https://alexisbaskind.net/teaching besuchen für eine vollständige, interaktive Version dieses Kurses mit Ton- und Videomaterial sowie mehr Kurs und -Material.
Kursreihe: Grundlagen der Akustik für Toningenieure und Musikproduzenten
Niveau: Bachelor
Sprache: Deutsch
Revision: Januar 2020
Diesen Kurs zitieren: Alexis Baskind, Psychoakustik 3 - Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
Kursmaterial, Lizenz: Creative Commons BY-NC-SA.
Kursinhalt
1. Was ist die Tonhöhe
Tonhöhe und Frequenz, Untere Grenze der Tonhöhenwahrnehmung, Tonhöhenklasse und Chroma
2. Kammerton
Entwicklung des Kammertons, Das « A 440 Hz »-Standard
3. Wahrnehmung der Intervalle
Intervalle und Frequenzverhältnisse, melodische Intervalle, harmonische Intervalle, Oktavspreizung, Schwebung, Rauhigkeit, Frequenzgruppen
4. Harmonizität und Konsonanz
Harmonik, die Naturtonreihe, Konsonanz – pythagoräische Definition, Reine Stimmung, Konsonanz – Moderne Definition
5. Stimmungen
Pythagoreische Stimmung, Zarlino Skala, Mitteltönige Stimmung, Wohltemperierte Stimmungen, Gleichstufige Stimmung
6. Komplexe Klänge
Komplexe Klänge, Residualton, Spektraltonhöhe, Tonhöhe von unharmonischen Klängen, Spreizung der Klavier-Stimmung
2. Alexis Baskind
Psychoakustik 3 - Wahrnehmung der Tonhöhe
und der Intervalle
Kursreihe
Grundlagen der Akustik für Toningenieure und Musikproduzenten
Niveau
Bachelor
Sprache
Deutsch
Diesen Kurs zitieren
Alexis Baskind, Psychoakustik 3 - Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle,
Kursmaterial, Lizenz: Creative Commons BY-NC-SA.
Vollständige, interaktive Version dieses Kurses mit Ton- und Videomaterial sowie mehr Kurs
und -Material auf https://alexisbaskind.net/teaching.
Except where otherwise noted, content of this course
material is licensed under a Creative Commons Attribution-
NonCommercial-ShareAlike 4.0 International License.
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
3. Alexis Baskind
Inhaltsverzeichnis
1. Was ist die Tonhöhe
2. Kammerton
3. Wahrnehmung der Intervalle
4. Harmonizität und Konsonanz
5. Stimmungen
6. Komplexe Klänge
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
4. Alexis Baskind
Tonhöhe und Frequenz
• Frequenz ist die physische Anzahl von
Wiederholungen eines periodischen Signals pro
Sekunde, in Hertz ausgedrückt
• Grundfrequenz ist die tiefste Frequenz eines
periodischen Signals
• Tonhöhe ist eine subjektive psychoakustische
Eigenschaft
“Tonhöhe ist die Eigenschaft der auditorischen Empfindung
nach der Klänge auf einer musikalischen Tonleiter geordnet
werden können“
(American Standards Association – 1960)
=> so: Tonhöhe und Frequenz sind nicht gleich! Die
Grundfrequenz ist zwar oft mit der Tonhöhe stark korreliert,
aber nicht immer !
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
5. Alexis Baskind
Betrachten wir den Fall eines Impulszuges (mit einer
DAW einfach zu generieren):
• Wenn die Frequenz der Impulse zu niedrig ist (< ca.
20 Hz, vom Klang abhängig), wird die
entsprechende Tonhöhe wird nicht wahrgenommen
• Wenn der ursprüngliche Einzelimpuls selber einer
Tonhöhe entspricht (z.B. starke Resonanz), können
eine oder zwei Tonhöhen wahrgenommen werden,
je nach:
– der Frequenz der Impulse
– der Beziehung zwischen der inhärenten Frequenz des
Einzelimpulses und der Frequenz der Wiederholungen
Untere Grenze der Tonhöhenwahrnehmung
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
6. Alexis Baskind
Tonhöhenklasse und Chroma
• Das Chroma ist die Stelle der Tonhöhe innerhalb
einer Oktave (d.h. “A”, “B”, “Fis”,…)
• Die Tonhöhenklasse entspricht dem Oktavraum
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
(from http://acousticslab.org/psychoacoustics/PMFiles/Module06.htm)
Chroma
Height
7. Alexis Baskind
Inhaltsverzeichnis
1. Was ist die Tonhöhe
2. Kammerton
3. Wahrnehmung der Intervalle
4. Harmonizität und Konsonanz
5. Stimmungen
6. Komplexe Klänge
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
8. Alexis Baskind
Entwicklung des Kammertons
• Der Kammerton (heute oft A 440Hz) hat sich in der Geschichte stark
entwickelt
• Im Gegensatz zu einer weitverbreiteten Vorstellung, hat er sich
nicht nur im Laufe der Zeit ständig erhöht:
1640 Vienna Franciscan Orgel A457.6
1699 Paris Oper A404
1711 Stimmgabel von John Shore, Frequenz A423.5. Er hat die Stimmgabel erfunden
1714 Orgel der Straßburger Kathedrale A391
1780 Stimmgabel von Stein A422.6
1800 C-Stimmgabel von Broadwood, 505.7, ca. ein Halbton tiefer als heutzutage
1812 Paris Conservatoire A440, moderner Kammerton
1813 George Smart übernahm den Kammerton A423.3 für die Philharmonic Society.
1836 Pleyels Flügel A446
1879 Covent Garden Oper A450
1885 Auf einer internationalen Ausstellung in London wird der Kammerton von A452 übernommen
1896 Philharmonic pitch A439
1939 Auf einer internationalen Konferenz wird der Kammerton A440 übernommen.
(von http://www.piano-tuners.org/history/pitch.html)
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
9. Alexis Baskind
Entwicklung des Kammertons
• Außerdem betreffen diese historischen Referenzen
nur die westlichen Musik
• Die Kammerton-Referenz ist also hoch kulturabhängig
• Heutzutage wird der "A440"-Standard bei weitem
nicht immer eingehalten:
Für einige Musikstile (z.B. Blues) wird oft ein tieferer
Kammerton verwendet
Solisten in Konzerten spielen oft mit einem höheren
Kammerton (442 Hz, oder manchmal sogar 444 Hz)
• Warum hat sich der Kammerton stetig geändert?
Vor allem da er einen starken Einfluss auf die Klangfarbe
hat
Wenn zum Beispiel die Stimmung höher wird, klingen die
meisten Instrumente heller
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
10. Alexis Baskind
Inhaltsverzeichnis
1. Was ist die Tonhöhe
2. Kammerton
3. Wahrnehmung der Intervalle
4. Harmonizität und Konsonanz
5. Stimmungen
6. Komplexe Klänge
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
11. Alexis Baskind
• In der Praxis hängt die Wahrnehmung von
Intervallen von vielen Parametern ab
• Sprechen wir zunächst von melodischen oder
harmonischen Intervallen?
– Das melodische Intervall ist das wahrgenommene
Intervall zwischen zwei aufeinanderfolgenden Noten
– Das harmonische Intervall ist das wahrgenommene
Intervall zwischen zwei simultanen Noten
Wahrnehmung der Intervalle
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
12. Alexis Baskind
• Ein Intervall entspricht einem Frequenzverhältnis:
daher bedeutet das Addieren von Intervallen eine
Multiplikation der Frequenzverhältnisse
• Zum Beispiel:
– wenn eine Oktave einem Verhältnis von 2:1 entspricht
(stimmt nicht immer, siehe später)
– wenn eine reine Quinte einem Verhältnis von 3:2 entspricht
Dann:
– eine Oktave + eine Quinte entspricht einem Verhältnis von
3:1
– eine reine Quarte (das Komplement einer Quinte zu einer
Oktave) entspricht einem Verhältnis von 4:3
Wahrnehmung der Intervalle
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
13. Alexis Baskind
• Eine weitere übliche Annäherung: „Eine
wahrgenommene Oktave entspricht einem
Frequenzverhältnis von 2:1“
Das stimmt eigentlich nur für harmonische
Intervalle, und nicht unbedingt für melodische
Intervalle
• In der Praxis entspricht eine melodische Oktave oft
einem größeren Frequenzverhältnis als 2:1
=> Oktavspreizung
Melodische Intervalle
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
14. Alexis Baskind
• Die Wahrnehmung zwei simultaner Töne hängt vom
Frequenzabstand zwischen diesen ab:
1. Wenn der Frequenzabstand zwischen beiden Tönen
ausreichend ist (mehr als ca. eine Terz), werden beide
Töne individuell wahrgenommen (außer wenn sie in
harmonischem Verhältnis zueinander stehen, siehe
nächster Teil)
2. Wenn beide Frequenzen sehr nahe beieinander liegen,
ist nur eine amplitudenmodulierte Tonhöhe
(=Schwebung) zu hören
3. Im Übergangsbereich tritt Rauhigkeit auf. Je größer der
Frequenzabstand, desto deutlicher sind beide
Tonhöhen zu hören
Harmonische Intervalle
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
15. Alexis Baskind
• Wenn zwei Töne überlagert werden, kann die
resultierende Wellenform als eine einzelne
amplitudenmodulierte Sinuskurve betrachtet werden
Harmonische Intervalle - Schwebung
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
Ton 1 mit Frequenz f1=100 Hz
Ton 2 mit Frequenz f1=120 Hz
Ton 1 + Ton 2 = Ton mit
Frequenz 110 Hz und 20 Hz
Amplitudenmodulation
+
=
16. Alexis Baskind
• Wenn zwei Töne überlagert werden, kann die
resultierende Wellenform als eine einzelne
amplitudenmodulierte Sinuskurve betrachtet
werden
=> Die Überlagerung entspricht einem Einzelton bei
der mittleren Frequenz, der durch eine zweite
Sinuskurve amplitudenmoduliert ist, deren Frequenz
der Differenz zwischen den beiden Originalfrequenzen
entspricht
Harmonische Intervalle - Schwebung
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
17. Alexis Baskind
Das Gehör kann nicht zwei Töne auseinander klar
unterscheiden, wenn das Intervall kleiner als seine
Frequenzauflösung (die Bandbreite der
entsprechenden Frequenzgruppe) ist.
• Dieses Phänomen steht in engem Zusammenhang
mit Simultanverdeckung (siehe Kurs über
Lautheitswahrnehmung): Beide Töne interferieren
und maskieren sich gegenseitig im Hörsystem
Harmonische Intervalle – Frequenzgruppen
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
18. Alexis Baskind
Inhaltsverzeichnis
1. Was ist die Tonhöhe
2. Kammerton
3. Perception of intervals
4. Harmonizität und Konsonanz
5. Stimmungen
6. Komplexe Klänge
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
19. Alexis Baskind
Harmonizität
• In der Akustik entspricht Harmonizität der objektive
Grad der Periodizität eines Schalls.
• Dieser Begriff muss von der musikalischen
Harmonik (d.h. der Zusammenklang von Tonhöhen
in einem bestimmten musikalischen Kontext)
unterschieden werden.
• Harmonizität ist mit der Organisation der Teiltöne
(d.h. Grundton + Obertöne) eines harmonischen
Klanges stark korreliert
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
20. Alexis Baskind
Die Naturtonreihe
• Die musikalische Naturtonreihe basiert auf dem
mathematischen Verhältnis zwischen den Frequenzen eines
harmonischen Klanges (alle Frequenzen sind Vielfache der
Grundfrequenz)
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
Biespiel mit Grundton C:
(von J.Meyer, “Acoustics and the Performance of Music”)
21. Alexis Baskind
• Wenn zwei Einzeltöne in einer harmonischen Beziehung
stehen, können sie je nach ihrem relativen Pegel und
Position auf der Naturtonreihe verschmolzen sein oder
nicht
• Dies führt zum Konzept der Konsonanz
• Konsonanz ist die Fähigkeit von Klängen, als ein einziger
Klang verschmolzen zu werden, wenn sie miteinander
vermischt werden (Konsonanz bedeutet “zusammen
klingen“)
• Das Grundprinzip lautet: zwei harmonische Klänge in
harmonischer Beziehung teilen sich durch ihre Obertöne
mehrere gemeinsame Frequenzen. Je mehr gemeinsame
Frequenzen es gibt, desto mehr verschmelzen beide Klänge
miteinander.
Die Naturtonreihe
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
22. Alexis Baskind
• Laut einer unbestätigten Legende ("Schmiedelegende") wurde die
erste historische Definition der Konsonanz von Pythagoras
gegeben und basiert auf dem Verhältnis zwischen den Frequenzen
zweier Töne in Bezug auf ihre Position in der Naturtonreihe
– Wenn die Frequenzen im ganzzahligen Verhältnis stehen, wird
das Intervall als Konsonant bezeichnet
– Sobald das Verhältnis immer komplexer wird, wird der Klang
immer dissonanter.
– Wenn das Verhältnis nicht mehr ganzzahlig ist, ist der Klang
dissonant
=> Zum Beispiel ist eine Oktave (Verhältnis 2:1) konsonanter als eine
reine Quinte (3:2) oder eine reine Quarte (4:3), die selbst
konsonanter ist als eine große Terz (5:4) oder eine kleine Sexte (8:5)...
Konsonanz – pythagoräische Definition
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
23. Alexis Baskind
Interval Frequency ratio
Unisono 1:1
Oktave 2:1
Reine Quinte 3:2
Reine Quarte 4:3
Große Terz 5:4
Kleine Sexte 8:5
Kleine Terz 6:5
Große Sexte 5:3
kleine Septime 9:5
Große Sekunde 9:8
Große Septime 15:8
… …
Konsonanz – Reine Stimmung
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
consonant
dissonant
Diese Konsonanztheorie
führte zur reinen
Stimmung (siehe später)
24. Alexis Baskind
• Ursprünglich war ein Konsonantenintervall ein für unsere
Ohren „angenehmes“ Intervall. Ein dissonantes Intervall
wurde als „unangenehm“ beurteilt.
• Da aber im Laufe der Zeit immer komplexere Intervalle und
Akkorde in die westliche Musik eingeführt wurden, hat sich
die Unterscheidung "angenehm/unangenehm" und damit
der Begriff der Konsonanz selbst stark weiterentwickelt
• Heutzutage wird die Konsonanz nicht mehr als absolutes
Kriterium, sondern als subjektives und hochkulturelles
Konzept betrachtet.
Konsonanz – Moderne Definition
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
25. Alexis Baskind
Inhaltsverzeichnis
1. Was ist die Tonhöhe
2. Kammerton
3. Perception of intervals
4. Harmonizität und Konsonanz
5. Stimmungen
6. Komplexe Klänge
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
26. Alexis Baskind
• Eine musikalische Stimmung bezeichnet eine Festlegung
aller Tonhöhen eines bestimmten musikalischen Systems
• Im Laufe der Zeit wurden viele verschiedene Stimmungen
(siehe Anhang) verwendet, unter anderem:
– Pythagoreische Stimmung, mit reinen Quinten
– Zarlino Skala (spätes 16. Jh.)
– Mitteltönige Stimmung (Renaissance)
– Wohltemperierte Stimmungen
(Baroque => Ende des 19. Jh.)
– Gleichstufige Stimmung (spätes 18. Jh.), heutzutage der
meistbenutzte Standard
Stimmung
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
Reine Stimmungen
27. Alexis Baskind
• Das Prinzip der gleichschwebenden Stimmung besteht darin,
die Oktave in 12 gleiche Intervalle (die Halbtöne) zu teilen.
• Da die Oktave einem Frequenzverhältnis von 2:1 entspricht,
entspricht jeder Halbton einem Frequenzverhältnis von:
• Somit sind keine Intervalle rein außer der Oktave. Der Fehler
ist allerdings je nach Intervall unterschiedlich
• Um eine genauere Definition der Stimmung zu ermöglichen,
wird eine Unterteilung des Halbtons, der Cent, der ein
Hundertstel eines Halbtons ist, verwendet :
Gleichstufige Stimmung
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
rsemitone = 212
1.05946
rcent = rsemitone
100 = 21200
1,000578
29. Alexis Baskind
• Der Fehler für Quinten und Quarten ist gering, aber hörbar
(±2 Cent)
• Terzen sind mehr verstimmt
• Die kleine Septime ist mit fast einem sechsten Ton zu hoch
Die Gleichstufige Stimmung ist ein Kompromiss, und eine
durchschnittliche Referenz
• In der Praxis verwenden viele Instrumente nicht wirklich eine
perfekt gleichstufige Stimmung :
– Violine, Cello und Viola sind mit reinen Quinten gestimmt
– Die Stimmung eines Klaviers wird im tiefen und hohen Register
übertrieben (Spreizung, siehe später)
Gleichstufige Stimmung
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
30. Alexis Baskind
Inhaltsverzeichnis
1. Was ist die Tonhöhe
2. Kammerton
3. Perception of intervals
4. Harmonizität und Konsonanz
5. Stimmungen
6. Komplexe Klänge
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
31. Alexis Baskind
• Was passiert mit komplexen Klängen, die Obertöne
beinhalten?
• Für harmonische Klänge verschmelzen Obertöne
mit dem Grundton, wodurch sich zwar die
Klangfarbe, nicht aber die Tonhöhe ändert
• Wenn zwei komplexe Klänge simultan gespielt
werden, interagieren alle ihre Obertöne
miteinander
• Dies kann zu Rauhigkeit zwischen den Obertönen
führen
=> Das ist einer der Gründe, warum der Tritonus als
dissonant ("diabolus in musica") betrachtet wurde
Komplexe Klänge
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
32. Alexis Baskind
• Das Ohr kann die Tonhöhe eines harmonischen Klangs wahrnehmen,
auch wenn dieser keine Energie in der Grundfrequenz besitzt
• Tatsächlich hängt die Wahrnehmung der Tonhöhe nicht nur von der
Energie der Grundschwingung, sondern auch von der Periodizität im
Zeitbereich ab
Residualton
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
Source: skyhead/Wikipedia
Beispiel: Das Mischen zweier
Töne bei 200 Hz und 300 Hz
erzeugt eine Zeitschwingung
mit der Frequenz des fehlenden
Grundtons bei 100 Hz
33. Alexis Baskind
• Deshalb sind wir in der Praxis in der Lage, sehr tiefe
Töne (C‘‘-C‘) in Musik zu hören, die von
Lautsprechern gespielt wird, wenn diese keine
Frequenzen unter 100 Hz wiedergeben können
• Das ist auch der Grund, warum wir die richtige
Tonhöhe der Stimme durch das Telefon hören
können (dessen untere Frequenzgrenze bei ca. 300
Hz liegt)
Residualton
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
34. Alexis Baskind
• Wenn einige Obertöne eines harmonischen Klanges
viel lauter als die anderen sind, sind sie manchmal
nicht mit dem Rest des Klanges verschmolzen und
werden daher als separate Töne wahrgenommen.
• Dieses Phänomen wird Spektraltonhöhe genannt.
• Ein sehr gutes Beispiel für dieses Phänomen ist der
Obertongesang (siehe Kurs "Das Obertonspektrum")
Spektraltonhöhe
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
35. Alexis Baskind
• Meisten erzeugen Musikinstrumente keine rein
harmonische Klänge
• Das Gehör toleriert kleine Abweichungen der
Obertonfrequenzen von der Naturtonreihe (d.h. wenn
der Klang nicht zu unharmonisch ist) und nimmt zwar in
diesem Fall eine einzelne Tonhöhe wahr...
• ... aber unharmonische Obertöne können die
endgültige Tonhöhe verändern !
• Dies ist einer der Gründe, warum ein Klavier nicht mit
der gleichstufige Stimmung gestimmt werden kann.
Unharmonische Klänge
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
36. Alexis Baskind
• Die Saiten im tiefen und hohen Register sind
aufgrund ihrer Steifigkeit und Dichte unharmonisch
• Bei dem Klavier wird dieses Phänomen im Vergleich
zum Flügel noch stärker: da die Länge der Saiten
kleiner ist, müssen sie dicker sein und werden damit
unharmonischer
Deshalb sind die oberen Töne höher und die
unteren tiefer gestimmt als die reine Mathematik
anregt
Spreizung der Klavier-Stimmung
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
37. Alexis Baskind
Spreizung der Klavier-Stimmung
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
Quelle: Brian Tung, Wikimedia
38. Alexis Baskind
• Wenn die Obertöne noch unharmonischer sind, können zwei oder
mehrere gleichzeitige Tonhöhen wahrgenommen werden (Glocken,
Gongs...)...
Unharmonische Klänge
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
39. Alexis Baskind
• ... oder manchmal auch gar kein Tonhöhe.
Beispiel: Wirbeln auf Becken mit Wollschlägeln
Unharmonische Klänge
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
40. Alexis Baskind
• Tonhöhe und Tonhöhendiskriminierung sind
kontextabhängig (melodische/harmonische
Intervalle)
• In einem melodischen Kontext entsprechen die
Oktaven einem Frequenzverhältnis, das größer als 2
ist. Die Tonhöhenunterscheidung ist gut.
• Im harmonischen Kontext entsprechen Oktaven und
Konsonantenintervalle der Naturtonreihe. Die
Tonhöhendiskriminierung wird von den
Frequenzgruppen beschränkt
• Es gibt keine perfekte Stimmung, es ist eine Frage
des Kompromisses
Fazit
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
42. Alexis Baskind
• Die Pythagoreische Stimmung basiert auf der Vorstellung,
dass alle Oktaven, Quinten und Quarten rein sein müssen.
• Es basiert auf einer Stapelung reiner Quinten, die alle in der
gleichen Oktave zusammengelegt sind
Pythagoreische Stimmung
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
C
G
D
A
E
B
F#
C#
G#
D#
A#
F
Quintenzirkel
Beachten Sie, dass die pentatonische Dur-
Tonleiter die ersten 5 Töne des Kreises
verwendet
43. Alexis Baskind
• Mit dem pythagoreischen Stimmung sind alle Quinten und
Quarten rein, bis auf die letzte !
• Tatsächlich: 12 gestapelte Quinten (Verhältnis ) sind ein
bisschen mehr als 7 Oktaven (Verhältnis )
• Die letzte Quinte (von F bis C, wenn die Tonika C ist) ist also
zu klein => Dies ist die sogenannte Wolfsquinte
• Der Unterschied zwischen einer perfekten Quinte und
dieser kleineren Quinte wird das pythagoreische Komma
genannt
• Außerdem sind alle Terzen nicht rein
• Diese Stimmung ist mit Transpositionen kompatibel, aber
dann ändert sich die Position der Wolfsquinte.
Pythagoreische Stimmung
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
3
2
÷
12
2( )
7
44. Alexis Baskind
• Im 16. Jahrhundert spielte die Terz eine immer
wichtigere Rolle in der Musik
• Die pythagoreische Stimmung ist dann nicht mehr
geeignet, da alle Terzen sehr verstimmt sind.
• Die von Joseph Zarlino (1517-1590) erfundene
Skala, die eine diatonische Tonleiter ist, verwendet
nur reine Intervalle:
Zarlino-Tonleiter
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
1 9:8 5:4 4:3 3:2 5:3 15:8 2:1
45. Alexis Baskind
• Diese Skala, die als eine chromatische Tonleiter
erweitert werden kann, hat den Hauptvorteil, dass
sie nur reine Intervalle in Bezug auf die Tonika
anbietet
• Aber sie kann kaum transponiert werden. :
– Mehrere Quinten sind nicht rein
– Alle kleinen Sekunden unterscheiden sich voneinander
– Alle großen Sekunden unterscheiden sich voneinander
Zarlino-Tonleiter
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
46. Alexis Baskind
• Die in der Renaissance viel benutzte mitteltönige Stimmung war ein
Versuch, alle Terzen rein zu machen
• Das Prinzip besteht darin, alle Quinten mit einem sehr kleinen Wert
(einem syntonischen Komma) zu verringern, so dass alle Terzen rein
sein können
• Dann sind 11 gestapelte Quinten ein wenig verstimmt, aber das ist
akzeptabel
• Auf der anderen Seite ist die "Wolfsquinte" noch verstimmter als bei
der pythagoräischen Stimmung
• So waren in der Praxis einige Tonarten nicht erlaubt, um diese Quinte
zu vermeiden.
• Dies kann einer der Gründe für die Beziehung sein, die manchmal
zwischen jeder Tonart und einer bestimmten „Laune“ gemacht wird.
Mitteltönige Stimmung
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle
47. Alexis Baskind
• Da immer mehr Modulationen in der Musik verwendet
wurden, wurde es wichtig, alle Tonarten so rein wie möglich
spielen zu können, was bei einer mitteltönigen oder
wohltemperierten Stimmung nicht möglich ist.
• Die gleichstufige Stimmung ist eine Lösung, um alle Tonarten
in Bezug zueinander gleich zu machen, was die Intervalle
angeht
• Die gleichstufige Stimmung wurde in Europa zum ersten Mal
im frühen 17. Jahrhundert verwendet, aber im späten 19.
Jahrhundert als Standard verallgemeinert, da es möglich ist,
ein Instrument Cent-genau zu stimmen
Gleichstufige Stimmung
Wahrnehmung der Tonhöhe und der Intervalle