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Dr. Ulrich Schoof
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„Nachhaltig
Wirtschaften“
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felbermayr@ifo.de
PolicyBrief#2015/03
Lohnungleichheit in
Deutschland – Welche Rolle
spielt der Handel?
Seit Mitte der 1990er Jahre nimmt die Lohnungleichheit in
Deutschland deutlich zu. Eine häufig genannte Ursache da-
für ist die Intensivierung der internationalen Handelsbezie-
hungen. Tatsächlich aber zeigt eine empirische Untersu-
chung, dass der internationale Handel direkt nur rund 15
Prozent des Anstiegs der Lohnungleichheit in Deutschland
erklären kann. Wichtig hingegen ist die zunehmende Fir-
menheterogenität in Deutschland – vor allem innerhalb von
Branchen. Betriebsspezifischer Treiber der Lohnungleichheit
ist dabei vor allem der Rückgang der Tarifbindung. Eine hö-
here Lohngleichheit ist mit protektionistischen Maßnahmen
jedoch nicht zu erreichen.
Fokus
Seit Mitte der 1990er Jahre gibt es eine zu-
nehmende Lohnungleichheit in Deutsch-
land. So sind beispielsweise die realen
Bruttolöhne der in Vollzeit beschäftigten
Arbeitnehmer der 20 Prozent Beschäftig-
ten mit den höchsten Löhnen zwischen
1992 und 2010 um rund 2,5 Prozent ge-
stiegen. Beschäftigte am unteren Rand der
Bruttoeinkommen mussten hingegen Real-
lohnverluste hinnehmen.
02
ZukunftSozialeMarktwirtschaftPolicyBrief#2015/03
Die Kluft zwischen Arm und Reich ist in
den letzten drei Jahrzehnten gerade in vie-
len Industrienationen stetig angestiegen.
Dabei hat die Einkommensungleichheit in
nahezu allen entwickelten Gesellschaften
zugenommen. Dies bestätigte die Organisa-
tion für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung (OECD) zuletzt erneut in
einem Arbeitspapier, das sie im Dezember
2014 in Paris veröffentlichte (vgl. Cingano
2014). Laut OECD-Analyse verdienen die
reichsten 10 Prozent der Bevölkerung in
OECD Ländern heutzutage im Schnitt 9,5
Mal so viel wie die ärmsten 10 Prozent. Vor
30 Jahren lag das Verhältnis noch bei 7:1.
Auch in Deutschland hat sich die Einkom-
mensungleichheit demnach erhöht. Ver-
dienten die reichsten 10 Prozent in den
1980er Jahren noch 5 Mal so viel wie die
Ärmsten 10 Prozent, sind es heute 7 Mal so
viel. Obwohl Deutschland damit noch unter
dem OECD-Schnitt liegt, sollten Dynamik
und Geschwindigkeit der Zunahme alar-
mierend sein, da laut OECD-Analyse stei-
gende Ungleichheit einen negativen Ein-
fluss auf die gesamtwirtschaftliche Ent-
wicklung eines Landes hat. So hätte laut
OECD das Wirtschaftswachstum in
Deutschland zwischen 1990 und 2010 um
6 Prozentpunkte höher ausfallen können,
wenn die Einkommensverteilung gleichge-
blieben wäre.
Was sind also die Gründe, Erklärungen und
Einflussfaktoren für diese Entwicklung?
Hier herrscht Uneinigkeit. Die OECD bei-
spielsweise erklärt die von ihr identifizierte
Einkommensentwicklung vor allem damit,
dass der technische Fortschritt in Kombi-
nation mit der Globalisierung die Anforde-
rungen an die Qualifikationen der Beschäf-
tigten permanent erhöht hat. Gleichzeitig
können gering qualifizierte Tätigkeiten
durch den Einsatz von Maschinen ersetzt
werden. Beides hat zur Folge, dass der Be-
darf an qualifizierten Arbeitskräften zu-
nimmt, während die Nachfrage nach ge-
ring qualifizierten Personen abnimmt. Da-
mit steigt der Lohn für Hochqualifizierte,
während die Löhne für Geringqualifizierte
sinken bzw. weniger ansteigen als bei den
qualifizierten Arbeitskräften (vgl. OECD
2011, S. 22-40).
Die Einkommen zwischen qualifizierten
und gering oder nicht qualifizierten Ar-
beitskräften driften daher auseinander. Der
internationale Handel beschleunigt diesen
Prozess in den entwickelten Volkswirt-
schaften, wenn diese mit weniger entwi-
ckelten arbeitsreichen Ländern Handel
treiben: Die Produktion von Gütern, die
sich mit gering qualifizierten Arbeitskräf-
ten herstellen lassen, findet dann in den ar-
beitsreichen Schwellenländern statt, was
den Druck auf die Löhne der gering qualifi-
zierten Menschen in den Industrieländern
weiter erhöht.
Diese nach wie vor weit verbreitete Erklä-
rung leidet jedoch unter zwei gravierenden
Schwächen. Zum einen findet der interna-
tionale Handel nicht mehr nur zwischen
eng abgegrenzten Branchen statt, die sich
bezüglich ihrer Ausstattung mit qualifizier-
ten und unqualifizierten Arbeitskräften
und anderen Produktionsfaktoren unter-
scheiden. Industrieländer sind meist so-
wohl Exporteur als auch Importeur sehr
ähnlicher Güter. Zum anderen kommen
empirische Studien zu dem Schluss, dass
unterschiedliche Bildungs- bzw. Qualifika-
tionsniveaus in hoch entwickelten Ländern
wie Deutschland nur rund 20 Prozent der
existierenden Lohnungleichheiten erklä-
ren können. Vor dem Hintergrund dieser
empirischen Erkenntnisse stellt sich die
Frage, welchen Einfluss der globale bzw.
internationale Handel tatsächlich auf die
Lohnungleichheit hat. Dieser Frage gehen
wir hier für die Entwicklung der Lohnun-
gleichheit in Deutschland in den Jahren
zwischen 1985 und 2010 nach.
03
ZukunftSozialeMarktwirtschaftPolicyBrief#2015/03
1. Entwicklung: Deutlicher
Anstieg der Lohnungleich-
heit in Deutschland seit
1996
Die Entwicklung der Lohnungleichheit in
Deutschland untersuchen wir konkret an
der Dynamik der Ungleichheit bei den
Bruttoarbeitsentgelten aller sozialversiche-
rungspflichtigen Beschäftigten in Deutsch-
land. Die Auswahl dieser Bezugsgröße ist
unserer Ansicht nach gerechtfertigt, weil
das Bruttoarbeitseinkommen mit rund 75
Prozent des gesamten Einkommens den
mit Abstand größten Einkommensanteil in
Deutschland ausmacht und weil der inter-
nationale Handel über Veränderungen der
Produktionsstrukturen bei diesem Einkom-
menselement die größten unmittelbaren
Wirkungen hat.
Ein Blick auf die Entwicklung der Lohnun-
gleichheit in Deutschland zwischen den
Jahren 1985 und 2010 (aktuellere Daten la-
gen bei Abschluss der hier durchgeführten
Berechnungen nicht vor) zeigt, dass die
Lohnungleichheit zwischen 1985 und
1995 mehr oder weniger konstant war. Seit
1996 ist jedoch ein deutlicher Anstieg bei
der Lohnungleichheit zu erkennen. Dieser
schwächte sich zwar 2009 etwas ab, aber
schon 2010 erreichte die Ungleichheit wie-
der das Niveau des Jahres 2008. Zwar liegt
die Lohnungleichheit in Deutschland damit
insgesamt immer noch unter dem OECD-
Schnitt – wie auch die jüngste veröffent-
lichte OECD-Vergleichsstudie zeigt, die Ge-
schwindigkeit jedoch, mit der sie zunimmt,
ist beträchtlich und übertrifft die Dynamik
in Ländern wie den USA oder Großbritan-
nien.
Bei einer differenzierteren Betrachtung
zeigt sich, dass diese besondere Dynamik
mit einer unterschiedlichen Entwicklung
der oberen und der unteren Einkommens-
gruppen einherging: Während die Real-
löhne der 20 Prozent Beschäftigten mit den
höchsten Löhnen (das so genannte 80-Pro-
zent-Perzentil) seit Mitte der 1990er Jahre
deutlich gestiegen sind, mussten die 20
Prozent, die in Deutschland die geringsten
Bruttolöhne erzielen (das so genannte 20-
Prozent-Perzentil) sogar Reallohneinbußen
hinnehmen (siehe Fokusgrafik). Dies deu-
tet damit nicht auf eine Lohnpolarisierung
hin (d. h. einer Schrumpfung der Arbeits-
entgelte in der Mitte im Verhältnis zum
Rand der Lohnverteilung).
2. Einflussfaktoren: Weni-
ger persönliche Merkmale,
sondern zunehmende Fir-
menheterogenität ent-
scheidend
Verschiedene nationale und internationale
Studien haben sich mit den Ursachen einer
zunehmenden Lohnungleichheit beschäf-
tigt. Deren zentrales Ergebnis: Persönliche
Merkmale wie Alter, Bildung, Geschlecht
und – speziell mit Blick auf Deutschland –
die regionale Zugehörigkeit zu Ost- oder
Westdeutschland können nur einen gerin-
gen Teil der Lohnungleichheit erklären.
Für Deutschland liegt der Erklärungsanteil
dieser Faktoren für den Zeitraum von 1985
bis 2010 bei lediglich 20 Prozent.
Die relativ geringe Bedeutung von Qualifi-
kationsunterschieden für die Struktur und
Entwicklung der Lohnungleichheit in
Deutschland zeigt sich auch, wenn die
Streuung der Bruttolöhne zerlegt wird (Va-
rianzzerlegung, vgl. zu methodischen De-
tails Bertelsmann Stiftung 2015, S. 21ff.).
04
ZukunftSozialeMarktwirtschaftPolicyBrief#2015/03
Wie Abb. 1 zu entnehmen ist, ließen sich
im Jahr 2000 nur 19 Prozent der Lohnun-
gleichheit auf Lohnunterschiede zwischen
verschiedenen Qualifikationsgruppen zu-
rückführen (2010: 23 Prozent), während
81 Prozent dieser Ungleichheiten inner-
halb von Qualifikationsgruppen stattfan-
den (2010: 77 Prozent). Ein ähnliches Bild
ergibt sich bei der Lohnungleichheit zwi-
schen verschiedenen Berufen und inner-
halb von Berufsgruppen. Anders sieht es
bei der Bedeutung der Betriebe aus: Sowohl
2000 als auch 2010 finden über 60 Prozent
der Lohnungleichheit zwischen Betrieben
statt. Darüber hinaus haben fast drei Vier-
tel des Anstiegs der Lohnungleichheit zwi-
schen 2000 und 2010 zwischen Betrieben
stattgefunden (74 Prozent). Damit wird
deutlich, dass Betriebe und die zunehmen-
den Firmenunterschiede innerhalb und
nicht zwischen Branchen eine zentrale
Rolle bei der Zunahme der Lohnungleich-
heit in Deutschland spielen.
3. Welche Betriebscharak-
teristika sind relevant?
Bei der Suche nach betrieblichen Faktoren,
die für die Ungleichheit der Bruttolöhne
eine Rolle spielen, werden hier zwei Fakto-
ren untersucht: die Bedeutung von Tarif-
verträgen und die Teilnahme der Betriebe
am internationalen Handel durch Exporte.
Bezüglich der Tarifverträge ist festzustel-
len, dass die Tarifbindung in Deutschland
in der Zeit von 1996 bis 2010 stark abge-
nommen hat. Während 1996 noch 60 Pro-
zent der Betriebe an einen Branchen- oder
Firmentarifvertrag gebunden waren, lag
der Anteil der tarifgebundenen Betriebe
2010 bei nur noch 35 Prozent. Damit sank
auch der Anteil der Beschäftigten mit ei-
nem Tarifvertrag von 82 Prozent im Jahr
1996 auf 62 Prozent im Jahr 2010. Für die
zunehmende Lohnungleichheit ist dies be-
deutsam, weil tarifvertragsgebundene Be-
schäftigte höhere Löhne erhalten als tarif-
vertragslose: 1999 verdientet ein tarifge-
bundener Beschäftigter im Durchschnitt
05
ZukunftSozialeMarktwirtschaftPolicyBrief#2015/03
acht Prozent mehr Lohn als ein tarifunge-
bundener Arbeitnehmer. Seitdem stieg die-
ser Lohnaufschlag; im Jahr 2010 betrug er
bereits 19 Prozent. Außerdem ist die Lohn-
ungleichheit innerhalb der Gruppe der ta-
rifgebundenen Betriebe geringer als inner-
halb der Gruppe der nicht tarifgebundenen
Betriebe.
Bezüglich der Exportaktivitäten gibt es
eine Reihe internationaler Studien, die zu
dem Ergebnis kommen, dass exportierende
Unternehmen höhere Löhne zahlen als
nicht-exportierende Unternehmen. Für
Großbritannien wurden beispielsweise
Lohnunterschiede von 4,5 bis 6,4 Prozent
ermittelt, in den USA liegt der Unterschied
zwischen 4 und 9 Prozent, und in Studien
zu Taiwan finden sich Lohnaufschläge in
Höhe von 14 bis 30 Prozent (vgl. Bertels-
mann Stiftung 2015, S. 28f.).
Für Deutschland ergeben sich für den Zeit-
raum von 1996 bis 2010 Exporteur-Lohn-
prämien in Höhe von 8 bis 16 Prozent. Da-
bei ist festzustellen, dass die Lohnauf-
schläge exportierender Betriebe zwischen
1996 und 2004 bei rund 11 Prozent lagen
(mit einem leichten Einbruch auf 8 Prozent
im Jahr 2001, was auf das Platzen der Dot-
com-Blase zurückzuführen sein könnte)
und seitdem deutlich angestiegen sind –
auf 16 Prozent im Jahr 2007. Die wirt-
schaftliche Abschwungphase im Zuge der
Lehman-Pleite reduzierte die Exporteur-
Lohnprämien in den Jahren 2008 und 2009
ein wenig, aber seither nehmen die Lohn-
aufschläge der exportierenden Betriebe
wieder zu; sie lagen 2010 bei rund 15 Pro-
zent. Auffällig ist dabei auch, dass die Un-
ternehmen, die ihre Produkte lediglich in
die Mitgliedstaaten der EU-Währungs-
union exportieren, geringere Lohnauf-
schläge zahlen als Betriebe, die zudem
auch in weiter entfernte Länder exportie-
ren (siehe Abb. 2).
06
ZukunftSozialeMarktwirtschaftPolicyBrief#2015/03
4. Grundlegende Treiber
der Lohnungleichheit
Nachdem bisher die einzelnen Ursachen
der zunehmenden Lohnungleichheit in
Deutschland isoliert betrachtet wurden,
wird nun in einem letzten Schritt eine Ge-
samtbetrachtung angestellt, um den Bei-
trag der einzelnen Ursachen zu quantifizie-
ren. Untersucht wird der Einfluss von fünf
Erklärungsfaktoren: Bildung, Alter, Wirt-
schaftszweig, Tarifbindung und Exportsta-
tus. Betrachtet wird der Zeitraum von 1996
bis 2010. Die Veränderung der Lohnun-
gleichheit wird dabei in zwei Effekte zer-
legt: Konsequenzen für die Entwicklung
der Lohnungleichheit ergeben sich sowohl
aus der Veränderung der Lohnstruktur (der
so genannte »Lohnstruktureffekt«) als auch
aus der Umschichtung von Beschäfti-
gungsanteilen (der so genannte »Komposi-
tionseffekt«, vgl. für methodische Details
Bertelsmann Stiftung 2015, S.33 f.). Die
entsprechenden Berechnungen zeigen,
dass die einzelnen Faktoren für unter-
schiedliche Einkommensgruppen zum Teil
unterschiedlich wirken. Die wichtigsten Er-
gebnisse sind in Abb. 3 dargestellt.
5. Wirtschaftspolitische Im-
plikationen
Obwohl die derzeitige Lohnungleichheit in
Deutschland noch unter dem Schnitt der
Industrieländer insgesamt liegt, ist ihr An-
stieg seit Mitte der 1990er Jahre – gerade
im Vergleich zu angelsächsischen Volks-
wirtschaften – beträchtlich. Da wachsende
Einkommensungleichheit nach neueren
wissenschaftlichen Studien das langfris-
tige Wirtschaftswachstum bremsen
könnte, gilt es, diese Dynamik zu analysie-
ren sowie ihre Hintergründe und Einfluss-
faktoren besser zu verstehen, um entspre-
chende wirtschaftspolitische Maßnahmen
abzuleiten.
Hier konnte gezeigt werden, dass
persönliche Merkmale wie Alter, Bildung,
Geschlecht und – speziell mit Blick auf
Deutschland – die regionale Zugehörigkeit
zu Ost- oder Westdeutschland nur einen
geringen Teil der Lohnungleichheit
erklären können. Persönliche Merkmale
erklären lediglich 20 Prozent der
Bruttolohnungleichheit in Deutschland.
Die unmittelbare, direkte Bedeutung des
internationalen Handels ist mit etwa 15
07
ZukunftSozialeMarktwirtschaftPolicyBrief#2015/03
Prozent ebenfalls eher gering, wobei es na-
türlich denkbar ist, dass die gestiegene in-
ternationale wirtschaftliche Integration
und der damit einhergehende erhöhte
Wettbewerbsdruck indirekt auf steigende
Einkommensungleichheit wirken.
Ein wichtiger Aspekt für die gestiegene Un-
gleichheit ist die zunehmende Firmenhe-
terogenität in Deutschland – vor allem in-
nerhalb von Branchen. Drei Viertel des An-
stiegs der Lohnungleichheit fanden von
2000 bis 2010 zwischen den Betrieben
statt (74 Prozent). Ungleichheit ist dem-
nach ein intraindustrielles Phänomen ge-
worden.
Blickt man auf betriebsspezifische As-
pekte, besteht eine wichtige Einflussgröße
im Rückgang der Tarifbindung; sie spielt
vor allem im Bereich der unteren Lohnein-
kommen eine Rolle für den Anstieg der
Lohnungleichheit. Daraus ist selbstver-
ständlich nicht der Schluss abzuleiten,
dass nun eine Stärkung der Tarifbindung
automatisch zu einer höheren Einkom-
mensgleichheit führt. Denn während die
Ungleichheit in den letzten 20 Jahren ange-
stiegen ist, ist die Arbeitslosigkeit in
Deutschland im gleichen Zeitraum von 11
auf unter 8 Prozent gefallen. Und dass
Lohnflexibilisierungsmaßnahmen hierbei
eine bedeutende Rolle gespielt haben, ist
nur allzu plausibel. Zielführender ist es,
den Folgen der Tarifflucht wie etwa durch
Mindestlöhne oder Allgemeinverbindlich-
keitsklauseln zu begegnen. Ebenso sind
hierbei verteilungspolitische Instrumente
vorzuziehen.
Eine Beschränkung des internationalen
Handels ist hingegen genauso wenig eine
geeignete Maßnahme, weil dies kaum zu
einer höheren Einkommensgleichheit bei-
tragen und zudem Wachstumspotenziale
verschenken würde. Im Gegenteil: Wenn,
so wie dies in Deutschland der Fall ist, be-
reits viele Unternehmen am Außenhandel
beteiligt sind und eine Exporteur-Lohnprä-
mie zahlen, kann eine weitere Steigerung
der am Export beteiligten Unternehmen
die Lohnungleichheit sogar reduzieren. Vor
diesem Hintergrund ist vor allem eine Er-
höhung der Exportchancen kleiner und
mittlerer Unternehmen wünschenswert.
Literatur
• Bertelsmann Stiftung (Hrsg.). Wachsende
Lohnungleichheit in Deutschland: Welche
Rolle spielt der internationale Handel, Gü-
tersloh 2015.
• Cingano, Federico. Trends in Income Ine-
quality and its Impact on Economic
Growth, OECD Social, Employment and Mi-
gration Working Papers No. 163, Organisa-
tion for Economic Co-operation and Devel-
opment (OECD), Paris 2014.
• Organisation for Economic Co-operation
and Development (OECD). Mehr Ungleich-
heit trotz Wachstum? Einkommensvertei-
lung und Armut in OECD-Ländern, Zusam-
menfassung in Deutsch, Paris 2008.
• Organisation for Economic Co-operation
and Development (OECD). Divided We
Stand: Why Inequality Keeps Rising, Paris
2011.
08
ZukunftSozialeMarktwirtschaftPolicyBrief#2015/03
Policy Brief 2015/01: Globalisierung, Digitalisierung und
Einkommensungleichheit
Globalisierung und Digitalisierung verstärken und bedingen sich ge-
genseitig. Bereits in der Vergangenheit haben sie die weltweiten Pro-
duktionsprozesse verändert und durch einen verstärkten Einsatz von
Technologien und Kapital in den entwickelten Volkswirtschaften Ar-
beitskräfte ersetzt. Dadurch konnten Produktivitätssteigerungen und
höheres Wirtschaftswachstum erzielt werden. Gleichzeitig sind die
Einkommensunterschiede in den Industrieländern gewachsen. Es ist
davon auszugehen, dass sich diese Trends fortsetzen werden – und
zwar nicht nur in den Industrienationen, sondern weltweit.
Policy Brief 2015/02: Europa investiert!?
Deutsche Finanzpolitik im Dilemma
Mit ihrer „Investitionsoffensive für Europa“ ist die EU-Kommission zur
Protagonistin einer neuen Diskussion über die Frage öffentlicher In-
vestitionen avanciert. Deutschland jedoch ist auf eine Steigerung der
öffentlichen Investitionen schlecht vorbereitet: Es fehlen wesentliche
rechtliche und institutionelle Voraussetzungen für die Koordination
zwischen Bund, Ländern und Kommunen und auch für den beabsich-
tigten Einbezug privaten Kapitals. Eine Debatte um Zukunftsinvestitio-
nen und um eine vorausschauende Investitionsplanung, die die recht-
lichen und föderalen Herausforderungen beachtet, ist überfällig.
V.i.S.d.P
Bertelsmann Stiftung
Carl-Bertelsmann-Straße 256
D-33311 Gütersloh
www.bertelsmann-stiftung.de
Dr. Thieß Petersen
Telefon: +49 5241 81-81218
thiess.petersen@bertelsmann-stiftung.de
Eric Thode
Telefon: +49 5241 81-81581
eric.thode@bertelsmann-stiftung.de
ISSN-Nummer: 2191-2459
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• Arbeitsmobilität in der EU

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Studie: Lohnungleichheit in Deutschland – Welche Rolle spielt der Handel?

  • 1. Dr. Ulrich Schoof Programm „Nachhaltig Wirtschaften“ Telefon: +49 5241 81-81384 E-Mail: ulrich.schoof@ bertelsmann- stiftung.de Dr. Thieß Petersen Programm „Nachhaltig Wirtschaften“ Telefon: +49 5241 81-81218 E-Mail: thiess.petersen@ bertelsmann- stiftung.de Prof. Gabriel Felbermayr, Ph.D. ifo Institut München Telefon: +49 89 9442-1428 E-Mail: felbermayr@ifo.de PolicyBrief#2015/03 Lohnungleichheit in Deutschland – Welche Rolle spielt der Handel? Seit Mitte der 1990er Jahre nimmt die Lohnungleichheit in Deutschland deutlich zu. Eine häufig genannte Ursache da- für ist die Intensivierung der internationalen Handelsbezie- hungen. Tatsächlich aber zeigt eine empirische Untersu- chung, dass der internationale Handel direkt nur rund 15 Prozent des Anstiegs der Lohnungleichheit in Deutschland erklären kann. Wichtig hingegen ist die zunehmende Fir- menheterogenität in Deutschland – vor allem innerhalb von Branchen. Betriebsspezifischer Treiber der Lohnungleichheit ist dabei vor allem der Rückgang der Tarifbindung. Eine hö- here Lohngleichheit ist mit protektionistischen Maßnahmen jedoch nicht zu erreichen. Fokus Seit Mitte der 1990er Jahre gibt es eine zu- nehmende Lohnungleichheit in Deutsch- land. So sind beispielsweise die realen Bruttolöhne der in Vollzeit beschäftigten Arbeitnehmer der 20 Prozent Beschäftig- ten mit den höchsten Löhnen zwischen 1992 und 2010 um rund 2,5 Prozent ge- stiegen. Beschäftigte am unteren Rand der Bruttoeinkommen mussten hingegen Real- lohnverluste hinnehmen.
  • 2. 02 ZukunftSozialeMarktwirtschaftPolicyBrief#2015/03 Die Kluft zwischen Arm und Reich ist in den letzten drei Jahrzehnten gerade in vie- len Industrienationen stetig angestiegen. Dabei hat die Einkommensungleichheit in nahezu allen entwickelten Gesellschaften zugenommen. Dies bestätigte die Organisa- tion für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) zuletzt erneut in einem Arbeitspapier, das sie im Dezember 2014 in Paris veröffentlichte (vgl. Cingano 2014). Laut OECD-Analyse verdienen die reichsten 10 Prozent der Bevölkerung in OECD Ländern heutzutage im Schnitt 9,5 Mal so viel wie die ärmsten 10 Prozent. Vor 30 Jahren lag das Verhältnis noch bei 7:1. Auch in Deutschland hat sich die Einkom- mensungleichheit demnach erhöht. Ver- dienten die reichsten 10 Prozent in den 1980er Jahren noch 5 Mal so viel wie die Ärmsten 10 Prozent, sind es heute 7 Mal so viel. Obwohl Deutschland damit noch unter dem OECD-Schnitt liegt, sollten Dynamik und Geschwindigkeit der Zunahme alar- mierend sein, da laut OECD-Analyse stei- gende Ungleichheit einen negativen Ein- fluss auf die gesamtwirtschaftliche Ent- wicklung eines Landes hat. So hätte laut OECD das Wirtschaftswachstum in Deutschland zwischen 1990 und 2010 um 6 Prozentpunkte höher ausfallen können, wenn die Einkommensverteilung gleichge- blieben wäre. Was sind also die Gründe, Erklärungen und Einflussfaktoren für diese Entwicklung? Hier herrscht Uneinigkeit. Die OECD bei- spielsweise erklärt die von ihr identifizierte Einkommensentwicklung vor allem damit, dass der technische Fortschritt in Kombi- nation mit der Globalisierung die Anforde- rungen an die Qualifikationen der Beschäf- tigten permanent erhöht hat. Gleichzeitig können gering qualifizierte Tätigkeiten durch den Einsatz von Maschinen ersetzt werden. Beides hat zur Folge, dass der Be- darf an qualifizierten Arbeitskräften zu- nimmt, während die Nachfrage nach ge- ring qualifizierten Personen abnimmt. Da- mit steigt der Lohn für Hochqualifizierte, während die Löhne für Geringqualifizierte sinken bzw. weniger ansteigen als bei den qualifizierten Arbeitskräften (vgl. OECD 2011, S. 22-40). Die Einkommen zwischen qualifizierten und gering oder nicht qualifizierten Ar- beitskräften driften daher auseinander. Der internationale Handel beschleunigt diesen Prozess in den entwickelten Volkswirt- schaften, wenn diese mit weniger entwi- ckelten arbeitsreichen Ländern Handel treiben: Die Produktion von Gütern, die sich mit gering qualifizierten Arbeitskräf- ten herstellen lassen, findet dann in den ar- beitsreichen Schwellenländern statt, was den Druck auf die Löhne der gering qualifi- zierten Menschen in den Industrieländern weiter erhöht. Diese nach wie vor weit verbreitete Erklä- rung leidet jedoch unter zwei gravierenden Schwächen. Zum einen findet der interna- tionale Handel nicht mehr nur zwischen eng abgegrenzten Branchen statt, die sich bezüglich ihrer Ausstattung mit qualifizier- ten und unqualifizierten Arbeitskräften und anderen Produktionsfaktoren unter- scheiden. Industrieländer sind meist so- wohl Exporteur als auch Importeur sehr ähnlicher Güter. Zum anderen kommen empirische Studien zu dem Schluss, dass unterschiedliche Bildungs- bzw. Qualifika- tionsniveaus in hoch entwickelten Ländern wie Deutschland nur rund 20 Prozent der existierenden Lohnungleichheiten erklä- ren können. Vor dem Hintergrund dieser empirischen Erkenntnisse stellt sich die Frage, welchen Einfluss der globale bzw. internationale Handel tatsächlich auf die Lohnungleichheit hat. Dieser Frage gehen wir hier für die Entwicklung der Lohnun- gleichheit in Deutschland in den Jahren zwischen 1985 und 2010 nach.
  • 3. 03 ZukunftSozialeMarktwirtschaftPolicyBrief#2015/03 1. Entwicklung: Deutlicher Anstieg der Lohnungleich- heit in Deutschland seit 1996 Die Entwicklung der Lohnungleichheit in Deutschland untersuchen wir konkret an der Dynamik der Ungleichheit bei den Bruttoarbeitsentgelten aller sozialversiche- rungspflichtigen Beschäftigten in Deutsch- land. Die Auswahl dieser Bezugsgröße ist unserer Ansicht nach gerechtfertigt, weil das Bruttoarbeitseinkommen mit rund 75 Prozent des gesamten Einkommens den mit Abstand größten Einkommensanteil in Deutschland ausmacht und weil der inter- nationale Handel über Veränderungen der Produktionsstrukturen bei diesem Einkom- menselement die größten unmittelbaren Wirkungen hat. Ein Blick auf die Entwicklung der Lohnun- gleichheit in Deutschland zwischen den Jahren 1985 und 2010 (aktuellere Daten la- gen bei Abschluss der hier durchgeführten Berechnungen nicht vor) zeigt, dass die Lohnungleichheit zwischen 1985 und 1995 mehr oder weniger konstant war. Seit 1996 ist jedoch ein deutlicher Anstieg bei der Lohnungleichheit zu erkennen. Dieser schwächte sich zwar 2009 etwas ab, aber schon 2010 erreichte die Ungleichheit wie- der das Niveau des Jahres 2008. Zwar liegt die Lohnungleichheit in Deutschland damit insgesamt immer noch unter dem OECD- Schnitt – wie auch die jüngste veröffent- lichte OECD-Vergleichsstudie zeigt, die Ge- schwindigkeit jedoch, mit der sie zunimmt, ist beträchtlich und übertrifft die Dynamik in Ländern wie den USA oder Großbritan- nien. Bei einer differenzierteren Betrachtung zeigt sich, dass diese besondere Dynamik mit einer unterschiedlichen Entwicklung der oberen und der unteren Einkommens- gruppen einherging: Während die Real- löhne der 20 Prozent Beschäftigten mit den höchsten Löhnen (das so genannte 80-Pro- zent-Perzentil) seit Mitte der 1990er Jahre deutlich gestiegen sind, mussten die 20 Prozent, die in Deutschland die geringsten Bruttolöhne erzielen (das so genannte 20- Prozent-Perzentil) sogar Reallohneinbußen hinnehmen (siehe Fokusgrafik). Dies deu- tet damit nicht auf eine Lohnpolarisierung hin (d. h. einer Schrumpfung der Arbeits- entgelte in der Mitte im Verhältnis zum Rand der Lohnverteilung). 2. Einflussfaktoren: Weni- ger persönliche Merkmale, sondern zunehmende Fir- menheterogenität ent- scheidend Verschiedene nationale und internationale Studien haben sich mit den Ursachen einer zunehmenden Lohnungleichheit beschäf- tigt. Deren zentrales Ergebnis: Persönliche Merkmale wie Alter, Bildung, Geschlecht und – speziell mit Blick auf Deutschland – die regionale Zugehörigkeit zu Ost- oder Westdeutschland können nur einen gerin- gen Teil der Lohnungleichheit erklären. Für Deutschland liegt der Erklärungsanteil dieser Faktoren für den Zeitraum von 1985 bis 2010 bei lediglich 20 Prozent. Die relativ geringe Bedeutung von Qualifi- kationsunterschieden für die Struktur und Entwicklung der Lohnungleichheit in Deutschland zeigt sich auch, wenn die Streuung der Bruttolöhne zerlegt wird (Va- rianzzerlegung, vgl. zu methodischen De- tails Bertelsmann Stiftung 2015, S. 21ff.).
  • 4. 04 ZukunftSozialeMarktwirtschaftPolicyBrief#2015/03 Wie Abb. 1 zu entnehmen ist, ließen sich im Jahr 2000 nur 19 Prozent der Lohnun- gleichheit auf Lohnunterschiede zwischen verschiedenen Qualifikationsgruppen zu- rückführen (2010: 23 Prozent), während 81 Prozent dieser Ungleichheiten inner- halb von Qualifikationsgruppen stattfan- den (2010: 77 Prozent). Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Lohnungleichheit zwi- schen verschiedenen Berufen und inner- halb von Berufsgruppen. Anders sieht es bei der Bedeutung der Betriebe aus: Sowohl 2000 als auch 2010 finden über 60 Prozent der Lohnungleichheit zwischen Betrieben statt. Darüber hinaus haben fast drei Vier- tel des Anstiegs der Lohnungleichheit zwi- schen 2000 und 2010 zwischen Betrieben stattgefunden (74 Prozent). Damit wird deutlich, dass Betriebe und die zunehmen- den Firmenunterschiede innerhalb und nicht zwischen Branchen eine zentrale Rolle bei der Zunahme der Lohnungleich- heit in Deutschland spielen. 3. Welche Betriebscharak- teristika sind relevant? Bei der Suche nach betrieblichen Faktoren, die für die Ungleichheit der Bruttolöhne eine Rolle spielen, werden hier zwei Fakto- ren untersucht: die Bedeutung von Tarif- verträgen und die Teilnahme der Betriebe am internationalen Handel durch Exporte. Bezüglich der Tarifverträge ist festzustel- len, dass die Tarifbindung in Deutschland in der Zeit von 1996 bis 2010 stark abge- nommen hat. Während 1996 noch 60 Pro- zent der Betriebe an einen Branchen- oder Firmentarifvertrag gebunden waren, lag der Anteil der tarifgebundenen Betriebe 2010 bei nur noch 35 Prozent. Damit sank auch der Anteil der Beschäftigten mit ei- nem Tarifvertrag von 82 Prozent im Jahr 1996 auf 62 Prozent im Jahr 2010. Für die zunehmende Lohnungleichheit ist dies be- deutsam, weil tarifvertragsgebundene Be- schäftigte höhere Löhne erhalten als tarif- vertragslose: 1999 verdientet ein tarifge- bundener Beschäftigter im Durchschnitt
  • 5. 05 ZukunftSozialeMarktwirtschaftPolicyBrief#2015/03 acht Prozent mehr Lohn als ein tarifunge- bundener Arbeitnehmer. Seitdem stieg die- ser Lohnaufschlag; im Jahr 2010 betrug er bereits 19 Prozent. Außerdem ist die Lohn- ungleichheit innerhalb der Gruppe der ta- rifgebundenen Betriebe geringer als inner- halb der Gruppe der nicht tarifgebundenen Betriebe. Bezüglich der Exportaktivitäten gibt es eine Reihe internationaler Studien, die zu dem Ergebnis kommen, dass exportierende Unternehmen höhere Löhne zahlen als nicht-exportierende Unternehmen. Für Großbritannien wurden beispielsweise Lohnunterschiede von 4,5 bis 6,4 Prozent ermittelt, in den USA liegt der Unterschied zwischen 4 und 9 Prozent, und in Studien zu Taiwan finden sich Lohnaufschläge in Höhe von 14 bis 30 Prozent (vgl. Bertels- mann Stiftung 2015, S. 28f.). Für Deutschland ergeben sich für den Zeit- raum von 1996 bis 2010 Exporteur-Lohn- prämien in Höhe von 8 bis 16 Prozent. Da- bei ist festzustellen, dass die Lohnauf- schläge exportierender Betriebe zwischen 1996 und 2004 bei rund 11 Prozent lagen (mit einem leichten Einbruch auf 8 Prozent im Jahr 2001, was auf das Platzen der Dot- com-Blase zurückzuführen sein könnte) und seitdem deutlich angestiegen sind – auf 16 Prozent im Jahr 2007. Die wirt- schaftliche Abschwungphase im Zuge der Lehman-Pleite reduzierte die Exporteur- Lohnprämien in den Jahren 2008 und 2009 ein wenig, aber seither nehmen die Lohn- aufschläge der exportierenden Betriebe wieder zu; sie lagen 2010 bei rund 15 Pro- zent. Auffällig ist dabei auch, dass die Un- ternehmen, die ihre Produkte lediglich in die Mitgliedstaaten der EU-Währungs- union exportieren, geringere Lohnauf- schläge zahlen als Betriebe, die zudem auch in weiter entfernte Länder exportie- ren (siehe Abb. 2).
  • 6. 06 ZukunftSozialeMarktwirtschaftPolicyBrief#2015/03 4. Grundlegende Treiber der Lohnungleichheit Nachdem bisher die einzelnen Ursachen der zunehmenden Lohnungleichheit in Deutschland isoliert betrachtet wurden, wird nun in einem letzten Schritt eine Ge- samtbetrachtung angestellt, um den Bei- trag der einzelnen Ursachen zu quantifizie- ren. Untersucht wird der Einfluss von fünf Erklärungsfaktoren: Bildung, Alter, Wirt- schaftszweig, Tarifbindung und Exportsta- tus. Betrachtet wird der Zeitraum von 1996 bis 2010. Die Veränderung der Lohnun- gleichheit wird dabei in zwei Effekte zer- legt: Konsequenzen für die Entwicklung der Lohnungleichheit ergeben sich sowohl aus der Veränderung der Lohnstruktur (der so genannte »Lohnstruktureffekt«) als auch aus der Umschichtung von Beschäfti- gungsanteilen (der so genannte »Komposi- tionseffekt«, vgl. für methodische Details Bertelsmann Stiftung 2015, S.33 f.). Die entsprechenden Berechnungen zeigen, dass die einzelnen Faktoren für unter- schiedliche Einkommensgruppen zum Teil unterschiedlich wirken. Die wichtigsten Er- gebnisse sind in Abb. 3 dargestellt. 5. Wirtschaftspolitische Im- plikationen Obwohl die derzeitige Lohnungleichheit in Deutschland noch unter dem Schnitt der Industrieländer insgesamt liegt, ist ihr An- stieg seit Mitte der 1990er Jahre – gerade im Vergleich zu angelsächsischen Volks- wirtschaften – beträchtlich. Da wachsende Einkommensungleichheit nach neueren wissenschaftlichen Studien das langfris- tige Wirtschaftswachstum bremsen könnte, gilt es, diese Dynamik zu analysie- ren sowie ihre Hintergründe und Einfluss- faktoren besser zu verstehen, um entspre- chende wirtschaftspolitische Maßnahmen abzuleiten. Hier konnte gezeigt werden, dass persönliche Merkmale wie Alter, Bildung, Geschlecht und – speziell mit Blick auf Deutschland – die regionale Zugehörigkeit zu Ost- oder Westdeutschland nur einen geringen Teil der Lohnungleichheit erklären können. Persönliche Merkmale erklären lediglich 20 Prozent der Bruttolohnungleichheit in Deutschland. Die unmittelbare, direkte Bedeutung des internationalen Handels ist mit etwa 15
  • 7. 07 ZukunftSozialeMarktwirtschaftPolicyBrief#2015/03 Prozent ebenfalls eher gering, wobei es na- türlich denkbar ist, dass die gestiegene in- ternationale wirtschaftliche Integration und der damit einhergehende erhöhte Wettbewerbsdruck indirekt auf steigende Einkommensungleichheit wirken. Ein wichtiger Aspekt für die gestiegene Un- gleichheit ist die zunehmende Firmenhe- terogenität in Deutschland – vor allem in- nerhalb von Branchen. Drei Viertel des An- stiegs der Lohnungleichheit fanden von 2000 bis 2010 zwischen den Betrieben statt (74 Prozent). Ungleichheit ist dem- nach ein intraindustrielles Phänomen ge- worden. Blickt man auf betriebsspezifische As- pekte, besteht eine wichtige Einflussgröße im Rückgang der Tarifbindung; sie spielt vor allem im Bereich der unteren Lohnein- kommen eine Rolle für den Anstieg der Lohnungleichheit. Daraus ist selbstver- ständlich nicht der Schluss abzuleiten, dass nun eine Stärkung der Tarifbindung automatisch zu einer höheren Einkom- mensgleichheit führt. Denn während die Ungleichheit in den letzten 20 Jahren ange- stiegen ist, ist die Arbeitslosigkeit in Deutschland im gleichen Zeitraum von 11 auf unter 8 Prozent gefallen. Und dass Lohnflexibilisierungsmaßnahmen hierbei eine bedeutende Rolle gespielt haben, ist nur allzu plausibel. Zielführender ist es, den Folgen der Tarifflucht wie etwa durch Mindestlöhne oder Allgemeinverbindlich- keitsklauseln zu begegnen. Ebenso sind hierbei verteilungspolitische Instrumente vorzuziehen. Eine Beschränkung des internationalen Handels ist hingegen genauso wenig eine geeignete Maßnahme, weil dies kaum zu einer höheren Einkommensgleichheit bei- tragen und zudem Wachstumspotenziale verschenken würde. Im Gegenteil: Wenn, so wie dies in Deutschland der Fall ist, be- reits viele Unternehmen am Außenhandel beteiligt sind und eine Exporteur-Lohnprä- mie zahlen, kann eine weitere Steigerung der am Export beteiligten Unternehmen die Lohnungleichheit sogar reduzieren. Vor diesem Hintergrund ist vor allem eine Er- höhung der Exportchancen kleiner und mittlerer Unternehmen wünschenswert. Literatur • Bertelsmann Stiftung (Hrsg.). Wachsende Lohnungleichheit in Deutschland: Welche Rolle spielt der internationale Handel, Gü- tersloh 2015. • Cingano, Federico. Trends in Income Ine- quality and its Impact on Economic Growth, OECD Social, Employment and Mi- gration Working Papers No. 163, Organisa- tion for Economic Co-operation and Devel- opment (OECD), Paris 2014. • Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD). Mehr Ungleich- heit trotz Wachstum? Einkommensvertei- lung und Armut in OECD-Ländern, Zusam- menfassung in Deutsch, Paris 2008. • Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD). Divided We Stand: Why Inequality Keeps Rising, Paris 2011.
  • 8. 08 ZukunftSozialeMarktwirtschaftPolicyBrief#2015/03 Policy Brief 2015/01: Globalisierung, Digitalisierung und Einkommensungleichheit Globalisierung und Digitalisierung verstärken und bedingen sich ge- genseitig. Bereits in der Vergangenheit haben sie die weltweiten Pro- duktionsprozesse verändert und durch einen verstärkten Einsatz von Technologien und Kapital in den entwickelten Volkswirtschaften Ar- beitskräfte ersetzt. Dadurch konnten Produktivitätssteigerungen und höheres Wirtschaftswachstum erzielt werden. Gleichzeitig sind die Einkommensunterschiede in den Industrieländern gewachsen. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Trends fortsetzen werden – und zwar nicht nur in den Industrienationen, sondern weltweit. Policy Brief 2015/02: Europa investiert!? Deutsche Finanzpolitik im Dilemma Mit ihrer „Investitionsoffensive für Europa“ ist die EU-Kommission zur Protagonistin einer neuen Diskussion über die Frage öffentlicher In- vestitionen avanciert. Deutschland jedoch ist auf eine Steigerung der öffentlichen Investitionen schlecht vorbereitet: Es fehlen wesentliche rechtliche und institutionelle Voraussetzungen für die Koordination zwischen Bund, Ländern und Kommunen und auch für den beabsich- tigten Einbezug privaten Kapitals. Eine Debatte um Zukunftsinvestitio- nen und um eine vorausschauende Investitionsplanung, die die recht- lichen und föderalen Herausforderungen beachtet, ist überfällig. V.i.S.d.P Bertelsmann Stiftung Carl-Bertelsmann-Straße 256 D-33311 Gütersloh www.bertelsmann-stiftung.de Dr. Thieß Petersen Telefon: +49 5241 81-81218 thiess.petersen@bertelsmann-stiftung.de Eric Thode Telefon: +49 5241 81-81581 eric.thode@bertelsmann-stiftung.de ISSN-Nummer: 2191-2459 Demnächst erscheint: • Arbeitsmobilität in der EU