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Adventlicher Krisengipfel
1. 15. Dezember 2008, 01:07 Uhr
KRISENGIPFEL IM KANZLERAMT
Dax-Schwergewichte bieten für 2009 Verzicht auf Kündigungen an
Von Severin Weiland
Der Bundesrepublik droht die schwerste Rezession ihrer Geschichte - bei einem siebenstündigen Gipfel im Kanzleramt berieten Politiker,
Experten, Manager und Gewerkschafter über die Krise. Ein zentrales Ergebnis: Große Dax-Konzerne schlagen vor, 2009 auf betriebsbedingte
Kündigungen zu verzichten.
Berlin - Um kurz vor elf Uhr abends kommen Michael Glos und Peer Steinbrück ins Erdgeschoss des Kanzleramts. Fast sieben Stunden haben sie mit der
Kanzlerin und Spitzenvertretern aus Wissenschaft und Industrie, von Banken und Gewerkschaften im Kabinettssaal die Lage der Binnen - und
Weltwirtschaft analysiert. Beschlüsse sind nicht gefallen, so war es auch nicht vorgesehen: Es seien quot;kontroverse Meinungenquot; ausgetauscht worden,
sagt Glos. Nun müsse man sehen, wie man diese zueinanderbringe.
DPA
Konjunkturgipfel im Kanzleramt: Kontroverser Austausch der Meinungen
Ohne das Wort Konjunkturpaket in den Mund zu nehmen, fügt der Wirtschaftsminister von der CSU hinzu, man habe sich verabredet, Ende Januar zu
entscheiden, quot;was zusätzlich zu tun istquot;. Nun gehe es darum, Maßnahmen zu prüfen und seine Hausaufgaben zu machen.
32 Teilnehmer hatten in den Verhandlungen am Tisch gesessen. Dass die Standpunkte unterschiedlich ausfallen würden, war von vorneherein klar.
Eine Überlegung kann Bundesfinanzminister Steinbrück dann aber doch verkünden: In der Runde sei vorgeschlagen worden, im kommenden Jahr auf
betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten, sagt der SPD -Politiker. Stattdessen sollten verstärkt Kurzarbeitergeld und Qualifizierungsmaßnahmen der
Bundesagentur in Anspruch genommen werden.
Keine wertvollen Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit schicken
Der Vorschlag für eine solche Selbstverpflichtung der Wirtschaft, erfuhr SPIEGEL ONLINE anschließend, wurde von Vertretern von Dax -Konzernen
vorgetragen. Hintergrund der Überlegung: Angesichts der älter werdenden Gesellschaft und dem in Zukunft immer schlimmeren Fachkräftemangel in
Deutschland sollten Schlüsselunternehmen in der Krise qualifizierte Mitarbeiter halten, statt sie vorzeitig in die Arbeitslosigkeit zu schicken.
Eine weitere Botschaft des Abends: Nach dem Willen von Bundeskanzlerin Angela Merkel werden zwei Arbeitsgruppen aus den Ministerien Wirtschaft,
Finanzen, Arbeit und Soziales und der Bundesagentur für Arbeit ins Leben gerufen.
l Erstens soll geprüft werden, wie der Finanzverkehr zwischen den Banken wieder in Gang gebracht werden kann - derzeit herrscht großes
Misstrauen zwischen den Geldinstituten, und viele Unternehmen beklagen sich über schlechte Finanzierungskonditionen . Eine Kreditklemme
müsse vermieden werden, sagt Steinbrück.
l Zweitens sollen weitere Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt untersucht werden, damit es dort quot;so wenig Spuren gibt wie möglichquot;, so der
Bundesfinanzminister.
Steinbrück machte im Kanzleramt noch einmal deutlich, dass es bei der Koalitionsrunde am 5. Januar keine Entscheidungen geben wird. quot;Irgendwelche
Beschlüssequot; dürfe man quot;nicht erwartenquot;.
Seit Wochen macht die CSU Druck für Steuersenkungen und will an diesem Tag am liebsten konkrete Maßnahmen verabreden. Ist das nun das Aus für
die entsprechenden Forderungen von CSU -Chef Horst Seehofer? Auf die Frage nach den Steuersenkungen antwortet CSU-Wirtschaftsminister Glos,
man habe dazu in der Runde quot;nichts konkret verabredetquot;. Dann fügt er hinzu, er sei überzeugt, dass man sich quot;am Schluss auf einen Mix einigen wirdquot;.
Warten auf Obamas Amtseinführung
Immer deutlicher wird, dass die Bundesregierung nicht in Aktionismus verfallen will - sondern erst einmal die Entwicklung in den USA abwartet. Glos'
Ankündigung, erst Ende Januar zu entscheiden, was zusätzlich zu tun sei, weist genau in diese Richtung. Schließlich übernimmt am 20. Januar in den
USA Barack Obama das Amt des US-Präsidenten. Er dürfte anschließend ein gigantisches Konjunkturprogramm verkünden . Möglicherweise folgt dann
ein auch zweites deutsches Konjunkturprogramm.
Steinbrück sagt im Kanzleramt selbstbewusst, bei den anstehenden Maßnahmen müsse Deutschland nicht kopieren, was andere Staaten täten: quot;An
der einen oder anderen Stelle werden wir uns unterscheiden von dem, was andere Länder machen.quot; In der Runde sei festgehalten worden, dass Teile
der deutschen Volkswirtschaft noch sehr gut funktionierten. Man habe auf die stabilen Wechselkurse, die niedrige Inflationsrate, wieder sinkende
Energiepreise und Steigerungen bei den Renten hingewiesen - es gebe also einige Entwicklungen, die quot;nicht nur ins Tal führenquot;.
Die Kanzlerin kam nach dem Krisengipfel nicht mehr vor die Kameras. Sie hatte sich auch vorher schon keine definitive Aussage zu einem möglichen
zweiten Konjunkturprogramm entlocken lassen. Am Nachmittag, kurz vor Beginn der Runde, sagte Merkel in der Sky -Lobby des Kanzleramtes, man
2. werde im Januar beraten, quot;ob und welche weiteren Maßnahmen wir ergreifen müssenquot;. Was in Deutschland machbar sei, werde in Angriff genommen:
quot;Alles was wir im nächsten Jahr tun, sollte Deutschland stärken und kein Strohfeuer seinquot; , sagte die CDU-Chefin.
Steinmeier für kommunales Investitionsprogramm
Auch SPD-Spitzenkandidat Frank-Walter Steinmeier sagte vor dem Krisengipfel nichts Konkretes zu einem weiteren Konjunkturpaket. Er verkündete
stattdessen, was er so ähnlich schon einer Wochenendzeitung mitgeteilt hatte: quot;Wirtschaftlich liegt ein schwieriges Jahr 2009 vor uns.quot; Das müsse
man den Menschen sagen. Alle - Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften - müssten jetzt quot;kraftvoll, aber auch mit Köpfchen handelnquot;. 2009 dürfe nicht
das Jahr der Entlassungen werden, es gelte, die Menschen so lange wie möglich in den Betrieben zu halten. quot;Beschäftigung gibt es nach wie vor
genugquot;, sagte Steinmeier und nannte als Beispiele Investitionen in Schulen, Kindergärten und in andere kommunale Maßnahmen.
Merkels und Steinmeiers Aussagen sind als Anspielung darauf zu interpretieren, dass hinter den Kulissen durchaus Vorbereitungen für ein neues
Konjunkturpaket laufen. Nach übereinstimmenden Berichten vom Wochenende arbeitet die Bundesregierung insgeheim schon daran; das Programm
könnte 30 Milliarden Euro Umfang haben und unter anderem den Abbau der kalten Progression im Steuerrecht, Steuerschecks für sozial Schwache und
Infrastrukturmaßnahmen vorsehen.
Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg dementierte die Berichte zwar offiziell: quot;Es ist kein zweites Konjunkturpaket geplant, und es ist
auch noch keine Entscheidung gefallenquot;, sagte er SPIEGEL ONLINE am Samstag. Aber Merkel plant den Berichten zufolge tatsächlich, das Paket erst
nach Obamas Amtseinführung vorzustellen.
CSU will weiter Druck machen
Dass zumindest die CSU in ihrer Forderung nach raschen Steuersenkungen nicht nachgeben will, machte am Sonntag Seehofer klar. Er sagte kurz vor
Beginn des Berliner Krisengipfels auf einer Veranstaltung im bayerischen Tutzing, Steuersenkungen seien quot;bitter notwendigquot; und quot;zwingendst
gebotenquot;. Er werde seine Linie quot;ganz hart weiterverfolgenquot;, er sei da quot;wirklich Überzeugungstäterquot;. Als Antwort auf die Finanz - und Wirtschaftskrise sei
eine breite Stärkung der Nachfrage nötig, sprich: des Konsums. Außerdem müssten Investitionsanreize für Unternehmen geschaffen und der
Finanzmarkt angekurbelt werden.
Am kommenden Donnerstag will sich die Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder treffen, also auch mit Seehofer. Ziel: die Finanzierung
möglicher Infrastrukturmaßnahmen zu beraten. Dabei soll geprüft werden, welche Investitionen genau vorzuziehen sind.
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