Wie rekrutiert man Leute für Positionen, die es vorher nicht gab? Diese Frage erörtert Talent-Acquisition-Experte Angelo Ciaramella anhand eines Praxisbeispiels beim Online-Marktplatz ricardo.ch.
Beginners Guide to TikTok for Search - Rachel Pearson - We are Tilt __ Bright...
Talent Acquisition für Fortgeschrittene - HR Today 06.2017
1. 2.6.2017 Talent Acquisition für Fortgeschrittene | hrtoday.ch
http://hrtoday.ch/de/article/talentacquisitionfuerfortgeschrittene 1/5
DIGITALISIERUNG • RECRUITING
Talent Acquisition für Fortgeschrittene
Wie rekrutiert man Leute für Positionen, die es vorher nicht gab? Diese Frage erörtert Talent-Acquisition-Experte Angelo Ciaramella
anhand eines Praxisbeispiels beim Online-Marktplatz ricardo.ch.
In der Talent Economy muss wie in jedem anderen Markt wirtschaftlich gearbeitet werden. Das «Produkt» muss einen Abnehmer
힣�nden, sonst wird an der Sache vorbei akquiriert und verkauft. Dies ist eine Frage des Gebens und Nehmens sowie der Nachfrage und
des Angebots. Talent Economy richtig zu betreiben heisst, Talente, Skills, Vakanzen, Firmen- und Mitarbeiterziele in Einklang zu bringen
und dies möglichst so, dass Firmen und potenzielle Mitarbeitende zum richtigen Zeitpunkt von- und miteinander pro힣�tieren. Das
Verständnis, dass es keine klassischen Arbeitgeber/Arbeitnehmer-Konstrukte mehr gibt, sondern die Kollaboration auf Augenhöhe
entsteht, muss jedoch vorhanden sein. Wer Arbeit gibt und wer welche nimmt, ist nicht mehr klar unterscheidbar.
Im digitalen Umfeld der Entwickler, Programmierer oder Engineers hat die verkäuferische Direktansprache von Kandidaten (Active
Sourcing) in힣�ationär zugenommen, während sich die Responserate gleichzeitig verringert hat. Dennoch ist bekannt, dass auch diese
«Most Wanted» für neue Herausforderungen o힃�en sind. Studien sprechen von über 60 Prozent latent Stellensuchenden in diesen
Bereichen.
Neue Wege beschreiten
Die Frage, die mich in einem Praxisfall bei ricardo.ch beschäftigte, bestand darin, wie man diese Personen dazu bringt, ohne
Direktansprache aktiv zu werden. Meiner Erfahrung nach liegen die Hürden in der Kontaktaufnahme sowie in den aufwendigen
Bewerbungsprozessen. Deswegen kam uns die 1-Click-Bewerbung über Linkedin mehr als entgegen, denn somit konnten Kandidaten
von Angelo Ciaramella • 01.06.2017
b a k e
Wer Arbeit gibt und wer welche nimmt, ist nicht mehr klar unterscheidbar. (Bild: iStockphoto)
2. 2.6.2017 Talent Acquisition für Fortgeschrittene | hrtoday.ch
http://hrtoday.ch/de/article/talentacquisitionfuerfortgeschrittene 2/5
mit vorhandenem Pro힣�l ohne grossen Aufwand mit uns in Kontakt treten. Im Wissen, dass die gesuchten Personen online aktiv sind, lag
es für ricardo.ch nahe, Stellen auf Linkedin auszuschreiben mit dem expliziten Hinweis, sich mit einem Klick zu bewerben und damit
eine Interessensbekundung abzugeben, ohne ein Motivationsschreiben zu verfassen oder die gesamten Bewerbungsunterlagen zu
senden. Bei den Kandidaten legten wir mehr Wert auf deren Persönlichkeit und Engagement als auf ihre Erfahrungen und
Kompetenzen. Diese Vorgehensweise haben wir bei ricardo.ch im Business Development, im Online-Marketing sowie nach Möglichkeit
in der Entwicklung angewendet, um an eine breite und qualitativ hochwertige Auswahl von latent Stellensuchenden zu gelangen. Je nach
Funktion kamen so über hundert Bewerbungen von vermeintlich raren Fachkräften zustande.
Alle Bewerber wurden persönlich, konkret sowie zeitnah kontaktiert und über Absagegründe oder die nächsten Schritte informiert,
teilweise innerhalb einer Stunde nach Eingang der Bewerbung. Erste telefonische Interviews fanden wenige Tage nach der
Kontaktaufnahme mit der Linie statt, wobei wir bei den Erstgesprächen darauf achteten, uns gezielt, aber locker auszutauschen. Im
Mittelpunkt der Gespräche standen das gegenseitige Kennenlernen sowie die beidseitigen Vorstellungen über die Ausgestaltung des
Jobpro힣�ls.
Für Kandidaten, die auf die ausgeschriebene Position nicht ideal passten, jedoch mit ihren sehr guten und für das Business relevanten
Skills und ihrer Persönlichkeit überzeugten, schufen wir neue Positionen. Vor ihrem Stellenantritt erarbeiteten wir gemeinsam in groben
Zügen die neu gescha힃�enen Funktionen, regelten die vertraglichen Fragen und klärten Details zur Arbeitsgestaltung nach dem
Stellenantritt. Aus diesen Kooperationen entstanden beispielsweise eine auf E-Commerce ausgerichtete Customer-Relation-Funktion
mit übergreifender Projektverantwortung oder eine Geschäftsentwicklungsstelle. Um so weit zu kommen, waren jedoch beiderseits
O힃�enheit, Agilität und Risikobereitschaft gefragt.
Reduzierte Vermittlergebühren
Von den Kandidaten, denen wir absagten, erreichten uns unzählige positive Feedbacks zum Bewerbungsprozess und das
Einverständnis, ihr Pro힣�l in unserem Talentpool aufnehmen zu dürfen. Dank der Verlinkung über Linkedin, den aktuellen Pro힣�len im
Netz, der einfachen Kontaktaufnahme sowie der authentischen, raschen und agilen Herangehensweise konnten wir eine Umgebung
scha힃�en, in der frühere Kandidaten und ricardo.ch jederzeit gegenseitig aufeinander zugehen können, wenn neue Stellen gescha힃�en
werden.
Monetäre Einsparungen ergaben sich bei reduzierten Vermittlungsgebühren und dem Aufbau eines Talentpools mit rasch über tausend
Kandidatenpro힣�len und hinterlegter Kommunikationsgeschichte.
In eine ähnliche Richtung zielt die sogenannte «Gig Economy», die das Modell der eigenverantwortlichen Arbeitsteilung und Bezahlung
nach Auftrag umschreibt und momentan tendenziell negativ mit Uber-Fahrern als freie Mitarbeitende ohne soziale Absicherung in
Verbindung gebracht wird.
Im Gros sind jedoch damit freie Mitarbeitende gemeint, die gleichzeitig in mehreren Projekten respektive bei verschiedenen
Unternehmen tätig sind. Bekannt ist diese Form am ehesten aus der Agenturszene. Immer häu힣�ger kommt es aber auch bei IT-
Fachkräften zu individuellen und neuen kollaborativen Zusammenarbeitsformen. Viele dieser Fachkräfte sind zudem häu힣�g im Start-up-
Umfeld involviert oder an solchen Firmen beteiligt. Diese Menschen in einer Firma einzubinden, ihnen Teile von Software-Entwicklungen
anzuvertrauen oder sie diese parallel zum bestehenden Geschäft entwickeln zu lassen, sind exemplarische Beispiele der Gig Economy.
Mehrgleisige Karrierepläne werden demzufolge gemäss einer Studie von PWC und HR Today mit gleichzeitiger individueller
Jobausgestaltung künftig zu zusätzlichen Herausforderungen für das HR führen, und das in mehrfacher Hinsicht: Einerseits in der Frage
der Firmenkultur, denn wie scha힃�t man Zugehörigkeit bei gleichzeitig mehreren Anstellungsverhältnissen? Aber auch beim geistigen
Eigentum, Datenschutz und bei der Laufbahnentwicklung gibt es viele ungeklärte Fragen. Zudem fragt sich, welcher Arbeitgeber ein
Interesse daran hat, in die Weiterbildung eines Gig-Economy-Mitarbeitenden zu investieren, wenn zwei andere Auftraggeber dies
ebenfalls nicht tun?
Einkaufen statt rekrutieren
Die marktwirtschaftliche Not der Unternehmen, der Mindset im Sinne des Generationenwechsels, die Werteverschiebungen und die
digitale Globalisierung sind Treiber auf dem Arbeitsmarkt. Gerade die Personalgewinnung bedarf einer starken Überholung. Talent
Acquisition muss mit der Unternehmenskommunikation und dem internen sowie externen Talent Management interagieren, um den
neuen Arbeitsformen und den Erwartungen an das Unternehmen und Marktverhältnissen gerecht zu werden. Die benötigten
Ressourcen einkaufen statt rekrutieren ist das künftige Verständnis von Talent Acquisition.
Text: Angelo Ciaramella
KOMMENTIEREN 0 KOMMENTARE
b a k e
3. 2.6.2017 Talent Acquisition für Fortgeschrittene | hrtoday.ch
http://hrtoday.ch/de/article/talentacquisitionfuerfortgeschrittene 3/5
Angelo Ciaramella ist bei Ciaramella & Partner als Geschäftsführer und Berater tätig. Als Agentur mit
Standorten in Zürich und Frankfurt widmet sich das Unternehmen der ganzheitlichen Transformation und
Optimierung vom Recruiting zur Talent Acquisition in der digitalen Ära.
Weitere Artikel von Angelo Ciaramella
DAS KÖNNTE SIE AUCH INTERESSIEREN
HR-Marketing: Chancen der Di៛�erenzierung
Die Erkenntnisse der Studie «Job-Cloud Market Insights» zeigen, dass sich viele
Stellensuchende individuelle Zeitsouveränität und «neue» Arbeitszeitmodelle
wünschen, während Unternehmen nach wie vor überwiegend...
«Gute Leute ziehen gute Leute an»
Yves Schneuwly stiess am 1. Dezember 2016 als Country Manager Schweiz &
Österreich zur E-Recruiting-Sparte im B2B-Geschäft von Xing. Sechs Monate später
verantwortet er als Länderchef von Xing Schweiz neu auch das B2C-...
Chatbots und HR – passt das zusammen?
Chatbots sind das Thema der Stunde: Fast jedes Grossunternehmen hat 2016 eine
Chatbot-Revolution angekündigt. Während diese im E-Commerce und in Hightech-
Unternehmen bereits Einzug gehalten haben, hinkt das HR noch hinterher...
Mit Bewerbern chatten
Während andere noch davon reden, nutzt der Online-Retailer Siroop seit Ende 2016
einen Chatbot im Rekrutierungsprozess. HR-Leiterin Judith Oldekop und die
Projektverantwortliche Yeshi Ngingthatshang ziehen eine positive Zwischenbilanz.
«Algorithmen entlasten das HR»
Künstliche Intelligenz wird die HR-Arbeit massiv verändern. Doch in welchem
Ausmass? Darüber haben wir mit der Innovations- und Trendexpertin Karin Vey
gesprochen, die im Think-Lab der IBM-Forschung in Rüschlikon tätig ist.