1. DAS AUDITORISCHE UND DAS VESTIBULÄRE SYSTEM
auditorischer Sinn: Gehörsinn
vestibuläres System: Gleichgewichtssinn
DAS WESEN DES SCHALLS
Schallwellen= hörbare Luftdruckschwankungen
Ein Objekt bewegt sich auf ein Luftvolumen zu:
Objekt drückt Luft zusammen
verdichtet die Moleküle
Ein Objekt entfernt sich von einem Luftvolumen:
Dichte der Luftmoleküle in dem betrachteten Volumen nimmt ab
Schallzyklus= Entfernung zwischen zwei benachbarten Wellenbergen (eine Wellenlänge)
Schallfrequenz (in Hertz – Hz)=
- Anzahl der verdichteten oder verdünnten Luftvolumina,
- die das Ohr pro Sekunde erreichen,
- bzw. die Anzahl der Zyklen pro Sekunde
Schallwellen bewegen sich alle mit der gleichen Geschwindigkeit fort
bei hochfrequenten Schallwellen sind mehr verdichtete und verdünnte Regionen im selben Raum
komprimiert als bei niederfrequenten Wellen
Unser Gehör kann Druckwellen über einen Frequenzbereich von 20 Hz bis 20 000 Hz registrieren.
- Tonhöhe eines Tones ist abhängig von seiner Frequenz
hochfrequente Wellen: höhe Töne
hohe Schallintensität: laute Töne
Intensität: Schallintensität bestimmt die Lautstärke, die wir wahrnehmen
BAU DES AUDITORISCHEN SYSTEMS
Außenohr:
- hautüberzogenes Knorpelgewebe: Ohrmuschel (Pinna)
- Form der Ohrmuschel sorgt dafür, dass wir für Schall von vorn empfindlicher sind als von hinten
- Windungen in der Ohrmuschel sind wichtig für die Schallortung
Gehörgang: Eingang zum innen gelegenen Teil des Ohrs
- läuft rund 2,5 cm durch den Schädel
- endet am Trommelfell
Gehörknöchelchen: kleinsten Knochen im Körper
- es gibt drei
- setzen am Trommelfell an
- liegen in der Paukenhöhle (kleine, luftgefüllte Kammer)
- übertragen Bewegungen des Trommelfells auf eine zweite Membran
- zweite Membran bedeckt eine Öffnung im Schädelknochen (ovales Fenster)
2. Cochlea: flüssigkeitsgefüllte Schnecke
- liegt hinter dem ovalen Fenster
- hier wird die Bewegung der Membran des ovalen Fensters in eine neuronale Antwort umgewandelt
Die ersten Schritte der Hörbahn:
1. Schallwellen lenken das Trommelfell aus
2. Trommelfell versetzt die Gehörknöchelchen in Schwingungen
3. Gehörknöchelchen lenken die Membran des ovalen Fensters aus
4. Flüssigkeitsbewegungen in der Cochlea löst eine Antwort der sensorischen Neuronen aus
Die drei Hauptabschnitte des Ohrs:
1. Außenohr: Ohrmuschel bis zum Trommelfell
2. Mittelohr: Trommelfell und Gehörknöchelchen
3. Innenohr: Bereich ab dem ovalen Fenster
Sobald im Innenohr eine Antwort auf Schall erzeugt worden ist:
- Signal wird zu einer Reihe von Kernen im Hirnstamm weitergeleitet und dort verarbeitet
- Output der Kerne wird über das Mittelhirn (Colliculus inferior) zum CGM geschickt
- CGM: Corpus geniculatum mediale Relaisstation im Thalamus
- CGM projiziert zur primären Hörrinde, die im Schläfenlappen (Temporallappen) liegt
- primäre Hörrinde: primärer auditorischer Cortex oder A1
Gemeinsamkeiten mit dem Sehsystem:
- am Anfang stehen in beiden Systemen Sinneszellen
- diese Sinneszellen sind mit frühen Integrationsstufen verbunden
(Sehsystem: Retina)
(Hörsystem: Hirnstamm)
- anschließend werden die Signale zu einer Relaisstation im Thalamus geschickt
- schließlich kommen sie im sensorischen Cortex an
DAS MITTELOHR
- Außenohr führt Schallwellen zur Paukenhöhle im Mittelohr
- Paukenhöhle: luftgefüllte Höhle mit den ersten Elementen, die sich durch Schall bewegen
- im Mittelohr werden Luftdruckschwankungen in Auslenkungen der Gehörknöchelchen
umgewandelt
Die Bestandteile des Mittelohrs
Trommelfell:
- kegelförmig
- Spitze des Kegels weist in die Paukenhöhle
3 Gehörknöchelchen:
1. Hammer (Malleus): setzt direkt am Trommelfell an, ist starr mit Amboss verbunden
2. Amboss (Incus): ist flexibel mit dem Steigbügel verbunden
3. Steigbügel (Stapes):
- die Fußplatte (flacher hinterer Teil des Steigbügels) bewegt sich am ovalen Fenster wie ein
Kolben vor und zurück
- überträgt dadurch die Schallschwingungen auf die Cochlea im Innenohr
3. Zwei kleine Muskeln, die an den Gehörknöchelchen ansetzen
Eustachische Röhre (Tuba Eustachii):
- durch diese Röhre steht die Luft im Mittelohr mit der Luft im Rachenraum in Verbindung
- ist gewöhnlich verschlossen
Das passiert im Ohr, wenn man in einem Auto sitzt, das den Berg hinauffährt:
- Luftdruck in der Umgebung nimmt ab
- solange die Eustach. Röhre verschlossen bleibt, ändert sich auch der Luftdruck im Innenohr nicht
- Druck im Mittelohr ist also höher als der Außendruck
- Trommelfell beult sich nach außen
- ein unangenehmes Druckgefühl oder Schmerzen entstehen
- Schlucken oder Gähnen öffnet die Eustachische Röhre
- somit wird ein Ausgleich zwischen Mittelohr und Umgebung ermöglicht
Verstärkung des Schalldrucks durch die Gehörknöchelchen
- Schallwellen lenken Trommelfell
- Gehörknöchelchen lenken die Membran am ovalen Fenster
Warum ist das Ohr nicht so gebaut, dass die Schallwellen einfach die Membran am ovalen Fenster
direkt beeinflussen?
Problem: Cochlea ist nicht mit Luft, sondern mit Flüssigkeit gefüllt.
- träfen die Schallwellen direkt auf das ovale Fenster, würde sich die Membran kaum bewegen
- 99,9 % der Schallenergie würden wegen des Drucks der Cochleaflüssigkeit reflektiert werden
(unter Wasser ist es ruhig, weil das Wasser von oben kommenden Schall reflektiert)
- zur Flüssigkeitsbewegung ist höherer Druck notwendig, als Luftschwingungen ihn liefern können
- Gehörknöchelchen sorgen für Verstärkung des Drucks, wirken wie Hebel
- Kraft am ovalen Fenster vergrößert sich
- zudem ist Fläche des ovalen Fensters viel kleiner als die des Trommelfells
Die verstärkenden Gehörknöchelchen und die kleinere Fläche des ovalen Fensters führen dazu,
dass der Druck am ovalen Fenster 20-mal höher ist als am Trommelfell
diese Verstärkung reicht aus, um die Flüssigkeit im Innenohr zu bewegen
Der Attenuationsreflex
Zwei Muskeln, die an den Gehörknöchelchen ansetzen, üben einen bedeutenden Einfluss auf die
Übertragung im Mittelohr aus:
1. Musculus tensor tympani: zieht von der Wand der Paukenhöhle zum Hammer
2. Musculus stapedius: verläuft von der Wand der Paukenhöhle zum Steigbügel
Attenuations- oder Mittelohrreflex: Zusammenziehen des M. stapedius
- eintreffendes lautes Schallereignis löst neuronale Reaktion aus
- diese Reaktion führt dazu, dass sich der M. stapedius zusammenzieht
- durch die Kontraktion versteift sich die Kette der Gehörknöchelchen
- Abnahme der Schallweiterleitung zum Innenohr
- Abnahme der Empfindlichkeit des Gehörs
- bei niedrigen Frequenzen ist die Schallabschwächung weit stärker als bei hohen Frequenzen
- Dank dieses Reflexes kann man gesprochene Sprache in einer lauten Umgebung leichter verstehen
schützt das Ohr vor lauten Geräuschen, die es schädigen würden
4. - tritt allerdings erst nach 50-100 ms ein
- plötzliche Explosion kann trotzdem Schäden verursachen
DAS INNENOHR
- dient nicht nur zum Hören
- besteht aus: Schnecke (Cochlea) und dem Labyrinth
- Cochlea: Teil des auditorischen Systems
- Labyrinth: Teil des vestibulären Systems (Gleichgewichtssinn)
Anatomie der Cochlea
- spiralig gewunden wie ein Schneckenhaus
- Wände der Cochlea: Knochengewebe
- zentrale Säule der Cochlea: konische Knochenstruktur (Schneckenspindel oder Modiolus)
- an der Basis der Cochlea befinden sich zwei membranbedeckte Öffnungen:
ovales Fenster: liegt direkt unter der Steigbügelplatte
rundes Fenster
Die Cochlea im Querschnitt
Das Innere ist in drei flüssigkeitsgefüllte Kanäle unterteilt:
1. Vorhoftreppe (Scala vestibuli)
2. Schneckengang (Scala media oder Ductus cochlearis)
3. Paukentreppe (Scala tympani)
Die drei Kanäle verlaufen im Inneren der Cochlea wie eine Wendeltreppe.
Reissner-Membran: trennt die Scala vestibuli von der Scala media
Basilarmembran: trennt die Scala tympani
hierauf sitzt das Corti-Organ, das die Hörzellen enthält
Tektorialmembran (Membrana tectoria, Deckmembran): liegt über dem Corti-Organ
- an der Spitze der Cochlea ist der Schneckengang (Scala media) blind geschlossen
- Scala tympani geht an einer Öffnung in der Membran (=Schneckenloch: Helicotrema) in die Scala
vestibuli über
- an der Basis der Cochlea trifft die Scala vestibuli auf das ovale Fenster
- an der Basis trifft die Scala tympani auf das runde Fenster
Perilymphe:
- Flüssigkeit in der Scala vestibuli und der Scala tympani
- weist einen ähnlichen Ionengehalt wie der Liquor auf: *arm an K+ (7 mM)
* reich an Na+ (140 mM)
Endolymphe:
- extrazelluläre Flüssigkeit in der Scala media
- ungewöhnlich
- ähnlich wie eine intrazelluläre Flüssigkeit reich an K+ (150 mM) und arm an Na+ (1mM)
- Unterschied im Ionengehalt wird durch aktive Transportprozesse erzeugt (in der Stria vascularis)
Stria vascularis: Endothel, kleidet eine Wand der Scala media aus
- resorbiert Natrium- und sezerniert Kaliumionen entgegen ihrem Konzentrationsgefälle
5. Endolymphe weist elektrisches Potenzial auf (rund 80 mV positiver als das der Perilymphe)
aufgrund der Ionenkonzentrationsunterschiede und der Permeabilität der Reissner-Membran
endocochleäres Potenzial (wichtig für auditorische Transduktion)
Physiologie der Cochlea
Auslenkung der Membran nach innen durch die Gehörknöchelchen:
- Gehörknöchelchen arbeiten wie ein winziger Kolben
- Auslenkung der Membran nach innen drückt auf die Perilymphe in der Scala vestibuli
- Flüssigkeitsdruck kann sich nirgendwohin ausbreiten
- Membran am ovalen Fenster wird eingedellt
- Membran am runden Fenster beult sich nach außen
- jede Bewegung am ovalen Fenster führt dann zu einer komplementären Beweg. am runden Fenster
Ausgleichsbewegungen
müssen auftreten!:
- weil die Cochlea mit einer inkompressiblen Flüssigkeit gefüllt ist
- diese Flüssigkeit ist von einem festen knöchernen Gehäuse umgeben
- wie bei schlauchförmigen Ballon: das andere Ende muss sich ausbeulen
Beachte: Einige Strukturen innerhalb der Cochlea sind nicht starr! Z.B. Basilarmembran
Die Antwort der Basilarmembran auf Schall:
Zwei strukturelle Eigenschaften entscheiden darüber, wie die Basilarmembran auf Schall reagiert:
1. Basilarmembran ist an der Spitze (Apex) ca. fünfmal so breit wie an der Basis
2. Steife der Membran nimmt von der Basis zur Spitze hin ab
(Steife ist an der Basis ca. 100-mal höher)
Vergleich mit Schwimmflosse: schmale steife Basis, breite flexible Spitze
Schallwellen drücken gegen die Steigbügelplatte am ovalen Fenster:
- Perilymphe in der Scala vestibuli verlagert sich
- Endolymphe in der Scala media verlagert sich
weil: Reissner-Membran ist sehr flexibel
Schallwellen können auch an der Steigbügelplatte ziehen: Umkehrung des Druckgradienten
Békésy: stellte Folgendes fest:
- Bewegung der Endolymphe führt zur Ausbeulung der Basilarmembran in der Nähe ihrer Basis
- diese Ausbeulung setzt eine Welle in Gang, die sich Richtung Spitze bewegt
- wie weit die Welle die Basilarmembran entlangwandert, hängt von der Schallfequenz ab
hohe Schallfequenz:
+ steifere Basis der Basilarmembran schwingt relativ stark
+ verbraucht dadurch viel Energie
+ Welle kommt nicht sehr weit
niedrige Schallfrequenz: erzeugt Wellen, die bis zum flexiblen Apex der Basilarmembran wandern
Reaktion der Basilarmembran schafft einen Ortscode:
- bestimmte Orte auf der Membran werden bei best. Schallfrequenzen maximal ausgelenkt
- Unterschiede der Wanderwellen sind für neuronale Codierung der Tonhöhe verantwortlich
6. Das Corti-Organ und seine Bestandteile:
Hörzellen:
- wandeln mechanische Energie in eine Veränderung des Rezeptorpotenzials um
- liegen im Corti-Organ
Corti-Organ besteht aus:
- Haarzellen (Corti-Hörzellen)
- Pfeilerzellen
- verschiedene Stützzellen
Haarzellen: Hörrezeptoren
- jede Haarzelle weist an der Spitze rund 100 haarähnliche Stereocilien auf
- Biegen der Stereocilien wird durch eine Auslenkung der Basilarmembran ausgelöst
Lamina reticularis: dünne Gewebeschicht
Zwischen der Basilarmembran und der Lamina reticularis liegen die Haarzellen.
Corti-Pfeilerzellen:
Spannen die Basilarmembran und die Lamina reticularis und stützen sie.
Innere Haarzellen: liegen zwischen der Schneckenspindel (Modiolus) und den Pfeilerzellen
- rund 3 500
- bilden eine einzelne Reihe
Äußere Haarzellen: Zellen jenseits der Pfeilerzellen
- rund 15 000-20 000
- angeordnet in drei Reihen
- Stereocilien auf den Haarzellen erstrecken sich über die Lamina reticularis bis in die Endolymphe
- Die Spitzen der Stereocilien enden:
+ entweder in der Gallerte der Tektorialmembran (äußere Haarzellen)
+ oder direkt unter der Tektorialmembran (innere Haarzellen)
Merkhilfen zu den Membranen im Corti-Organ:
- Basilarmembran: liegt an der Basis des Corti-Organs
- Tektorial- oder Deckmembran: bildet ein Dach über dem Organ
- Lamina reticularis: sitzt in der Mitte (an der Oberfläche der Haarzellen)
Haarzellen bilden Synapsen mit Neuronen, deren Zellkörper im Spiralganglion innerhalb der
Schneckenspindel liegen.
Spiralganglienzellen:
- bipolare Zellen
- ihre Neuriten laufen zur Basis und zu den Seiten der Haarzellen
- dort erhalten sie synaptischen Input
Axone von den Spiralganglienzellen treten in den Hörnerv ein (Zweig des Nervus vestibulocochlearis,
VIII. Hirnnerv) Hörnerv projiziert in die Cochleariskerne in der Medulla
Transduktion durch die Haarzellen:
Basilarmembran wird in Antwort auf eine Bewegung des Steigbügels ausgelenkt:
7. - die ganze Basis, die die Haarzellen stützt, bewegt sich
- weil Basilarmem., Pfeilerzellen, Lamina reticularis und Haarzellen starr miteinander verbunden sind
- bewegen sich als Einheit
- schwenken nach oben auf die Tektorialmembran zu oder von ihr fort
Basilarmembran bewegt sich nach oben Lamina reticularis bewegt sich nach oben und innen (in
Richtung Schneckenspindel)
Stereocilien werden nach außen abgebogen
(Spitzen der Stereocilien der äußeren Haarzellen sind an der Tektorialmembran angeheftet)
Basilarmembran bewegt sich nach unten Lamina reticularis bewegt sich nach unten und außen
(von der Schneckenspindel weg)
Schneckenspindel bewegt sich Tektorialmembran bewegt sich (nach innen/außen)
Lateralbewegung der Lamina reticularis führt zu Bewegung der Tektorialmembran
- Spitzen der Stereocilien der äußeren Haarzellen sind an der Tektorialmembran angeheftet
- dadurch bewegen sich auch die Stereocilien in die eine oder andere Richtung
Spitzen der inneren Haarzellen werden ebenfalls abgebogen.
Stereocilien sind starre Stäbe:
- wegen den aufgereihten Actinfilamenten, aus denen sie bestehen
- knicken nur an der Basis ab, wo sie auf den Haarzellen verankert sind
- tip-link-Filamente (Quervernetzungsfilam.) sorgen für das enge Zusammenbleiben der Stereocilien
- dadurch bewegt sich das ganze Bündel als Einheit
Wie wandeln Haarzellen das Abbiegen der Stereocilien in neuronale Signale um?
A.J. Hudspeth: neuer Ansatz, bei dem Haarzellen aus dem Innenohr isoliert und in vitro untersucht
werden
Ergebnisse:
Haarzellen werden in die eine Richtung abgebogen Depolarisation der Haarzellen
Haarzellen werden in die andere Richtung abgebogen Hyperpolarisation der Haarzellen
Wenn eine Schallwelle dazu führt, dass die Stereocilien hin- und hergebogen werden, generiert die
Haarzelle – ausgehend von einem Ruhepotenzial von -70 mV – abwechselnd ein hyperpolarisierendes
und ein depolarisierendes Rezeptorpotenzial.
Wie effizient arbeitet das Gehör? (siehe dazu Abb. 11.14a, S. 391)
- Rezeptorpotenzial gesättigt, wenn sich die Spitzen der Stereocilien ca. 20 nm zur Seite bewegen
(hervorgerufen durch einen sehr lauten Ton)
- leiseste hörbare Ton biegt die Stereocilien nur um 0,3 nm zur Seite
erstaunlich wenig! (entspricht etwa dem Durchmesser eines großen Atoms)
Wie wandelt die Haarzelle solch unendlich kleine Mengen Schallenergie in Rezeptorpotenziale um?
An der Spitze der Stereocilien gibt es einen speziellen Typ von Kationenkanal: TRPA1-Kanal
- TRPA1-Kanäle öffnen/schließen durch das Abbiegen der Stereocilien
- rufen dadurch Veränderungen im Rezeptorpotenzial der Haarzelle hervor
Wie funktionieren TRPA1-Kanäle? (siehe dazu Abb.11.15, S. 394)
- jeder Kanal besitzt ein elastisches Filament (tip-link)
8. - durch dieses Filament ist der Kanal mit der Wand der benachbarten Stereocilien verbunden
Stehen die Stereocilien aufrecht:
mechanische Spannung am tip-link hält den Kanal teilweise geöffnet
ein wenig K+ kann aus der Endolymphe in die Haarzelle einwandern
Auslenkung der Stereocilien in eine Richtung:
Spannung am tip-link erhöht sich
K+ Einstrom erhöht sich
Depolarisation (beachtenswert: in den meisten Neuronen bewirkt das Öffnen der Kaliumkanäle
eine Hyperpolarisation)
Auslenkung der Stereocilien in die entgegengesetzte Richtung:
Spannund am tip-link senkt sich
Kanal kann sich vollständig schließen
K+ Einstrom kommt vollständig zum Erliegen
- K+ Einstrom in die Haarzelle führt zu einer Depolarisation
- Depolarisation aktiviert spannungsgesteuerte Calciumkanäle
- Eindringen von Ca2+ löst Freisetzung eines Neurotransmitters aus
- Neurotransmitter aktiviert Spiralganglionfasern (postsyn. Partner der Haarzellen)
Warum reagieren Haarzellen anders als Neuronen? (Depolarisation anstatt Hyperpolarisation)
- Endolymphe hat ungewöhnlich hohe Kaliumkonzentration
- Endolymphe bringt ein K+ Gleichgewichtspotenzial von 0 mV mit
- in typischen Neuronen liegt das K+ Gleichgewichtspotenzial bei -80 mV
Innervation der Haarzellen:
- Hörnerv besteht aus den Axonen von Neuronen
- die Zellkörper dieser Neuronen liegen im Spiralganglion
- Spiralganglienneuronen liefern die gesamte auditorische Info, die zum Gehirn weitergeleitet wird
(Spiralganglienneuronen sind die ersten in der Hörbahn, die Aktionspotenziale generieren)
Auffälliger Unterschied in der Innervation aus dem Spiralganglion von inner. und äußeren Haarzellen:
- Zahl der Neuronen im Spiralganglion: 35 000-50 000
- es gibt dreimal soviel äußere wie innere Haarzellen
- trotzdem kommunizieren mehr als 95% der Neuronen im Spiralganglion mit den relativ wenigen
inneren Haarzellen
- weniger als 5% erhalten synaptischen Input von den zahlreichen äußeren Haarzellen
Folge:
eine einzige Spiralganglienfaser empfängt Input von nur einer einzigen inneren Haarzelle
jede innere Haarzelle versorgt ca. 10 Spiralganglienfortsätze
es gibt mehr äußere Haarzellen wie Spiralganglienzellen
eine einzige Spiralganglienfaser bildet Synapsen mit zahlreichen äußeren Haarzellen aus
Der allergrößte Teil der Info, die die Cochlea verlässt, stammt von den inneren Haarzellen!
Verstärkung durch die äußeren Haarzellen:
Äußere Haarzellen spielen eine wichtige Rolle bei der Schalltransduktion
- äußere Haarzellen arbeiten wie kleine Motoren
- verstärken die Bewegungen der Basilarmembran bei schwachen Schallreizen
9. - äußere Haarzellen auf der Basilarmembran= cochleare Verstärker
Motorproteine:
- liegen in der Membran der äußeren Haarzellen
- können die Länge der äußeren Haarzellen verändern
- Reaktion der äußeren Haarzellen auf Schall: Rezeptorpotenzial + Längenveränderung
- Motor der Haarzellen wird vom Rezeptorpotenzial angetrieben
- Motor nutzt kein ATP als Energiequelle
- Motor ist außergewöhnlich schnell
(muss in der Lage sein, mit den hochfrequenten Tönen induzierten Schwingungen Schritt zu halten)
- möglicher Haarzellenmotor: Protein Prestin
- Prestin liegt dicht gepackt in der Membran der äußeren Haarzellen
- Prestin wird benötigt, damit sich die äußeren Haarzellen in Antwort auf Schall bewegen
- Prestin ist auch für die Funktion des cochlearen Verstärkers unabdingbar
Die äußeren Haarzellen sind an der Basilarmembran und an der Lamina reticularis angeheftet:
Basilarmembran wird zur Lamina reticularis und zur Tektorialmembran gezogen/weggeschoben
Ziehen/Wegschieben erfolgt durch die Veränd. der Länge der Haarzellen durch die Motorproteine
„Motor“ weil die äußeren Haarzellen die physische Beziehung zwischen den beide
Cochleamembranen aktiv verändern
Ruggero/Rich:
- stellten fest, dass der Motoreffekt einen erheblichen Beitrag zu den Wanderwellen liefert
- diese Wanderwellen pflanzen sich entlang der Basilarmembran fort
Versuch:
- applizierten Labortieren die Verbindung Furosemid
- Furosemid blockiert zeitweilig die Transduktion
- diese Transduktion resultiert normalerweise aus dem Abbiegen der Stereocilien auf den Haarzellen
Stellten fest: Furosemid verringert die Auslenkung der Basilarmem. in Antwort auf Schall signifikant
Worauf geht diese Furosemidwirkung zurück?
- auf die Inaktivierung der Motorproteine in den äußeren Haarzellen
- damit auf den Verlust des cochleären Verstärkers
Signifikanter Beitrag der äußeren Haarzellen zum Output der Cochlea:
- äußere Haarzellen verstärken die Antwort der Basilarmembran
- dadurch biegen sich die Stereocilien der inneren Haarzellen stärker ab
verstärkter Transduktionsprozess
größere Antwort im Hörnerv
- Verstärkereffekt kann durch Neuronen außerhalb der Cochlea modifiziert werden
- Afferenzen des Spiralganglions projizieren von der Cochlea zum Hirnstamm
- zusätzlich gibt es ca. 1 000 efferente Fasern vom Hirnstamm zur Cochlea
- diese Efferenzen divergieren weit
- bilden mit äußeren Haarzellen Synapsen
- setzen Acetylcholin frei
- Reizung dieser Efferenzen verändert die Form der äußeren Haarzellen
- beeinflusst damit die Antwort der inneren Haarzellen
absteigender Input kann vom Gehirn zur Cochlea die Hörempfindlichkeit regulieren
Schädigung der Haarzellen durch Antibiotika (z.B. Kanamycin):
10. - überhöhte Antibiotikaexposition
- viele innere Haarzellen zeigen dadurch verringerte Antwort auf Schallreize
- Antibiotika schädigen jedoch fast nur die äußeren Haarzellen
hervorgerufene Schwerhörigkeit aufgrund der Schädigung des cochleären Verstärkers (also der
äußeren Haarzellen)
ZENTRALE AUDITORISCHE VERARBEITUNG
Hörbahn erscheint komplexer als Sehbahn:
- zw. sensorischen Organ und Cortex bildet sie mehr Synapsen mit zwischengeschalteten Kernen aus
- es gibt viel mehr alternative Bahnen, über die ein Signal von einem Kern zum nächsten wandert
- verarbeitete Informationsmenge ist jedoch ähnlich groß
Anatomie der Hörbahn
- Afferenzen vom Spiralganglion treten in den Hirnstamm ein (über den Nervus vestibulocochlearis)
- in der Medulla innervieren die Axone den Nucleus cochlearis dorsalis + Nucleus cochlearis ventralis
- diese Innervier. erfolgt auf derselben Seite (ipsilateral) der Cochlea, auf der die Axone entspringen
- jedes Axon verzweigt sich
- bildet mit Neuronen in beiden Cochleariskernen Synapsen
Besonders wichtige Bahn von den Cochleariskernen bis zum auditorischen Cortex:
- Zellen im Nucleus cochlearis ventralis projizieren in die obere Olive auf beid. Seiten des Hirnstamms
- Axone der Olivenneuronen steigen in der seitlichen Schleifenbahn auf
- innervieren den Colliculus inferior im Mittelhirn
- viele Efferenzen des Nu…dorsalis folgen einer Route ähnlich der Bahn vom Nu…ventralis
- doch die dorsale Bahn umgeht die obere Olive
sämtliche aufsteigenden Hörbahnen konvergieren auf den Colliculus inferior
- Neuro. im Colliculus inferior senden Axone zum Corpus geniculatum mediale (CGM) des Thalamus
- CGM projiziert in den auditorischen Cortex
Folgendes sollte festgehalten werden:
1. Weitere Projektionen liefern einen Beitrag zu den Hörbahnen: z.B.
- Colliculus inferior sendet nicht nur Axone zum CGM
- sendet auch zum Colliculus superior und zum Kleinhirn (Cerebellum)
2. Ausgedehntes Feedback in den Hörbahnen: z.B.
- Hirnstammneuronen senden Axone aus
- diese Axone treten mit den äußeren Haarzellen in Kontakt
- Hörrinde schickt Axone zum CGM und zum Colliculus inferior
3. Jeder Nucleus cochlearis erhält ausschließlich von dem Ohr auf der ipsilateralen Seite Input
(alle anderen auditorischen Kerne im Hirnstamm bekommen ihn von beiden Ohren)
Antworteigenschaften von Neuronen der Hörbahn
Natur des Inputs von den Neuronen im Spiralganglion der Cochlea:
- die meisten Spiralganglienzellen erhalten Input von einer einzelnen inneren Haarzelle
- diese Haarzelle befindet sich an einem bestimmten Ort auf der Basilarmembran
- deshalb generieren die Spiralganglienzellen nur Aktionspotenziale innerhalb eines begrenzten
11. Frequenzbereichs
- schließlich werden Haarzellen durch eine Auslenkung der Basilarmembran erregt
- jeder Abschnitt der Membran ist für einen bestimmten Frequenzbereich maximal empfindlich
Charakteristische Frequenz: bestimmte Frequenz, auf die das Neuron am empfindlichsten auf Schall
reagiert
typisch für Neuronen in den Relaisstationen zwischen Cochlea und Cortex
Wenn man die Hörbahn im Hirnstamm hinaufsteigt, werden Antworteigenschaften der Zellen
vielfältiger und komplexer (wie im visuellen System):
z.B. einige Zellen in den Cochleariskernen:
reagieren besonders empfindlich auf Töne, deren Frequenz in Abhängigkeit von der Zeit variiert
z.B. einige Zellen im CGM:
antworten auf recht komplexe Laute, wie Vokalisierungen
z.B. einige Zellen im Hörnerv:
zeigen eine einfache Frequenzselektivität
Die Zellen der oberen Olive erhalten Input vom Nucleus cochlearis auf beiden Seiten des Hirnstamms
binaurale Neuronen
CODIERUNG VON SCHALLDRUCK UND SCHALLFREQUENZ
Wir sind gewöhnlich von einer erstaunlichen Vielfalt von Tönen und Geräuschen umgeben.
Gehirn muss in der Lage sein, wichtige Schallreize zu analysieren und unwichtige zu ignorieren
Schalldruck
Information über die Schallstärke wird auf zwei miteinander verknüpften Weisen codiert:
1. Durch die Entladungsrate (Aktionspotenzialfrequenz) der Neuronen
2. Durch die Zahl der aktivierten Neuronen
Wenn ein Reiz stärker wird:
schwingt die Basilarmembran mit einer größeren Amplitude
dadurch wird das Membranpotenzial der aktivierten Haarz. stärker depolarisiert/hyperpolarisiert
dadurch steigt die Aktionspotenzialfrequenz an den Nervenfasern, mit denen die Haarzellen
Synapsen bilden
stärkere Reize produzieren Auslenkungen der Basilarmembran über eine größere Strecke
dies führt zur Aktivierung von mehr Haarzellen
dies führt zu einer Verbreiterung des Frequenzbereichs in einer einzelnen Nervenfaser
Reizfrequenz, Tonotopie und Phasenkopplung
- die meisten Neuronen reagieren empfindlich auf die Reizfrequenz
- ihre maximale Empfindlichkeit erreichen sie bei der charakteristischen Frequenz
Wie wird die Frequenz im Zentralnervensystem dargestellt?
Tonotopie:
Frequenzempfindlichkeit ist weitgehend eine Folge der Mechanik der Basilarmembran:
untersch. Abschnitte der Membran werden bei unterschiedlichen Frequenzen maximal ausgelenkt
von der Basis bis zur Spitze der Basilarmemb. sinkt die Frequenz zur max. Auslenkung kontinuierl.
12. Im Hörnerv gibt es eine entsprechende Frequenzrepräsentation:
Hörnervenfasern, die Haarzellen in der Nähe der apikalen Basilarmembran innervieren:
niedrige charakteristische Frequenzen
Hörnervenfasern, die mit Haarzellen in der Nähe der Basis der Basilarmembran verbunden sind:
hohe charakteristische Frequenzen
Auditorische Axone im Nervus vestibulocochlearis in den Cochleariskernen bilden Synapsen in einem
organisierten Muster.
Dieses Muster basiert auf den charakteristischen Frequenzen.
- nahe beieinanderliegende Neuronen codieren ähnliche Frequenzen
- systematische Beziehung zwischen der Lage im Cochleariskern und der Frequenz
Es existiert eine Karte der Basilarmembran in den Cochleariskernen
Tonotopie (analog zur Retinotopie) herrscht im ganzen auditorischen System
= Systematische Organisation von charakteristischen Frequenzen innerhalb einer auditorischen
Struktur
Tonotope Karten gibt es:
- auf der Basilarmembran
- in allen auditorischen Relaiskernen
- im CGM
- im auditorischen Cortex
Die Lage aktiver Neuronen in auditorischen Kernen ist nur ein Hinweis auf die Schallfrequenz.
Die Frequ. muss jedoch noch auf irgendeine andere Weise als auf tonotopen Karten codiert werden.
Es ist mehr als nur Tonotopie nötig. Warum?
in tonotopen Karten sind bisher keine Neuronen mit sehr tiefen charakteristischen Frequenzen
(unterhalb von etwa 200 Hz) gefunden worden
die Region der Basilarmembran, die von einem Ton max. ausgelenkt wird, ist abhängig von der
Frequenz des Tons UND seiner Intensität
(max. Auslenkung ist bei einem lauteren Ton in Richtung Spitze verschoben)
Phasenkopplung:
Zeitliches Muster der Aktionspotenziale ergänzende Infos über Schallfrequenzen
Phasenkopplung:
- durchgängiges Feuern einer Zelle in derselben Phase eines Wellenzyklus
- Phasenkopplung zeigen Neuronen im Hörnerv
- bei niedrigen Frequ. feuern einige Neuronen jedes Mal, wenn der Ton eine best. Phase erreicht
- das erleichtert es, die Schallfrequenz zu erkennen
die Schallfrequenz ist dieselbe wie die Aktionspotenzialfrequenz des Neurons
Phasenkopplung kann selbst dann auftreten, wenn nicht bei jedem Zyklus ein Aktionspotenzial
generiert wird:
z.B. Neuron kann auf ei. 1 000 Hz Ton in nur viell. 25% aller Zyklen des Inputs mit einem Impuls reag.
- diese Zyklen des Inputs treten jedoch immer in derselben Phase der Schallwelle auf
- in einer Gruppe solcher Neuronen, bei der jedes N. auf andere Zyklen antwortet, ist es möglich, von
irgendeinem von ihnen eine Antwort auf jeden Zyklus zu erhalten Maß für die Schallfrequenz
- wahrscheinlich werden mittlere Schallfrequenzen durch die gemeinsame Aktivität einer Reihe von
Neuronen dargestellt, von denen jedes in Phasenkopplungsmanier feuert Salvenprinzip
13. - Phasenkopplung tritt bei Schallwellen bis zu ca. 4 kHz auf
- oberhalb dieser Frequenz ist die Beziehung zw. Phase der Schallwelle und Auftreten der neuronalen
Impulse nur noch zufällig
weil: intrinsische Variabilität im Zeitmuster der Aktionspotenziale ist vergleichbar mit Zeitintervall
zwischen aufeinanderfolgenden Schallzyklen
Schallwellenzyklen folgen so rasch aufeinander
Impulse der einzelnen Neuronen können den zeitlichen Verlauf der Schallwellenzyklen nicht mehr
präzise darstellen
ab etwa 4 kHz werden Frequenzen ausschließlich tonotop dargestellt
Zusammenfassend werden verschiedene Frequenzen folgendermaßen dargestellt:
Sehr niedrige Frequenzen Phasenkopplung
Mittlere Frequenzen Phasenkopplung + Tonotopie
Hohe Frequenzen Tonotopie
MECHANISMEN DER SCHALLLOKALISATION
Lokalisation von Schallquellen kann überlebenswichtig sein.
Versuch:
Augen verschließen und ein Ohr verstopfen. Vogel fliegt zwitschernd über einen hinweg.
man kann den Vogel fast genauso gut lokalisieren wie mit zwei offenen Ohren
Versuch, die horizontale Position einer quakenden Ente im Teich zu lokalisieren.
geht mit nur einem offenen Ohr deutlich schlechter
für eine gute horizontale Lokalisation benötigt man beide Ohren
für eine gute vertikale Lokalisation benötigt man das nicht
Schalllokalisation in der Horizontalebene
Wenn d. Schallquelle nicht direkt vor uns liegt, erreicht der Schall das eine Ohr später als das andere.
interaurale Laufzeitdifferenz
- Zeitverzögerung wird von spezialisierten Neuronen im Hirnstamm wahrgenommen
- ermöglicht uns, die Schallquelle in der Horizontalebene zu lokalisieren
Problem: Dauerton
- hierbei weiß man nicht, wann der Ton ursprünglich an beiden Ohren eingetroffen ist
- ist ständig auf beiden Ohren präsent Schalllokalisation schwierig
Dennoch kann man die Ankunftszeit einsetzen, um die Schallquelle zu lokalisieren:
Das Einzige, was sich bei Dauertönen vergleichen lässt: Zeit, in der dieselbe Phase der Schallwelle
jedes Ohr erreicht
z.B.: 200-Hz-Schall, der von der Seite kommt
- ein Schallwellenzyklus deckt 172 cm ab
- also deutlich mehr als den 20 cm Abstand der Ohren
- nachdem ein Maximum der Schalldruckwelle das rechte Ohr passiert, muss man 0,6 ms warten
(Zeit, die der Schall braucht, um 20 cm zu wandern)
- nach 0,6 ms nimmt man ein Maximum im linken Ohr war
Dauertöne mit hoher Frequenz
14. Annahme: von rechts kommender Ton, Frequenz: 20 000Hz
- ein Schallzyklus deckt 1,7 cm ab
- Ton wird am linken Ohr viel schneller als nach 0,6 ms wahrgenommen
- weil viele Maxima einer solchen hochfrequenten Welle zwischen die Ohren passen
Keine einfache Beziehung mehr zwischen der Richtung des Schalls und der Ankunftszeit der
Maxima an beiden Ohren
interaurale Laufzeitdifferenz ungeeignet für Lokalisation von Dauertönen, die so hochfrequent
sind, dass ein Schallwellenzyklus kleiner als der Abstand der Ohren ist (bei Frequ. über 2 000 Hz)
Prozess zur Schalllokalisation bei hohen Frequenzen:
- Kopf wirft einen deutlichen Schallschatten
- deshalb herrscht zwischen den beiden Ohren ein interauraler Intensitätsunterschied
direkte Beziehung zwischen:
- Richtung, aus der der Schall kommt +
- Maß, in dem der Kopf den Schall gegenüber einem Ohr abschirmt
Schall kommt von rechts linkes Ohr nimmt Schall mit deutlich geringerer Intensität wahr
Schall kommt von vorn beide Ohren registrieren dieselbe Intensität
Schall kommt aus dazwischen liegender Richtung mittlere Intensitätsunterschiede
Neuronen, die empfindlich auf Intensitätsunterschiede reagieren, können diese Info zur Lokalisierung
der Schallquelle nutzen.
Warum können Intensitätsinfos nicht dazu verw. werden, niederfrequenten Schall zu lokalisieren?
- weil die Schallwellen bei diesen Frequenzen um den Kopf laufen
- Intensität ist an beiden Ohren in etwa dieselbe
- bei niedrigen Frequenzen gibt es keinen Schallschatten
Zusammenfassung beider Prozesse zur Lokalisierung von Schall in der Horizontalebene:
Schall im Bereich von 20 bis 2 000 Hz interaurale Laufzeitdifferenz
Schall im Bereich von 2 000 bis 20 000 Hz interauraler Intensitätsunterschied
Gemeinsam bilden diese beiden Prozesse die Basis für die Duplextheorie der Schalllokalisation
Empfindlichkeit binauraler Neuronen für die Schalllokalisation:
monaurale Neuronen: reagieren nur auf einen Schallreiz an einem Ohr
z.B. Neuronen in den Cochleariskernen; bekommen lediglich Afferenzen vom ipsilateralen Nervus
vestibulocochlearis
binaurale Neuronen: reagieren auf einen Schallreiz an beiden Ohren
- gibt es bei allen späteren Verarbeitungsschritten im auditorischen System
- spielen eine wichtige Rolle bei der Schalllokalisation in der Horizontalebene
- erste Struktur, in der es binaurale Neuronen gibt: obere Olive
Neuronen in der oberen Olive:
- erhalten Afferenzen von den Cochleariskernen auf beiden Seiten des Hirnstamms
- Zellen in den Cochleariskernen projizieren in die obere Olive
- diese Zellen zeigen i.d.R. Antworten, die mit niederfrequentem Schallinput phasengekoppelt sind
Olivenneuron, das Signale vom rechten und linken Cochleariskern empfängt, kann die interaurale
Laufzeitdifferenz berechnen
15. - jedes Neuron reagiert i.d.R. besonders stark bei einer bestimmten interauralen Laufzeitdifferenz
- interaurale Laufzeitdifferenz variiert in Abhängigkeit von der Schalllokalisation
- jedes dieser Neuronen steht mögl.w. für eine ganz bestimmte Position in der Horizontalebene
Wie kann ein neuronaler Schaltkreis Neuronen erzeugen, die empfindlich auf die interaurale
Laufzeitdifferenz reagieren?
Eine Möglichkeit: Axone als Verzögerungslinien (delay lines) benutzen (siehe dazu Abb. 11.25, 408)
- auf diese Weise werden kleine Zeitunterschiede präzise registriert
- ein im linken Ohr eintreffender Schallreiz löst im linken Cochleariskern Aktionspotenziale aus
- diese Aktionspotenziale wandern in die obere Olive entlang an afferenten Axonen (Abb. 11.25, 408)
- innerhalb von 0,6 ms nach Eintreffen im linken Ohr erreicht dieser Schall das rechte Ohr
- Schall löst in Axonen des rechten Cochleariskerns Aktionspotenziale aus
- Aktionspotenziale brauchen von beiden Seiten unterschiedlich lange, um an den verschiedenen
postsynaptischen Neuronen der Olive anzukommen
(aufgrund der Anordnung von Axonen und Neuronen in der Olive)
- Eintreffen des Aktionspotenzials von der linken Seite verzögert sich gerade so, dass es mit dem
Eintreffen der Impulse von der rechten Seite koinzidiert
- die zu genau derselben Zeit einlaufenden Aktionspotenziale treffen ein
- erzeugen EPSP (exzitatorische postsynaptische Potenziale)
- EPSP summieren sich und führen zu einem größeren EPSP
- dieses EPSP erregt das Olivenneuron 3 stärker, als es ein monaural ausgelöstes EPSP allein könnte
Bei anderen Neuronen in der oberen Olive sind die axonalen Verzögerungslinien systematisch
unterschiedlich angeordet sind daher auf andere interaurale Laufzeitdifferenzen abgestimmt
Viele Neuronen und Synapsen des auditorischen Systems sind speziell an rasche Operationen
angepasst (für die möglichst genaue Registrierung der Zeitunterschiede):
Ihre Aktionspotenziale und EPSP sind viel schneller
Grenzen der auditorischen Zeitmessung dieses Typs:
- Phasenkopplung sehr wichtig für präzisen Vergleich des Inputtimings
- Phasenkopplung tritt nur bei relativ niedrigen Frequenzen auf
interaurale Laufzeitdiff. sind nur nützlich zur Lokalisation von Schall relativ niedriger Frequenzen
Neuronen in der oberen Olive reagieren auch auf interaurale Intensität:
- spezieller Neuronentyp wird von Schall auf einem Ohr mäßig erregt
- zeigt nur dann eine max. Antwort, wenn beide Ohren gereizt werden
- ein anderer Neuronentyp wird von Schall auf einem Ohr erregt +
- wird von Schall auf dem anderen Ohr hingegen gehemmt
Schalllokalisation in der Vertikalebene
Der Vergleich des Inputs beider Ohren bringt für die Lokal. von Schall in der Vertikalebene nicht viel:
- Schallquelle bewegt sich auf und nieder
- dabei verändert sich weder die interaurale Laufzeitdifferenz noch die interaurale Intensität
das Verstopfen eines Ohres beeinträchtigt die Schalllokalisierung in der Vertikalebene viel weniger
als in der Horizontalebene
Kurven und Windungen der Ohrmuschel reflektieren den eintreffenden Schall:
- Verzögerung zwischen direkten und reflektierten Weg verändert sich,
16. - wenn sich die Schallquelle in der Vertikalen bewegt
Der kombinierte Schall (direkt und reflektiert) klingt ein wenig anders, je nachdem ob er von oben
oder unten kommt.
DER AUDITORISCHE CORTEX
Axone, die das CGM verlassen, projizieren zum auditorischen Cortex.
Dabei projizieren sie über die Hörstrahlung (Radiato acustica) (=Capsula interna in einer Faserbahn)
Der primäre auditorische Cortex (primäre Hörrinde, A1) entspricht dem Brodmann-Areal 41 im
Temporallappen.
Aufbau von A1 und den sekundären auditorischen Arealen:
(vergleichbar mit den entsprechenden Arealen des visuellen Systems)
• Schicht I: enthält nur wenige Zellkörper
• Schicht II + III: weisen vorwiegend kleine Pyramidenzellen auf
• Schicht IV: hier enden die CGM-Axone; besteht aus dicht gepackten Körnerzellen
• Schicht V + VI: enthalten überwiegend größere Pyramidenzellen
Neuronale Antworteigenschaften
Wie reagieren die cortikalen Neuronen der o.g. Schichten auf Schall?
- Neuronen in A1 sind genau auf eine Schallfrequenz abgestimmt
- besitzen charakteristische Frequenzen
Tonotope Repräsentation in A1:
- niedrige Frequenzen werden rostral + lateral repräsentiert
- hohe Frequenzen werden caudal + medial repräsentiert
Allgemein gesagt: Es gibt Isofrequenzbänder, die mediolateral über A1 laufen
= enthalten Streifen, die über A1 verlauf., Neuronen mit recht ähnl. charakteristischen Frequenzen
Cortikale Neuronen weisen wie in früheren Stadien der Hörbahn unterschiedliche zeitliche
Antwortmuster auf.
(Einordnung der auditorischen rezeptiven Felder in Kategorien wie beim visuellen System –einfach
oder komplex- bisher noch nicht möglich)
- einige reagieren auf einen kurzen Schallreiz nur phasisch
- andere reagieren tonisch
- einige Neuronen reagieren spezifisch auf die Intensität des Schallreizes
- zeigen bei einer bestimmten Schallintensität eine maximale Antwort
- einige Neuronen sind präzise auf eine bestimmte Frequenz eingestellt
- andere sind kaum selektiv
- Grad der Selektivität korreliert kaum mit der cortikalen Schicht
Organisatorische Prinzipien im auditorischen Cortex:
- tonotope Repräsentation
- Kolumnen von Zellen (mit ähnlicher binauraler Interaktion)
17. Unterscheidung von Zellen im auditorischen Cortex:
- Zellen, die stärker auf die Reizung beider Ohren reagieren
- Zellen, die stärker auf die Reizung eines Ohrs allein reagieren
- Zellen, die gehemmt werden, wenn beide Ohren gereizt werden
Beispiel für Spezialisierung: Wernicke Areal
Zerstörung des Wernicke Areals beeinträchtigt nicht das Hörempfinden
sondern: Beeinträchtigung der Fähigkeit, gesprochene Sprache zu verstehen
Auswirkungen von Läsionen im auditorischen Cortex
- beidseitige Abtragung (Ablation) des auditorischen Cortex führt zu Gehörlosigkeit
Bei einseitigen Läsionen bleibt ein überraschend hohes Maß an normaler Hörfunktion erhalten:
Grund: beide Ohren schicken Output zum Cortex beider Hemisphären
- wichtigstes Defizit n. einen unilateralen Verlust von A1: Unfähigkeit, eine Schallquelle zu lokalisieren
- im Gegensatz zum visuellen System
- beim visuellen System führt eine unilaterale Läsion der Area striata zur vollständigen Blindheit in
einem visuellen Halbfeld
Aufgrund der tonotopen Organisation von A1 ist es möglich, eine eng umgrenzte cortikale Läsion zu
setzen, die Neuronen mit charakteristischen Frequenzen innerhalb eines begrenzten
Frequenzbereichs zerstört.
dies führt zu einem Lokalisationsdefizit für folgende Schallreize:
Schallreize, die grob mit d. charakteristischen Frequenzen der zerstörten Zellen korrespondi.
DAS VESTIBULÄRE SYSTEM
- überwacht Position und Bewegung des Kopfes
- vermittelt den Gleichgewichtssinn
- hilft dabei, die Bewegung von Kopf und Augen + Körperhaltung zu koordinieren
Das vestibuläre Labyrinth
= eine Reihe miteinander verbundener Kammern, in denen bei Säugern sämtliche Haarzellen liegen
- auditorischer Teil: spiralige Cochlea
- vestibuläres + auditorisches System verwenden Haarzellen, um Bewegungen in neuronale Signale
umzuwandeln
- auf beiden Seiten des Kopfes liegt (spiegelbildlich angeordnet) je ein Satz Vestibularorgane
Das vestibuläre Labyrinth umfasst zwei Typen von Strukturen mit unterschiedlicher Funktion:
1. Maculaorgane: nehmen die Schwerkraft und Neigung des Kopfes wahr
- bestehen aus einem Paar relativ großer Kammern Sacculus und Utriculus
- Sacculus und Utriculus liegen fast im Zentrum des Labyrinths
2. Bogengänge: reagieren auf Kopfdrehungen
- sind gebogene Kanäle des Labyrinths
- sie liegen in annähernd orthogonalen Ebenen= stehen annähernd senkrecht aufeinander
Zweck beider Strukturen:
Weiterleitung der mechanischen Energie (die von der Kopfbewegung herrührt) zu ihren Haarzellen
18. Jede Struktur reagiert auf jeweils andere Arten von Bewegung
wegen der spezialisierten Strukturen, in denen die Haarzellen sitzen
Jede Haarzelle der vestibulären Organe bildet eine exzitatorische Synapse mit dem Ende eines
sensorischen Axons vom Nervus vestibularis aus, einem Zweig des Nervus vestibulocochlearis (VIII.
Hirnnerv).
- auf beiden Seiten des Kopfes gibt es rund 20 000 Vestibularisaxone
- die Zellkörper der Vestibularisaxone liegen im Vestibularisganglion
Die Maculaorgane
Sacculus und Utriculus nehmen Veränd. des Neigungswinkels/Linearbeschleunigung des Kopfes wahr.
Neigung des Kopfes Veränderung des Winkels zwischen den Maculaorganen + Schwerkraftvektor
Eine Linearbeschleunigung erzeugt eine Kraft, die proportional zur Masse des beschleunigten Objekts
ist: bspw. wenn man mit einem Aufzug oder Auto fährt, das beschleunigt oder abbremst
- wenn Auto und Aufzug sich in konstanter Geschwindigkeit bewegen Beschleunigung = 0
- es wirkt keine Kraft
darum kann man mit 1 000 km/h in einem Düsenjet fliegen, ohne die Bewegung zu spüren
Jedes Maculaorgan enthält ein Sinnesepithel, die Macula:
(Achtung: vestibuläre Macula und retinale Macula sind völlig verschiedene Strukturen!)
- bei erhobenem Kopf: vertikale Orientierung im Sacculus; horizontale Orientierung im Utriculus
- vestibuläre Macula enthält Haarzellen, die zwischen Stützzellen eingebettet liegen
- Stereocilien ragen in eine gallertartige Kappe (Statolithenmembran)
- wenn die Haarbündel gebogen werden, wird das in neuronale Signale umgewandelt
- einzigartiges Merkmal der Maculaorgane: die winzigen Calciumkristalle (sog. Statolithen/Otolihten)
bedecken die Oberfläche der gallertartigen Statolithenmembr. in der Nähe der Haarbündelspitzen
sind der Schlüssel zur Neigungsempfindlichkeit der Macula
Statolithen haben eine höhere Dichte als die sie umgebende Endolymphe
Wenn sich der Neigungswinkel des Kopfes verändert oder der Kopf linear beschleunigt wird, wird auf
die Statolithen eine Kraft ausgeübt.
dies übt eine Kraft in derselben Richtung auf die gallertartige Kappe aus
gallertartige Kappe bewegt sich
Stereocilien der Haarzellen werden abgebogen
Nicht jedes Abbiegen der Stereocilien führt zum gleichen Ergebnis!
- jede Haarzelle weist eine besonders lange Cilie auf, die Kinocilie
- Abbiegen von Haarzellen in Richtung Kinocilie depolarisierendes exzitatorisches Rezeptorpotenzi.
- Abbiegen in die andere Richtung Hyperpolarisation und Hemmung der Zelle
Die Zelle ist außerordentlich richtungsempfindlich!
- Abbiegen der Haarzellen im rechten Winkel zu ihrer Vorzugsrichtung reagieren kaum
- Transduktionsmechanismus der vestibulären Haarzellen ist im Wesentlichen derselbe wie bei den
auditorischen Haarzellen:
nur geringfügige Auslenkungen nötig
Antwort ist gesättigt, wenn die Haarzellen weniger als 0,5 µm abgebogen werden (entspricht etwa
dem Durchmesser einer Stereocilie
Die Haarzellen von Utriculus und Sacculus sind so orientiert, dass sie alle Bewegungen des Kopfes
(egal ob drehen, neigen etc.) effizient in neuronale Signale umwandeln können.
19. Maculae sacculi sind mehr oder weniger vertikal orientiert
Maculae utriculi sind mehr oder weniger horizontal orientiert
- auf jeder Macula variiert die Richtungspräferenz der Haarzellen systematisch
- es gibt genug Haarzellen auf jeder Macula, um das ganze Richtungsspektrum abzudecken
Wenn eine bestimmte Kopfbewegung die Haarzellen auf einer Seite erregt, werden wegen der
spiegelbildlichen Orientierung von Sacculus und Utriculus auf beiden Seiten des Kopfes die
entsprechenden Haarzellen auf der anderen Seite gehemmt:
jede Neigung/Linearbeschleunigung des Kopfes erregt einige Haarzellen
andere Haarzellen werden gehemmt
die restlichen Haarzellen bleiben unbeeinflusst
Die Bogengänge
- können Drehbewegungen des Kopfes wahrnehmen, z.B. Kopfschütteln oder Nicken
- wie bei Maculaorganen können Bogengänge auch Beschleunigungen registrieren
- allerdings Beschleunigungen anderer Art: Drehbeschleunigungen
- Drehbeschleunigungen werden von plötzlichen Drehbewegungen hervorgerufen
- Drehbewegungen sind der wichtigste Reiz für Bogengänge
Aufbau der Bogengänge:
Haarzellen
- Haarzellen der Bogengänge sitzen in einem Sinnesepithelfeld, der Crista ampullaris
- Crista ampullaris liegt in der Auswölbung des Ganges, der Ampulle
Stereocilien
- ragen in eine gallertige Kappe, die Cupula
- Cupula durchspannt das Lumen des Bogengangs in der Ampulle
Kinocilien
- sind bei allen Haarzellen in einer Ampulle in dieselbe Richtung orientiert
- hat zur Folge, dass alle Haarzellen gemeinsam erregt oder gehemmt werden
- Bogengänge sind mit Endolymphe (wie in der Cochlea) gefüllt
Das passiert bei einer Rotation des Kopfes:
- Bogengang wird plötzlich wie ein Rad um seine Achse gedreht
- dadurch werden Stereocilien abgebrochen
- Wand des Bogengangs und Cupula beginnen sich zu drehen
- dadurch bleibt Endolymphe aufgrund ihrer Massenträgheit zunächst zurück
- träge Endolymphe übt ähnlich wie Wind auf ein Segel eine Kraft auf die Cupula aus
- diese Kraft lenkt die Cupula aus
- das Auslenken führt zu einem Abbiegen der Stereocilien
- dieses Abbiegen führt (je nach Rotationsrichtung) zu einer Erregung oder Hemmung der Haarzellen
Neurotransmitterausschüttung der Vestibularisaxone
ODER
Hemmung dieser Ausschüttung
- Reibung der Endolymphe an den Bogengangwänden führt schließlich dazu, dass sich die beiden
Bewegungen angleichen
- dadurch kehrt die Cupula nach 15-30 s in ihre Ruhestellung zurück
20. Das passiert, wenn die Kopfdrehung aufhört:
- Rotation der Bogengänge hört auf
- durch die Trägheit der Endolymphe wird die Cupula in die andere Richtung abgebogen
- das ruft in den Haarzellen eine entgegengesetzte Reaktion hervor
- kurzfristig kommt das Gefühl auf, die Umwelt drehe sich im Gegensinn
erklärt, warum sich Kinder schwindelig füh., nachdem sie aufgehört haben, sich im Kreis zu drehen
ihre Bogengä. signalisieren ihnen, ihr Kopf drehe sich noch immer, wenn auch in die andere Richt.
Gemeinsam helfen die drei Bogengänge auf jeder Seite dabei, alle nur möglichen Rotationswinkel des
Kopfes wahrzunehmen.
- wird dadurch unterstützt, dass jeder Bogengang mit einem anderen auf der gegenüberliegenden
Kopfseite korreliert
- alle liegen in derselben Orientierungsebene wie ihre jeweiligen Partner
- reagieren auf Drehungen um dieselbe Achse
- Drehung erregt die Haarzellen des einen Bogengangs
- die Haarzellen des anderen Bogengangs werden gehemmt
- Vestibularisaxone feuern selbst in Ruhe mit einer hohen Frequenz
- daher kann ihre Aktivität je nach Rotationsrichtung entweder zu- oder abnehmen
Zentrale vestibuläre Bahnen und vestibuläre Reflexe
Zentrale vestibuläre Bahnen:
- koordinieren und integrieren Infos über Kopf- und Körperbewegungen
- nutzen diese Infos, um den Output von Motoneuronen zu kontrollieren
- primäre Vestibularisaxone vom VIII. Hirnnerv stehen in direktem synaptischen Kontakt mit dem
Nucleus vestibularis auf derselben Seite des Hirnstamms
- primäre Vestibularisaxone stehen ebenfalls mit dem Cerebellum in direktem syn. Kontakt
- vestibuläre Kerne empfangen zudem Input von anderen Teilen des Gehirns:
+ vom Cerebellum
+ vom Sehsystem
+vom somatosensorischen System
Verknüpfung der einlaufenden vestibulären Signale mit Daten über das motorische
System/andere sensorische Modalitäten
Diese Bahn befähigt den Körper, selbst auf dem Deck eines schwankenden Schiffs aufrecht stehen zu
bleiben:
Der Nucleus vestibularis:
- weist zahlreiche Unterteilungen auf
- projiziert in verschiedene Zielregionen (liegen weiter oben im Hirnstamm)
- projiziert auch nach unten ins Rückenmark
z.B.:
- Axone ziehen von den Maculaorganen in den Nucleus vestibularis lateralis
- Nucleus vestibularis lateralis projiziert zu spinale Motoneuronen über den Tractus vestibulospinalis
- Tractus vestibulospinalis kontrollieren die Beinmuskulatur
- tragen damit zur Kontrolle der Körperhaltung bei
Diese Bahn sorgt dafür, dass der Kopf seine aufrechte Lage beibehält, auch wenn sich der Körper
darunter heftig bewegt:
- Axone von den Bogengängen projizieren zum Nucleus vestibularis medialis
- er schickt über den Fasciculus longitudinalis medialis Axone aus, um Motoneuronen der Rumpf- und
Halsmuskulatur zu erregen, die den Kopf ausrichten
21. Ähnlich wie die anderen sensorischen Systeme bildet das vestibuläre System synaptische
Verbindungen mit dem Thalamus und anschließend mit dem Neocortex:
- von den Vestibularkernen verlaufen Axone zum ventralen posterioren Kern (VP) des Thalamus
- der VP projiziert in Regionen nahe der Repräsentation des Gesichts im primären
somatosensorischen und primären motorischen Cortex
- auf cortikaler Ebene kommt es zu einer umfassenden Integration von Infos über:
+ die Bewegung von Körper,
+ Augen,
+ und der visuellen Umwelt
Der vestibulookuläre Reflex (VOR):
Mithilfe des VOR ist es möglich, die Augen in einer bestimmten Richtung zu halten, selbst dann, wenn
man wie verrückt herumtanzt.
Präzises Sehen erfordert, das Bild auf den Netzhäuten trotz Kopfbewegungen konstant zu halten:
- jedes Auge kann von sechs äußeren Muskeln bewegt werden
- der VOR funktioniert über die Registrierung der Kopfdrehung
- daher löst der VOR sofort eine kompensatorische Augenbewegung aus
- diese Gegenbewegung trägt dazu bei, die Blickrichtung auf ein visuelles Ziel zu stabilisieren
- VOR ist ein Reflex
- wird vom vestibulären und nicht vom visuellen Input ausgelöst
- läuft daher selbst im Dunkeln oder bei geschlossenen Augen mit bemerkenswerter Präzision ab
Die Effizienz des VOR basiert auf komplexen Verbindungen:
- von den Bogengängen
- über den Nucleus vestibularis
- zu den Kernen der Hirnnerven,
- die die äußeren Augenmuskeln erregen
Abb. 11.34 (S. 422): zeigt nur die Hälfte der horizontalen Komponente dieses Schaltkreises. Sie
illustriert, was geschieht, wenn der Kopf nach links gedreht wird und der VOR dafür sorgt, dass sich
beide Augen nach rechts bewegen:
- Axone des linken horizontalen Bogengangs innervieren den linken Nucleus vestibularis
- der linke Nucleus vestibularis schickt exzitatorische Axone zum Kern des kontralateralen (rechten)
VI. Hirnnervs (Nucleus abducens)
- Motoaxone vom Nucleus abducens erregen wiederum den Musculus rectus lateralis des re. Auges
- eine andere erregende Projektion vom Nucleus abducens kreuzt über die Mittellinie zurück zur
linken Seite und steigt (über den Fasciculus longitudinalis medialis) auf
- dadurch wird der Kern des linken III. Hirnnervs (Nucleus oculomotorius) erregt
- dieser Kern erregt den rechten Musculus rectus medialis des linken Auges
beide Augen wenden sich nach rechts
Sicherstellung einer schnellen Reaktion:
- Projektion vom Nucleus vestibularis: zieht direkt zum linken Kern des Nervus oculomotorius
- dadurch wird auch der linke Musculus rectus medialis erregt
- Geschwindigkeit wird zudem durch die Hemmung der Muskeln (Musculus rectus lateralis und
medialis) gesteigert
Bei einer Kopfdrehung in beliebiger Richtung:
Der vollständige VOR-Schaltkreis umfasst entsprechende Verbindungen:
- zwischen dem rechten horizontalen Bogengang
- den anderen Bogengängen
22. - und den anderen äußeren Augenmuskeln, die die Augenbewegung kontrollieren
Pathologie des Vestibularapparats
- Schädigung des vestibulären Systems durch bspw. zu viel Antibiotika (z.B. Streptomycin)
Menschen mit bilateralen Läsionen des vestibulären Labyrinths:
- ihnen fällt es schwer, visuelle Ziele zu fixieren, während sie sich bewegen
- selbst die kleinen Kopfpulsationen aufgrund der Blutdruckveränderungen können hinderlich sein
- kommt jedoch bald zu kompensatorischen Anpassungen
- das Gehirn lernt verstärkt, auf visuelle und propriorezeptive Hinweise zurückzugreifen, um glatte
und präzise Bewegungen durchzuführen