Themen u.a.: Diskussion um Haftentlassung, Teures Wohneigentum, Bubble Tea-Geschichte. Zweiwöchentliche Nachrichten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft der Republik China (Taiwan). Herausgegeben von der Taipeh-Vertretung München.
Zweiwöchentliche Nachrichten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft der
Chi
Republik China
Herausgeber: Karl C.Y. Cheng, Chefredakteur: Bo-Sung Hsu Redaktion: Helga Doppler
Taipeh Vertretung in der Bundesrepublik Deutschland, Büro München - Presseabteilung
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Medizinisch indizierte Haftaussetzung für Chen Shui-bian?
Lien Chan beim APEC-Treffen
Kluft zwischen Einkommen und Wohneigentum
Imageverlust: Vom edlen Perlmilchtee zum Bubbletea
Politik
Medizinisch indizierte Haftaussetzung für Chen Shui-bian?
Präsident Ma Ying-jeou hat am 28. August 2012 erklärt, politische
Überlegungen dürften keine Rolle spielen bei der Entscheidungsfindung, ob
der frühere Präsident Chen Shui-bian aus gesundheitlichen Gründen aus der
Haft entlassen werden solle. Chen sitzt zur Zeit eine siebzehneinhalbjährige
Gefängnisstrafe im Gefängnis von Taipeh ab.
“Ob man Chen zur medizinischen Behandlung eine Haftaussetzung gewähren
solle, ist sowohl eine medizinische als auch eine gerichtliche Angelegenheit,“
erklärte Ma in einem Interview mit der Central News Agency. Einer
Nr. 552 31.08.2012 Entscheidung für eine bedingte Haftentlassung aus gesundheitlichen Gründen
20. Jahrgang müssten daher allein medizinische Überlegungen zugrunde liegen. Politische
ISSN 0945-618X Erwägungen dürften dabei keine Rolle spielen, so Ma.
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“Die Ärzte müssen klar darlegen, dass ein Patient im Gefängnis nicht ausreichend behandelt
werden kann,“ erklärte Ma weiter. Wenn jemanden aus gesundheitlichen Gründen eine
Strafaussetzung gewährt werde, bedeute dies genau genommen nichts anderes, als dass es
dieser Person frei stehe, entweder in ein Krankenhaus oder nach Hause zu gehen, fügte der
Präsident hinzu. “Es läuft schließlich auf das gleiche hinaus, wie wenn diese Person aus dem
Gefängnis entlassen würde.“
Chen, Mitglied der Demokratisch Progressiven Partei (DPP), war in den Jahren 2000 bis 2008
Präsident der Republik China. Später wurde er der Korruption für schuldig befunden und sitzt
nun seine Gefängnisstrafe ab. Diese begann am 02. Dezember 2010 nachdem er zwei Jahre in
Untersuchungshaft verbracht hatte.
In den vergangenen Monaten hatten Verwandte, lokale Bürgervertreter und Anhänger des
ehemaligen Präsidenten Appelle an Präsident Ma gerichtet, Chen als ehemaligem
Staatsoberhaupt eine bedingte Haftentlassung zu gewähren damit er seine physischen und
psychischen Leiden behandeln lassen könne.
Am 21. August hatte der Bürgermeister von Taipeh Hau Lung-bin von der Kuomintang (KMT)
das Thema ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt als er sich öffentlich für eine
Haftaussetzung Chens aus gesundheitlichen Gründen aussprach. Hau rief die Regierung Ma
auf, sich der Sache anzunehmen und dabei so vorzugehen, dass die Wunden der Anhänger der
unterschiedlichen politischen Lager heilen könnten und die Menschen versöhnt werden.
Auf die Äußerungen Mas vom 28. August erklärte Hau, er respektiere die Definition der
Strafaussetzung aus gesundheitlichen Gründen wie sie der Präsident erläutert habe. Doch
gleichzeitig drängte er das Justizministerium, eine Medizinerkommission aus Vertretern der
wichtigsten Krankenhäuser Taiwans zu berufen, die Chens physischen und psychischen
Gesundheitszustand bewerten sollen. Dies sei der einzige Weg, um das Vertrauen der
Öffentlichkeit zu gewinnen, so Hau
Das Justizministerium hat diesen Vorschlag abgelehnt mit der Begründung, der
Gesundheitszustand des Ex-Präsidenten werde bereits von Fachleuten beobachtet. Das
Ministerium erklärte, das Gefängnis von Taipeh habe am 23. Mai dieses Jahres eine
Untersuchung Chens im Chang Gung Gedächtniskrankenhaus veranlasst. Diese Untersuchung
hatte ergeben, dass Chen an Prostatavergrößerung leide sowie an erhöhten Cholesterinwerten,
an Arteriosklerose, an der gastroösophagealen Refluxkrankheit, einer entzündlichen
Erkrankung der Speiseröhre, die durch den anormal langen Rückfluss von Magensäure
hervorgerufen wird, und an degenerativer Arthritis. Außerdem wurde eine
Sehnenscheidenentzündung festgestellt. Nach der Diagnose wurde dem früheren Präsidenten
von seinem Ärzteteam eine Reihe von Medikamenten verschrieben, die er einnehmen muss,
fügte das Justizministerium hinzu.
Nach Aussage des stellvertretenden Justizministers Chen Shou-huang erlaubt das
Gefängnisgesetz eine medizinische Behandlung für die der Häftling auf Kaution freigelassen
wird. Diese Regelung findet normalerweise dann Anwendung, wenn die Person in
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Lebensgefahr schwebt, beispielsweise nach einem Schlaganfall, akuter Lähmung,
Organversagen oder einer Krebserkrankung im Endstadium.
Die Richtlinien zur Durchführung des Gesetzes besagen aber auch, dass Häftlinge, die aus
gesundheitlichen Gründen bedingt entlassen wurden, bei einer Verbesserung ihres
Gesundheitszustandes wieder ins Gefängnis zurückkehren müssen, um ihre Haftstrafe weiter
abzusitzen.
(taito/cp/tt)
Wirtschaft
Lien Chan beim APEC-Treffen
Taiwan wird beim bevorstehenden Treffen der Führer der Asiatisch-pazifischen
Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) weiterhin darum kämpfen, an der regionalen wirtschaftlichen
Integration stärker teilhaben zu können, erklärte der frühere Vize-Präsident der Republik China
Lien Chan, der Taiwan dort vertreten wird, am 27. August 2012.
“Taiwan ist ein aktiver Partner in der APEC, der wichtige Beiträge leistet. Taiwan wird deshalb
seinen Erfahrungsschatz mit anderen Nationen teilen und eine Politik betreiben, deren Ziel es
ist, die Liberalisierung von Wirtschaft und Handel zu fördern,“ erklärte Lien.
Lien, der bereits zum fünften Mal als Präsident Ma Ying-jeous Gesandter beim APEC-Treffen
fungiert, kündigte an, er werde einen Ideenaustausch mit den anderen Führern abhalten zur
Lage der Weltwirtschaft und der regionalen Entwicklung. Außerdem werde er im Rahmen des
Asiatisch-pazifischen Wirtschaftsforums (CEO Summit) eine Podiumsdiskussion leiten. Das
APEC-Treffen findet dieses Jahr am 08. und 09. September im russischen Wladiwostok statt.
“Taiwan kann viele der wichtigsten Themen beleuchten, die während des Treffens zur
Diskussion stehen, darunter, wie ein ausgewogenes, nachhaltiges und fortschrittliches
Wachstum gefördert werden kann,“ erläuterte Lien.
Besonderen Wert werde er darauf legen, dass Taiwans anvisierte Gespräche mit den USA zum
bilateralen Rahmenabkommen für Handel und Investitionen (Trade and Investment Framework
Agreement, TIFA, TAIWAN AKTUELL berichtete in Ausgabe 551), zur Sprache kommen,
kündigte der ehemalige Vize-Präsident an. Darüber hinaus, so versicherte Lien, werde er
gegenüber den anderen Verhandlungspartnern erneut das große Interesse Taiwans an einem
Beitritt zur Trans-Pazifischen Partnerschaft betonen, die gerade ins Leben gerufen wird.
Am Rande der Veranstaltung soll außerdem ein Treffen zwischen Lien Chan und dem
festlandchinesischen Staatspräsidenten Hu Jintao arrangiert werden. “Bis zum heutigen Tag
haben Taipeh und Peking 18 bilaterale Abkommen unterzeichnet. Beide Seiten an der Taiwan-
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Straße werden diese Möglichkeit nutzen, um die Verhandlungen zu anderen offenen Themen
zu beschleunigen,“ sagte Lien. Er fügte hinzu, er gehe davon aus, mit den Führern Japans,
Singapurs und Neuseelands vergleichbare Gespräche führen zu können.
Unter dem Leitsatz “Integration für Wachstum, Innovation für Wohlstand“ sollen bei dem Treffen
der APEC-Führer Themen wie die Verbesserung der Lebensmittelsicherheit, die Bereitstellung
zuverlässiger Wertschöpfungsketten, die Unterstützung innovativen Wachstums, die Förderung
der wirtschaftlichen regionalen Integration und die Liberalisierung von Handel und Investitionen
erörtert werden.
Zu der von Lien angeführten Delegation zählen unter anderem Tsai Hong-tu, Vorsitzender der
Cathay Financial Holding Co., Matthew Miao, Vorsitzender der MiTac-Synnex Gruppe, und
Cher Wang, Vorsitzende von HTC Corp. Sie werden als die Vertreter Taiwans beim APEC-
Wirtschaftsberatungsrat (Business Advisory Council, ABAC) fungieren, einem Gremium, das im
Jahr 1995 gegründet wurde und durch das ausgewählte Unternehmer der Privatwirtschaft aus
der Region die Führungspersönlichkeiten der APEC bei politischen Dringlichkeiten beraten und
sie auch auf Möglichkeiten der Zusammenarbeit hinweisen.
Tsai, der die Delegation der Unternehmer leitet, wird Lien außerdem bei den geplanten
Gesprächen mit dem Sultan von Brunei Hassanal Bolkiah, mit dem kanadischen
Premierminister Stephen Harper und mit dem Präsidenten Südkoreas Lee Myung-bak
begleiten.
Miao, Co-Vorsitzender des Arbeitskreises für regionale Wirtschaftsintegration, sieht einem
geplanten Gedankenaustausch mit Hu Jintao und weiteren Staatsoberhäuptern entgegen, bei
denen es um die Vorgehensweisen zur Beschleunigung bei der Zollabfertigung gehen soll.
Wang, Vorsitzende des APEC-Frauenforums und Co-Vorsitzende der Arbeitsgruppe für
nachhaltige Entwicklung, wird sich zu einem Meinungsaustausch mit dem japanischen
Premierminister Yoshihiko Noda treffen. Dabei wollen sie die Ausweitung von Investitions- und
Technologietransfers erörtern, die Möglichkeiten einer verstärkten Zusammenarbeit kleinerer
und mittelständischer Unternehmen für ein innovatives Wachstum ausloten sowie
Fördermaßnahmen für junge Unternehmer besprechen.
(taito)
Gesellschaft
Kluft zwischen Einkommen und Wohneigentum
Beim Verhältnis zwischen den Preisen für Eigentumswohnungen und Wohnhäusern in der
Hauptstadt Taipeh und dem Einkommen der Durchschnittsbürger herrscht seit Jahren ein
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starkes Missverhältnis. Sollte ein Arbeiter mit einem mittleren Einkommen versuchen, sich eine
Wohnimmobilie in Taipeh Stadt anzuschaffen, so müsste er theoretisch 13,7 Jahre ohne Essen
und Trinken auskommen. Dieses auf den ersten Blick kurios erscheinende Rechenexempel
ergab die neueste Immobilienerhebung, die von der staatlichen Agentur für Entwicklung und
Planung veröffentlicht wurde.
Die Umfrage ergab Verhältniszahlen von Immobilienpreis zu Arbeitseinkommen für Taipeh
Stadt und Neu Taipeh Stadt (vormals Landkreis Taipeh) von 13,7 beziehungsweise 9 für das
zweite Quartal diesen Jahres. Wobei die Wertangabe 13,7 dafür steht, dass die Betreffenden
13,7 Jahre auf Essen und Trinken verzichten müssten bevor sie ein Eigenheim erwerben
könnten.
Diese Zahlen wurden am Montag, den 27. August 2012, während einer Pressekonferenz
veröffentlicht, die unter dem Vorsitz von Chang Chin-er, Professor für Immobilienwirtschaft an
der National Chengchi Universität stand. Die vorliegende Studie ergab weiter, dass in Taiwan
sowohl die Verkäufe im Bereich Wohnimmobilien wie auch die entsprechenden Preise seit dem
zweiten Quartal diesen Jahres im Vierteljahrestakt angestiegen sind.
Gemäß den Ergebnissen der Umfrage lagen die gesamten Verkäufe von Wohneigentum in
Taipeh im zweiten Quartal 2012 bei der Rekordzahl von 53 502 Einheiten, ein Anstieg um 48
Prozent gegenüber den ersten drei Monaten diesen Jahres, bezogen auf den Jahresvergleich
mit 2011 bedeutet dies jedoch sogar einen Rückgang der Verkaufszahlen um vier Prozent.
Der Durchschnittspreis für Wohneigentum in Taiwan liegt bei 9,228 Millionen NT, umgerechnet
ca. 245 690 €, oder durchschnittlich pro Einheit, die hier in ping gemessen wird (1 ping
entspricht 3,3 Quadratmetern) werden umgerechnet ca. 5933 € verlangt. Daraus ergibt sich
eine Preissteigerung um zehn Prozent im ersten Quartal des Jahres und außerdem die höchste
Preissteigerung auf dem Wohneigentumsmarkt seit dem dritten Quartal des letzten Jahres.
Im Hinblick auf die Entwicklung des Immobilienmarktes in den nächsten 12 Monaten wird bei
Wohneigentum einen geringer Preisanstieg erwartet. Außerdem äußerten die meisten der
Befragten, dass die Preise in Tainan und Kaoshiung wahrscheinlich am stärksten steigen
werden. Was Taipeh anbelangt, ist der Index für Wohneigentumspreise gefallen. Ob dieser
Preisrückgang sich pauschal auf den gesamten Markt auswirken wird, bleibt abzuwarten.
(cp)
Imageverlust: Vom feinen Perlmilchtee zum ordinären Bubbletea
In Taiwan wird in den Teehäusern das beliebte Sommergetränk Perlmilchtee in mit klirrenden
Eiswürfeln in einem Cocktail-Shaker aus rostfreiem Stahl gemischt und in großen Gläsern
serviert. Perlmilchtee ist heute eines von Taiwans bekanntesten Spezialgetränken, das es auch
zum Mitnehmen in den typischen gewölbten, verschweißten Plastikbechern gibt, verschweißt
übrigens, weil man es so auch beim Rollerfahren genießen kann, ohne etwas zu verschütten.
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Erfunden wurde Perlmilchtee Mitte der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts in dem
Teehaus Chun Shui Tang in Taichung in Zentraltaiwan, als die Managerin Liu Hsiu-hui einmal
einem der Tees Milch und ihre Lieblingsnachspeise fenyuan (Tapioka-Kügelchen) beifügte. Der
eiskalte, gesüßte Tee mit den schaumigen “Bläschen“ der Milch an der Oberfläche und den
Kügelchen aus der Stärke der Maniokwurzel am Becherboden stieß bei den Kunden auf
überraschend gute Resonanz.
Seit Lius Durchbruch vor gut zwanzig Jahren wurden zahlreiche Abwandlungen des
Perlmilchtees in Taiwan entwickelt. Neben Assam-Schwarztee, wie er im Originalrezept
verwendet wurde, kann man das Getränk auch mit Oolong, grünem Tee, Baozhong-Tee und
überhaupt mit fast jeder Teesorte zubereiten, mit oder ohne Milch, je nach dem Geschmack der
Kunden. Die Tapioka-Kügelchen kann man durch Pudding, Kokosnuss, Litschi oder Mesona-
Geleewürfel, ähnlich der Aloevera, ersetzen. Wenn Fruchtiges erwünscht ist, wird etwas
Fruchtsaft beigemischt, und ein gehaltvolles Aroma wird mit Schokolade, Sesam oder
Tarowurzel erreicht. In Taiwan bestimmen die Kunden die Menge von Zucker und Eis in ihrem
Getränk selbst, und viele Versionen können auf Wunsch heiß serviert werden.
Laut einem Bericht vom November 2011 aus Taiwan heute gab es damals schätzungsweise
50 000 Teeläden in Taiwan, die jedes Jahr insgesamt 1,5 Milliarden Becher Perlmilchtee oder
ähnliche Teegetränke verkauften. Laut einer Online-Studie, die im Jahr 2010 von Pollster
Technology Marketing Ltd. durchgeführt wurde, nannten beinahe 50 Prozent der Befragten
Perlmilchtee als jene einheimische Nachtmarkt-Leckerei, die den Geschmacksnerven
ausländischer Besucher wohl am meisten zusagen würde.
Das Getränk mit der interessanten Zutat zum Kauen ist in den vergangenen 20 Jahren auch in
andere Teile der Welt vorgedrungen, die ersten Vorstöße ereigneten sich in Orten, wo viele
Taiwaner leben, wie etwa in Australien, Kanada, Hongkong, Japan, Festlandchina, Ländern in
Südostasien, Südkorea und den USA. Doch erst in jüngsten Jahren wurde die taiwanische
Erfindung in weiter entfernten Gestaden wie Europa und Nahost erhältlich. Inzwischen ist aus
dem Perlmilchtee zum Beispiel in Deutschland der sehr umstrittene Bubbletea geworden, der
zuviel Zucker enthalten soll, Farbstoffe sollen ihn schädlich für die Gesundheit machen und seit
kurzem ist er auch noch als giftig verschrien.
Doch zunächst weiter zur Karriere des Perlmilchtees: Anfangs gab es ihn überwiegend in
kleinen taiwanischen und chinesischen Restaurants in Städten im Ausland mit ethnisch
chinesischen Gemeinden, und man trank ihn zur Mahlzeit. Die steigende Zahl von
Perlmilchteeläden im Ausland führte indes dazu, dass Nachahmungen des echten
Perlmilchteearomas entstanden und abenteuerliche Varianten der ursprünglichen Tapioka-
Kügelchen, wie Geleekugeln gefüllt mit bunter, süßer Flüssigkeit auftauchten.
Trotz des gewachsenen Interesses war es nach Worten von Jacky Wang, geschäftsführender
Direktor des Beratungsunternehmens Possmai International Co. Ltd., nicht immer einfach,
Taiwans Lieblingsgetränk auf den Weltmarkt zu bringen. In den vergangenen zwanzig Jahren
versorgte Possmei Dutzende von Firmen im Ausland mit den Perlmilchteezutaten und der
Produktionsausrüstung, doch viele seiner Klienten scheiterten letztlich. Um ihnen dabei zu
helfen, ihren Betrieb aufrechtzuerhalten, begann Wang vor rund zehn Jahren damit, sein
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Geschäft auszuweiten, und er bot Unternehmern, die im Ausland Perlmilchteeläden aufmachen
wollten, Komplettdienste nach dem Prinzip “schlüsselfertig“ an. “Wir stellen nicht nur
Ausstattung und Zutaten bereit, sondern integrierten Service, darunter Personalschulung,
Marketing, Markenaufbau und Innenausstattung“, wirbt Wang.
Neben Possmei und anderen Firmen arbeitet 50 Lan, eine der beliebtesten Perlmilchtee-
Marken in Taiwan, daran, das erfrischende Getränk global zu vermarkten. Avon Ma,
geschäftsführende Direktorin von Ya-Lan Co. Ltd. in Taichung, ist der Ansicht, dass neben der
Verwendung von Zutaten aus Taiwan die strenge Einhaltung von Verfahrensstandards und
Qualitätskontrolle im Perlmilchteegeschäft die Schlüssel zum Erfolg darstellen. Die bekannteste
Verfahrenspraxis von 50 Lan und anderen taiwanischen Unternehmen ist ihre “Zweistunden-
Regelung“, die besagt, dass alle gekochten Tapioka-Kügelchen binnen 2 Stunden verkauft sein
müssen und ansonsten in die Mülltonne wandern, weil die Kügelchen danach dazu neigen,
glibberig zu werden. Offenbar ist Ma mit ihrem Glauben nicht allein, dass sie geschäftlich große
Vorteile dadurch erhält, sich auf taiwanische Rezepte, Zutaten und Knowhow zu stützen. Nach
der Einschätzung von Assad Khan, dem Gründer von Bubbleology in London, ist es die
Schulung, welche er vor der Eröffnung seines Ladens bei Possmei erhielt, die sein originales
taiwanisches Perlmilchtee-Geschäft von der Konkurrenz unterscheidet.
Ausländische Teeläden, die ihren gesamten Bedarf aus Taiwan beziehen und nicht aus
Billigländern, haben indes mit höheren Betriebskosten zu kämpfen, was sich häufig in ihren
Preisen widerspiegelt. Wang teilt mit, die meisten seiner Klienten verkaufen ihren Perlmilchtee
teurer als ähnliche Getränke in anderen Teeläden, mit einem Preisspektrum zwischen zirka 3
und 4,50 Euro, doch seien sie nicht besorgt, dass die höheren Preise die Kundschaft
verschrecken könnten, stattdessen seien sie stolz darauf, ihren Perlmilchtee auf die taiwanische
Weise zuzubereiten. Taiwan heute zitiert ihn im November 2011: “Perlmilchtee aus Taiwan gilt
als das Louis Vuitton-Produkt des Marktes, wogegen ähnliche Ware aus anderen Ländern
bestenfalls als Abklatsch betrachtet wird.“ Zeitungsberichte aus Deutschland im August 2012
zeichnen jedoch eher ein Schreckensbild vom schädlichen Bubbletea, vor dessen
Nebenwirkungen Kinder unbedingt geschützt werden müssen.
Wangs damals gegenüber Taiwan heute geäußerte höhere Ziele, dieses Getränk eines Tages
zum vordersten Symbol für taiwanische Köstlichkeiten werden zu lassen, sind zumindest was
Deutschland betrifft derzeit ins genaue Gegenteil umgeschlagen.
(eB/ Taiwan heute)
Kurzmeldungen
Shan Kuo-hsi, taiwanischer Kardinal, ist am 22. August 2012 im Alter von 88 Jahren
gestorben. Shan war Präsident der chinesisch-regionalen Bischofskonferenz in Taiwan. Von
1979 bis 1991 war er Bischof von Hualien und anschließend von 1991 bis zum Jahr 2006
Bischof von Kaohsiung. Shan wurde im Jahr 1923 in Puyang geboren. Im Alter von 29 Jahren
trat er 1946 dem Jesuitenorden bei. 1955 empfing er die Priesterweihe und legte zehn Jahre
später die Ewige Profess ab. 1976 ernannte ihn Papst Paul VI. zum Apostolischen Vikar in
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Taipeh und 1979 zum Bischof von Hualien. Die Bischofsweihe empfing er am 14. Februar 1980.
Im Januar 2006 nahm Papst Benedikt XVI. sein Rücktrittsgesuch aus Altersgründen an. Shan
ist an den Folgen eines Lungenkrebsleidens gestorben. Benedikt XVI. hat nun ein
Beileidstelegramm geschickt: “Ich versichere Ihnen, dem Klerus, allen Gläubigen in Ihrer
Diözese und der gesamten Kirche in Taiwan meines Beileids und meiner Gebete“, schrieb der
Pontifex. “Ich schließe mich Euch und allen, die um ihn trauern an, besonders seinen
Mitbrüdern des Jesuitenordens, und empfehle seine priesterliche Seele der unendlichen
Barmherzigkeit Gottes, unseres liebevollen Vaters. Allen, die an der Begräbnismesse
teilnehmen, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen.“
Das Nationale Palastmuseum in Taipeh wird im Jahr 2014 zahlreiche Exponate an das
Nationalmuseum in Tokio verleihen. Die Schätze werden dort von Juni bis September in einer
Sonderausstellung der Öffentlichkeit präsentiert, dies teilte die Museumsverwaltung in Taipeh
am 23. August 2012 in einer Erklärung mit. Die Ausstellung werde zwölf Wochen lang laufen
und im Anschluss noch zwei Monate lang im Nationalmuseum in Kyushu gezeigt werden,
erklärte der geschäftsführende Direktor des Tokioter Hauses. Im Gegenzug werde das
Nationalmuseum in Tokio im Jahr 2017 Stücke seiner Sammlung japanischer Palastkunst dem
Nationalen Palastmuseum in Taipeh als Leihgabe zur Verfügung stellen. Das Nationale
Palastmuseum in Taipeh beherbergt seit 1965 die größte Sammlung kaiserlicher chinesischer
Kunst der Welt. Die Sammlung umfasst 650 000 Exponate, darunter Antiquitäten, Gemälde,
Kalligraphie, Keramiken, Bronzen, Jade und seltene Bücher. Die Exponate der ständigen
Ausstellung unterliegen einem vierteljährlichen Rotationsprinzip, das alle zwölf Jahre von vorne
beginnt. Detailfragen hinsichtlich welcher Artefakte konkret nach Japan verliehen werden sollen
und das genaue Thema der Ausstellungen dort müssen noch geklärt werden.
Veranstaltungskalender
“EDEN – Im Garten des Außergewöhnlichen“
JEAN BOGGIO FOR FRANZ
vom 04.05.-07.10.2012 im Porzellanikon Selb, Werner-Schürer-Platz 1
Kontakt: 09287-918000, www.porzellanikon.org
Täglich 10-17 Uhr (außer montags) sowie nach Vereinbarung
Führungen nach Voranmeldung (auch fremdsprachig)
In Europas größtem Spezialmuseum für Porzellan, dem Porzellanikon in Selb, ist die einzigartige
Sonderausstellung des taiwanischen Porzellanunternehmens Franz Chen auf einer Fläche von
800 Quadratmetern in einer ehemaligen Porzellanfabrik der Weltmarke Rosenthal zu sehen.
Abkürzungen:
(cp) = China Post (cna) = Central News Agency (tn) = Taiwan News (tt) = Taipei Times
(ten) = Taiwan Economic News (taito) = Taiwan Today (rti) = Radio Taiwan International
(eB) = eigener Bericht
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