Die juristischen Gründe, warum Unternehmen für Menschenrechte verantwortlich sind, habe ich am 27.06.2019 in der VHS Hamm erklärt. An der Klage von vier Pakistaner*innen gegen den deutschen Textilhändler KiK lassen sich die juristischen Hürden und Möglichkeiten von Unternehmensverantwortung aufzeigen. Es wird deutlich, dass sich auf allen Ebenen, von den Vereinten Nationen über lokale Aktivengruppen bis zu Unternehmen ein auch juristisch belastbares Verständnis von Unternehmensverantwortung entwickelt. Konkrete Handlungsmöglichkeiten für bessere Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie finden die Leser*innen im letzten Drittel der Präsentation.

1. DER FALL KIK
VHS
Hamm
DER FALL KIK
Warum sind Unternehmen für
Menschenrechte verantwortlich?
Theresa Lankes, Wirtschaftsjuristin für Unternehmensverantwortung 27.06.2019

2. Warum stehe ich hier vorne?Warum stehe ich hier vorne?
VHS HammTheresa.Lankes@posteo.de

3. Inhalt des Vortrags
 Ali Enterprises Brand
 Bezug zu Menschenrechten und KiK
 Klage gegen KiK Textilien und Non-Food
GmbH
 Erfolge aus der Klage
 Unsere Möglichkeiten
Theresa.Lankes@posteo.de VHS Hamm

4. Ali Enterprises Brand
◦ „9/11 Pakistans“: 11.-
12.09.2012 Brand in
Textilfabrik
◦ Ursache: Erpressung
von Schutzgeld
◦ Mindestens 258
Arbeiter*innen
getötet
◦ Mindestens 32
Arbeiter*innen
verletzt
Theresa.Lankes@posteo.de Foto: Ali Enterprises Fabrik 12.09.2012 © DPA VHS Hamm

5. Ali Enterprises Brand
◦ Forensic Architecture:
Architectural analysis
for the KiK/Pakistan
case in Germany
◦ Todesfalle◦ Todesfalle
Fabrikgebäude
◦ Verletzung von
pakistanischem
Brandschutz
Theresa.Lankes@posteo.de Videoausschnitt aus https://youtu.be/aa9NcklW3_4 © Forensic Architecture VHS Hamm

6. Ali Enterprises Hauptkunde
◦ Produktion von KiKs
Eigenmarke okay
KiK seit 2007 Käufer◦ KiK seit 2007 Käufer
von mindst. 65 Prozent
◦ KiK ist „textiler
Grundversorger“ mit
über 2.500 Filialen in
Deutschland
Theresa.Lankes@posteo.de Foto: Ausschnitt einer Kinderjeans von KiK © KiK VHS Hamm

7. Was sind Menschenrechte?
 Universell
 Unteilbar
Grafik: © cristianaziraldo.altervista.org
Unteilbar
 Verflochten
Theresa.Lankes@posteo.de VHS Hamm

8. Schwere (Un-)UmkehrbarkeitAnzahl
Müssen Unternehmen
Menschenrechte beachten?
Schwere (Un-)UmkehrbarkeitAnzahl
Betroffener
Grafiken: © UNGP ReportingTheresa.Lankes@posteo.de VHS Hamm

9. Klage gegen KiK Textilien und
Non-Food GmbH
UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sind der
gemeinsame Nenner einer globalen Analyse
Internationale Regeln müssen in nationale und
lokale Regeln „übersetzt“ werden
Theresa.Lankes@posteo.de Fotos: © Google Maps
lokale Regeln „übersetzt“ werden
VHS Hamm

10. Erfolgreiche Klagen in Pakistan
In der Ali Enterprises Factory Fire Affectees Association
• unterstützen sich über 200 Betroffene gegenseitig,
• demonstrieren für sicherere Arbeitsplätze und
• verklagen erfolgreich den pakistanischen Staat auf
Entschädigungs- und Pensionsansprüche
Theresa.Lankes@posteo.de
Eigentümer von Ali Enterprises und pakistanische
Sozialversicherung zahlen c. 700.000 US-Dollar in den neuen
Ali Enterprises Pension Scheme Entschädigungsfond ein
VHS Hamm

11. Muss KiK haften für Sicherheit
und Feuerschutz?
Abdul Aziz
Khan Yousuf
Zai, Vater
Muhammad Hanif,
Überlebender
Theresa.Lankes@posteo.de Fotos: © ECCHR
Saeeda
Khatoon,
Mutter
Muhammad
Jabbir, Vater
VHS Hamm

12. Klage gegen KiK in Deutschland
13.03.
2015
30.08.
2016
Anwalt Dr. Klinger reicht Klage gegen KiK bei der 7.
Zivilkammer vor dem Landgericht Dortmund ein
Landgericht Dortmund: Übernahme der Prozesskosten
Theresa.Lankes@posteo.de
2016
In außergerichtlichen Verfahren mit der Internationalen
Arbeitsorganisation und Kampagne für Saubere Kleidung:
KiK sagt Zahlung von über 5,15 Millionen US-Dollar zu
10.09.
2016
KiK: keine juristische Verantwortung für Beachtung des
Brandschutzes!
VHS Hamm

13. Ist die Klage gegen KiK verjährt?
Februar
2018
Landgericht Dortmund beauftragt Rechtsgutachter Ken
Oliphant, University of Bristol
2017
Gericht lehnt Berücksichtigung des Videos von Forensic
Architecture ab
Theresa.Lankes@posteo.de
2018
Rechtsgutachten von Prof. Dr. Oliphant: „Nach
allgemeinem pakistanischen Recht ist die Klage verjährt.“
Architecture ab
Mai
2018
Ali Enterprises Pension Scheme funktioniert: Betroffene
erhalten Geld von KiK als monatliche Rente
Mai
2018
VHS Hamm

14. Ausgang der Klage
10.01.
2019
Erste öffentliche Anhörung
19.11.
2018
Landgericht Dortmund erklärt Klage für verjährt und
Kläger*innen müssen Kosten für KiK tragen
Theresa.Lankes@posteo.de
2019
Kläger*innen beantragen Übernahme der Prozesskosten
beim Oberlandesgericht Hamm
Kläger*innen müssen Kosten für KiK tragen
Februar
2019
Foto: © AP VHS Hamm
Oberlandesgericht Hamm bestätigt Einschätzung des
Landgerichts Dortmund
21.05.
2019

15. Verfahrensende ohne
Antworten
Prozesstechnische Fragen
◦ Verjährung tritt in Pakistan
nach spätestens 2 Jahren ein
◦ Verjährung tritt in Deutsch-
land nach 3 Jahren ein
Sachliche Fragen
◦ Vom Landgericht Dortmund
nicht diskutiert, aber
mangelnde Rechtsnorm
angenommenland nach 3 Jahren ein
◦ Hätten pakistanische
Ausnahmeregeln beachtet
werden müssen?
◦ Was ist mit dem
Verjährungsverzicht zwischen
KiK und den Kläger*innen?
angenommen
◦ Unterstützerinnen der
Kläger*innen: KiK flüchtet sich
vor Sachfragen in die
Verjährung
Theresa.Lankes@posteo.de VHS Hamm

16. Erfolge
◦ Kein „forum non conveniens“ – Landgericht Dortmund lässt Klage zu
◦ Prozesskosten komplett übernommen vom Landgericht Dortmund
◦ Ali Enterprises Pension Scheme funktioniert – monatliches
Rentensystem sichert Überleben von Erwerbsunfähigen und FamilienRentensystem sichert Überleben von Erwerbsunfähigen und Familien
Theresa.Lankes@posteo.de VHS Hamm

17. Was haben KiK und GEPA
gemeinsam?gemeinsam?
Theresa.Lankes@posteo.de VHS Hamm

18. Unsere Möglichkeiten
Schwarz-weiß Denken loslassen
 Verständnis für Mitmenschen
 Vorleben statt Bevormunden
Theresa.Lankes@posteo.de
 Vorleben statt Bevormunden
 Erfolge suchen, finden und feiern
Grafik: © cristianaziraldo.altervista.org VHS Hamm

19. Unsere Möglichkeiten
Bewusst Einkaufen mit Apps:
 Siegelklarheit vom BMZ
Gebrauchte Kleidung
kaufen:kaufen:
 bit.ly/NachhaltigeSecondHand
Theresa.Lankes@posteo.de Foto: © Kyle Schrauwen; https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/ VHS Hamm

20. Möglichkeit für Deutschland
Theresa.Lankes@posteo.de Foto: © FairbyLaw
Unternehmerische Sorgfaltspflicht per Gesetz! #fairbylaw
bit.ly/fairbylaw
VHS Hamm

21. Wie bleiben wir in Kontakt?
◦ Vortragspräsentation auf:
slideshare.net/TheresaLankes
◦ Leserbrief: bit.ly/CSRistgenug
◦ Interview:
weltkirche.katholisch.de/Aktuel
Lektüre
weltkirche.katholisch.de/Aktuel
les/20170927_Wirtschaftsjuristin_
Es_kommt_Bewegung_in_die_T
extilindustrie
◦ Kurze Texte:
bizolutioners.wordpress.com/
◦ Theorie:
papers.ssrn.com/sol3/papers.cf
m?abstract_id=2601814
◦ Theresa.Lankes@Posteo.de
◦ facebook.com/Unternehmen.
undMenschenrechte/
◦ speakerinnen.org/de/profiles/
theresa-lankes
Theresa.Lankes@posteo.de Fotos: © Matthias Ripp; https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/ VHS Hamm

22. Welche Fragen sind offen?
Fragen zum Fall?
◦ Wie ist der Brand passiert? Ist
das (nicht) wichtig?
Fragen zum Handeln?
◦ Muss ich ein schlechtes
Gewissen bekommen, weil
ich gerne shoppe?
◦ Wie ist es juristisch möglich,
dass Pakistaner*innen in
Deutschland klagen?
◦ Brauchen wir in Deutschland
ein Unternehmensstrafrecht?
ich gerne shoppe?
◦ Muss ich ein schlechtes
Gewissen bekommen, weil
ich wenig Geld ausgeben
kann?
◦ Ist es zu wenig, wenn ich nur
Secondhand kaufe?
Theresa.Lankes@posteo.de VHS Hamm

23. Möglichkeit für Bangladesch
Theresa.Lankes@posteo.de Foto: © Kristof Vadino
Verlängerung des Gesetzes mit wirksamen Umsetzungsmechanis-
men für Gebäudesicherheit in Bangladesch:
bit.ly/sichereGebäude
VHS Hamm

24. Möglichkeit für Bangladesch (und
tolle T-Shirts)
Theresa.Lankes@posteo.de Foto: © dna merch
Spendenkampagne zur Finanzierung von Anwälten für inhaftierte
Arbeiter*innen in Bangladesch; bit.ly/SpendefürAnwälte
VHS Hamm

25. Ursache des Brands
◦ Schutzgelderpressung und terroristische Motivation
◦ Verhandlungen in Pakistan 2015 wieder eröffnet
◦ Ende September 2019 Urteil erwartet
Aktuelle Informationen:
https://www.dawn.com
Theresa Lankes Foto: Ali Enterprises Fabrik 12.09.2012 © DPA VHS Hamm

26. Strafrecht für Unternehmen?
Aktueller Stand
◦ Unternehmen müssen nicht
haftbar gemacht werden, s.
Opportunitätsprinzip
◦ Im Kriminalstrafrecht gilt Verfol-
gungszwang (§ 152 II StPO)
Theresa Lankes
gungszwang (§ 152 II StPO)
◦ OWiG einzige Möglichkeit, für
Unternehmenshaftung mit
Maximalstrafe von10 Mio Euro
◦ Jahrzehnte alte Diskussion über
Unternehmensstrafrechts
◦ Trend zur Verantwortung
deutscher Unternehmen für
ihre internationale Lieferketten
VHS Hamm

27. Strafrecht für Unternehmen?
Koalitionsvertrag, S. 124:
 klaren Regelungsauftrag
 Vermeidung des Worts „Strafrecht“ – Fokus auf Sanktionen
 Sensibilität für öffentliche Aufmerksamkeit
Theresa Lankes VHS Hamm

28. Opportunitätsprinzip
Ordnungswidrigkeitengesetz § 47
Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten
(1) Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten liegt im
pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde. Solange das
Verfahren bei ihr anhängig ist, kann sie es einstellen.
(2) Ist das Verfahren bei Gericht anhängig und hält dieses eine
Theresa Lankes
(2) Ist das Verfahren bei Gericht anhängig und hält dieses eine
Ahndung nicht für geboten, so kann es das Verfahren mit Zu-
stimmung der Staatsanwaltschaft in jeder Lage einstellen. Die
Zustimmung ist nicht erforderlich, wenn durch den Bußgeld-
bescheid eine Geldbuße bis zu einhundert Euro verhängt worden
ist und die Staatsanwaltschaft erklärt hat, sie nehme an der
Hauptverhandlung nicht teil. Der Beschluß ist nicht anfechtbar.
(3) Die Einstellung des Verfahrens darf nicht von der Zahlung eines
Geldbetrages an eine gemeinnützige Einrichtung oder sonstige
Stelle abhängig gemacht oder damit in Zusammenhang
gebracht werden.
VHS Hamm

29. Kreativer Regelgehorsam
 Arbeitnehmerüberlassungen
 Zuliefererverträge
 Schwarzarbeit
 Zwangsarbeit
 Menschenhandel u.v.m.
Fotos: © Peter Harlow; https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/Theresa.Lankes@posteo.de VHS Hamm

30. Internationale Arbeitsorganisation
◦ Ziel dieser Sonderorganisation der Vereinten Nationen: bessere
Arbeitsbedingungen und Schutz der Menschenrechte
◦ Mittel: Formulierung und Durchsetzung internationaler Arbeits- und
Sozialstandards
◦ Mitglieder: Arbeitgebervertretungen, Gewerkschaften und Regier-
Grafik: © ilo.orgTheresa.Lankes@posteo.de
◦ Mitglieder: Arbeitgebervertretungen, Gewerkschaften und Regier-
ungsvertreter haben alle eine Stimme und entscheiden zusammen
VHS Hamm

31. Fair Wear Foundation
◦ Ziel: Arbeitsbedingungen in der
Textilindustrie verbessern
◦ Mitglieder: über 80 Mitgliedsunternehmen
aus 10 europäischen Ländern, vertreten
mehr als 130 Marken und verkaufen ihre
Grafik: © Fair Wear FoundationTheresa.Lankes@posteo.de
mehr als 130 Marken und verkaufen ihre
Produkte in mehr als 20.000 Einzelhandels-
niederlassungen in über 80 Ländern
◦ Beteiligte: Gewerkschaften, NGOs, Fabriken,
Unternehmensverbänden und Regierungen
◦ Auditoren werden aus einem gemeinsamen
Geldtopf bezahlt
◦ Fabrikkontrollen beinhalten Interviews mit
Arbeiter*innen
VHS Hamm

32. Unsere Möglichkeiten
Bewusst Einkaufen mit Apps:
 Siegelklarheit vom BMZ
Gebrauchte Kleidung kaufen:
 bit.ly/NachhaltigeSecondHand bit.ly/NachhaltigeSecondHand
Theresa.Lankes@posteo.de Foto: © Kyle Schrauwen; https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/ VHS Hamm

33. Beispiel: Marikana, Südafrika
Platinminen-
betreiber:
16. August 2012, Marikana: 34 streikende
Minenarbeiter von der Polizei erschossen
betreiber:
LONMIN
Hauptkäufer:
BASF
 https://basflonmin.wordpress.com/
Theresa.Lankes@posteo.de VHS Hamm

34. Beispiel: Shell
Ogale, Nigeria
© Leigh Day
Wesseling, Köln
Fotos: © Shell (links) © Leigh Day (rechts)Theresa.Lankes@posteo.de VHS Hamm

35. Beispiel: VW
Weltweit (vor allem
Europa) elf Millionen
manipulierte Autos
USA: Zivilklage durch
Umweltaufsicht +Umweltaufsicht +
Aktionärsklagen
Deutschland: seit
Januar 2016 stetiger
Rückruf von Autos +
Aktionärsklagen
Fotos: © Simon Dawson/Bloomberg/Getty ImagesTheresa.Lankes@posteo.de VHS Hamm