Mit Industrie 4.0 werden neue disruptive Geschäftsmodelle möglich. Die Vernetzung von Wertschöpfungsketten mit dem Internet bringt neue Chancen für alle beteiligten.
1. Geschäftsmodelle für Industrie 4.0
Die Digitalisierung in der Industrie bringt nicht nur Chancen für die Zukunft, sondern
wird auch etablierte Geschäftsmodelle in Frage stellen. Die letzten Jahrzehnte
industrieller Innovation sind durch technologische Innovation und Fortschritt geprägt
gewesen. Die neue Digitalisierung durch Industrie 4.0 und das Internet hingegen
ermöglicht eine Revolution der Geschäftsmodelle und Geschäftsstrategien.
Geschäftsprozesse der Kunden besser verstehen und sich mit eigenen
Wertschöpfungsprozessen und hybriden Geschäftsmodellen in das Gesamtsystem
von neuen Anforderungen integrieren ist die Herausforderung zukünftiger
Geschäftsmodelle von Industrie 4.0. Technologischer Fortschritt wie z.B. die
Einführung von Cyber-physischen Systemen und Produktionen (CPS und CPPS)
vollzieht sich hingegen auch in Zukunft eher evolutionär. Die Einführung von
Industrie 4.0 ist eine Frage der Unternehmensstrategie und Geschäftsmodelle. Ein
rein technologischer Bottom up-Ansatz führt zu komplexen IT-Schnittstellen und
hohen Kosten.
Entwicklung hybrid digital physischer Geschäftsmodelle
Während bei Geschäftsmodell-Innovationen rein materieller Güter bisher vornehmlich
kontinuierliche Verbesserungsprozesse (KVPs) eingesetzt werden konnten, müssen
bei digitalen Geschäftsmodellen kreative innovative Methoden eingesetzte werden.
Die besondere Innovation neuer hybrider Geschäftsmodelle und smarter Produkte
und Dienstleistungen liegt ähnlich wie bei rein digitalen Geschäftsmodellen von z.B.
Google und amazon in der Vervielfältigung von Informationen und in der digitalen
Vernetzung und Transaktion von Teilnehmern. Wichtiger Grundsatz bei der
Geschäftsmodell-Entwicklung ist „Think big“. Neues und Revolutionäres entsteht nur
durch Mut. Klassisch produzierende Unternehmen sind gut beraten, unabhängige
Externe für die Geschäftsmodellentwicklung einzubinden, um auch wirklich alle
Chancen zu analysieren. Mit Methoden wie der Capability-Definition werden
zusätzliche Chancen außerhalb der Kernkompetenzen des Unternehmens sichtbar
und eignen sich zur systematischen Ableitung und Entwicklung neuer digitaler
Geschäftsmodelle. Sich grundsätzlich mit den eigenen Fähigkeiten des
Unternehmens auseinander zu setzen ist in jedem Fall für die Unternehmens-
Architektur hilfreich. Mit Potentialanalysen sowie Chancen- und Risiken-Analysen
werden schließlich neue Geschäftsmodelle auf den Prüfstein gestellt und getestet.
2. Steigern der Wertschöpfung mit Verantwortung für Unternehmensprozesse
Beherrschen Anbieter Teilprozesse Ihre Kunden, steigern Sie die Verfügbarkeit und
Produktivität der Produktionsanlagen durch Ihre Prozessführungskompetenz und Ihre
optimierten Betriebskonzepte.
Beispiel: Geschäftsmodell Erweiterung eines Sensor-Herstellers
Komponenten, System und Maschinenhersteller sind z.B. die Experten im Bedienen,
Handling und Instandhaltung Ihrer Produkte. Neue Geschäftsmodelle können die
Bereiche z.B. IT-Systeme, automatisierte Unternehmensprozessführung und Betrieb
der eigenen Produkte beim Kunden betreffen.
Beispiel Instandhaltungsprozess
Instandhaltungsprozesse sind geprägt von Verschleiß und Wartungsintervallen,
möglichem Bauteilversagen und Monitoring. Neue Geschäftsmodelle garantieren z.B.
die Verfügbarkeit. So garantiert z.B. Rolls Royce den verfügbaren Vorschub im
Flugzeugtriebwerk und verkauft Schub pro Flugmeile und nicht mehr die Triebwerke.
Ein weltweites Servicenetz und ein ständiges Monitoring garantieren die
Verfügbarkeit von Schub. In einem anderen Fall überwachen Sensoren sich selbst,
bestellen im Verschleißfall Ersatzteile nach und setzen einen Instandhaltungs- und
Wartungsprozess in Gang.
Messen
Monitoren
Prozessführung
Betreiben
Wertschöpfung
Hardware liefern
Software Lizenzen liefern
Software Lizenzen
und Dienste liefern
z.B. Cloud Dienste
Dienstleistungsprozesse
3. Beispiel Prozessoptimierung
Liegen die Fähigkeiten des Unternehmens auch in der Analyse der Daten, so lassen
sich z.B. Prozessanomalien erkennen. Anomalien lassen sich zu Prozessoptimierung
verwenden. Je nach Komplexität der Unternehmensprozesse dienen die Kenntnisse
dann im einfachsten Fall als Expertensystem für den Mitarbeiter beim Kunden oder
es werden Prozesssteuerungsschritte zur Prozessoptimierung automatisiert
eingeleitet. Zukünftig wird sich in Industrie 4.0 die Fertigungssteuerung viel mehr
entlang der Auswertung der Prozessdaten dezentralisieren, was für Zulieferanten
eine Chance für neue Geschäftsmodelle darstellt. Die Aufbereitung der Daten wird in
Informationsmodellen stattfinden. Für die unterschiedlichen Prozessschritte werden
die Datenmodelle und Informationen unterschiedlich aggregiert und geben den
Mitarbeitern die Möglichkeit, individuelle Schritte und Optimierungsaufgaben
umzusetzen. So haben Controller, Instandhalter und Werksplaner unterschiedliche
Anforderungen und Aggregierungsebenen auf die Informationsmodelle. Die
Interaktion von Mensch und IT-System wird bei Industrie 4.0 entsprechend der neuen
Unternehmensprozesse neu definiert. Damit realisierte Geschäftsmodelle sind dann
Optimierungsapps und auf den Forecast und Vorausberechnung hin ausgerichtete
Business Analytics Applikationen.
Beispiel Planungs- und Engineering Prozess
Gehen die Fähigkeiten des Anbieters in Richtung Planung von Fertigungsabläufen
des Kunden, kann die Wertschöpfung Richtung Verantwortungsübernahme der
Planungsprozesse erweitert werden. Das Internet und die Cloud bieten hier über
Vernetzung mit Geschäftsprozessdatenanalysen, Expertensystemen und
Wissensdatenbanken das IT-Gerüst für neue Geschäftsmodelle und IT-gestützter
Unternehmensprozesse.
Geschäftsmodelle und Unternehmensprozess Typen
Letztendlich stehen bei neuen Geschäftsmodellen alle Life Cycle Phasen einer
Fertigung im Blickpunkt. Grundsätzlich können Geschäftsmodelle in die 4 Kategorien
von Wertschöpfungssteigerung eingeordnet werden.
Geschäfts- und Wertschöpfungsmodelle für:
a. Management-Prozesse
b. Operative Prozesse
als auch die Unterscheidung
1. Materielle Prozesse
2. Informationsprozesse
4. Sichtweisen und Prozess-Owner
Je nachdem, wer den Prozess treibt, können unterschiedliche Aspekte im
Vordergrund stehen. Prozess-Owner können Instandhalter, Betriebsleiter,
Fertigungs- und Werksplaner aber auch Controller sein. Steht beim Instandhalter die
Verfügbarkeit ganz oben auf der Prioritätenliste, so ist es beim Betriebsleiter KPI und
Produktivität und beim Planer Flexibilität. Neue Sichtweisen bringt auch das
Controlling mit sich. Big Data, Business Analytics für die Beurteilung von
Prozessvarianten, Produktvarianten und Systemvarianten. Der Mensch wird zum
Entscheider und Dirigenten in der Suche nach dem Optimum in der Fertigung von
morgen.
Fazit
Ist der neue Geschäftsmodell-Ansatz so vielversprechend und revolutionär, stellt sich
die Frage, ob er nicht gänzlich den bisherigen Ansatz ablöst. Also z.B. das nicht
mehr klassisch nur Waren geliefert, sondern nur noch Dienste bereitgestellt werden,
die Warenlieferungen einschließen. Ein rein technologiegetriebener Ansatz für neue
Geschäftsmodelle ist nicht vielversprechend und zielführend. Nur der in IT Systeme
implementierte Kundennutzen von Geschäftsprozessen macht neue
Geschäftsmodelle mit Industrie 4.0 und Internettechnologien erfolgreich. In der
Marketing-Kommunikation wird der Nutzen für den Kunden transparent. Der beste
Weg, neue Geschäftsmodelle zu implementieren, ist die Unternehmensarchitektur zu
modellieren (Enterprise Architecture Management), den Vorteil neuer Modelle auch
monetär abzuschätzen und die Chancen und Risiken zu bewerten.
Autor: Dipl.-Ing. Jörg Hoffmann, CEO Hoffmann Engineering GmbH
www.hoffmann-en.com