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CORPORATE FINANCE biz 2/2010100
BEWERTUNG » Aktien
Varianten des Aktienbezugsrechts
Ÿ Erweitertes, paralleles und gekreuztes Bezugsrecht: Ökonomische und juristische
Grundlagen sowie Bewertung Ÿ
von Dr. Dietmar Schieber | Dr.Thilo Schweizer
I. Einführung
Die Hauptversammlung der Volkswagen AG beschloss am
03.12.2009 die Schaffung eines neuen Genehmigten Kapi-
tals. Demnach wird der Vorstand ermächtigt, bis zum
02.12.2014 das Grundkapital mit Zustimmung des Aufsichts-
rats durch Ausgabe neuer stimmrechtsloser Vorzugsaktien
einmalig oder mehrmals um insgesamt bis zu
345.600.000,- ¥ (dies entspricht 135 Mio. stimmrechtsloser
Vorzugsaktien) zu erhöhen, wobei den Aktionären ein Be-
zugsrecht einzuräumen ist1
.
Dieser Beschluss ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert.
Zum einen waren zum Zeitpunkt der Beschlussfassung so-
wohl Stamm- als auch Vorzugsaktien der Volkswagen AG
börsennotiert. Das neu beschlossene genehmigte Kapital be-
inhaltet jedoch ausschlieûlich stimmrechtslose Vorzugs-
aktien. Zum anderen wurde allen Aktionären und damit so-
wohl den Vorzugs- als auch den Stammaktionären ein Be-
zugsrecht auf die neuen Vorzugsaktien gewährt.
Die Bewertung eines Bezugsrechts erfolgt üblicherweise auf
der Grundlage eines Modells, das den Zusammenhang zwi-
schen dem Kurs der alten Aktie, dem Bezugspreis einer neu-
en Aktie und dem Bezugsverhältnis beschreibt und das zum
gesicherten Bestand betriebswirtschaftlichen Elementarwis-
sens gerechnet wird2
. Der Anwendungsbereich des Modells
ist jedoch insoweit eingeschränkt, als es sich lediglich auf
eine bestimmte Aktiengattung bezieht. Hat eine Gesellschaft
neben Stamm- auch Vorzugsaktien emittiert, sind Konstella-
tionen denkbar, in denen die bekannte Bezugsrechtsformel
nicht mehr oder nur modifiziert angewendet werden kann.
Als Grundlage für die verschiedenen denkbaren Modifikatio-
nen wird im Folgenden zunächst die klassische Bezugsrechts-
formel hergeleitet. Sodann werden die verschiedenen Erwei-
terungen vorgenommen, wobei die Ergebnisse jeweils anhand
eines Zahlenbeispiels veranschaulicht werden. Darüber hi-
naus wird auf die aktienrechtlichen Grundlagen eingegangen.
II. Einfaches Bezugsrecht
Bei Kapitalerhöhungen gegen Bareinlage ist den Aktionären
der emittierenden Gesellschaft grundsätzlich ein Bezugs-
recht zu gewähren. Durch das Bezugsrecht werden die Alt-
aktionäre vor einer Verwässerung ihrer Vermögensposition
geschützt, die daraus resultiert, dass die neuen Aktien übli-
cherweise mit einem Abschlag auf den aktuellen Börsenkurs
ausgegeben werden. Ein Ausschluss des Bezugsrechts ist
daher nur unter eng definierten Voraussetzungen zulässig3
.
Bei einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrecht wird das Bezugs-
recht am Vorabend des ersten Tages der Bezugsfrist von den
alten Aktien getrennt und kann danach separat börsenmäûig
gehandelt werden. Voraussetzung für ein börsenmäûig han-
delbares Bezugsrecht ist in Deutschland die Veröffent-
lichung eines von der Bundesanstalt für Finanzdienstleis-
tungsaufsicht (BaFin) zu billigenden Wertpapierprospekts,
da der Bezugsrechtshandel zu einem öffentlichen Angebot
der neu auszugebenden Aktien führt. Wird das Bezugsrecht
nicht gehandelt, liegt dagegen nach Auffassung der BaFin
kein öffentliches Angebot vor4
.
Unabhängig davon, ob die Bezugsrechte börsenmäûig
gehandelt werden oder nicht, notiert die alte Aktie am
ersten Tag der Bezugsfrist ¹ex Bezugsrechtª. Unter den
Voraussetzungen eines vollkommenen Kapitalmarktes, also
insbesondere bei Fehlen von Transaktionskosten, von
Marktzugangsbeschränkungen und bei allgemeiner Verfüg-
barkeit aller vorhandenen Informationen, müssen äquivalen-
te Positionen gleiche Preise aufweisen5
. Somit gilt für den
Zusammenhang zwischen dem Kurs der alten Aktie mit
Bezugsrecht (¹cumª) und dem Kurs der alten Aktie ex
Bezugsrecht:
Dabei ist zu beachten, dass Stcum und Stex nicht gleichzeitig
beobachtet werden können. Insofern handelt es sich bei (1)
um keine echte Arbitragefreiheitsbedingung.
Eine bestimmte Anzahl von Bezugsrechten m berechtigt zum
Bezug von n neuen Aktien. Es gilt somit das Bezugsverhält-
nis . Über den Erwerb von Bezugsrechten und die Ent-
richtung des Bezugspreises kann eine neue Aktie erworben
werden. Der Wert dieser Position muss daher im Markt-
gleichgewicht dem Kurs der alten Aktie ex Bezugsrecht ent-
sprechen.
Aufgelöst nach B ergibt sich:
1 Vgl. Hauptversammlungseinladung der Volkswagen Aktiengesellschaft,
elektronischer Bundesanzeiger 16.10.2009.
2 Vgl. Hax, ZfbF 1971 S.157; Krümmel, BFuP 1964 S. 485.
3 Vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 186 Rdn. 20ff.; Nippel/Schweizer, WiSt
1996 S. 531.
4 Dieser Auffassung hat sich bisher nur die österreichische Regulierungs-
behörde angeschlossen. Die übrigen Finanzmarktaufsichtsbehörden in
der EU qualifizieren ein Bezugsangebot unabhängig von einem Bezugs-
rechtshandel stets als öffentliches Angebot. Vgl. Committee of European
Securities Regulators (CESR), Frequently asked questions regarding Pro-
spectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10. Aufl. 2009,
S. 42 f.
5 Vgl. Hax/Hartmann-Wendels/v. Hinten, in: Christians (Hrsg.), Finanzie-
rungshandbuch, 2. Aufl. 1980, S. 699.
CORPORATE FINANCE biz 2/2010 101
Die Gleichung spiegelt den rechnerischen Wert des Bezugs-
rechts ex post, d.h. nach Abtrennung des Bezugsrechts von
der Aktie wider. Die Wertverhältnisse vor Abtrennung des
Bezugsrechts erhält man durch Einsetzen von (2) in (1) und
Auflösen nach B. Dies führt zu der bekannten Bezugsrechts-
formel, anhand derer sich ex ante, d.h. vor Beginn der Kapi-
talerhöhung, der rechnerische Wert des Bezugsrechts ermit-
teln lässt:
Die Symbole werden wie folgt definiert:
B ± Marktpreis für ein Bezugsrecht
Stcum ± Kurs der alten Stammaktie vor Beginn der Bezugsfrist
Stex ± Kurs der alten Aktie nach Beginn der Bezugsfrist
BP ± Bezugspreis für eine neue Aktie
m ± Anzahl der umlaufenden alten Aktien ohne eigene Aktien
n ± Anzahl der neuen Aktien
Durch Einsetzen von B und Stcum in (1) lässt sich auûerdem
ex ante der theoretische Wert der alten Aktien ex Bezugs-
recht ermitteln, der häufig auch als TERP (Theoretical Ex
Rights Price) bezeichnet wird.
Der rechnerische Wert des Bezugsrechts ist positiv, wenn
der Bezugspreis niedriger ist als der Kurs der alten Aktie an
der Börse. Sinkt der Börsenkurs unter den Bezugspreis wird
der Wert des Bezugsrechts rechnerisch negativ. Zugleich
wird das Bezugsangebot für die Aktionäre unattraktiv, da sie
die Aktien im Börsenhandel billiger erwerben können. Da
das Bezugsrecht ein Recht aber keine Pflicht zum Erwerb
von Aktien darstellt, kann es als Kaufoption aufgefasst wer-
den, deren wirtschaftlicher Wert im Gegensatz zum rechneri-
schen Wert des Bezugsrechts nicht negativ sein kann6
. Der
rechnerische Wert stellt nur dann eine gute Annäherung an
den wirtschaftlichen Wert der Bezugsoption dar, wenn diese
im Geld notiert. Da die Laufzeit der Option in der Regel zwei
Wochen nicht übersteigt, kann der Zeitwert vernachlässigt
werden. Der Optionswert bestimmt sich allein nach dem in-
neren Wert.
Ohne eine flankierende Übernahmeverpflichtung durch
einen alten oder neuen Groûaktionär würde die Durch-
führung der Kapitalerhöhung bei einem rechnerisch
negativen Wert des Bezugsrechts scheitern. Eine solche
Konstellation ist insbesondere in Sanierungsfällen häufig
anzutreffen. Sie ist in aktienrechtlicher Hinsicht insoweit
problematisch, als ein den Börsenkurs übersteigender
Bezugspreis als faktischer Bezugsrechtsausschluss gewertet
werden könnte7
. Die Situation verschärft sich, wenn die
Aktien unterhalb ihres geringsten Ausgabebetrags gem. § 9
Abs. 1 AktG notieren. Da der gesetzlich vorgeschriebene
geringste Ausgabebetrag die absolute Untergrenze für den
Bezugspreis darstellt8
, ergibt sich ohne eine weitere
begleitende Kapitalherabsetzung vor Kapitalerhöhung zwin-
gend ein rechnerisch negativer Wert des Bezugsrechts. In
diesem Fall kann die Festlegung des Bezugspreises
oberhalb des Börsenpreises rechtlich nur damit begründet
werden, dass der innere Wert der Aktie, d.h. in der Praxis
der gutachterlich festgelegte Wert gemäû IDW S 19
, über
dem Bezugspreis liegt oder aufgrund drohender Insolvenz
eine Kapitalherabsetzung mit folgender Kapitalerhöhung
zeitlich10
nicht umsetzbar erscheint. Darüber hinaus kann es
vorkommen, dass die Verluste in Konzerngesellschaften und
nicht in der Aktiengesellschaft selbst angefallen sind und
die Beteiligungswerte im Jahresabschluss des abgelaufenen
Geschäftsjahres noch nicht abgeschrieben wurden. Somit
ist eine Kapitalherabsetzung in vereinfachter Form gem.
§§ 229 ff. AktG bis zur Feststellung des Abschlusses für das
laufende Geschäftsjahr nicht möglich. Eine ordentliche
Kapitalherabsetzung gem. §§ 222 ff. AktG ist wiederum
aufgrund der sechsmonatigen Wartezeit und dem Recht der
Gläubiger, Sicherheitsleistung zu verlangen, in Sanierungs-
fällen denkbar ungeeignet. Auch in diesem Fall ist somit ein
Bezugspreis oberhalb des Börsenpreises aktienrechtlich zu
rechtfertigen.
Ein Zahlenbeispiel: Die A AG bietet ihren Aktionären neue
Aktien im Verhältnis 4:1 zum Bezug an, d.h. vier alte Altien
berechtigen zum Bezug einer neuen Aktie zum Bezugspreis
von 30,60 ¥. Der Kurs der alten Aktie vor Beginn der Bezugs-
frist beläuft sich auf 43,70 ¥. Für den rechnerischen Wert
des Bezugsrechts gilt damit gemäû (4):
6 Vgl. Meincke/Nippel, Kredit und Kapital 2009 S. 353.
7 Vgl. Seibt/Voigt, AG 2009 S. 138; Herfs, in Habersack/Mülbert/Schlitt
(Hrsg.): Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt 2008, § 4 Rdn. 38;
Veil, in Schmidt/Lutter (Hrsg): Aktiengesetz 2008, § 186 Rdn. 14.
8 In der Praxis wird oftmals auf den Wert gem. § 9 AktG zuzüglich der
Emissionskosten als Untergrenze für den Bezugspreis abgestellt.
9 Vgl. Seibt/Voigt, a.a.O. (Fn. 7), S. 138.
10 Die Einberufungsfrist der Hauptversammlung beträgt einschlieûlich Vor-
laufzeit rund sechs Wochen. Werden Widersprüche zur Niederschrift er-
klärt, wird der Hauptversammlungsbeschluss i.d.R. nicht in das Handels-
register eingetragen bis die Anfechtungsfrist von einem Monat abgelau-
fen ist. Wird Klage erhoben, kann das Freigabeverfahren gem. § 246a
AktG drei bis sechs Monate in Anspruch nehmen.
BEWERTUNG » Aktien
Hat eine Gesellschaft neben
Stamm- auch Vorzugsaktien
emittiert, kann die Bezugsrechts-
formel in bestimmten Fällen nicht
mehr oder nur modifiziert ange-
wendet werden.
» AUTOREN Dr. Dietmar Schieber | Dr.Thilo Schweizer
Dr. Dietmar Schieber, Studium der Betriebswirtschaftslehre an den
Universitäten in Erlangen-Nürnberg und Athens, Georgia, USA. 1997
bis 2000 Referent beim Deutschen Aktieninstitut e.V. Seit 2001 Mit-
arbeiter im Bereich Equity Capital Markets der Commerzbank AG.
Dr. Thilo Schweizer, Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Uni-
versität zu Köln. 1996 bis 2000 Vorstandsassistent und Projektleiter
Corporate Finance bei der Stadtsparkasse Köln. Seit 2001 Mitarbeiter
im Bereich Equity Capital Markets der Commerzbank AG.
CORPORATE FINANCE biz 2/2010102
Nach Beginn der Bezugsfrist werden alte Aktie und Bezugs-
recht separat gehandelt. Im Marktgleichgewicht muss Glei-
chung (2) gelten und somit ceteris paribus:
Ist Stex > 30,60 + B ” 4, so kann ein Kapitalanleger einen si-
cheren Arbitragegewinn erzielen, indem er die zum Erwerb
einer neuen Aktie erforderlichen vier Bezugsrechte erwirbt,
die neue Aktie gegen Zahlung des Bezugspreises von 30,60 ¥
bezieht und parallel eine alte Aktie (leer) verkauft11
. Im um-
gekehrten Fall, Stex < 30,60 + B ” 4, werden Inhaber von Be-
zugsrechten keine neuen Aktien beziehen, sondern stattdes-
sen Bezugsrechte verkaufen und alte Aktien über die Börse
erwerben.
III. Paralleles Bezugsrecht
Hat eine Gesellschaft sowohl Stamm- als auch Vorzugsaktien
ausgegeben, wird bei einer Kapitalerhöhung gegen Bareinla-
gen mit Bezugsrecht üblicherweise sowohl das Stamm- als
auch das Vorzugsaktienkapital erhöht. Grundsätzlich haben
dabei die Inhaber jeder Aktiengattung nicht nur ein Bezugs-
recht auf die neuen Aktien der eigenen, sondern auch auf je-
ne der jeweils anderen Gattung12
. Vorzugsaktionäre könnten
somit nicht nur neue Vorzugs- sondern auch neue Stamm-
aktien beziehen. Um die Stimmrechtsverhältnisse nicht zu
beeinflussen, wird dieses gekreuzte Bezugsrecht im Regelfall
durch Beschluss der Hauptversammlung ausgeschlossen.
Voraussetzung ist, dass das Bezugsverhältnis für beide Gat-
tungen identisch ist13
. Erfolgt die Kapitalerhöhung auf der
Grundlage eines genehmigten Kapitals, kann der Vorstand
von der Hauptversammlung auch zu einem entsprechenden
Ausschluss des gekreuzten Bezugsrechts ermächtigt wer-
den. Im Ergebnis kommt es zu einem parallelen Bezugsrecht,
bei dem neue Stamm- und Vorzugsaktien im jeweils gleichen
Verhältnis ausgegeben werden. So konnte bei der Kapital-
erhöhung der Biotest AG im Jahr 2005 auf jeweils sechs alte
Stammaktien eine neue Stammaktie und auf sechs alte Vor-
zugsaktien eine neue Vorzugsaktie bezogen werden. Das Be-
zugsrecht der Stammaktionäre zum Bezug von Vorzugs-
aktien und das Bezugsrecht der Vorzugsaktionäre zum Be-
zug von Stammaktien wurde ausgeschlossen14
.
Im Falle des parallelen Bezugsrechts gelten die Marktgleich-
gewichtsbedingungen (1) bis (3) für jede Gattung auf der
Grundlage der jeweiligen Parameter separat und unabhängig
voneinander. Der rechnerische Wert des Bezugsrechts auf
neue Stammaktien und jener auf neue Vorzugsaktien kann
anhand von Gleichung (4) ermittelt werden.
Ein Zahlenbeispiel: Die B AG bietet ihren Aktionären neue
Stamm- und neue Vorzugsaktien jeweils im Verhältnis 6:1
an. Der Bezugspreis der neuen Stammaktien beläuft sich auf
22,50 ¥, jener der neuen Vorzugsaktien auf 18,50 ¥. Die
alten Stammaktien notieren vor Beginn der Bezugsfrist mit
28,00 ¥ und die Vorzugsaktien mit 23,50 ¥. Für die rechneri-
schen Werte der Bezugsrechte gilt mithin
Mit Beginn der Bezugsfrist gilt wiederum gemäû (2):
Dabei ist:
BS ± Marktpreis für ein Bezugsrecht auf eine Stammaktie
BV ± Marktpreis für ein Bezugsrecht auf eine Vorzugsaktie
Stex ± Kurs der alten Stammaktie nach Beginn der Bezugs-
frist
Vzex ± Kurs der alten Vorzugsaktie nach Beginn der Bezugs-
frist
IV. Erweitertes Bezugsrecht
Das erweiterte Bezugsrecht ist ebenfalls dadurch gekenn-
zeichnet, dass ein Unternehmen in der Vergangenheit so-
wohl Stamm- als auch Vorzugsaktien emittiert hat. Die Kapi-
talerhöhung erstreckt sich nun jedoch nur auf Stammaktien
oder nur auf Vorzugsaktien. Nachdem das ursprüngliche
Motiv für die Ausgabe von Vorzugsaktien üblicherweise da-
rin bestanden hatte, die Stimmrechtsverhältnisse in einer
Gesellschaft zu konservieren, werden nun im Regelfall aus-
schlieûlich neue Vorzugsaktien begeben. Diese Konstellation
wird auch bei der noch durchzuführenden Kapitalerhöhung
der Volkswagen AG vorliegen.
In aktienrechtlicher Hinsicht ist dabei zu beachten, dass
gem. § 139 Abs.2 AktG Vorzugsaktien ohne Stimmrecht nur
bis zur Hälfte des Grundkapitals ausgegeben werden dürfen.
Die Zahl der Vorzugsaktien darf also im Anschluss an die Ka-
pitalerhöhung nicht höher sein als die Zahl der Stammaktien.
Soweit die Ausgabe auf der Grundlage eines genehmigten
Kapitals erfolgt, ist des Weiteren § 202 Abs. 3 AktG einzuhal-
ten, wonach der Nennbetrag des genehmigten Kapitals die
Hälfte des Grundkapitals nicht übersteigen darf.
Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über das Genehmigte
Kapital durch die Auûerordentliche Hauptversammlung der
Volkswagen AG am 03.12.2009 betrug das Grundkapital
1.024,4 Mio. ¥ und war in 294,9 Mio. Stammaktien und
105,2 Mio. Vorzugsaktien eingeteilt. Das genehmigte Kapital
konnte sich daher auf maximal 189,7 Mio. Vorzugsaktien er-
strecken. Tatsächlich belief sich der Ermächtigungsrahmen
auf lediglich 135 Mio. Aktien.
Im Hinblick auf die Beschlussfassung selbst war zu beach-
ten, dass gem. § 141 Abs. 2 AktG ein Beschluss über die Aus-
gabe von Vorzugsaktien, die bei der Verteilung des Gewinns
oder des Gesellschaftsvermögens den Vorzugsaktien ohne
Stimmrecht vorgehen oder gleichstehen, grundsätzlich der
Zustimmung der Vorzugsaktionäre bedarf. Der Zustimmung
bedarf es allerdings dann nicht, wenn die Ausgabe bei Ein-
11 Vgl. Hax/Hartmann-Wendels/v.Hinten, a.a.O. (Fn. 4), S. 701.
12 Vgl. Hüffer, a.a.O. (Fn. 3), § 186 Rdn. 4.
13 Vgl. Hüffer, a.a.O. (Fn. 3), § 186 Rdn. 30.
14 Vgl. Prospekt der Biotest AG vom 10.10.2005 S. 28.
BEWERTUNG » Aktien
CORPORATE FINANCE biz 2/2010 103
räumung des Vorzugs oder, falls das Stimmrecht später aus-
geschlossen wurde, bei der Ausschlieûung ausdrücklich vor-
behalten worden war und das Bezugsrecht der Vorzugsaktio-
näre nicht ausgeschlossen wird. Nachdem in § 4 Abs. 2 der
Satzung der Volkswagen AG vom September 2009 ausdrück-
lich auf die Regelung in § 141 Abs. 2 Satz 2 AktG Bezug ge-
nommen und die Ausgabe neuer Aktien vorbehalten worden
war und auûerdem den Vorzugsaktionären ein Bezugsrecht
gewährt wurde, war deren Zustimmung zu dem genehmig-
ten Kapital nicht erforderlich. Die Beschlussfassung oblag al-
lein den stimmberechtigten Stammaktionären. Die Situation
unterschied sich insoweit von jener anlässlich der Ordentli-
chen Hauptversammlung vom 23.04.2009. Seinerzeit sollte
auch eine Ermächtigung zum Ausschluss des Bezugsrechts
geschaffen werden. Hierzu wäre eine Zustimmung der Vor-
zugsaktionäre erforderlich gewesen, die jedoch seinerzeit
versagt wurde.
Für die Bewertung des Bezugsrechts ist zunächst entschei-
dend, dass jedem Aktionär, egal ob Stamm- oder Vorzugs-
aktionär, ein Bezugsrecht eingeräumt wird. Von jeder Aktie
wird somit zu Beginn der Bezugsfrist ein Bezugsrecht abge-
spalten. Analog dem Fall Volkswagen sei angenommen, dass
ausschlieûlich neue Vorzugsaktien ausgegeben werden. Da-
mit muss gelten:
Da ausschlieûlich neue Vorzugsaktien emittiert werden,
kann die Marktgleichgewichtsbedingung (2) nur im Hinblick
auf die Vorzugsaktien gelten. Eine Arbitrage im Hinblick auf
die Stammaktien ist über das Bezugsrecht nicht möglich. Es
ergibt sich zunächst:
Im Hinblick auf die Besonderheiten des erweiterten Bezugs-
rechts stellt sich die Frage, wie im konkreten Fall m und n zu
definieren sind. Für n ist dies einfach. Es handelt sich um die
Zahl der neu ausgegebenen Vorzugsaktien. Bei m könnte le-
diglich die Zahl der alten Vorzugsaktien oder die Gesamtzahl
aller bisher umlaufenden Stamm- und Vorzugsaktien maû-
geblich sein. Da es im Rahmen des Bezugsverhältnisses
auf die Menge der den neuen Aktien gegenüberstehenden
Bezugsrechte ankommt, muss m der Anzahl jener Aktien ent-
sprechen, von denen die Bezugsrechte abgetrennt werden.
Dies ist beim erweiterten Bezugsrecht die Gesamtheit aller
bezugsberechtigten Stamm- und Vorzugsaktien. Für Glei-
chung (2a) ist also zu beachten:
n ± Anzahl der ausgegebenen Stamm- oder Vorzugsaktien
m ± Anzahl der bezugsberechtigten alten Aktien, d.h. mSt +
mVz
Ein Zahlenbespiel: Die V AG hat 300 Stamm- und 100 Vor-
zugsaktien ausgegeben. Nunmehr sollen 100 neue Vorzugs-
aktien auf Basis eines erweiterten Bezugsrechts allen
Stamm- und Vorzugsaktionären zum Bezug angeboten wer-
den. Das Bezugsverhältnis beträgt daher 400:100 oder 4:1.
Die alte Stammaktie notiert bei 95 ¥, die alte Vorzugsaktie
bei 60 ¥. Der einheitliche Bezugspreis beträgt 35 ¥. Gemäû
(3a) ergibt sich für den Wert des Bezugsrechts:
Im konkreten Fall ist somit der Kurs der alten Stammaktie für
die Bewertung des Bezugsrechts auf die neuen Vorzugs-
aktien irrelevant. Umgekehrt wird der Kurs der alten Stamm-
aktie ex Bezugsrecht durch den Bezugsrechtsabschlag be-
einflusst. Ceteris paribus gilt für den TERP: Stex = 90 ¥ und
Vzex = 55 ¥.
V. Gekreuztes Bezugsrecht
Wird der Bezug der Inhaber von Stamm- und Vorzugsaktien
auf die neuen Aktien der jeweils anderen Gattung nicht aus-
geschlossen, liegt ein gekreuztes Bezugsrecht vor. Die Inha-
ber von Aktien einer Gattung verfügen somit nicht nur über
ein Recht zum Bezug neuer Aktien der eigenen, sondern zu-
sätzlich auch über ein Recht zum Bezug von Aktien der jeweils
anderen Gattung. Vorzugsaktionäre können somit nicht nur
neue Vorzugs-, sondern auch neue Stammaktien beziehen.
Beispielsweise hat die Gerry Weber AG im Jahr 1996 eine Ka-
pitalerhöhung mit gekreuztem Bezugsrecht durchgeführt15
.
Die Stammaktionäre und die Vorzugsaktionäre konnten je-
weils im Verhältnis 20:1 neue Stammaktien und neue Vorzugs-
aktien beziehen. Auch das gegenwärtige genehmigte Kapital
der Gesellschaft vom 03.06.2009 ermöglicht eine Bezugs-
rechtskapitalerhöhung nur mit gekreuztem Bezugsrecht16
.
Soweit die Grenze des § 139 Abs. 2 AktG eingehalten wird,
ist eine weitere Komplizierung dadurch denkbar, dass, an-
ders als bei der Gerry Weber AG, die beiden Gattungen in ei-
nem unterschiedlichen Verhältnis erhöht werden. Die Glei-
chungen (1) bis (4) müssen somit in mehrfacher Hinsicht er-
weitert werden.
Für die Notierung der Aktiengattungen ¹ex Bezugsrechtª
gilt:
Da für jede Aktiengattung zusätzlich ein Bezugsrecht auf die
jeweils andere Gattung eingeräumt wird, muss zur Ermitt-
lung des für die einzelne Gattung geltenden Bezugsverhält-
nisses die Zahl sämtlicher bezugsberechtigter Aktien zur
15 Vgl. Bezugsangebot der Gerry Weber AG, Wertpapier-Mitteilungen (Teil
III) 27.07.1996 S. 2884.
16 Vgl. Hauptversammlungseinladung der Gerry Weber AG, elektronischer
Bundesanzeiger 24.04.2009.
BEWERTUNG » Aktien
CORPORATE FINANCE biz 2/2010104
Zahl der auszugebenden neuen Stamm- bzw. Vorzugsaktien
ins Verhältnis gesetzt werden. Die Vorgehensweise ent-
spricht somit jener im Fall des erweiterten Bezugsrechts. Da-
mit gilt für (2):
Zur Vereinfachung wird und
gesetzt. Damit ergibt sich:
Die Marktgleichgewichtsbedingungen nach Abtrennung der
Bezugsrechte entsprechen somit jenen des Standardfalls.
Das gekreuzte Bezugsrecht wirkt sich lediglich insoweit aus,
als es die Zahl der bezugsberechtigten Aktien und damit
auch die Zahl der von diesen abgetrennten Bezugsrechte be-
einflusst. Sobald die Trennung vollzogen wurde, kommt es
jedoch ausschlieûlich auf die Zahl und nicht auf die Herkunft
der Bezugsrechte an, da sie identische Rechte verbriefen.
Für die Bewertung gilt:
Nach Einsetzen von (3b-1) und (3b-2) in (1b-1) bzw. (1b-2)
erhält man durch Lösung des Gleichungssystems die Formel
für die rechnerischen Werte der Bezugsrechte vor Beginn
der Bezugsfrist17
:
Bei dieser Betrachtungsweise fällt auf, dass der Nenner bei-
der Gleichungen identisch ist. Bei gegebener Zahl alter Ak-
tien kommt es insoweit ausschlieûlich auf die Zahl der ins-
gesamt auszugebenden neuen Aktien und deren Mischungs-
verhältnis an, wie es sich in den beiden Bezugsverhältnissen
widerspiegelt. Generell gilt: Der Wert der Bezugsrechte
steigt c.p. mit der Zahl der ausgegebenen Aktien und unab-
hängig davon, ob es sich um Stamm- oder Vorzugsaktien
handelt. Von diesem bei der Bewertung von Bezugsrechten
stets zu beobachtenden Mengeneffekt sind beide Gattungen
aufgrund des gekreuzten Bezugsrechts in gleicher Weise
tangiert.
Im Zähler finden zunächst die jeweiligen Differenzen zwi-
schen alter und neuer Aktie Berücksichtigung. Das gekreuzte
Bezugsrecht wirkt sich c.p. dahingehend aus, dass der Wert
des Bezugsrechts auf die eigene Gattung mit zunehmender
Zahl neuer Aktien der anderen Gattung sinkt. Insoweit gibt
es einen gegenläufigen Effekt.
Darüber hinaus ergibt sich aus den Gleichungen (4b-1) und
(4b-2), dass die Bezugsrechtswerte auch im Falle des ge-
kreuzten Bezugsrechts rechnerisch negativ werden können.
Dies ist genau dann der Fall, wenn die Aktien der einen Gat-
Abb. 1: Preis-Mengeneffekt
17 Vgl. Commerzbank AG (Hrsg.), Aktiengesetz und Emissionsvorschriften
1969, S. 232.
BEWERTUNG » Aktien
CORPORATE FINANCE biz 2/2010 105
tung mit einem sehr hohen und die Aktien der anderen Gat-
tung gleichzeitig mit einem sehr niedrigen Abschlag auf den
Kurs der alten Aktien ausgegeben werden. Im Extremfall
wird die eine Gattung zum geringsten Ausgabebetrag in Hö-
he des (rechnerischen) Nominalwerts ausgegeben und die
andere zum aktuellen Börsenkurs. Der Effekt verschärft sich,
wenn gleichzeitig sehr viele der vergleichsweise teuren Ak-
tien ausgegeben werden. Beispielsweise kann der Wert des
Bezugsrechts auf die Vorzugsaktien (BV) negativ werden, so-
fern die Stammaktien mit einem hohen Abschlag ausgege-
ben werden und die Vorzugsaktien mit einem niedrigen. Im
Ergebnis führt dies zu einer Vermögensumverteilung zwi-
schen den Gattungen. Während die Stammaktionäre über-
wiegend in das gewinnverteilungsberechtigte Grundkapital
einzahlen, erbringen die Vorzugsaktionäre in Form des
Agios überwiegend eine Einzahlung in die Kapitalrücklage.
Die Vorzugsaktionäre stellen somit den Groûteil der Investiti-
onsmittel zur Verfügung. Jenseits des Gewinnvorzugs steht
der mit diesen Mitteln erwirtschaftete Gewinn aber Stamm-
und Vorzugsaktionären im Verhältnis der Aktiengattungen
zu.
Auch in diesem Kontext gilt jedoch, dass es sich beim Be-
zugsrecht um eine echte Option handelt, deren Wert mindes-
tens null betragen muss. Die Vorzugsaktionäre würden somit
unter diesen Bedingungen ihre Option verfallen lassen. Die
Kapitalerhöhung in Bezug auf das Vorzugskapital würde
scheitern. Jeder rational handelnde Aktionär würde aus-
schlieûlich Stammaktien beziehen wollen.
Ein Beispiel: Das Grundkapital der D AG ist in 100 Stamm-
und 50 Vorzugsaktien eingeteilt. Die Gesellschaft bietet ih-
ren Aktionären 50 Stammaktien zum Preis von 50 ¥ und 100
Vorzugsaktien zum Preis von 25 ¥ zum Bezug an. Die aktuel-
len Aktienkurse vor Kapitalerhöhung belaufen sich auf 60 ¥
für die Stamm- und 40 ¥ für die Vorzugsaktien.
Die Bezugsverhältnisse sind und
.
Für BS ergibt sich damit
und für BV » 5,56.
Variiert man nun anhand der Zahlen des Beispiels das Be-
zugsverhältnis für die Stammaktien bei gegebenem Bezugs-
verhältnis für die Vorzugsaktien, lässt sich der oben be-
schriebene Preis-Mengeneffekt veranschaulichen: Je mehr
Stammaktien ausgegeben werden, desto höher ist der rech-
nerische Wert eines Bezugsrechts auf Stammaktien bei sin-
kendem Wert desjenigen auf die Vorzugsaktien. Im Zähler
der Gleichung (4b-2) konvergiert der Term (1 + vs) gegen 1,
der Zähler der Gleichung (4b-1) verändert sich nicht. Die
Nenner in beiden Gleichungen (4b-1) und (4b-2) konvergie-
ren gegen vv. Im Ergebnis haben damit sowohl BS als auch
BV im Limit vs ® 0 einen festen Grenzwert.
Das Zahlenbeispiel verdeutlicht eine Situation, in der die Ein-
räumung eines gekreuzten Bezugsrechts sinnvoll erscheint.
Lässt sich der Kapitalbedarf aufgrund der Beschränkung in
§ 139 Abs. 2 AktG nicht ausschlieûlich durch die Ausgabe
von Vorzugsaktien decken und ist eine proportionale Erhö-
hung beider Gattungen aufgrund unzureichender Finanzmit-
teln der Stammaktionäre nicht möglich, könnten die Stamm-
aktionäre eine begrenzte Verwässerung in Kauf nehmen, um
dem Unternehmen die notwendigen Mittel zuzuführen. Wei-
terhin könnten sie durch den Verkauf von Bezugsrechten auf
Vorzugsaktien ihre Investition in Stammaktien teilweise fi-
nanzieren.
Auûerdem ist es vorstellbar, dass die Vorzugsaktionäre mit
Hilfe des bereits erwähnten Zustimmungsvorbehalts gem.
§ 141 Abs. 2 Satz 1 AktG oder aufgrund eines Stimmrechts
nach § 140 Abs. 2 AktG (wiederholter Ausfall der Vorzugs-
dividende) eine Kapitalerhöhung unter Ausschluss des ge-
kreuzten Bezugsrechts blockieren. Unter diesen Umständen
kann die Einräumung des gekreuzten Bezugsrechts als Lö-
sung der Blockade in Betracht kommen.
VI. Zusammenfassung
Die bekannte Bezugsrechtsformel für das einfache Bezugs-
recht kann auch beim parallelen Bezugsrecht und ± mit leich-
ten Anpassungen ± beim erweiterten Bezugsrecht eingesetzt
werden. Lediglich im Fall des gekreuzten Bezugsrechts
kommt eine vollständig modifizierte Formel zur Anwendung,
in der nicht nur die Wertrelationen zwischen den alten und
neuen Aktien, sondern auch die verschiedenen Bezugsver-
hältnisse Berücksichtigung finden.
Börsennotierte Gesellschaften mit Stamm- und Vorzugs-
aktien hatten das gekreuzte Bezugsrecht in den vergangenen
Jahren bei Kapitalerhöhungen standardmäûig ausgeschlos-
sen. Insbesondere in krisenhaften Unternehmenssituationen
sind jedoch Konstellationen denkbar, in denen das Stimm-
recht der Vorzugsaktionäre auflebt. Unter diesen Umständen
kann es dazu kommen, dass die Vorzugsaktionäre die Situati-
on ausnutzen, um Zugriff auf stimmberechtigte Stammaktien
zu erhalten und die Zustimmung zum gekreuzten Bezugs-
rechtsausschluss verweigern. Unabhängig davon kann es je-
doch auch aus Sicht der Stammaktionär rational sein, das ge-
kreuzte Bezugsrecht zu gewähren, wenn ihre eigenen Finan-
zierungsspielräume ausgeschöpft sind und die Grenze für
die Ausgabe neuer stimmrechtsloser Vorzugsaktien (nahezu)
erreicht ist.
BEWERTUNG » Aktien

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Bezugsrecht

  • 1. CORPORATE FINANCE biz 2/2010100 BEWERTUNG » Aktien Varianten des Aktienbezugsrechts Ÿ Erweitertes, paralleles und gekreuztes Bezugsrecht: Ökonomische und juristische Grundlagen sowie Bewertung Ÿ von Dr. Dietmar Schieber | Dr.Thilo Schweizer I. Einführung Die Hauptversammlung der Volkswagen AG beschloss am 03.12.2009 die Schaffung eines neuen Genehmigten Kapi- tals. Demnach wird der Vorstand ermächtigt, bis zum 02.12.2014 das Grundkapital mit Zustimmung des Aufsichts- rats durch Ausgabe neuer stimmrechtsloser Vorzugsaktien einmalig oder mehrmals um insgesamt bis zu 345.600.000,- ¥ (dies entspricht 135 Mio. stimmrechtsloser Vorzugsaktien) zu erhöhen, wobei den Aktionären ein Be- zugsrecht einzuräumen ist1 . Dieser Beschluss ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zum einen waren zum Zeitpunkt der Beschlussfassung so- wohl Stamm- als auch Vorzugsaktien der Volkswagen AG börsennotiert. Das neu beschlossene genehmigte Kapital be- inhaltet jedoch ausschlieûlich stimmrechtslose Vorzugs- aktien. Zum anderen wurde allen Aktionären und damit so- wohl den Vorzugs- als auch den Stammaktionären ein Be- zugsrecht auf die neuen Vorzugsaktien gewährt. Die Bewertung eines Bezugsrechts erfolgt üblicherweise auf der Grundlage eines Modells, das den Zusammenhang zwi- schen dem Kurs der alten Aktie, dem Bezugspreis einer neu- en Aktie und dem Bezugsverhältnis beschreibt und das zum gesicherten Bestand betriebswirtschaftlichen Elementarwis- sens gerechnet wird2 . Der Anwendungsbereich des Modells ist jedoch insoweit eingeschränkt, als es sich lediglich auf eine bestimmte Aktiengattung bezieht. Hat eine Gesellschaft neben Stamm- auch Vorzugsaktien emittiert, sind Konstella- tionen denkbar, in denen die bekannte Bezugsrechtsformel nicht mehr oder nur modifiziert angewendet werden kann. Als Grundlage für die verschiedenen denkbaren Modifikatio- nen wird im Folgenden zunächst die klassische Bezugsrechts- formel hergeleitet. Sodann werden die verschiedenen Erwei- terungen vorgenommen, wobei die Ergebnisse jeweils anhand eines Zahlenbeispiels veranschaulicht werden. Darüber hi- naus wird auf die aktienrechtlichen Grundlagen eingegangen. II. Einfaches Bezugsrecht Bei Kapitalerhöhungen gegen Bareinlage ist den Aktionären der emittierenden Gesellschaft grundsätzlich ein Bezugs- recht zu gewähren. Durch das Bezugsrecht werden die Alt- aktionäre vor einer Verwässerung ihrer Vermögensposition geschützt, die daraus resultiert, dass die neuen Aktien übli- cherweise mit einem Abschlag auf den aktuellen Börsenkurs ausgegeben werden. Ein Ausschluss des Bezugsrechts ist daher nur unter eng definierten Voraussetzungen zulässig3 . Bei einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrecht wird das Bezugs- recht am Vorabend des ersten Tages der Bezugsfrist von den alten Aktien getrennt und kann danach separat börsenmäûig gehandelt werden. Voraussetzung für ein börsenmäûig han- delbares Bezugsrecht ist in Deutschland die Veröffent- lichung eines von der Bundesanstalt für Finanzdienstleis- tungsaufsicht (BaFin) zu billigenden Wertpapierprospekts, da der Bezugsrechtshandel zu einem öffentlichen Angebot der neu auszugebenden Aktien führt. Wird das Bezugsrecht nicht gehandelt, liegt dagegen nach Auffassung der BaFin kein öffentliches Angebot vor4 . Unabhängig davon, ob die Bezugsrechte börsenmäûig gehandelt werden oder nicht, notiert die alte Aktie am ersten Tag der Bezugsfrist ¹ex Bezugsrechtª. Unter den Voraussetzungen eines vollkommenen Kapitalmarktes, also insbesondere bei Fehlen von Transaktionskosten, von Marktzugangsbeschränkungen und bei allgemeiner Verfüg- barkeit aller vorhandenen Informationen, müssen äquivalen- te Positionen gleiche Preise aufweisen5 . Somit gilt für den Zusammenhang zwischen dem Kurs der alten Aktie mit Bezugsrecht (¹cumª) und dem Kurs der alten Aktie ex Bezugsrecht: Dabei ist zu beachten, dass Stcum und Stex nicht gleichzeitig beobachtet werden können. Insofern handelt es sich bei (1) um keine echte Arbitragefreiheitsbedingung. Eine bestimmte Anzahl von Bezugsrechten m berechtigt zum Bezug von n neuen Aktien. Es gilt somit das Bezugsverhält- nis . Über den Erwerb von Bezugsrechten und die Ent- richtung des Bezugspreises kann eine neue Aktie erworben werden. Der Wert dieser Position muss daher im Markt- gleichgewicht dem Kurs der alten Aktie ex Bezugsrecht ent- sprechen. Aufgelöst nach B ergibt sich: 1 Vgl. Hauptversammlungseinladung der Volkswagen Aktiengesellschaft, elektronischer Bundesanzeiger 16.10.2009. 2 Vgl. Hax, ZfbF 1971 S.157; Krümmel, BFuP 1964 S. 485. 3 Vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl. 2008, § 186 Rdn. 20ff.; Nippel/Schweizer, WiSt 1996 S. 531. 4 Dieser Auffassung hat sich bisher nur die österreichische Regulierungs- behörde angeschlossen. Die übrigen Finanzmarktaufsichtsbehörden in der EU qualifizieren ein Bezugsangebot unabhängig von einem Bezugs- rechtshandel stets als öffentliches Angebot. Vgl. Committee of European Securities Regulators (CESR), Frequently asked questions regarding Pro- spectuses: Common positions agreed by CESR Members, 10. Aufl. 2009, S. 42 f. 5 Vgl. Hax/Hartmann-Wendels/v. Hinten, in: Christians (Hrsg.), Finanzie- rungshandbuch, 2. Aufl. 1980, S. 699.
  • 2. CORPORATE FINANCE biz 2/2010 101 Die Gleichung spiegelt den rechnerischen Wert des Bezugs- rechts ex post, d.h. nach Abtrennung des Bezugsrechts von der Aktie wider. Die Wertverhältnisse vor Abtrennung des Bezugsrechts erhält man durch Einsetzen von (2) in (1) und Auflösen nach B. Dies führt zu der bekannten Bezugsrechts- formel, anhand derer sich ex ante, d.h. vor Beginn der Kapi- talerhöhung, der rechnerische Wert des Bezugsrechts ermit- teln lässt: Die Symbole werden wie folgt definiert: B ± Marktpreis für ein Bezugsrecht Stcum ± Kurs der alten Stammaktie vor Beginn der Bezugsfrist Stex ± Kurs der alten Aktie nach Beginn der Bezugsfrist BP ± Bezugspreis für eine neue Aktie m ± Anzahl der umlaufenden alten Aktien ohne eigene Aktien n ± Anzahl der neuen Aktien Durch Einsetzen von B und Stcum in (1) lässt sich auûerdem ex ante der theoretische Wert der alten Aktien ex Bezugs- recht ermitteln, der häufig auch als TERP (Theoretical Ex Rights Price) bezeichnet wird. Der rechnerische Wert des Bezugsrechts ist positiv, wenn der Bezugspreis niedriger ist als der Kurs der alten Aktie an der Börse. Sinkt der Börsenkurs unter den Bezugspreis wird der Wert des Bezugsrechts rechnerisch negativ. Zugleich wird das Bezugsangebot für die Aktionäre unattraktiv, da sie die Aktien im Börsenhandel billiger erwerben können. Da das Bezugsrecht ein Recht aber keine Pflicht zum Erwerb von Aktien darstellt, kann es als Kaufoption aufgefasst wer- den, deren wirtschaftlicher Wert im Gegensatz zum rechneri- schen Wert des Bezugsrechts nicht negativ sein kann6 . Der rechnerische Wert stellt nur dann eine gute Annäherung an den wirtschaftlichen Wert der Bezugsoption dar, wenn diese im Geld notiert. Da die Laufzeit der Option in der Regel zwei Wochen nicht übersteigt, kann der Zeitwert vernachlässigt werden. Der Optionswert bestimmt sich allein nach dem in- neren Wert. Ohne eine flankierende Übernahmeverpflichtung durch einen alten oder neuen Groûaktionär würde die Durch- führung der Kapitalerhöhung bei einem rechnerisch negativen Wert des Bezugsrechts scheitern. Eine solche Konstellation ist insbesondere in Sanierungsfällen häufig anzutreffen. Sie ist in aktienrechtlicher Hinsicht insoweit problematisch, als ein den Börsenkurs übersteigender Bezugspreis als faktischer Bezugsrechtsausschluss gewertet werden könnte7 . Die Situation verschärft sich, wenn die Aktien unterhalb ihres geringsten Ausgabebetrags gem. § 9 Abs. 1 AktG notieren. Da der gesetzlich vorgeschriebene geringste Ausgabebetrag die absolute Untergrenze für den Bezugspreis darstellt8 , ergibt sich ohne eine weitere begleitende Kapitalherabsetzung vor Kapitalerhöhung zwin- gend ein rechnerisch negativer Wert des Bezugsrechts. In diesem Fall kann die Festlegung des Bezugspreises oberhalb des Börsenpreises rechtlich nur damit begründet werden, dass der innere Wert der Aktie, d.h. in der Praxis der gutachterlich festgelegte Wert gemäû IDW S 19 , über dem Bezugspreis liegt oder aufgrund drohender Insolvenz eine Kapitalherabsetzung mit folgender Kapitalerhöhung zeitlich10 nicht umsetzbar erscheint. Darüber hinaus kann es vorkommen, dass die Verluste in Konzerngesellschaften und nicht in der Aktiengesellschaft selbst angefallen sind und die Beteiligungswerte im Jahresabschluss des abgelaufenen Geschäftsjahres noch nicht abgeschrieben wurden. Somit ist eine Kapitalherabsetzung in vereinfachter Form gem. §§ 229 ff. AktG bis zur Feststellung des Abschlusses für das laufende Geschäftsjahr nicht möglich. Eine ordentliche Kapitalherabsetzung gem. §§ 222 ff. AktG ist wiederum aufgrund der sechsmonatigen Wartezeit und dem Recht der Gläubiger, Sicherheitsleistung zu verlangen, in Sanierungs- fällen denkbar ungeeignet. Auch in diesem Fall ist somit ein Bezugspreis oberhalb des Börsenpreises aktienrechtlich zu rechtfertigen. Ein Zahlenbeispiel: Die A AG bietet ihren Aktionären neue Aktien im Verhältnis 4:1 zum Bezug an, d.h. vier alte Altien berechtigen zum Bezug einer neuen Aktie zum Bezugspreis von 30,60 ¥. Der Kurs der alten Aktie vor Beginn der Bezugs- frist beläuft sich auf 43,70 ¥. Für den rechnerischen Wert des Bezugsrechts gilt damit gemäû (4): 6 Vgl. Meincke/Nippel, Kredit und Kapital 2009 S. 353. 7 Vgl. Seibt/Voigt, AG 2009 S. 138; Herfs, in Habersack/Mülbert/Schlitt (Hrsg.): Unternehmensfinanzierung am Kapitalmarkt 2008, § 4 Rdn. 38; Veil, in Schmidt/Lutter (Hrsg): Aktiengesetz 2008, § 186 Rdn. 14. 8 In der Praxis wird oftmals auf den Wert gem. § 9 AktG zuzüglich der Emissionskosten als Untergrenze für den Bezugspreis abgestellt. 9 Vgl. Seibt/Voigt, a.a.O. (Fn. 7), S. 138. 10 Die Einberufungsfrist der Hauptversammlung beträgt einschlieûlich Vor- laufzeit rund sechs Wochen. Werden Widersprüche zur Niederschrift er- klärt, wird der Hauptversammlungsbeschluss i.d.R. nicht in das Handels- register eingetragen bis die Anfechtungsfrist von einem Monat abgelau- fen ist. Wird Klage erhoben, kann das Freigabeverfahren gem. § 246a AktG drei bis sechs Monate in Anspruch nehmen. BEWERTUNG » Aktien Hat eine Gesellschaft neben Stamm- auch Vorzugsaktien emittiert, kann die Bezugsrechts- formel in bestimmten Fällen nicht mehr oder nur modifiziert ange- wendet werden. » AUTOREN Dr. Dietmar Schieber | Dr.Thilo Schweizer Dr. Dietmar Schieber, Studium der Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten in Erlangen-Nürnberg und Athens, Georgia, USA. 1997 bis 2000 Referent beim Deutschen Aktieninstitut e.V. Seit 2001 Mit- arbeiter im Bereich Equity Capital Markets der Commerzbank AG. Dr. Thilo Schweizer, Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Uni- versität zu Köln. 1996 bis 2000 Vorstandsassistent und Projektleiter Corporate Finance bei der Stadtsparkasse Köln. Seit 2001 Mitarbeiter im Bereich Equity Capital Markets der Commerzbank AG.
  • 3. CORPORATE FINANCE biz 2/2010102 Nach Beginn der Bezugsfrist werden alte Aktie und Bezugs- recht separat gehandelt. Im Marktgleichgewicht muss Glei- chung (2) gelten und somit ceteris paribus: Ist Stex > 30,60 + B ” 4, so kann ein Kapitalanleger einen si- cheren Arbitragegewinn erzielen, indem er die zum Erwerb einer neuen Aktie erforderlichen vier Bezugsrechte erwirbt, die neue Aktie gegen Zahlung des Bezugspreises von 30,60 ¥ bezieht und parallel eine alte Aktie (leer) verkauft11 . Im um- gekehrten Fall, Stex < 30,60 + B ” 4, werden Inhaber von Be- zugsrechten keine neuen Aktien beziehen, sondern stattdes- sen Bezugsrechte verkaufen und alte Aktien über die Börse erwerben. III. Paralleles Bezugsrecht Hat eine Gesellschaft sowohl Stamm- als auch Vorzugsaktien ausgegeben, wird bei einer Kapitalerhöhung gegen Bareinla- gen mit Bezugsrecht üblicherweise sowohl das Stamm- als auch das Vorzugsaktienkapital erhöht. Grundsätzlich haben dabei die Inhaber jeder Aktiengattung nicht nur ein Bezugs- recht auf die neuen Aktien der eigenen, sondern auch auf je- ne der jeweils anderen Gattung12 . Vorzugsaktionäre könnten somit nicht nur neue Vorzugs- sondern auch neue Stamm- aktien beziehen. Um die Stimmrechtsverhältnisse nicht zu beeinflussen, wird dieses gekreuzte Bezugsrecht im Regelfall durch Beschluss der Hauptversammlung ausgeschlossen. Voraussetzung ist, dass das Bezugsverhältnis für beide Gat- tungen identisch ist13 . Erfolgt die Kapitalerhöhung auf der Grundlage eines genehmigten Kapitals, kann der Vorstand von der Hauptversammlung auch zu einem entsprechenden Ausschluss des gekreuzten Bezugsrechts ermächtigt wer- den. Im Ergebnis kommt es zu einem parallelen Bezugsrecht, bei dem neue Stamm- und Vorzugsaktien im jeweils gleichen Verhältnis ausgegeben werden. So konnte bei der Kapital- erhöhung der Biotest AG im Jahr 2005 auf jeweils sechs alte Stammaktien eine neue Stammaktie und auf sechs alte Vor- zugsaktien eine neue Vorzugsaktie bezogen werden. Das Be- zugsrecht der Stammaktionäre zum Bezug von Vorzugs- aktien und das Bezugsrecht der Vorzugsaktionäre zum Be- zug von Stammaktien wurde ausgeschlossen14 . Im Falle des parallelen Bezugsrechts gelten die Marktgleich- gewichtsbedingungen (1) bis (3) für jede Gattung auf der Grundlage der jeweiligen Parameter separat und unabhängig voneinander. Der rechnerische Wert des Bezugsrechts auf neue Stammaktien und jener auf neue Vorzugsaktien kann anhand von Gleichung (4) ermittelt werden. Ein Zahlenbeispiel: Die B AG bietet ihren Aktionären neue Stamm- und neue Vorzugsaktien jeweils im Verhältnis 6:1 an. Der Bezugspreis der neuen Stammaktien beläuft sich auf 22,50 ¥, jener der neuen Vorzugsaktien auf 18,50 ¥. Die alten Stammaktien notieren vor Beginn der Bezugsfrist mit 28,00 ¥ und die Vorzugsaktien mit 23,50 ¥. Für die rechneri- schen Werte der Bezugsrechte gilt mithin Mit Beginn der Bezugsfrist gilt wiederum gemäû (2): Dabei ist: BS ± Marktpreis für ein Bezugsrecht auf eine Stammaktie BV ± Marktpreis für ein Bezugsrecht auf eine Vorzugsaktie Stex ± Kurs der alten Stammaktie nach Beginn der Bezugs- frist Vzex ± Kurs der alten Vorzugsaktie nach Beginn der Bezugs- frist IV. Erweitertes Bezugsrecht Das erweiterte Bezugsrecht ist ebenfalls dadurch gekenn- zeichnet, dass ein Unternehmen in der Vergangenheit so- wohl Stamm- als auch Vorzugsaktien emittiert hat. Die Kapi- talerhöhung erstreckt sich nun jedoch nur auf Stammaktien oder nur auf Vorzugsaktien. Nachdem das ursprüngliche Motiv für die Ausgabe von Vorzugsaktien üblicherweise da- rin bestanden hatte, die Stimmrechtsverhältnisse in einer Gesellschaft zu konservieren, werden nun im Regelfall aus- schlieûlich neue Vorzugsaktien begeben. Diese Konstellation wird auch bei der noch durchzuführenden Kapitalerhöhung der Volkswagen AG vorliegen. In aktienrechtlicher Hinsicht ist dabei zu beachten, dass gem. § 139 Abs.2 AktG Vorzugsaktien ohne Stimmrecht nur bis zur Hälfte des Grundkapitals ausgegeben werden dürfen. Die Zahl der Vorzugsaktien darf also im Anschluss an die Ka- pitalerhöhung nicht höher sein als die Zahl der Stammaktien. Soweit die Ausgabe auf der Grundlage eines genehmigten Kapitals erfolgt, ist des Weiteren § 202 Abs. 3 AktG einzuhal- ten, wonach der Nennbetrag des genehmigten Kapitals die Hälfte des Grundkapitals nicht übersteigen darf. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über das Genehmigte Kapital durch die Auûerordentliche Hauptversammlung der Volkswagen AG am 03.12.2009 betrug das Grundkapital 1.024,4 Mio. ¥ und war in 294,9 Mio. Stammaktien und 105,2 Mio. Vorzugsaktien eingeteilt. Das genehmigte Kapital konnte sich daher auf maximal 189,7 Mio. Vorzugsaktien er- strecken. Tatsächlich belief sich der Ermächtigungsrahmen auf lediglich 135 Mio. Aktien. Im Hinblick auf die Beschlussfassung selbst war zu beach- ten, dass gem. § 141 Abs. 2 AktG ein Beschluss über die Aus- gabe von Vorzugsaktien, die bei der Verteilung des Gewinns oder des Gesellschaftsvermögens den Vorzugsaktien ohne Stimmrecht vorgehen oder gleichstehen, grundsätzlich der Zustimmung der Vorzugsaktionäre bedarf. Der Zustimmung bedarf es allerdings dann nicht, wenn die Ausgabe bei Ein- 11 Vgl. Hax/Hartmann-Wendels/v.Hinten, a.a.O. (Fn. 4), S. 701. 12 Vgl. Hüffer, a.a.O. (Fn. 3), § 186 Rdn. 4. 13 Vgl. Hüffer, a.a.O. (Fn. 3), § 186 Rdn. 30. 14 Vgl. Prospekt der Biotest AG vom 10.10.2005 S. 28. BEWERTUNG » Aktien
  • 4. CORPORATE FINANCE biz 2/2010 103 räumung des Vorzugs oder, falls das Stimmrecht später aus- geschlossen wurde, bei der Ausschlieûung ausdrücklich vor- behalten worden war und das Bezugsrecht der Vorzugsaktio- näre nicht ausgeschlossen wird. Nachdem in § 4 Abs. 2 der Satzung der Volkswagen AG vom September 2009 ausdrück- lich auf die Regelung in § 141 Abs. 2 Satz 2 AktG Bezug ge- nommen und die Ausgabe neuer Aktien vorbehalten worden war und auûerdem den Vorzugsaktionären ein Bezugsrecht gewährt wurde, war deren Zustimmung zu dem genehmig- ten Kapital nicht erforderlich. Die Beschlussfassung oblag al- lein den stimmberechtigten Stammaktionären. Die Situation unterschied sich insoweit von jener anlässlich der Ordentli- chen Hauptversammlung vom 23.04.2009. Seinerzeit sollte auch eine Ermächtigung zum Ausschluss des Bezugsrechts geschaffen werden. Hierzu wäre eine Zustimmung der Vor- zugsaktionäre erforderlich gewesen, die jedoch seinerzeit versagt wurde. Für die Bewertung des Bezugsrechts ist zunächst entschei- dend, dass jedem Aktionär, egal ob Stamm- oder Vorzugs- aktionär, ein Bezugsrecht eingeräumt wird. Von jeder Aktie wird somit zu Beginn der Bezugsfrist ein Bezugsrecht abge- spalten. Analog dem Fall Volkswagen sei angenommen, dass ausschlieûlich neue Vorzugsaktien ausgegeben werden. Da- mit muss gelten: Da ausschlieûlich neue Vorzugsaktien emittiert werden, kann die Marktgleichgewichtsbedingung (2) nur im Hinblick auf die Vorzugsaktien gelten. Eine Arbitrage im Hinblick auf die Stammaktien ist über das Bezugsrecht nicht möglich. Es ergibt sich zunächst: Im Hinblick auf die Besonderheiten des erweiterten Bezugs- rechts stellt sich die Frage, wie im konkreten Fall m und n zu definieren sind. Für n ist dies einfach. Es handelt sich um die Zahl der neu ausgegebenen Vorzugsaktien. Bei m könnte le- diglich die Zahl der alten Vorzugsaktien oder die Gesamtzahl aller bisher umlaufenden Stamm- und Vorzugsaktien maû- geblich sein. Da es im Rahmen des Bezugsverhältnisses auf die Menge der den neuen Aktien gegenüberstehenden Bezugsrechte ankommt, muss m der Anzahl jener Aktien ent- sprechen, von denen die Bezugsrechte abgetrennt werden. Dies ist beim erweiterten Bezugsrecht die Gesamtheit aller bezugsberechtigten Stamm- und Vorzugsaktien. Für Glei- chung (2a) ist also zu beachten: n ± Anzahl der ausgegebenen Stamm- oder Vorzugsaktien m ± Anzahl der bezugsberechtigten alten Aktien, d.h. mSt + mVz Ein Zahlenbespiel: Die V AG hat 300 Stamm- und 100 Vor- zugsaktien ausgegeben. Nunmehr sollen 100 neue Vorzugs- aktien auf Basis eines erweiterten Bezugsrechts allen Stamm- und Vorzugsaktionären zum Bezug angeboten wer- den. Das Bezugsverhältnis beträgt daher 400:100 oder 4:1. Die alte Stammaktie notiert bei 95 ¥, die alte Vorzugsaktie bei 60 ¥. Der einheitliche Bezugspreis beträgt 35 ¥. Gemäû (3a) ergibt sich für den Wert des Bezugsrechts: Im konkreten Fall ist somit der Kurs der alten Stammaktie für die Bewertung des Bezugsrechts auf die neuen Vorzugs- aktien irrelevant. Umgekehrt wird der Kurs der alten Stamm- aktie ex Bezugsrecht durch den Bezugsrechtsabschlag be- einflusst. Ceteris paribus gilt für den TERP: Stex = 90 ¥ und Vzex = 55 ¥. V. Gekreuztes Bezugsrecht Wird der Bezug der Inhaber von Stamm- und Vorzugsaktien auf die neuen Aktien der jeweils anderen Gattung nicht aus- geschlossen, liegt ein gekreuztes Bezugsrecht vor. Die Inha- ber von Aktien einer Gattung verfügen somit nicht nur über ein Recht zum Bezug neuer Aktien der eigenen, sondern zu- sätzlich auch über ein Recht zum Bezug von Aktien der jeweils anderen Gattung. Vorzugsaktionäre können somit nicht nur neue Vorzugs-, sondern auch neue Stammaktien beziehen. Beispielsweise hat die Gerry Weber AG im Jahr 1996 eine Ka- pitalerhöhung mit gekreuztem Bezugsrecht durchgeführt15 . Die Stammaktionäre und die Vorzugsaktionäre konnten je- weils im Verhältnis 20:1 neue Stammaktien und neue Vorzugs- aktien beziehen. Auch das gegenwärtige genehmigte Kapital der Gesellschaft vom 03.06.2009 ermöglicht eine Bezugs- rechtskapitalerhöhung nur mit gekreuztem Bezugsrecht16 . Soweit die Grenze des § 139 Abs. 2 AktG eingehalten wird, ist eine weitere Komplizierung dadurch denkbar, dass, an- ders als bei der Gerry Weber AG, die beiden Gattungen in ei- nem unterschiedlichen Verhältnis erhöht werden. Die Glei- chungen (1) bis (4) müssen somit in mehrfacher Hinsicht er- weitert werden. Für die Notierung der Aktiengattungen ¹ex Bezugsrechtª gilt: Da für jede Aktiengattung zusätzlich ein Bezugsrecht auf die jeweils andere Gattung eingeräumt wird, muss zur Ermitt- lung des für die einzelne Gattung geltenden Bezugsverhält- nisses die Zahl sämtlicher bezugsberechtigter Aktien zur 15 Vgl. Bezugsangebot der Gerry Weber AG, Wertpapier-Mitteilungen (Teil III) 27.07.1996 S. 2884. 16 Vgl. Hauptversammlungseinladung der Gerry Weber AG, elektronischer Bundesanzeiger 24.04.2009. BEWERTUNG » Aktien
  • 5. CORPORATE FINANCE biz 2/2010104 Zahl der auszugebenden neuen Stamm- bzw. Vorzugsaktien ins Verhältnis gesetzt werden. Die Vorgehensweise ent- spricht somit jener im Fall des erweiterten Bezugsrechts. Da- mit gilt für (2): Zur Vereinfachung wird und gesetzt. Damit ergibt sich: Die Marktgleichgewichtsbedingungen nach Abtrennung der Bezugsrechte entsprechen somit jenen des Standardfalls. Das gekreuzte Bezugsrecht wirkt sich lediglich insoweit aus, als es die Zahl der bezugsberechtigten Aktien und damit auch die Zahl der von diesen abgetrennten Bezugsrechte be- einflusst. Sobald die Trennung vollzogen wurde, kommt es jedoch ausschlieûlich auf die Zahl und nicht auf die Herkunft der Bezugsrechte an, da sie identische Rechte verbriefen. Für die Bewertung gilt: Nach Einsetzen von (3b-1) und (3b-2) in (1b-1) bzw. (1b-2) erhält man durch Lösung des Gleichungssystems die Formel für die rechnerischen Werte der Bezugsrechte vor Beginn der Bezugsfrist17 : Bei dieser Betrachtungsweise fällt auf, dass der Nenner bei- der Gleichungen identisch ist. Bei gegebener Zahl alter Ak- tien kommt es insoweit ausschlieûlich auf die Zahl der ins- gesamt auszugebenden neuen Aktien und deren Mischungs- verhältnis an, wie es sich in den beiden Bezugsverhältnissen widerspiegelt. Generell gilt: Der Wert der Bezugsrechte steigt c.p. mit der Zahl der ausgegebenen Aktien und unab- hängig davon, ob es sich um Stamm- oder Vorzugsaktien handelt. Von diesem bei der Bewertung von Bezugsrechten stets zu beobachtenden Mengeneffekt sind beide Gattungen aufgrund des gekreuzten Bezugsrechts in gleicher Weise tangiert. Im Zähler finden zunächst die jeweiligen Differenzen zwi- schen alter und neuer Aktie Berücksichtigung. Das gekreuzte Bezugsrecht wirkt sich c.p. dahingehend aus, dass der Wert des Bezugsrechts auf die eigene Gattung mit zunehmender Zahl neuer Aktien der anderen Gattung sinkt. Insoweit gibt es einen gegenläufigen Effekt. Darüber hinaus ergibt sich aus den Gleichungen (4b-1) und (4b-2), dass die Bezugsrechtswerte auch im Falle des ge- kreuzten Bezugsrechts rechnerisch negativ werden können. Dies ist genau dann der Fall, wenn die Aktien der einen Gat- Abb. 1: Preis-Mengeneffekt 17 Vgl. Commerzbank AG (Hrsg.), Aktiengesetz und Emissionsvorschriften 1969, S. 232. BEWERTUNG » Aktien
  • 6. CORPORATE FINANCE biz 2/2010 105 tung mit einem sehr hohen und die Aktien der anderen Gat- tung gleichzeitig mit einem sehr niedrigen Abschlag auf den Kurs der alten Aktien ausgegeben werden. Im Extremfall wird die eine Gattung zum geringsten Ausgabebetrag in Hö- he des (rechnerischen) Nominalwerts ausgegeben und die andere zum aktuellen Börsenkurs. Der Effekt verschärft sich, wenn gleichzeitig sehr viele der vergleichsweise teuren Ak- tien ausgegeben werden. Beispielsweise kann der Wert des Bezugsrechts auf die Vorzugsaktien (BV) negativ werden, so- fern die Stammaktien mit einem hohen Abschlag ausgege- ben werden und die Vorzugsaktien mit einem niedrigen. Im Ergebnis führt dies zu einer Vermögensumverteilung zwi- schen den Gattungen. Während die Stammaktionäre über- wiegend in das gewinnverteilungsberechtigte Grundkapital einzahlen, erbringen die Vorzugsaktionäre in Form des Agios überwiegend eine Einzahlung in die Kapitalrücklage. Die Vorzugsaktionäre stellen somit den Groûteil der Investiti- onsmittel zur Verfügung. Jenseits des Gewinnvorzugs steht der mit diesen Mitteln erwirtschaftete Gewinn aber Stamm- und Vorzugsaktionären im Verhältnis der Aktiengattungen zu. Auch in diesem Kontext gilt jedoch, dass es sich beim Be- zugsrecht um eine echte Option handelt, deren Wert mindes- tens null betragen muss. Die Vorzugsaktionäre würden somit unter diesen Bedingungen ihre Option verfallen lassen. Die Kapitalerhöhung in Bezug auf das Vorzugskapital würde scheitern. Jeder rational handelnde Aktionär würde aus- schlieûlich Stammaktien beziehen wollen. Ein Beispiel: Das Grundkapital der D AG ist in 100 Stamm- und 50 Vorzugsaktien eingeteilt. Die Gesellschaft bietet ih- ren Aktionären 50 Stammaktien zum Preis von 50 ¥ und 100 Vorzugsaktien zum Preis von 25 ¥ zum Bezug an. Die aktuel- len Aktienkurse vor Kapitalerhöhung belaufen sich auf 60 ¥ für die Stamm- und 40 ¥ für die Vorzugsaktien. Die Bezugsverhältnisse sind und . Für BS ergibt sich damit und für BV » 5,56. Variiert man nun anhand der Zahlen des Beispiels das Be- zugsverhältnis für die Stammaktien bei gegebenem Bezugs- verhältnis für die Vorzugsaktien, lässt sich der oben be- schriebene Preis-Mengeneffekt veranschaulichen: Je mehr Stammaktien ausgegeben werden, desto höher ist der rech- nerische Wert eines Bezugsrechts auf Stammaktien bei sin- kendem Wert desjenigen auf die Vorzugsaktien. Im Zähler der Gleichung (4b-2) konvergiert der Term (1 + vs) gegen 1, der Zähler der Gleichung (4b-1) verändert sich nicht. Die Nenner in beiden Gleichungen (4b-1) und (4b-2) konvergie- ren gegen vv. Im Ergebnis haben damit sowohl BS als auch BV im Limit vs ® 0 einen festen Grenzwert. Das Zahlenbeispiel verdeutlicht eine Situation, in der die Ein- räumung eines gekreuzten Bezugsrechts sinnvoll erscheint. Lässt sich der Kapitalbedarf aufgrund der Beschränkung in § 139 Abs. 2 AktG nicht ausschlieûlich durch die Ausgabe von Vorzugsaktien decken und ist eine proportionale Erhö- hung beider Gattungen aufgrund unzureichender Finanzmit- teln der Stammaktionäre nicht möglich, könnten die Stamm- aktionäre eine begrenzte Verwässerung in Kauf nehmen, um dem Unternehmen die notwendigen Mittel zuzuführen. Wei- terhin könnten sie durch den Verkauf von Bezugsrechten auf Vorzugsaktien ihre Investition in Stammaktien teilweise fi- nanzieren. Auûerdem ist es vorstellbar, dass die Vorzugsaktionäre mit Hilfe des bereits erwähnten Zustimmungsvorbehalts gem. § 141 Abs. 2 Satz 1 AktG oder aufgrund eines Stimmrechts nach § 140 Abs. 2 AktG (wiederholter Ausfall der Vorzugs- dividende) eine Kapitalerhöhung unter Ausschluss des ge- kreuzten Bezugsrechts blockieren. Unter diesen Umständen kann die Einräumung des gekreuzten Bezugsrechts als Lö- sung der Blockade in Betracht kommen. VI. Zusammenfassung Die bekannte Bezugsrechtsformel für das einfache Bezugs- recht kann auch beim parallelen Bezugsrecht und ± mit leich- ten Anpassungen ± beim erweiterten Bezugsrecht eingesetzt werden. Lediglich im Fall des gekreuzten Bezugsrechts kommt eine vollständig modifizierte Formel zur Anwendung, in der nicht nur die Wertrelationen zwischen den alten und neuen Aktien, sondern auch die verschiedenen Bezugsver- hältnisse Berücksichtigung finden. Börsennotierte Gesellschaften mit Stamm- und Vorzugs- aktien hatten das gekreuzte Bezugsrecht in den vergangenen Jahren bei Kapitalerhöhungen standardmäûig ausgeschlos- sen. Insbesondere in krisenhaften Unternehmenssituationen sind jedoch Konstellationen denkbar, in denen das Stimm- recht der Vorzugsaktionäre auflebt. Unter diesen Umständen kann es dazu kommen, dass die Vorzugsaktionäre die Situati- on ausnutzen, um Zugriff auf stimmberechtigte Stammaktien zu erhalten und die Zustimmung zum gekreuzten Bezugs- rechtsausschluss verweigern. Unabhängig davon kann es je- doch auch aus Sicht der Stammaktionär rational sein, das ge- kreuzte Bezugsrecht zu gewähren, wenn ihre eigenen Finan- zierungsspielräume ausgeschöpft sind und die Grenze für die Ausgabe neuer stimmrechtsloser Vorzugsaktien (nahezu) erreicht ist. BEWERTUNG » Aktien