1. ZENTRUM
Tageblatt
30 Donnerstag, 18. April 2013 • Nr. 91
Serie: Wenn Menschen ihre Heimat verlassen (Teil 2)
Bleibende Verbundenheit mit Luxemburg
Marcia Gardini hat Verständnis für die Nostalgie ihres Ehemannes Fausto und seine unermüdlichen Recherchen nach den eigenen Wurzeln
Claude Wolf (Text), mer. „Dieses Foto (das Ursprung- ciété internationale des télécom- formationen ausgebaut und ver- ihm in die Vereinigten Staaten
Martine May (Foto) shaus der Pâtisserie Namur im munications aéronautiques“, wo netzt. folgten. „Storms over Luxem-
amerikanischen Sacramento) ha- er maßgeblich an der Vermark- Dazu kamen unzählige Anek- bourg“ handelt vom Ersten Welt-
Berufliche Wahl, wirtschaftli- be ich ausfindig gemacht“, sagt er tung des elektronischen Ticke- doten. Einzelheiten und Bilddo- krieg. Unter dem Titel „Luxem-
„
che Zwänge, politischer Druck, mit Verweis auf das Foto hinter tings beteiligt war. kumente, die Gardini über die bourg on my mind“ schließlich
Rassengesetze. Immer wieder dem Ausschank. Bereits nach zwei Jahren be- Luxemburger in Amerika zusam- hat Gardini die Beiträge veröf-
haben die Menschen hierzulan- kam er ein neues Angebot: Im mengetragen hat. Mehr als fentlicht, die er ab 1995 für die
de die Heimat verlassen, um Auftrag seiner Firma reiste der 50.000 Luxem- verschiedenen
anderswo ihr Glück zu suchen. Die Wurzeln Luxemburger – mit 25 Jahren burger Einwan- luxemburgisch-
Was die einen aus freien Stü-
cken taten, mussten andere der Luxemburger konnte der gebürtige Italiener
aus der Emilia Romagna die er-
derer hat er auf-
gelistet. Er Ich möchte die amerikanischen
Kultur- und
unter Zwang unternehmen.
Gleich dreimal hatte das Damit sind wir gleich beim The-
sehnte luxemburgische Staatsan-
gehörigkeit annehmen: „Ich hat-
kennt ihre Be-
weggründe, ihre
alte und die neue Freundeskreise
geschrieben
Tageblatt in der vergangenen
Woche die Gelegenheit, sich
ma, das den luxemburgischen Te-
lekommunikationsspezialisten
te damals zwar schon weitaus
mehr als die 15 vorgeschriebenen
Nachfahren, ih-
re luxemburgi-
Welt miteinander hat.
Immer wieder
mit unterschiedlichen Facetten mit italienischen Wurzeln heute Residenzjahre im Land, aber man sche Verwandt- verknüpfen versucht der
der Auswanderung zu befas- beschäftigt: Er erforscht einge- musste mindestens 25 Jahre alt schaft, ihre Ver- Differdinger die
sen. Der heutige Gast, Fausto hend das Schicksal der Luxem- sein“ – ins amerikanische Atlan- netzungen. Zu- Fausto Gardini alte und neue
Gardini, ist aus freien Stücken burger in Amerika. Fausto Gardi- ta. Von dort aus bereiste er 16 sätzlich hat er Welt zu verbin-
von Luxemburg nach Amerika ni ist der große Spezialist der lu- Jahre lang die ganze Welt, um das auch Bilddoku- den. Er erzählt
ausgewandert. Es war sein Be- xemburgisch-amerikanischen Fa- System der elektronischen Flugti- mente wie die den Amerika-
ruf, der ihn von Differdingen milienforschung geworden. Für cket-Erfassung zu verkaufen. 98 erste Begegnung zwischen Präsi- nern die Geschichte Luxem-
über Paris bis nach Atlanta die Luxemburger, die in die USA Länder hat er bereist. „Ich muss dent Roosevelt und Großherzo- burgs, porträtiert berühmte Ame-
verschlug. reisen, um über ausgewanderte schauen, welche mir noch fehlen, gin Charlotte oder die „Na- rikaner mit Luxemburger Wur-
Familienmitglieder nachzufor- um auf die schöne, runde Zahl mur“-Niederlassung in Sacra- zeln und erinnert an die typi-
LUXEMBURG - Auf den ersten schen oder deren Nachkommen von hundert zu kommen“, grinst mento. schen Luxemburger Feste.
Blick ist Fausto Gardinis Lebens- zu besuchen, ist er ein bevorzug- er und schlägt eine Stippvisite in Diese Nachforschungen bilden Mittlerweile interessieren sich
lauf eher untypisch. Sieben Jahre ter Ansprechpartner und ein Liechtenstein oder vielleicht An- die Grundlage der umfangrei- immer mehr Luxemburger für
„
war er alt, als er Italien verließ fachkundiger Reiseführer. Ge- dorra vor. Beide Länder haben chen Datenbank der 2004 ge- Gardinis Arbeit. Seit einem Jahr
und mit Mutter und Schwester nauso berät er die Amerikaner, keine Fluggesellschaft – und hat- gründeten „Luxembourg Ameri- ist der in Jacksonville (Florida)
dem Vater nach Differdingen die sich ansehen wollen, wo ihre ten demnach kaum eine Chance, can Cultural Society“. Die in Bel- lebende Differdinger Korrespon-
folgte. Von Auf- Vorfahren her- vom Spezialisten angesprochen gium (Wisconsin) angesiedelte dent der Sprachensektion des
nahmeklassen kommen. Der zu werden. Gesellschaft hat sich die Erhal- „Institut grand-ducal“. Er ist
und Übergangs-
programmen Ich hatte es satt, amerikanische
Friedhof in
tung der (luxemburgischen) Wur- ebenfalls Mitglied des Verwal-
zeln und der Erforschung der tungsrates der „Luxembourg
war in den 50er- immer wieder Hamm, die Vom Techniker (amerikanischen) Blätter der American Cultural Society“. In
Jahren noch
nicht die Rede. aufs Neue erklären
Schauplätze der
Ardennen- zum Historiker Auswanderer auf die Fahne ge- dieser Eigenschaft ist er in die
schrieben. Seit 2010 ist das Do- Vorbereitungen für das alljährli-
Die beiden schlacht und kumentationszentrum mit ange- che Sommerfest am zweiten Au-
Kinder wurden zu müssen, dass die Luxembur- 2001 kehrte Fausto Gardini sei- bundenem Museum in der reno- gustwochenende eingebunden.
kurzerhand ins
kalte Wasser ge- Luxemburg nicht ger Burgen sind
feste Pro-
ner Gesellschaft den Rücken,
machte sich als Berater selbst-
vierten ehemaligen Mamer-Han- Die Feiern stehen dieses Jahr im
sen-Steinscheune aus dem Jahr doppelten Zeichen des 1.050. Be-
schmissen und
mussten sich im 'Germany' ist grammteile. An
den freien Ta-
ständig und sein Hobby, die Ah-
nenforschung, zum Beruf. Was
1872 untergebracht und wird stehens der Stadt Luxemburg
vom luxemburgischen Kulturmi- und des 125. Geburtstages der
luxemburgi-
schen Schulsys-
Fausto Gardini gen erkunden
die Amerikaner
als praktische Informationsquel-
le begann, ist in der Tat heute ei-
nisterium unterstützt. „Luxembourg Brotherhood“ of
America“.
tem zurechtfin- den Geburtsort ne wahre Leidenschaft gewor- Bis dahin hat Fausto Gardini
den. ihrer Vorfahren den. Die Geschichte auch ein weiteres Buch fertigge-
„Meine Schwester absolvierte und treffen ihre luxemburgischen
die sechs Primärschuljahre in Verwandten.
„Ich war es satt, immer wieder
erklären zu müssen, dass Luxem- niederschreiben stellt: Er arbeitet zurzeit an der
Übersetzung des Aufzeichnun-
drei Jahren, ich jedoch musste je- Eigentlich hatte nichts auf burg nicht 'Germany' ist, sondern gen von Rosch Krieps über die
des Jahr einzeln machen“, Fausto Gardinis heutige Leiden- ein eigener, unabhängiger Staat.“ Aus Gardinis Dokumenten sind „Lëtzebuerger an Amerika“. Bei
schmunzelt der weißhaarige Herr schaft hingedeutet. Er wuchs in Deshalb war es für den Compu- mittlerweile mehrere Bücher ent- der gleichen Gelegenheit wird
beim gemeinsamen Kaffeetrin- Differdingen auf, besuchte das ter-Fachmann selbstverständlich, standen. „The American Aunt“ ein Dokumentarfilm über die Lu-
ken bei „Namur“. „Jongelycée“ in Esch/Alzette und bereits 1995 eine Luxemburg- erzählt das Schicksal von 120 Lu- xemburger Emigration gezeigt.
Die angesagten Luxemburger fand 1970 eine Anstellung bei der Homepage einzurichten und so xemburgerinnen, die nach dem Angedacht ist auch die Überset-
Adressen kennt er auch nach 30- Luxair. Zwölf Jahre später ver- über seine Heimat zu informie- Ersten Weltkrieg einen amerika- zung der „Kalennerblieder“ von
jähriger Abwesenheit noch im- schlug es ihn nach Paris zur „So- ren. Mit der Zeit wurden die In- nischen Soldaten heirateten und Evy Friedrich.