette gehört ebenfalls
ein Grappa. Doch da das Ehe-
paar Weder einem möglichen
rechtlichen Problem mit Italien
aus dem Wege gehen wollte,
benennen sie ihr Produkt ganz
einfach mit «Nappa».
Das Winzerpaar Micheal und Katrin Weder verabschiedet sich unter dem Torbogen des ersten Weinguts
in Namibia

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Reisebericht von Roland Bieri

  • 1. Reisebericht 40 | swiss-cuisine | Mai 2013 Der in der Winzerküche zubereitete Lunch mit örtlichen Spezialitäten w «Sun, gras, dust». In einem der trockensten Gebiete der Welt wird Wein angebaut. Dies im Südwesten Afrikas, in Namibia. Das Land ist mit elf ethnischen Gruppen ein afrikanischer Vielvölkerstaat. Auf riesigen Farmen werden primär Rinder gezüchtet. Auf nur 20 Prozent des Landes können sich Menschen im Einklang mit dem kargen und trockenen Umfeld ansiedeln. Namibia, abgeleitet von der Wüste «Namib» ist mit 2,1 Millionen eines der am extrem niedrig besiedelten Länder. Text und Fotos Roland Bieri, mail@bi-com.ch Der Staat ist eine ehemalige deutsche Kolonie, deshalb der deutschabstammende Name der prosperierenden und ers- ten Winery des Landes in Oma- ruru, auf der Höhe der Kalahari Desert: «Kristall Kellerei». Die engagierte Winzerin Katrin Weder erwartet uns unter dem Torbogen und führt uns durch die angrenzenden Weinfelder. Das Ehepaar hat die Distillerie, die sich auf Brandy speziali- siert hatte, im Jahre 2008 gekauft. In den letzten fünf Jahren konnte das Gut zu einer kleinen Winery ausgebaut wer- den. Dabei kann man sich auf kein Know-how beziehen, denn niemand kann einen Rat geben, alles muss selbst ausge- testet werden. Denn die Traube ist hier immer «in den Startlö- chern» und kommt nie zur Ruhe. Nachts hat es Tempera- turen wie im Winter, bis zu minus 6 Grad, und tagsüber bis zu 28 Grad. Demzufolge ist die Traubenwahl von grosser Wichtigkeit. Das Gut liegt direkt am Trockenfluss des Omaruru’s, der Wasser in wei- ter Tiefe sammelt. Doch die letzte wie die aktuelle Saison ist ausgesprochen wasserarm. Gerechnet wird im Normalfall mit 280 mm pro Jahr, zur Zeit sind es lediglich 90 mm. Die Trockenheit ist übrigens zur Zeit (März 2013) im ganzen Land prekär spürbar. Traubenlese Januar bis März Gestartet wurde mit der weis- sen Colombard-Traube aus der Region Cognac, die ausgespro- chen resistent ist. Zufrieden sind die Winzer auch mit der Tinta Barocca, die unter ande- rem für den Portwein in Portu- gal Verwendung findet und sich im trockenen Gebiet wohl fühlt, da sie sich mit der Hitze gut zurecht findet. Versuche laufen zur Zeit mit der Malbec- Traube, die sich in Argentinien sehr erfolgreich entwickelt hat. Denn wie gesagt, es muss alles in eigener Regie mühsam recherchiert werden. Geerntet wird im Sommer/anfangs Herbst, in den Monaten Januar bis März. Deshalb die lange Ernte, da die diversen Rebsor- ten nicht zur selben Zeit reif sind und «dank» Regenmangel die Arbeit nicht so hektisch erledigt werden muss. Der Anbau erfolgt biolo- gisch, die Produktion beträgt im Moment 2‘500 Flaschen Weiss- und 1‘200 Flaschen Rot- wein. Das Unternehmensziel ist es, die Anzahl Flaschen innert kurzer Zeit um das Dop- pelte zu erhöhen und demzu- folge die Fläche auf fünf Hek- taren auszubauen. Doch ist dabei immer das Wasserpro- blem im Auge zu halten. Spritz- mittel werden in dieser war- men und trockenen Klimazone so gut wie nicht benötigt. Dafür macht die nächtliche Kälte und der Frost am Fluss- ufer zu schaffen. Um dem ent- gegen zu wirken, wird mittels rund sechzig leeren Ölfässern das Holz des Kameldornbau- mes, der Baum Afrikas, zur Glut entfacht. Auf die Holz- kohle kommt getrockneter Dung von Rindern und Pfer- den. So bilden sich dunkel auf- steigende Wolken, die sich schützend über die Rebfelder legen. Auch Spirituosen werden erzeugt Der Absatz erfolgt über den Direktverkauf sowie Lieferung an wenige Lodges und Restau- rants. Ein willkommener Kunde ist das renommierte Restaurant Gathemann in der drei Stunden auf Schotterstras- sen erreichbaren Hauptstadt WEIN AUS DER SANDWÜSTE
  • 2. Mai 2013 | swiss-cuisine| 41 wie Trockenfleisch vom Zebra Ein unfiltrierter Cuvé Ruby Cabernet/Cabernet Sauvignon/Tinta Barocca, 12% Windhoek, dessen Besitzer Urs Gamma Schweizer Konsul ist. Da die Quantität noch klein ist und der Bedarf gross, setzt das Winzerpaar notgedrungen auf die clevere Marketingidee, ihren Wein lediglich in 5dl-Fla- schen abzufüllen, damit meh- rere Kunden mit den raren Spezialitäten erfreut werden können. Doch nicht nur Wein ist das Erzeugnis des Hauses, sondern exklusive Destillate kommen aus dem Keller, wie der Matisa- Schnaps (Kaktusfeige) und Lumela (Affen-Orange – Strychnios cocculoides), deren Geschmack zwischen dem einer Orange und einer Banane liegt. Wenn man das karge, jedoch facettenreiche, farbenfrohe Namibia bereist, so kann man sich nicht vorstel- len, dass sich in diesem Wüs- tenland Wein kultivieren lässt. Doch dies ist lediglich mit einer immensen Leidenschaft und grossem Engagement möglich. Hoffen wir, dass das Winzerpaar dies in eigener Regie und ohne irgendwelche externe Fachberatung errei- chen kann. Und dass sich wei- terhin begeisterte Gäste, pri- mär Touristen, von der Gastfreundschaft verwöhnen lassen. Denn wie auf den Weingütern Südafrikas üblich, werden auch bei Weders zur Weindegustation kreative leichte Lunches serviert. Und noch eine Eigenheit: Zur Pro- duktepalette gehört ebenfalls ein Grappa. Doch da das Ehe- paar Weder einem möglichen rechtlichen Problem mit Italien aus dem Wege gehen wollte, benennen sie ihr Produkt ganz einfach mit «Nappa». Das Winzerpaar Micheal und Katrin Weder verabschiedet sich unter dem Torbogen des ersten Weinguts in Namibia