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Rostock kaput!
Beitrag zum 70. Jahrestag des Luftangriffes auf die Hansestadt
Inhalt
Zu Land, zur Luft und auf der See	                         3

Ideologie und Terror	                                      8

Der Krieg kehrt heim	                                      12

Der Blick zurück	                                          14

Sowas kommt von sowas!	                                    16




V.i.S.d.P.: Maren Fleischer, Ulmenstr. 12, 18057 Rostock
3
    Zu Land, zur Luft und auf der See
           Die „Seestadt Rostock“ im Zeichen der nationalsozialistischen Kriegsproduktion


  Wer heute so gerne und mit                der eigenen Stadtgeschichte zu
leidenschaftlicher Inbrunst die             begegnen, bedarf es der Verge-
Geschichte des Luftkrieges und              genwärtigung, dass Rostock, wie
der Bombardierung deutscher                 viele andere Großstädte, ein Zen-
Städte erzählt, redet nur ungern            trum der deutschen Rüstungs-
über die Ursachen und Gründe.               industrie war. Hier wurden die
Stattdessen kommt die Bombar-               Mordwerkzeuge hergestellt, mit
dierung in ihrer bevorzugten                denen sich die Deutschen Europa
Erzählung zumeist als inferna-              zum Untertan machen wollten.
lische Katastrophe buchstäblich             Dies trifft insbesondere auf Ros-
aus dem heiteren Himmel. Aus                tock zu, dessen neuere Geschich-
dem Nichts. Der Charakter der               te untrennbar mit dem Namen
getroffenen Stadt wird in über-             „Heinkel“ verbunden ist. Noch
schwänglichen Zügen wahl-                   heute gibt man unverwunden
weise als „historisch“, „archi-             zu:
tektonisch wertvoll“, „kulturell              „Die Firma brachte Rostock
bedeutend“,     „mittelalterlich“,
                                              und Warnemünde in der ersten
„schön“, „bezaubernd“ oder gar
                                              Hälfte des 20. Jahrhunderts
als „friedlich“ beschrieben. Um
dieser selektiven Wahrnehmung                 den endgültigen Durchbruch in
4
  Sachen Industrialisierung. Rostock                    Doch bei architektonischen
  wurde moderne Großstadt und                         Unverschämtheiten im Einheits-
                                                      look des roten Backsteins blieb es
  Hochtechnologie-Standort.“ 1
                                                      leider nicht. Die gesamtgesell-
  Und nur hierzulande verstehen
                                                      schaftliche Gleichschaltung war
es die Protagonist_innen dieser
                                                      bei den Nazis systemimmanent,
neuen deutschen Geschichts-
                                                      so dass über kurz oder lang das
schreibung als keinen Wider-
                                                      ganze Stadtleben, gemäß der
spruch, sich mit dem Charme
                                                      staatstragenden Ideologie, auf
stotternder    Heimatkundeleh-
                                                      den einen Zweck ausgerichtet
rer_innen der vielen Vorzüge
                                                      wurde, der für die Nationalsozia-
und modernen Lebensaspekte zu
                                                      list_innen der Sinn allen Daseins
rühmen, die durch den „Wehr-
                                                      war: der Kampf.
wirtschaftsführer Heinkel“ ins
                                                        Selbst sämtliche Freizeitak-
Stadtleben gebracht wurden,
                                                      tivitäten sollten, mal indirekt,
aber gleichzeitig nicht wahrha-
                                                      aber manchmal auch ganz offen-
ben zu wollen, dass der Aufbau
                                                      sichtlich, auf diese eine Bestim-
einer durchmilitarisierten Mord-
                                                      mung ausgerichtet werden. So
industrie auch genau das hervor-
                                                      gab es im neugebauten Hansa-
bringt: Mord, Elend und Krieg.                        Kino vorrangig Kriegsfilme und
  „Zur Hebung der Gesundheit                          „Lehrmaterial“ über den ver-
  und der Wehrkraft“                                  meintlichen „Erbfeind“ und im
  So rühmt man sich bis heute                         eigens von den Heinkel-Werken
der vermeintlichen Wohltaten,                         gebauten „Heinkel-Stadion“ ir-
die die Ansiedlung der Großbe-                        gendwann nur noch Duelle zwi-
triebe nach sich zogen. Bis heu-                      schen Militärsportvereinen und
te zeugen ganze Stadtviertel in                       Betriebsmannschaften der Flug-
Warnemünde und im Rostocker                           zeugwerke. Der damalige Rosto-
Westen von den nationalsozi-                          cker Polizeipräsident und Sport-
alistischen   Mustersiedlungen,                       kreisführer Hans-Eugen Sommer
die für die Arbeiter_innen der                        beschrieb für den Sport das, was
Kriegsbetriebe aus dem Boden                          in ähnlicher Form auch für alle
gestampft wurden.                                     anderen Lebensbereiche galt:
  1	       Zitiert nach der „Ernst-Heinkel-Gedenk-
website“ - siehe: http://www.gedenkseiten.de/ernst-
heinkel/
5
  „[...] denn die Leibesübung ist im
  nationalsozialistischen Staate Sache                      Diese Entwicklung geriet durch
                                                          den einsetzenden Krieg nicht
  des ganzen Volkes, zur Hebung der
                                                          etwa ins Stocken, sondern im
  Gesundheit und der Wehrkraft.“2                         Gegenteil, sie wurde noch wei-
  Selbst in der Universität Rostock                       ter intensiviert. Mit Beginn des
wurden nicht nur Bücher ver-                              Krieges wurden in steigender
brannt und jüdische Mitbürger_                            Anzahl Zwangsarbeiter_innen,
innen rausgeworfen, sondern es                            Gefangene und KZ-Häftlinge zur
wurde auch fleißig im Sinne der                           Arbeit in den Rüstungsbetrieben
NS-Ideologie rationalisiert und                           gezwungen. Die verschiedenen
reformiert. Nonkonforme Fach-                             Großbetriebe Rostocks beschaff-
bereiche wie die Religionswis-                            ten sich so bis zum Ende des Krie-
senschaften wurden geschlos-                              ges mehrere tausend Arbeitskräf-
sen, und andere, wie etwa das                             te.
Institut zur „Erb- und Rassenfor-
                                                           Aus der Luft - In die Luft
schung“ oder (abermals auf Bit-
                                                            Ironischerweise kam das gro-
ten von Heinkel) das „Institut für
                                                          ße Unheil aus der gleichen Rich-
angewandte Mathematik und
                                                          tung, in der die Stadt jahre-
Mechanik“ extra eröffnet. Die
                                                          lang den Tod in die Welt hinaus
Bombenkonstrukteure von Mor-
                                                          schickte. Aus der Luft kamen die
gen mussten schließlich auch ir-
                                                          Bomben, die die nahende Befrei-
gendwo ausgebildet werden.
                                                          ung einläuteten und in die Luft
                                                          schickten die Rostocker_innen
                                                          ihre Bomber und Jagdflugzeuge.
                                                            Der größte der Rostocker Kriegs-
                                                          betriebe waren die Heinkel-Flug-
                                                          zeugwerke. Ihre Geschichte be-
                                                          gann 1922 mit der Gründung der
                                                          „Ernst Heinkel Flugzeugwerke
                                                          A.G.“ in Rostock-Warnemünde
                                                          und bereits damals enthielt die
2	          Siehe: „Zur Hebung der Gesundheit und         vermeintlich zivile Flugzeug-
der Wehrkraft. - Fußball in Rostock während des Na-       produktion eine militärische
tionalsozialismus“ auf: http://ruh.soziale-bildung.org/
node/20                                                   Dimension. Durch den Frie-
6
densvertrag von Versailles, der    hungen zu den Raketenstartplät-
die Wiederholung einer Katast-     zen der Heeresversuchsanstalt
rophe wie den Ersten Weltkrieg     in Peenemünde, für die Heinkel
unmöglich machen sollte und        Versuchsflugzeuge     beschaffte,
dem deutschen Militarismus die     wurden ausgebaut. Die Anzahl
Grundlage entziehen wollte, war    der Beschäftigten (ohne Zwangs-
den Deutschen das Unterhalten      arbeiter_innen) wuchs von ca.
einer Luftwaffe verboten. Der      1.000 im Jahre 1932 bis zum
deutsche Revanchismus – zu dem     Kriegsende auf über 10.000. Die-
maßgeblich auch Industrielle       ser Prozess führte dazu, dass die
wie Heinkel gehörten – suchte      Einwohner_innenzahl der Stadt
bereits in den 20er Jahren nach    im Jahre 1935 die hunderttausend
Möglichkeiten, den Friedensver-    überschritt, was auf offizieller
trag zu brechen. Im In- und Aus-   Ebene den Großstadtstatus mit
land wurden unter Geheimhal-       sich brachte. Als eine der ersten
tung Kampfpiloten ausgebildet.     Auswirkungen der Luftangriffe
Und so fand auch Heinkel seinen    musste im Übrigen das Heinkel-
Weg ins Ausland, bei der kaiser-   Werk einen Teil seiner Produk-
lich-japanischen Marine entwi-     tion in das nahe gelegene Barth
ckelte er von Deutschland aus      verlagern. Unter Rückgriff auf
Militärflugzeuge, die er dann in   das dort befindliche Konzent-
Skandinavien in Lizenz produzie-   rationslager plünderte man bis
ren ließ.                          zuletzt über 6.000 weitere Häft-
  Mit Errichtung der national-     linge als Zwangsarbeiter_innen
sozialistischen Diktatur trat      aus.
Heinkel der NSDAP bei; von dort      Ein weiterer Akteur in diesem
an konnte er sein Kriegsgerät in   Zusammenhang waren die Fab-
aller Öffentlichkeit erforschen.   riken der Arado Flugzeugwerke
Von der Universität Rostock be-    GmbH, die sich bereits 1921 in
kam er dafür die Ehrendoktor-      Rostock niederließen und zu de-
würde. Rostock wurde zum Zen-      ren Spezialitäten Kampfflugzeu-
trum der Luftkriegsproduktion.     ge für die Marine zählten. Die
Es entstand ein Flugplatz zur      Reichswehr bildete schließlich
Erprobung neuer Flugzeugtypen      ab 1925 auf dem Flugplatz „Hohe
und die kontinuierlichen Bezie-    Düne“ im eigens dafür gegründe-
7
ten Tarnunternehmen „Seeflug         Mit fortschreitender Militarisie-
GmbH“ Kampfpiloten aus.              rung und der unersättlichen Gier
 U-Boote für den Führer              des Kriegsapparats nach neuen
  Als Hafenstadt mit einer jahr-     Soldat_innen ging auch der Nep-
hundertelangen        Bootsbautra-   tunwerft mit der Zeit das Perso-
dition ließen es sich die Rosto-     nal aus. Auch hier versuchten
cker_innen      selbstverständlich   die Faschist_innen den Arbeits-
nicht nehmen, auch Kriegs-           kräftemangel durch Zwangsar-
schiffe für das Militär zu bauen.    beit zu kompensieren. Als die
Während des Ersten Weltkrieges       Rote Armee am 1. Mai 1945 Ros-
unternahm man die ersten Geh-        tock erreichte, wurden allein in
versuche und übte sich im Bau        der Neptunwerft über 1.400 KZ-
von Minensuchbooten und dem          Häftlinge und Kriegsgefangene
Umrüsten von Zivilschiffen.          befreit.
Dies sollte sich im Nationalsozi-      Wer angesichts dieses Ausma-
alismus grundlegend ändern. In       ßes der Kriegsanstrengungen, ob
Rostock gab es zu der Zeit zwei      direkt im Flugzeughangar oder
Werften. Einerseits die Neptun-      indirekt bei der Sicherstellung
werft, welche 1850 gegründet         des geordneten Ablaufs des Ar-
wurde, und auf der anderen Seite     beitsalltages, behauptet, es hät-
die Kröger-Werft, welche 1928 die    te keinen Sinn ergeben, diesen
Gehlsdorfer Gebrüder Kröger er-      vielfältig verzweigten Motor der
öffneten.                            Rüstungsproduktion zu zerschla-
  Neben Flugsicherungsbooten         gen, der muss sich fragen lassen,
und Begleitschiffen gehörten         mit welchem Recht er die Nieder-
auch wieder Minensuch- und           schlagung des Nationalsozialis-
Sprengboote zum Repertoire der       mus gegen kaputte Hausfassa-
Rostocker    Schiffbauer_innen.      den aufwiegen will und warum
In der Neptunwerft spezialisier-     das traditionelle Ambiente einer
te man sich auf das tödlichste       mittelalterlichen Hansestadt als
Mordgerät, das die deutsche See-     historisches Argument gegen die
fahrt zu bieten hatte, den Bau       Beendigung des Zweiten Welt-
von U-Booten für die Kriegsflot-     kriegs standhalten soll.
te. Hier wurden bis 1945 zehn Ex-
emplare des Typs VII-C gefertigt.
8
Ideologie und Terror
Antisemitismus in Rostock




  Bereits in den 20er Jahren häuf-
ten sich in Rostock antisemiti-        Nach der Ernennung Adolf Hit-
sche Kampagnen deutschnatio-         lers zum Reichskanzler wurde die
naler Strukturen, wie bspw. die      öffentliche Verwaltung nach und
gegen den jüdischen Medizinpro-      nach im Sinne der Nationalsozi-
fessor Fritz Weinberg. 1930 hielt    alist_innen „gleichgeschaltet“.
dann die NSDAP mit über 20 % der     Gleichzeitig beteiligte sich eine
Stimmen Einzug in die Stadtver-      Reihe Rostocker Dozent_innen
waltung. Diese starke Position       aktiv an den Bücherverbrennun-
nutzte sie im darauf folgenden       gen im Mai 1933. So sehr sich die
Jahr, um die wenigen jüdischen       Nazis und ihre Sympathisant_in-
Künstler_innen im Rostocker          nen für die rasche Umsetzung
Stadttheater zu verjagen.            der „Machtergreifung“ engagier-
                                     ten, so wenig Widerstand stellte
                                     sich ihnen entgegen. So konnte
9
im April 1933 nahezu ungestört
der erste große, organisierte Boy-     Gleichzeitig war es für die ver-
kott gegen Geschäfte und Firmen      einzelten „Volksdeutschen“ mit
mit jüdischen Besitzer_innen         anti-faschistischer   Gesinnung
durchgeführt werden. In der Krö-     mit der Zeit immer weniger mög-
peliner Straße und anderswo for-     lich, der nationalsozialistischen
mierten sich SA-Posten vor Arzt-     Ideologie zu widersprechen oder
praxen, Anwaltskanzleien und         aus dem Weg zu gehen, da die
Kaufhäusern. In den darauf fol-      „Gleichschaltung“ nach und
genden Jahren wurde nicht nur        nach auch die letzten Vereine
gewerkschaftliche und generell       und Einrichtungen ergriffen
politische Arbeit unterbunden,       hatte. Mit viel Unterstützung
sondern auch die Teilhabe der        von den übrigen Rostocker_in-
Rostocker Jüdinnen und Juden         nen konnte niemand rechnen,
am öffentlichen Leben systema-       denn diese hatten 1932 mit über
tisch beschnitten. Dies betraf       40 % und 1933 mit über 35 % für
sowohl Wohnsituation, als auch       die Nazis gestimmt. Vor allem
Ausbildung und Erwerbstätig-         diejenigen Rostocker_innen, die
keit; mit den Nürnberger Ge-         vermeintlich oder tatsächlich
setzen von 1935 dann auch das        jüdischer Herkunft waren, hat-
Privatleben und die Sexualpart-      ten vermehrt unter der Naziherr-
ner_innen.                           schaft zu leiden. Nicht wenige
                                     nahmen sich schon in den Mona-
                                     ten nach der „Machtergreifung“
                                     das Leben. Spätestens 1938 war
                                     klar, dass es den Nazis um mehr
                                     ging als Diskriminierung, näm-
                                     lich auch um die Vernichtung der
                                     bürgerlichen Existenz auch der
                                     Rostocker Jüdinnen und Juden,
                                     ebenso wie um die tatsächliche
                                     körperliche Vernichtung des eu-
                                     ropäischen Judentums. Die Ros-
                                     tocker_innen unter ihnen waren
                                     zwangsweise vollständig regist-
10
riert worden und die ersten wur-     Volk auch im amtlichen Namen
den deportiert. Es traf zunächst     festzuschreiben. Angesichts der
37 „Ostjuden“, die auf einen Lkw     überwältigenden Mehrheit, die
geladen und hinter der polni-        den Terror auch in Rostock un-
schen Grenze ausgesetzt wurden.      terstützt und befürwortet hatte,
  Noch im gleichen Jahr entlud       war es für die wenigen Anstän-
sich wie im restlichen Deutsch-      digen eine immense Gefahr, sich
land der Hass auf alles „Jüdische“   solidarisch zu zeigen. Nichtsdes-
auch in Rostock, während der         totrotz sind einige Beispiele die-
Reichspogromnacht im Novem-          ser Aufrichtigkeit belegt, sei es
ber 1938. Vorwand hierfür war        der illegale Schulunterricht für
das Attentat Herschel Grynsz-        jüdische Kinder, oder auch heim-
pans auf einen SA-Mann. Gryn-        lich abgelegte Essenspakete.
szpan war Jude und wollte die De-      Während die „Volksdeutschen“
portation seiner Familie rächen.     immer dichter zusammenrück-
In Rostock wurden nicht nur Ge-      ten und sich bspw. im heutigen
schäfte geplündert und zerstört,     Peter-Weiss-Haus zu Spendenak-
die Synagoge niedergebrannt,         tionen für ihre Frontsoldaten ver-
sondern auch Privatwohnungen         sammelten, bekamen die Jüdin-
durch SS und SA demoliert. Nicht     nen und Juden, die unter ihnen
nur landete das Inventar samt        lebten, immer mehr ihren Hass
Wertsachen auf der Straße, es        zu spüren. Ausdruck dessen war
wurde auch von den Rostocker_        nicht zuletzt der „Judenstern“,
innen unter dem Schutz der SS        der auch in Rostock 1941 polizei-
samt und sonders gestohlen.          lich vorgeschrieben wurde. Am
  Im Januar 1939 wurde in Ros-       10. Juli 1942 fand sich dann der
tock der letzte Betrieb mit jüdi-    Höhepunkt des Hasses der Deut-
schen Besitzern „arisiert“, sprich   schen auf die Juden in Rostock:
das Eigentum an diesem unter         um 7.01 Uhr verließ der erste De-
Zwang auf einen Nazigetreuen         portationszug Rostock über Lud-
übertragen. Gleichzeitig erhiel-     wigslust mit dem Endziel Ausch-
ten die Rostocker Jüdinnen und       witz. Von den 24 Verschleppten
Juden die Zwangsvornamen „Is-        kehrte niemand zurück,        alle
rael“ und „Sara“, um ihre Nicht-     wurden ermordet.
Zugehörigkeit zum Deutschen
11
  Im November desselben Jahres
traf es dann noch einmal 14 Men-
schen aus Rostock. Sie wurden
am 11. November 1942 um 6.59
Uhr nach Theresienstadt depor-
tiert. Auch aus diesem Transport       Der letzte Akt des Rostocker Na-
überlebte niemand.                   ziterrors ereignete sich, als die
  An der Organisation der Ver-       Stadt von der Roten Armee befreit
nichtung waren in Rostock nicht      werden sollte. Noch in der Nacht
nur die Parteistrukturen der Na-     vor der Niederlage wurde eine
zis beteiligt. Eine aktive Rolle     Liste mit 157 Sozialdemokrat_in-
bei der Abwicklung der Deporta-      nen und Kommunist_innen er-
tionen, die allwissentlich in den    stellt, die es zu ermorden galt.
Tod führten, spielten Mitarbei-      Nur durch die Hilfe anderer Ros-
ter_innen der Reichsbahn, der        tocker_innen konnten sie sich
Polizeireviere, des Finanzamtes      dem Zugriff der Nazis entzie-
und der Arbeiterwohlfahrt. Ers-      hen. Das letzte Armutszeugnis
tere waren für die Organisation      war die Sprengung der Mühlen-
des Abtransportes verantwort-        dammbrücke, die fünf Rotarmis-
lich, letztere für den Einzug jü-    ten noch am Tag der Befreiung
discher Besitztümer. Von Nicht-      das Leben kostete. Als dann am
wissen oder Unschuld kann für        1. Mai 1945 endlich sowjetische
die Mehrheit der Rostocker_in-       Truppen die Terrorherrschaft be-
nen also keine Rede gewesen          endeten, lebten gerade noch 14
sein. Während des Krieges setzte     Jüdinnen und Juden in Rostock.
sich der Terror gegen die verblie-   Ursprünglich waren es etwa 300.
benen Jüdinnen und Juden fort.
Diese wurden meist nur durch
ihre Ehe mit nichtjüdischen Ros-
tocker_innen vor der Deportation
gerettet. Doch auch die Kinder
aus diesen „Mischehen“ blieben
von den Nazis nicht verschont.
Sie wurden in und um Rostock
zur Zwangsarbeit eingesetzt.
12
Der Krieg kehrt heim
Die Bombardierung Rostocks im April 1942


  Nachdem Deutschland briti-
sche Städte wie Coventry 1940
bombardiert hatte, konnte das                          Schwerpunkt der britischen
United Kingdom im selben Jahr                        Angriffspläne war es, die deut-
den „Battle of Britain“ für sich                     sche Rüstungsindustrie zu zer-
entscheiden. Da außerdem durch                       schlagen und die Moral der Zi-
den Angriff auf die Sowjetunion                      vilbevölkerung zu brechen. Im
am 22. Juni 1941 der Großteil der                    Sommer 1941 entschied sich das
Wehrmacht gen Osten mobili-                          Bomber Command für Flächen-
siert wurde, war eine Landung                        bombardements als Mittel der
deutscher Truppen auf briti-                         bevorstehenden Großoffensive,
schem Boden vorerst auszuschlie-                     die die Landung der Briten auf
ßen. Es konnten also Pläne für ei-                   dem europäischen Festland vor-
nen britischen Gegenangriff auf                      bereiten sollten. Begründet wur-
Deutschland entworfen werden.                        den sie dadurch, dass für Präzi-
  In der britischen Angriffsstra-                    sionsabwürfe nicht die nötigen
tegie kam ab 1941 der Royal Air                      Navigationsmittel     vorhanden
Force die entscheidende Rolle zu.                    seien. Außerdem führten 1941
So äußerte Winston Churchill:                        der Verlust von erfahrenen Be-
     „Die Marine kann uns den Krieg                  satzungen und die bessere Luft-
                                                     abwehr Deutschlands dazu, dass
     verlieren lassen, aber nur die
                                                     die Bomber in größerer Höhe flie-
     Luftwaffe kann ihn gewinnen...                  gen mussten. Die Entscheidung
     Die Jäger sind unsere Rettung,                  für Flächenbombardements war
     aber die Bomber allein stellen                  auch politisch geprägt.
     die Mittel zum Sieg.“3                            Dass Rostock eine der ersten
                                                     Städte war, die Ziel der Luftof-
                                                     fensive wurden, hatte verschie-
                                                     dene Ursachen. Als Standort der
                                                     Heinkel- und Arado-Flugzeug-
                                                     werke war die Stadt ein wichtiger
3	         Winston Churchill: Der Zweite Weltkrieg   Rüstungsstützpunkt. Die Luft-
13
abwehr wurde als schwach ein-        mand vorgelegt. Der Bericht hob
geschätzt und auch die geogra-       noch einmal die rüstungspoliti-
phische Lage begünstigte eine        sche Bedeutung der Flugzeugwer-
Bombardierung. So lag Rostock        ke, die mangelhafte Flugabwehr
nicht nur in guter Flugreichwei-     und die hohe Brandanfälligkeit
te, sondern bot durch die War-       hervor.
nowmündung auch einen guten            Technische Neuerungen wie
Orientierungspunkt für die Pi-       die Einführung eines besseren
lot_innen. Ein weiterer Faktor       funkelektronischen     Navigati-
war, dass die Brandanfälligkeit      onsverfahrens ermöglichten ab
für Rostock als sehr hoch einge-     1942 auch präzisere Angriffe bei
schätzt wurde, was den Plänen        Nacht, und so wurde in einer mo-
des Bomber Command zu Gute           difizierten Bomberdirektive vom
kam.                                 14. Februar 1942 der Doppelcha-
  Am 11. Juni 1940 waren zum         rakter der Bombardierungen als
ersten Mal Bomben auf Rostock        Mischung aus Flächenbombar-
gefallen. Im Verlauf des Jahres      dements einerseits und geziel-
1940 gab es dann noch mehrere        ten Angriffen anderseits festge-
kleine Angriffe, die u.a. auch die   schrieben. Den Auftakt der groß
Kröger-Werft und die Arado-Wer-      angelegten Luftoffensive bilde-
ke trafen. Nachdem Rostock ver-      te die Bombardierung Lübecks
stärkt in den Fokus der britischen   vom 28. zum 29. März 1942. Vom
Planungsstäbe gerückt war, wur-      23. bis 27. April folgte dann die
de in der Nacht vom 11. auf den      Bombardierung Rostocks. In den
12. September 1941 ein größerer      sternenklaren Nächten mit star-
Angriff geflogen, bei dem auch       kem Wind konzentrierte sich die
erstmals Brandbomben einge-          Hauptgruppe der Flieger auf die
setzt wurden. Dabei wurden ne-       Innenstadt, während ein kleine-
ben Zielen in Warnemünde, wie        rer Verband die Heinkelwerke im
dem Hafen und der Krögerwerft,       Tiefflug angriff. Bei den Angrif-
auch Gebäude in der Innenstadt       fen, an denen ca. 460 Bomber be-
bombardiert. Die Erkenntnisse        teiligt waren, konnten große Tei-
dieses Manövers sowie weiterer       le der Innenstadt zerstört, sowie
Erkundungsflüge wurden am 14.        den Heinkelwerken erheblicher
Dezember 1941 dem Bomber Com-        Schaden zugefügt werden. Insge-
14
samt wurden mehr als die Hälfte
der Häuser beschädigt und etwa
17 % der Wohnhäuser zerstört,          In Folge der gelungenen Luft-
was dazu führte, dass vorüber-        schläge wurde am 28. April der
gehend 30.000 bis 40.000 Men-         Ausnahmezustand ausgerufen.
schen obdachlos waren. Neben          Die NS-Behörden versuchten
der Zerstörung historischer Bau-      durch Propaganda und rasche
ten wie der Petrikirche, der Jako-    Normalisierung des Alltags der
bikirche, der Nikolaikirche und       Demoralisierung der Bevölke-
des Stadttheaters wurden die          rung entgegenzuwirken. Bis zum
Wasser-, Strom-, Gas- und Ener-       Ende des Krieges wurde Rostock
gieversorgung sowie zahlreiche        noch einige Male bombardiert.
Verkaufs- und Versorgungsein-         Diese Angriffe, die später auch
richtungen lahm gelegt. Es gab        von der US-Air Force geflogen
insgesamt 221 Tote.                   wurden, waren aber vom Umfang
                                      her nicht mit den Bombardierun-
                                      gen im April 1942 vergleichbar.


Der Blick zurück
Opferphantasien in der Neonaziszene


  Der Jahrestag der Bombardie-        „Aktionsgruppe    Festungsstadt
rung der Hansestadt im Zweiten        Rostock“ (AGR) um Lars Jacobs
Weltkrieg ist schon seit längerem     auf. Im Jahr darauf, am Tag der
ein fester Termin in der lokalen      Befreiung, veranstaltete derselbe
Neonaziszene. Am 26. April 2003       Personenzusammenhang         eine
marschierten etwa 150 Neona-          Kundgebung unter dem Motto
zis unter dem Motto: „Alliierter      „8. Mai - Wir kapitulieren nie!“
Bombenterror am 24. April 1942        vor der Kunsthalle am Rostocker
– Unsere Mauern brachen, aber         Schwanenteich.
unsere Herzen nicht!“ durch die
Rostocker Innenstadt. Als Orga-
nisator der Demonstration trat
die damalige Kameradschaft
15
  Im Laufe der Jahre zeichnete
sich eine Tendenz weg von öf-
fentlichen Aufmärschen hin zu
klandestinen internen Veran-
staltungen und Aktionen ab. So         Derartige Umkehrungen der
griff die relativ junge Kamerad-     Täterrolle der deutschen Bevölke-
schaft „Nationale Sozialisten        rung während des Zweiten Welt-
Rostock“ (NSR) 2008 die The-         kriegs wie im Falle der Angriffe
matik wieder auf. Am Jahrestag       auf Rostock sind kein singulä-
der Luftangriffe am 26. April        res Ereignis in der lokalen Neo-
2008 versuchte sich ein Dutzend      naziszene. Auch anlässlich der
Jungnazis an einer nächtlichen       Kampfhandlungen in Stralsund
Spontandemonstration durch die       veranstalteten die Neonazis über
Rostocker Innenstadt, scheiterte     mehrere Jahre hinweg Demons-
aber kläglich. In den Jahren 2010    trationen. Eine jährliche Veran-
und 2011 beschränkten sie sich       staltung zum 8. Mai in Demmin
infolgedessen auf kleine Kranz-      schlägt ebenfalls in die Kerbe
niederlegungen an dem Gedenk-        des deutschen Opferkults. Über-
stein der Bombenopfer auf dem        regionale Demonstrationen, die
Rostocker Neuen Friedhof fernab      der Thematik entsprechen, wie
der Öffentlichkeit.                  die Trauermärsche bezüglich
  Auch auf kommunalpolitischer       der Bombardierungen von Mag-
Ebene versuchten Neonazis wie        deburg oder Dresden, besuchen
der Stadtabgeordnete der NPD,        Neonazis aus Mecklenburg-Vor-
David Norbert Petereit, die Bom-     pommern gewöhnlich in großer
bardierung im Sinne ihrer Ideolo-    Zahl.
gie zu instrumentalisieren. Auf
der Bürgerschaftssitzung am 7.
Dezember 2011 forderten die NPD-
Vertreter Petereit und Birger Lüs-
sow die Stadt beispielsweise dazu
auf, anlässlich des kommenden
70. Jahrestages der Bombardie-
rung den Opfern „würdig“ zu ge-
denken.
16
Sowas kommt von sowas!
Die Luftangriffe im historischen Kontext


  Die Entwicklung Rostocks in
der ersten Hälfte des 20. Jahr-
hunderts lässt sich vereinfacht              Wer nicht direkt an den tod-
von der industriell aufstrebenden          bringenden    Kampfflugzeugen
Stadt hin zur Täter_innenstadt             herumschraubte, betätigte sich
im Dritten Reich nachzeichnen.             als Wärter_in für die Zwangsar-
Mit der Ansiedlung der Arado-              beiter_innen, als Polizist_in an
Flugzeugwerke und der Heinkel-             der Suche nach Jüdinnen, Juden
Werke etablierte sich die Hanse-           und Dissident_innen, als Stra-
stadt als ein wichtiges Zahnrad            ßenbahnfahrer_in am Transport
in der nazistischen Kriegsindus-           der Arbeiter_innen in die Pro-
trie. Ein nicht unerheblicher Teil         duktionsstätten, als Akademiker
der Bevölkerung arbeitete Tag für          an der Ausbildung neuer Kriegs-
Tag in den ansässigen Produkti-            ingenieure. Irgendwer muss es
onsstätten, um die „Todesvögel“            gewesen sein, der die Pokale der
und U-Boote der Wehrmacht zu               Sportvereine    eingeschmolzen
fertigen. Die Lohnarbeit für den           hat, um Edelmetalle für den Füh-
Krieg und voller Einsatz für ein           rer zu spenden. Irgendwer muss
mörderisches System gehörten               die Schiffe im Hafen, mit ihren
für die Einwohner_innen zum                Rohstoffen zum U-Bootbau, ent-
Alltag.                                    laden haben. Irgendwer hat die
                                           Soldat_innen gesund gepflegt,
                                           die wieder an die Front gefahren
                                           sind, um andere Länder zu über-
                                           fallen. Irgendwer hat ihnen das
                                           Bier gebraut, die anspornenden
                                           Briefe geschrieben und die jüdi-
                                           schen Mitbürger_innen denun-
                                           ziert. Irgendwer hat die Kommu-
                                           nist_innen verraten, die trotz
                                           Verbot ausländische Radiosender
                                           hörten.
17
                                    tocks einen knapp drei Jahre an-
                                    dauernden     Vernichtungskrieg
                                    bis dahin unbekannten Ausma-
                                    ßes. Raub, Unterdrückung und
                                    der industrielle Massenmord
                                    von Millionen Menschen kenn-
                                    zeichneten diese Zeit. Im Jahre
  Tatsächlich bildeten die Ros-     1942 hatte Deutschland bereits
tocker_innen keine Ausnahme,        eine Vielzahl europäischer Staa-
wenn es darum ging, die Ideo-       ten, wie Polen, Frankreich und
logie des Dritten Reiches zu ver-   Norwegen, okkupiert und führ-
innerlichen und mitzutragen.        te sogar Feldzüge in Nordafrika.
Erinnert sei hier an das Wahler-    Ein Ende des fanatischen Mor-
gebnis der NSDAP, das bereits vor   dens war jedoch nicht absehbar.
der Machtübernahme Hitlers na-      So starteten die Nationalsozia-
hezu eine absolute Mehrheit ver-    list_innen im Jahre 1941 erst den
sprach. Ob es im Weiteren um die    Balkanraubzug und überfielen
Plünderung jüdischer Privatwoh-     schließlich im Juni desselben
nungen und Geschäftsräume           Jahres die Sowjetunion. In alle
oder die enthusiastische Beteili-   Himmelsrichtungen brachte die
gung an dem Novemberpogrom          Wehrmacht Verwüstung, Elend
von 1938 ging – die Rostocker Be-   und Tod. Die „rassische“ Säube-
völkerung stimmte zu und half       rung, die in Deutschland und
bei „Arisierung“ der Stadt aus      den besetzten Gebieten begann,
eigenem Antrieb. Aber nicht nur     kulminierte schließlich im Bau
vor Ort tat man, was man konn-      unzähliger Konzentrations- und
te, um die „Volksgemeinschaft“      Vernichtungslager, die bis zum
herzustellen. So sollten kriegs-    Ende des Krieges Millionen Men-
verlängernde Spendenaktionen        schen das Leben kosteten.
für die Soldat_innen an der Front
dazu beitragen, den totalen Krieg
um Lebensraum und Vorherr-
schaft in Europa zu gewinnen.
  Deutschland führte zum Zeit-
punkt der Bombardierung Ros-
18




                                   Überzeugung der Bevölkerung
                                   ein geeignetes Zwischenziel auf
                                   dem Weg zur Befreiung Europas
                                   vom Naziterror. Auch wenn das
  Klar war, dass die Todesma-      militärische Mittel der Flächen-
schinerie Deutschland schnellst-   bombardements entsetzlich sein
möglich gestoppt werden musste.    mag, waren sie in diesem Fal-
Diplomatische     Verhandlungen    le und beim Angriff auf weitere
waren kategorisch auszuschlie-     deutsche Städte nötig und ange-
ßen, womit allein eine militäri-   messen. Das Schicksal Rostocks
sche Zerschlagung des Reiches      kann nicht losgelöst vom Krieg
in Frage kam. Dazu war es zum      betrachtet werden, denn es war
einen nötig, die Rüstungsindus-    wie all die anderen deutschen
trie zu zerstören, aber aufgrund   Großstädte ein Motor des Krieges.
der frenetischen Überzeugung
eines Großteils der deutschen
Bevölkerung für den Nationalso-
zialismus mit all seinen Facet-
ten musste des Weiteren auch
die Moral der Menschen gebro-
chen werden, was nur dadurch
möglich war, ihnen die Folgen
ihres Krieges an Ort und Stelle
vor Augen zu führen. Nicht zu-
letzt führte ein Erschüttern des
gesellschaftlichen Alltags un-
weigerlich auch zur Einschrän-
kung des geregelten Rüstungsbe-
triebes. Somit bot Rostock durch
die immense Kriegsproduktion
und die nationalsozialistische
19
  Auf dem Neuen Friedhof in
Rostock offenbart sich jedoch ein
äußerst merkwürdiges Bild des
Gedenkens an die Opfer des Na-      zahl an Todesofern dargestellt.
tionalsozialismus. So erscheint     Schließlich seien auch die Deut-
die Gedenktafel für die Opfer des   schen Opfer des Krieges gewor-
KZ-Außenlagers Barth gerade-        den. So berichtete beispielsweise
zu spärlich im Gegensatz zum        Der Spiegel im Jahre 2003 über
Mahnmal aus massiven Granit-        die „Kinder- und Frauenverbren-
platten anlässlich der Bombar-      nung [sic!] von Hamburg und
dierung vom April 1942. Auch        Dresden“4 durch die Alliierten. So
wenn die Hansestadt Rostock auf     weckt bereits der Titel „Rostock
offizielle Trauerveranstaltungen    im Feuersturm“ eines Buches an-
bisher verzichtet hat, ist in der   lässlich des 70. Jahrestages des
bundesdeutschen Gedenkpolitik       Bombardierung        Assoziationen
häufig eine augenscheinliche        zu den Propagandamythen der
Verzerrung der Geschichte wahr-     Nazis vom „Bombenholocaust“.
zunehmen. So werden die Bom-        Solche     geschichtsrevisionisti-
bardierungen deutscher Städte       schen Darstellungen relativieren
oftmals aus ihrem historischen      jedoch die deutsche Kriegsschuld
Kontext gelöst und als alleinste-   oder führen gar zu einer Täter-
hende Ereignisse mit einer Viel-    Opfer-Umkehr. Die Bombardie-
                                    rungen sind vielmehr die direkte
                                    Folge der nationalsozialistischen
                                    Allmachtsphantasien, die Milli-
                                    onen von Menschen auf bestia-
                                    lischste Weise das Leben gekostet
                                    haben, und noch unzähligen wei-
                                    teren Menschen dasselbe Schick-
                                    sal bereitet hätten.
                                      Die    entsprechende     Losung
                                    kann also nur lauten: Sowas
                                    kommt von sowas!

                                    4	       „So muss die Hölle aussehen“, Ausgabe
                                    3/2003
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Rostock kaput!

  • 1. Rostock kaput! Beitrag zum 70. Jahrestag des Luftangriffes auf die Hansestadt
  • 2. Inhalt Zu Land, zur Luft und auf der See 3 Ideologie und Terror 8 Der Krieg kehrt heim 12 Der Blick zurück 14 Sowas kommt von sowas! 16 V.i.S.d.P.: Maren Fleischer, Ulmenstr. 12, 18057 Rostock
  • 3. 3 Zu Land, zur Luft und auf der See Die „Seestadt Rostock“ im Zeichen der nationalsozialistischen Kriegsproduktion Wer heute so gerne und mit der eigenen Stadtgeschichte zu leidenschaftlicher Inbrunst die begegnen, bedarf es der Verge- Geschichte des Luftkrieges und genwärtigung, dass Rostock, wie der Bombardierung deutscher viele andere Großstädte, ein Zen- Städte erzählt, redet nur ungern trum der deutschen Rüstungs- über die Ursachen und Gründe. industrie war. Hier wurden die Stattdessen kommt die Bombar- Mordwerkzeuge hergestellt, mit dierung in ihrer bevorzugten denen sich die Deutschen Europa Erzählung zumeist als inferna- zum Untertan machen wollten. lische Katastrophe buchstäblich Dies trifft insbesondere auf Ros- aus dem heiteren Himmel. Aus tock zu, dessen neuere Geschich- dem Nichts. Der Charakter der te untrennbar mit dem Namen getroffenen Stadt wird in über- „Heinkel“ verbunden ist. Noch schwänglichen Zügen wahl- heute gibt man unverwunden weise als „historisch“, „archi- zu: tektonisch wertvoll“, „kulturell „Die Firma brachte Rostock bedeutend“, „mittelalterlich“, und Warnemünde in der ersten „schön“, „bezaubernd“ oder gar Hälfte des 20. Jahrhunderts als „friedlich“ beschrieben. Um dieser selektiven Wahrnehmung den endgültigen Durchbruch in
  • 4. 4 Sachen Industrialisierung. Rostock Doch bei architektonischen wurde moderne Großstadt und Unverschämtheiten im Einheits- look des roten Backsteins blieb es Hochtechnologie-Standort.“ 1 leider nicht. Die gesamtgesell- Und nur hierzulande verstehen schaftliche Gleichschaltung war es die Protagonist_innen dieser bei den Nazis systemimmanent, neuen deutschen Geschichts- so dass über kurz oder lang das schreibung als keinen Wider- ganze Stadtleben, gemäß der spruch, sich mit dem Charme staatstragenden Ideologie, auf stotternder Heimatkundeleh- den einen Zweck ausgerichtet rer_innen der vielen Vorzüge wurde, der für die Nationalsozia- und modernen Lebensaspekte zu list_innen der Sinn allen Daseins rühmen, die durch den „Wehr- war: der Kampf. wirtschaftsführer Heinkel“ ins Selbst sämtliche Freizeitak- Stadtleben gebracht wurden, tivitäten sollten, mal indirekt, aber gleichzeitig nicht wahrha- aber manchmal auch ganz offen- ben zu wollen, dass der Aufbau sichtlich, auf diese eine Bestim- einer durchmilitarisierten Mord- mung ausgerichtet werden. So industrie auch genau das hervor- gab es im neugebauten Hansa- bringt: Mord, Elend und Krieg. Kino vorrangig Kriegsfilme und „Zur Hebung der Gesundheit „Lehrmaterial“ über den ver- und der Wehrkraft“ meintlichen „Erbfeind“ und im So rühmt man sich bis heute eigens von den Heinkel-Werken der vermeintlichen Wohltaten, gebauten „Heinkel-Stadion“ ir- die die Ansiedlung der Großbe- gendwann nur noch Duelle zwi- triebe nach sich zogen. Bis heu- schen Militärsportvereinen und te zeugen ganze Stadtviertel in Betriebsmannschaften der Flug- Warnemünde und im Rostocker zeugwerke. Der damalige Rosto- Westen von den nationalsozi- cker Polizeipräsident und Sport- alistischen Mustersiedlungen, kreisführer Hans-Eugen Sommer die für die Arbeiter_innen der beschrieb für den Sport das, was Kriegsbetriebe aus dem Boden in ähnlicher Form auch für alle gestampft wurden. anderen Lebensbereiche galt: 1 Zitiert nach der „Ernst-Heinkel-Gedenk- website“ - siehe: http://www.gedenkseiten.de/ernst- heinkel/
  • 5. 5 „[...] denn die Leibesübung ist im nationalsozialistischen Staate Sache Diese Entwicklung geriet durch den einsetzenden Krieg nicht des ganzen Volkes, zur Hebung der etwa ins Stocken, sondern im Gesundheit und der Wehrkraft.“2 Gegenteil, sie wurde noch wei- Selbst in der Universität Rostock ter intensiviert. Mit Beginn des wurden nicht nur Bücher ver- Krieges wurden in steigender brannt und jüdische Mitbürger_ Anzahl Zwangsarbeiter_innen, innen rausgeworfen, sondern es Gefangene und KZ-Häftlinge zur wurde auch fleißig im Sinne der Arbeit in den Rüstungsbetrieben NS-Ideologie rationalisiert und gezwungen. Die verschiedenen reformiert. Nonkonforme Fach- Großbetriebe Rostocks beschaff- bereiche wie die Religionswis- ten sich so bis zum Ende des Krie- senschaften wurden geschlos- ges mehrere tausend Arbeitskräf- sen, und andere, wie etwa das te. Institut zur „Erb- und Rassenfor- Aus der Luft - In die Luft schung“ oder (abermals auf Bit- Ironischerweise kam das gro- ten von Heinkel) das „Institut für ße Unheil aus der gleichen Rich- angewandte Mathematik und tung, in der die Stadt jahre- Mechanik“ extra eröffnet. Die lang den Tod in die Welt hinaus Bombenkonstrukteure von Mor- schickte. Aus der Luft kamen die gen mussten schließlich auch ir- Bomben, die die nahende Befrei- gendwo ausgebildet werden. ung einläuteten und in die Luft schickten die Rostocker_innen ihre Bomber und Jagdflugzeuge. Der größte der Rostocker Kriegs- betriebe waren die Heinkel-Flug- zeugwerke. Ihre Geschichte be- gann 1922 mit der Gründung der „Ernst Heinkel Flugzeugwerke A.G.“ in Rostock-Warnemünde und bereits damals enthielt die 2 Siehe: „Zur Hebung der Gesundheit und vermeintlich zivile Flugzeug- der Wehrkraft. - Fußball in Rostock während des Na- produktion eine militärische tionalsozialismus“ auf: http://ruh.soziale-bildung.org/ node/20 Dimension. Durch den Frie-
  • 6. 6 densvertrag von Versailles, der hungen zu den Raketenstartplät- die Wiederholung einer Katast- zen der Heeresversuchsanstalt rophe wie den Ersten Weltkrieg in Peenemünde, für die Heinkel unmöglich machen sollte und Versuchsflugzeuge beschaffte, dem deutschen Militarismus die wurden ausgebaut. Die Anzahl Grundlage entziehen wollte, war der Beschäftigten (ohne Zwangs- den Deutschen das Unterhalten arbeiter_innen) wuchs von ca. einer Luftwaffe verboten. Der 1.000 im Jahre 1932 bis zum deutsche Revanchismus – zu dem Kriegsende auf über 10.000. Die- maßgeblich auch Industrielle ser Prozess führte dazu, dass die wie Heinkel gehörten – suchte Einwohner_innenzahl der Stadt bereits in den 20er Jahren nach im Jahre 1935 die hunderttausend Möglichkeiten, den Friedensver- überschritt, was auf offizieller trag zu brechen. Im In- und Aus- Ebene den Großstadtstatus mit land wurden unter Geheimhal- sich brachte. Als eine der ersten tung Kampfpiloten ausgebildet. Auswirkungen der Luftangriffe Und so fand auch Heinkel seinen musste im Übrigen das Heinkel- Weg ins Ausland, bei der kaiser- Werk einen Teil seiner Produk- lich-japanischen Marine entwi- tion in das nahe gelegene Barth ckelte er von Deutschland aus verlagern. Unter Rückgriff auf Militärflugzeuge, die er dann in das dort befindliche Konzent- Skandinavien in Lizenz produzie- rationslager plünderte man bis ren ließ. zuletzt über 6.000 weitere Häft- Mit Errichtung der national- linge als Zwangsarbeiter_innen sozialistischen Diktatur trat aus. Heinkel der NSDAP bei; von dort Ein weiterer Akteur in diesem an konnte er sein Kriegsgerät in Zusammenhang waren die Fab- aller Öffentlichkeit erforschen. riken der Arado Flugzeugwerke Von der Universität Rostock be- GmbH, die sich bereits 1921 in kam er dafür die Ehrendoktor- Rostock niederließen und zu de- würde. Rostock wurde zum Zen- ren Spezialitäten Kampfflugzeu- trum der Luftkriegsproduktion. ge für die Marine zählten. Die Es entstand ein Flugplatz zur Reichswehr bildete schließlich Erprobung neuer Flugzeugtypen ab 1925 auf dem Flugplatz „Hohe und die kontinuierlichen Bezie- Düne“ im eigens dafür gegründe-
  • 7. 7 ten Tarnunternehmen „Seeflug Mit fortschreitender Militarisie- GmbH“ Kampfpiloten aus. rung und der unersättlichen Gier U-Boote für den Führer des Kriegsapparats nach neuen Als Hafenstadt mit einer jahr- Soldat_innen ging auch der Nep- hundertelangen Bootsbautra- tunwerft mit der Zeit das Perso- dition ließen es sich die Rosto- nal aus. Auch hier versuchten cker_innen selbstverständlich die Faschist_innen den Arbeits- nicht nehmen, auch Kriegs- kräftemangel durch Zwangsar- schiffe für das Militär zu bauen. beit zu kompensieren. Als die Während des Ersten Weltkrieges Rote Armee am 1. Mai 1945 Ros- unternahm man die ersten Geh- tock erreichte, wurden allein in versuche und übte sich im Bau der Neptunwerft über 1.400 KZ- von Minensuchbooten und dem Häftlinge und Kriegsgefangene Umrüsten von Zivilschiffen. befreit. Dies sollte sich im Nationalsozi- Wer angesichts dieses Ausma- alismus grundlegend ändern. In ßes der Kriegsanstrengungen, ob Rostock gab es zu der Zeit zwei direkt im Flugzeughangar oder Werften. Einerseits die Neptun- indirekt bei der Sicherstellung werft, welche 1850 gegründet des geordneten Ablaufs des Ar- wurde, und auf der anderen Seite beitsalltages, behauptet, es hät- die Kröger-Werft, welche 1928 die te keinen Sinn ergeben, diesen Gehlsdorfer Gebrüder Kröger er- vielfältig verzweigten Motor der öffneten. Rüstungsproduktion zu zerschla- Neben Flugsicherungsbooten gen, der muss sich fragen lassen, und Begleitschiffen gehörten mit welchem Recht er die Nieder- auch wieder Minensuch- und schlagung des Nationalsozialis- Sprengboote zum Repertoire der mus gegen kaputte Hausfassa- Rostocker Schiffbauer_innen. den aufwiegen will und warum In der Neptunwerft spezialisier- das traditionelle Ambiente einer te man sich auf das tödlichste mittelalterlichen Hansestadt als Mordgerät, das die deutsche See- historisches Argument gegen die fahrt zu bieten hatte, den Bau Beendigung des Zweiten Welt- von U-Booten für die Kriegsflot- kriegs standhalten soll. te. Hier wurden bis 1945 zehn Ex- emplare des Typs VII-C gefertigt.
  • 8. 8 Ideologie und Terror Antisemitismus in Rostock Bereits in den 20er Jahren häuf- ten sich in Rostock antisemiti- Nach der Ernennung Adolf Hit- sche Kampagnen deutschnatio- lers zum Reichskanzler wurde die naler Strukturen, wie bspw. die öffentliche Verwaltung nach und gegen den jüdischen Medizinpro- nach im Sinne der Nationalsozi- fessor Fritz Weinberg. 1930 hielt alist_innen „gleichgeschaltet“. dann die NSDAP mit über 20 % der Gleichzeitig beteiligte sich eine Stimmen Einzug in die Stadtver- Reihe Rostocker Dozent_innen waltung. Diese starke Position aktiv an den Bücherverbrennun- nutzte sie im darauf folgenden gen im Mai 1933. So sehr sich die Jahr, um die wenigen jüdischen Nazis und ihre Sympathisant_in- Künstler_innen im Rostocker nen für die rasche Umsetzung Stadttheater zu verjagen. der „Machtergreifung“ engagier- ten, so wenig Widerstand stellte sich ihnen entgegen. So konnte
  • 9. 9 im April 1933 nahezu ungestört der erste große, organisierte Boy- Gleichzeitig war es für die ver- kott gegen Geschäfte und Firmen einzelten „Volksdeutschen“ mit mit jüdischen Besitzer_innen anti-faschistischer Gesinnung durchgeführt werden. In der Krö- mit der Zeit immer weniger mög- peliner Straße und anderswo for- lich, der nationalsozialistischen mierten sich SA-Posten vor Arzt- Ideologie zu widersprechen oder praxen, Anwaltskanzleien und aus dem Weg zu gehen, da die Kaufhäusern. In den darauf fol- „Gleichschaltung“ nach und genden Jahren wurde nicht nur nach auch die letzten Vereine gewerkschaftliche und generell und Einrichtungen ergriffen politische Arbeit unterbunden, hatte. Mit viel Unterstützung sondern auch die Teilhabe der von den übrigen Rostocker_in- Rostocker Jüdinnen und Juden nen konnte niemand rechnen, am öffentlichen Leben systema- denn diese hatten 1932 mit über tisch beschnitten. Dies betraf 40 % und 1933 mit über 35 % für sowohl Wohnsituation, als auch die Nazis gestimmt. Vor allem Ausbildung und Erwerbstätig- diejenigen Rostocker_innen, die keit; mit den Nürnberger Ge- vermeintlich oder tatsächlich setzen von 1935 dann auch das jüdischer Herkunft waren, hat- Privatleben und die Sexualpart- ten vermehrt unter der Naziherr- ner_innen. schaft zu leiden. Nicht wenige nahmen sich schon in den Mona- ten nach der „Machtergreifung“ das Leben. Spätestens 1938 war klar, dass es den Nazis um mehr ging als Diskriminierung, näm- lich auch um die Vernichtung der bürgerlichen Existenz auch der Rostocker Jüdinnen und Juden, ebenso wie um die tatsächliche körperliche Vernichtung des eu- ropäischen Judentums. Die Ros- tocker_innen unter ihnen waren zwangsweise vollständig regist-
  • 10. 10 riert worden und die ersten wur- Volk auch im amtlichen Namen den deportiert. Es traf zunächst festzuschreiben. Angesichts der 37 „Ostjuden“, die auf einen Lkw überwältigenden Mehrheit, die geladen und hinter der polni- den Terror auch in Rostock un- schen Grenze ausgesetzt wurden. terstützt und befürwortet hatte, Noch im gleichen Jahr entlud war es für die wenigen Anstän- sich wie im restlichen Deutsch- digen eine immense Gefahr, sich land der Hass auf alles „Jüdische“ solidarisch zu zeigen. Nichtsdes- auch in Rostock, während der totrotz sind einige Beispiele die- Reichspogromnacht im Novem- ser Aufrichtigkeit belegt, sei es ber 1938. Vorwand hierfür war der illegale Schulunterricht für das Attentat Herschel Grynsz- jüdische Kinder, oder auch heim- pans auf einen SA-Mann. Gryn- lich abgelegte Essenspakete. szpan war Jude und wollte die De- Während die „Volksdeutschen“ portation seiner Familie rächen. immer dichter zusammenrück- In Rostock wurden nicht nur Ge- ten und sich bspw. im heutigen schäfte geplündert und zerstört, Peter-Weiss-Haus zu Spendenak- die Synagoge niedergebrannt, tionen für ihre Frontsoldaten ver- sondern auch Privatwohnungen sammelten, bekamen die Jüdin- durch SS und SA demoliert. Nicht nen und Juden, die unter ihnen nur landete das Inventar samt lebten, immer mehr ihren Hass Wertsachen auf der Straße, es zu spüren. Ausdruck dessen war wurde auch von den Rostocker_ nicht zuletzt der „Judenstern“, innen unter dem Schutz der SS der auch in Rostock 1941 polizei- samt und sonders gestohlen. lich vorgeschrieben wurde. Am Im Januar 1939 wurde in Ros- 10. Juli 1942 fand sich dann der tock der letzte Betrieb mit jüdi- Höhepunkt des Hasses der Deut- schen Besitzern „arisiert“, sprich schen auf die Juden in Rostock: das Eigentum an diesem unter um 7.01 Uhr verließ der erste De- Zwang auf einen Nazigetreuen portationszug Rostock über Lud- übertragen. Gleichzeitig erhiel- wigslust mit dem Endziel Ausch- ten die Rostocker Jüdinnen und witz. Von den 24 Verschleppten Juden die Zwangsvornamen „Is- kehrte niemand zurück, alle rael“ und „Sara“, um ihre Nicht- wurden ermordet. Zugehörigkeit zum Deutschen
  • 11. 11 Im November desselben Jahres traf es dann noch einmal 14 Men- schen aus Rostock. Sie wurden am 11. November 1942 um 6.59 Uhr nach Theresienstadt depor- tiert. Auch aus diesem Transport Der letzte Akt des Rostocker Na- überlebte niemand. ziterrors ereignete sich, als die An der Organisation der Ver- Stadt von der Roten Armee befreit nichtung waren in Rostock nicht werden sollte. Noch in der Nacht nur die Parteistrukturen der Na- vor der Niederlage wurde eine zis beteiligt. Eine aktive Rolle Liste mit 157 Sozialdemokrat_in- bei der Abwicklung der Deporta- nen und Kommunist_innen er- tionen, die allwissentlich in den stellt, die es zu ermorden galt. Tod führten, spielten Mitarbei- Nur durch die Hilfe anderer Ros- ter_innen der Reichsbahn, der tocker_innen konnten sie sich Polizeireviere, des Finanzamtes dem Zugriff der Nazis entzie- und der Arbeiterwohlfahrt. Ers- hen. Das letzte Armutszeugnis tere waren für die Organisation war die Sprengung der Mühlen- des Abtransportes verantwort- dammbrücke, die fünf Rotarmis- lich, letztere für den Einzug jü- ten noch am Tag der Befreiung discher Besitztümer. Von Nicht- das Leben kostete. Als dann am wissen oder Unschuld kann für 1. Mai 1945 endlich sowjetische die Mehrheit der Rostocker_in- Truppen die Terrorherrschaft be- nen also keine Rede gewesen endeten, lebten gerade noch 14 sein. Während des Krieges setzte Jüdinnen und Juden in Rostock. sich der Terror gegen die verblie- Ursprünglich waren es etwa 300. benen Jüdinnen und Juden fort. Diese wurden meist nur durch ihre Ehe mit nichtjüdischen Ros- tocker_innen vor der Deportation gerettet. Doch auch die Kinder aus diesen „Mischehen“ blieben von den Nazis nicht verschont. Sie wurden in und um Rostock zur Zwangsarbeit eingesetzt.
  • 12. 12 Der Krieg kehrt heim Die Bombardierung Rostocks im April 1942 Nachdem Deutschland briti- sche Städte wie Coventry 1940 bombardiert hatte, konnte das Schwerpunkt der britischen United Kingdom im selben Jahr Angriffspläne war es, die deut- den „Battle of Britain“ für sich sche Rüstungsindustrie zu zer- entscheiden. Da außerdem durch schlagen und die Moral der Zi- den Angriff auf die Sowjetunion vilbevölkerung zu brechen. Im am 22. Juni 1941 der Großteil der Sommer 1941 entschied sich das Wehrmacht gen Osten mobili- Bomber Command für Flächen- siert wurde, war eine Landung bombardements als Mittel der deutscher Truppen auf briti- bevorstehenden Großoffensive, schem Boden vorerst auszuschlie- die die Landung der Briten auf ßen. Es konnten also Pläne für ei- dem europäischen Festland vor- nen britischen Gegenangriff auf bereiten sollten. Begründet wur- Deutschland entworfen werden. den sie dadurch, dass für Präzi- In der britischen Angriffsstra- sionsabwürfe nicht die nötigen tegie kam ab 1941 der Royal Air Navigationsmittel vorhanden Force die entscheidende Rolle zu. seien. Außerdem führten 1941 So äußerte Winston Churchill: der Verlust von erfahrenen Be- „Die Marine kann uns den Krieg satzungen und die bessere Luft- abwehr Deutschlands dazu, dass verlieren lassen, aber nur die die Bomber in größerer Höhe flie- Luftwaffe kann ihn gewinnen... gen mussten. Die Entscheidung Die Jäger sind unsere Rettung, für Flächenbombardements war aber die Bomber allein stellen auch politisch geprägt. die Mittel zum Sieg.“3 Dass Rostock eine der ersten Städte war, die Ziel der Luftof- fensive wurden, hatte verschie- dene Ursachen. Als Standort der Heinkel- und Arado-Flugzeug- werke war die Stadt ein wichtiger 3 Winston Churchill: Der Zweite Weltkrieg Rüstungsstützpunkt. Die Luft-
  • 13. 13 abwehr wurde als schwach ein- mand vorgelegt. Der Bericht hob geschätzt und auch die geogra- noch einmal die rüstungspoliti- phische Lage begünstigte eine sche Bedeutung der Flugzeugwer- Bombardierung. So lag Rostock ke, die mangelhafte Flugabwehr nicht nur in guter Flugreichwei- und die hohe Brandanfälligkeit te, sondern bot durch die War- hervor. nowmündung auch einen guten Technische Neuerungen wie Orientierungspunkt für die Pi- die Einführung eines besseren lot_innen. Ein weiterer Faktor funkelektronischen Navigati- war, dass die Brandanfälligkeit onsverfahrens ermöglichten ab für Rostock als sehr hoch einge- 1942 auch präzisere Angriffe bei schätzt wurde, was den Plänen Nacht, und so wurde in einer mo- des Bomber Command zu Gute difizierten Bomberdirektive vom kam. 14. Februar 1942 der Doppelcha- Am 11. Juni 1940 waren zum rakter der Bombardierungen als ersten Mal Bomben auf Rostock Mischung aus Flächenbombar- gefallen. Im Verlauf des Jahres dements einerseits und geziel- 1940 gab es dann noch mehrere ten Angriffen anderseits festge- kleine Angriffe, die u.a. auch die schrieben. Den Auftakt der groß Kröger-Werft und die Arado-Wer- angelegten Luftoffensive bilde- ke trafen. Nachdem Rostock ver- te die Bombardierung Lübecks stärkt in den Fokus der britischen vom 28. zum 29. März 1942. Vom Planungsstäbe gerückt war, wur- 23. bis 27. April folgte dann die de in der Nacht vom 11. auf den Bombardierung Rostocks. In den 12. September 1941 ein größerer sternenklaren Nächten mit star- Angriff geflogen, bei dem auch kem Wind konzentrierte sich die erstmals Brandbomben einge- Hauptgruppe der Flieger auf die setzt wurden. Dabei wurden ne- Innenstadt, während ein kleine- ben Zielen in Warnemünde, wie rer Verband die Heinkelwerke im dem Hafen und der Krögerwerft, Tiefflug angriff. Bei den Angrif- auch Gebäude in der Innenstadt fen, an denen ca. 460 Bomber be- bombardiert. Die Erkenntnisse teiligt waren, konnten große Tei- dieses Manövers sowie weiterer le der Innenstadt zerstört, sowie Erkundungsflüge wurden am 14. den Heinkelwerken erheblicher Dezember 1941 dem Bomber Com- Schaden zugefügt werden. Insge-
  • 14. 14 samt wurden mehr als die Hälfte der Häuser beschädigt und etwa 17 % der Wohnhäuser zerstört, In Folge der gelungenen Luft- was dazu führte, dass vorüber- schläge wurde am 28. April der gehend 30.000 bis 40.000 Men- Ausnahmezustand ausgerufen. schen obdachlos waren. Neben Die NS-Behörden versuchten der Zerstörung historischer Bau- durch Propaganda und rasche ten wie der Petrikirche, der Jako- Normalisierung des Alltags der bikirche, der Nikolaikirche und Demoralisierung der Bevölke- des Stadttheaters wurden die rung entgegenzuwirken. Bis zum Wasser-, Strom-, Gas- und Ener- Ende des Krieges wurde Rostock gieversorgung sowie zahlreiche noch einige Male bombardiert. Verkaufs- und Versorgungsein- Diese Angriffe, die später auch richtungen lahm gelegt. Es gab von der US-Air Force geflogen insgesamt 221 Tote. wurden, waren aber vom Umfang her nicht mit den Bombardierun- gen im April 1942 vergleichbar. Der Blick zurück Opferphantasien in der Neonaziszene Der Jahrestag der Bombardie- „Aktionsgruppe Festungsstadt rung der Hansestadt im Zweiten Rostock“ (AGR) um Lars Jacobs Weltkrieg ist schon seit längerem auf. Im Jahr darauf, am Tag der ein fester Termin in der lokalen Befreiung, veranstaltete derselbe Neonaziszene. Am 26. April 2003 Personenzusammenhang eine marschierten etwa 150 Neona- Kundgebung unter dem Motto zis unter dem Motto: „Alliierter „8. Mai - Wir kapitulieren nie!“ Bombenterror am 24. April 1942 vor der Kunsthalle am Rostocker – Unsere Mauern brachen, aber Schwanenteich. unsere Herzen nicht!“ durch die Rostocker Innenstadt. Als Orga- nisator der Demonstration trat die damalige Kameradschaft
  • 15. 15 Im Laufe der Jahre zeichnete sich eine Tendenz weg von öf- fentlichen Aufmärschen hin zu klandestinen internen Veran- staltungen und Aktionen ab. So Derartige Umkehrungen der griff die relativ junge Kamerad- Täterrolle der deutschen Bevölke- schaft „Nationale Sozialisten rung während des Zweiten Welt- Rostock“ (NSR) 2008 die The- kriegs wie im Falle der Angriffe matik wieder auf. Am Jahrestag auf Rostock sind kein singulä- der Luftangriffe am 26. April res Ereignis in der lokalen Neo- 2008 versuchte sich ein Dutzend naziszene. Auch anlässlich der Jungnazis an einer nächtlichen Kampfhandlungen in Stralsund Spontandemonstration durch die veranstalteten die Neonazis über Rostocker Innenstadt, scheiterte mehrere Jahre hinweg Demons- aber kläglich. In den Jahren 2010 trationen. Eine jährliche Veran- und 2011 beschränkten sie sich staltung zum 8. Mai in Demmin infolgedessen auf kleine Kranz- schlägt ebenfalls in die Kerbe niederlegungen an dem Gedenk- des deutschen Opferkults. Über- stein der Bombenopfer auf dem regionale Demonstrationen, die Rostocker Neuen Friedhof fernab der Thematik entsprechen, wie der Öffentlichkeit. die Trauermärsche bezüglich Auch auf kommunalpolitischer der Bombardierungen von Mag- Ebene versuchten Neonazis wie deburg oder Dresden, besuchen der Stadtabgeordnete der NPD, Neonazis aus Mecklenburg-Vor- David Norbert Petereit, die Bom- pommern gewöhnlich in großer bardierung im Sinne ihrer Ideolo- Zahl. gie zu instrumentalisieren. Auf der Bürgerschaftssitzung am 7. Dezember 2011 forderten die NPD- Vertreter Petereit und Birger Lüs- sow die Stadt beispielsweise dazu auf, anlässlich des kommenden 70. Jahrestages der Bombardie- rung den Opfern „würdig“ zu ge- denken.
  • 16. 16 Sowas kommt von sowas! Die Luftangriffe im historischen Kontext Die Entwicklung Rostocks in der ersten Hälfte des 20. Jahr- hunderts lässt sich vereinfacht Wer nicht direkt an den tod- von der industriell aufstrebenden bringenden Kampfflugzeugen Stadt hin zur Täter_innenstadt herumschraubte, betätigte sich im Dritten Reich nachzeichnen. als Wärter_in für die Zwangsar- Mit der Ansiedlung der Arado- beiter_innen, als Polizist_in an Flugzeugwerke und der Heinkel- der Suche nach Jüdinnen, Juden Werke etablierte sich die Hanse- und Dissident_innen, als Stra- stadt als ein wichtiges Zahnrad ßenbahnfahrer_in am Transport in der nazistischen Kriegsindus- der Arbeiter_innen in die Pro- trie. Ein nicht unerheblicher Teil duktionsstätten, als Akademiker der Bevölkerung arbeitete Tag für an der Ausbildung neuer Kriegs- Tag in den ansässigen Produkti- ingenieure. Irgendwer muss es onsstätten, um die „Todesvögel“ gewesen sein, der die Pokale der und U-Boote der Wehrmacht zu Sportvereine eingeschmolzen fertigen. Die Lohnarbeit für den hat, um Edelmetalle für den Füh- Krieg und voller Einsatz für ein rer zu spenden. Irgendwer muss mörderisches System gehörten die Schiffe im Hafen, mit ihren für die Einwohner_innen zum Rohstoffen zum U-Bootbau, ent- Alltag. laden haben. Irgendwer hat die Soldat_innen gesund gepflegt, die wieder an die Front gefahren sind, um andere Länder zu über- fallen. Irgendwer hat ihnen das Bier gebraut, die anspornenden Briefe geschrieben und die jüdi- schen Mitbürger_innen denun- ziert. Irgendwer hat die Kommu- nist_innen verraten, die trotz Verbot ausländische Radiosender hörten.
  • 17. 17 tocks einen knapp drei Jahre an- dauernden Vernichtungskrieg bis dahin unbekannten Ausma- ßes. Raub, Unterdrückung und der industrielle Massenmord von Millionen Menschen kenn- zeichneten diese Zeit. Im Jahre Tatsächlich bildeten die Ros- 1942 hatte Deutschland bereits tocker_innen keine Ausnahme, eine Vielzahl europäischer Staa- wenn es darum ging, die Ideo- ten, wie Polen, Frankreich und logie des Dritten Reiches zu ver- Norwegen, okkupiert und führ- innerlichen und mitzutragen. te sogar Feldzüge in Nordafrika. Erinnert sei hier an das Wahler- Ein Ende des fanatischen Mor- gebnis der NSDAP, das bereits vor dens war jedoch nicht absehbar. der Machtübernahme Hitlers na- So starteten die Nationalsozia- hezu eine absolute Mehrheit ver- list_innen im Jahre 1941 erst den sprach. Ob es im Weiteren um die Balkanraubzug und überfielen Plünderung jüdischer Privatwoh- schließlich im Juni desselben nungen und Geschäftsräume Jahres die Sowjetunion. In alle oder die enthusiastische Beteili- Himmelsrichtungen brachte die gung an dem Novemberpogrom Wehrmacht Verwüstung, Elend von 1938 ging – die Rostocker Be- und Tod. Die „rassische“ Säube- völkerung stimmte zu und half rung, die in Deutschland und bei „Arisierung“ der Stadt aus den besetzten Gebieten begann, eigenem Antrieb. Aber nicht nur kulminierte schließlich im Bau vor Ort tat man, was man konn- unzähliger Konzentrations- und te, um die „Volksgemeinschaft“ Vernichtungslager, die bis zum herzustellen. So sollten kriegs- Ende des Krieges Millionen Men- verlängernde Spendenaktionen schen das Leben kosteten. für die Soldat_innen an der Front dazu beitragen, den totalen Krieg um Lebensraum und Vorherr- schaft in Europa zu gewinnen. Deutschland führte zum Zeit- punkt der Bombardierung Ros-
  • 18. 18 Überzeugung der Bevölkerung ein geeignetes Zwischenziel auf dem Weg zur Befreiung Europas vom Naziterror. Auch wenn das Klar war, dass die Todesma- militärische Mittel der Flächen- schinerie Deutschland schnellst- bombardements entsetzlich sein möglich gestoppt werden musste. mag, waren sie in diesem Fal- Diplomatische Verhandlungen le und beim Angriff auf weitere waren kategorisch auszuschlie- deutsche Städte nötig und ange- ßen, womit allein eine militäri- messen. Das Schicksal Rostocks sche Zerschlagung des Reiches kann nicht losgelöst vom Krieg in Frage kam. Dazu war es zum betrachtet werden, denn es war einen nötig, die Rüstungsindus- wie all die anderen deutschen trie zu zerstören, aber aufgrund Großstädte ein Motor des Krieges. der frenetischen Überzeugung eines Großteils der deutschen Bevölkerung für den Nationalso- zialismus mit all seinen Facet- ten musste des Weiteren auch die Moral der Menschen gebro- chen werden, was nur dadurch möglich war, ihnen die Folgen ihres Krieges an Ort und Stelle vor Augen zu führen. Nicht zu- letzt führte ein Erschüttern des gesellschaftlichen Alltags un- weigerlich auch zur Einschrän- kung des geregelten Rüstungsbe- triebes. Somit bot Rostock durch die immense Kriegsproduktion und die nationalsozialistische
  • 19. 19 Auf dem Neuen Friedhof in Rostock offenbart sich jedoch ein äußerst merkwürdiges Bild des Gedenkens an die Opfer des Na- zahl an Todesofern dargestellt. tionalsozialismus. So erscheint Schließlich seien auch die Deut- die Gedenktafel für die Opfer des schen Opfer des Krieges gewor- KZ-Außenlagers Barth gerade- den. So berichtete beispielsweise zu spärlich im Gegensatz zum Der Spiegel im Jahre 2003 über Mahnmal aus massiven Granit- die „Kinder- und Frauenverbren- platten anlässlich der Bombar- nung [sic!] von Hamburg und dierung vom April 1942. Auch Dresden“4 durch die Alliierten. So wenn die Hansestadt Rostock auf weckt bereits der Titel „Rostock offizielle Trauerveranstaltungen im Feuersturm“ eines Buches an- bisher verzichtet hat, ist in der lässlich des 70. Jahrestages des bundesdeutschen Gedenkpolitik Bombardierung Assoziationen häufig eine augenscheinliche zu den Propagandamythen der Verzerrung der Geschichte wahr- Nazis vom „Bombenholocaust“. zunehmen. So werden die Bom- Solche geschichtsrevisionisti- bardierungen deutscher Städte schen Darstellungen relativieren oftmals aus ihrem historischen jedoch die deutsche Kriegsschuld Kontext gelöst und als alleinste- oder führen gar zu einer Täter- hende Ereignisse mit einer Viel- Opfer-Umkehr. Die Bombardie- rungen sind vielmehr die direkte Folge der nationalsozialistischen Allmachtsphantasien, die Milli- onen von Menschen auf bestia- lischste Weise das Leben gekostet haben, und noch unzähligen wei- teren Menschen dasselbe Schick- sal bereitet hätten. Die entsprechende Losung kann also nur lauten: Sowas kommt von sowas! 4 „So muss die Hölle aussehen“, Ausgabe 3/2003