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1 Jahr DSGVO –
Praxiserfahrungen und Evaluation
Stephan Schmidt | Fachanwalt für IT-Recht / Datenschutzbeauftragter / CIPP-E
Stuttgart | 28. Juni 2019
Belastung für (kleinere) Unternehmen
• den Verantwortlichen treffen fast 70 Pflichten, die mehr oder
weniger unabhängig von der Größe des Unternehmens sind
• der risikobasierte Ansatz der DSGVO wird damit in weiten Teilen der
Regelungen praktisch aufgegeben
• Umsetzung ist mit hohen Kosten verbunden – insbesondere auch,
weil viele Vorgaben unklar und auslegungsbedürftig sind
• praktische Anleitungen zur Handhabung der Regelungen fehlen
• Wünschenswert wären europaweit einheitliche Regelungen zum
Beschäftigtendatenschutz
© RA Stephan Schmidt | TCI Rechtsanwälte 2019 2
Informationspflichten
Mehrebenen-Ansatz und Medienbruch
• es muss über 14 einzelne „Punkte“ „leicht zugänglich“ informiert werden –
und das gilt nur dann, wenn man alle Betroffenenrechte als einen Punkt zählt und
die Daten direkt beim Betroffen erhoben werden
• Datenschutzerklärungen von Webseiten (bei Schriftart Arial und Schriftgröße 12)
• IHK Stuttgart – 16 Seiten (34.022 Zeichen)
• LfDI Baden-Württemberg – 32 Seiten (48.575 Zeichen) (umfasst aber nicht nur die Webseite)
• Google – 32 Seiten (51.282 Zeichen)
• Bild.de – 40 Seiten (122.819 Zeichen)
• Wünschenswert wäre Klarstellung, dass Mehrebenen-Ansatz und Medienbruch zulässig sind
• Gemäß Art. 12 Abs. 7 DSGVO können die gebotenen Informationen mit standardisierten
Bildsymbolen kombiniert werden
• Wünschenswert wäre Klarstellung, dass „kombiniert“ in Art 12 DSGVO in den Fällen
„ersetzen“ meint, in denen ein Ersetzen möglich ist
© RA Stephan Schmidt | TCI Rechtsanwälte 2019 3
Informationspflichten
Fehlende Ausnahmen
• Art. 13 DSGVO ist insgesamt nicht ausgewogen
• extensiv ausgelegte Informationspflichten führen zu einer Verletzung
anderer Grundrechte der Grundrechtecharta der EU
• Zweifel, ob die in den §§ 32 und 33 BDSG vorgesehenen Beschränkungen
der Informationspflichten nach Art. 23 DSGVO zulässig sind
• Wünschenswert wären (weitere) ausdrückliche Ausnahmeregelungen, z.B.:
• für die Datenverarbeitung zu privilegierten Zwecken
• zugunsten Unternehmen, deren Datenverarbeitung nicht Zweck der
Geschäftstätigkeit ist
• zugunsten der Geheimhaltungsinteressen des Verantwortlichen und
• bei Unverhältnismäßigkeit
• Art. 14 DSGVO schränkt Datenverarbeitung bei öffentlich zugänglichen
Quellen unverhältnismäßig ein („chilling effect“)
© RA Stephan Schmidt | TCI Rechtsanwälte 2019 4
Informationspflichten
Angabe von Empfängern
• Nach dem Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 lit. e) DSGVO sind „gegebenenfalls
die Empfänger oder Kategorien von Empfängern“ anzugeben
• Regelung wird von h.M. dahingehend verstanden, dass konkreter Empfänger
zu benennen ist, wenn dieser bei der Datenerhebung bereits absehbar ist
• Problem für „Whitelabel-Lösungen“ bei der Auftragsverarbeitung
• Anbieter/Auftragsverarbeiter ist Empfänger von Daten und daher zu benennen
• Kunde wird auf Zulieferer/Auftragsverarbeiter hingewiesen und eine
wirtschaftsfreundliche Lösung dadurch erschwert / unmöglich gemacht
• der Betroffene ist ausreichend durch das Auskunftsrecht geschützt
• Wünschenswert wäre Klarstellung, dass selbst dann eine Angabe einer
Kategorie von Empfängern ausreichend ist, wenn der Verantwortliche den/die
Empfänger konkret kennt
© RA Stephan Schmidt | TCI Rechtsanwälte 2019 5
Auftragsverarbeitung
• DSGVO erstreckt Vorgaben für Auftragsverarbeitungen auf die Mehrzahl
internationaler Auftragsverarbeitungen mit EU-Bezug
• daher in der Praxis oft Auftragsverarbeitung + Standardvertragsklauseln
• wobei Muster nach Art. 46 Abs. 2 lit. d DSGVO immer noch fehlen
• unklar, wie mit Widersprüchen umgegangen werden soll
• Anforderungen sind für Cloud Computing Anbieter kaum umzusetzen
• zweifelhaft, ob den Anforderungen aus Art. 28 DSGVO künftig im Wege von
Verhaltensregeln (Art. 40 DSGVO) und Zertifizierungen (Art. 42 DSGVO)
entsprochen werden kann
• die Folge ist das Risiko für Anbieter und Modelle, dass Verarbeitung als
fehlerhafte Auftragsverarbeitung im Fall unerkannter
Funktionsübertragung qualifiziert wird (Bußgeldrisiko)
• führt zu einer parallelen Verantwortlichkeit, die nach Maßgabe von Art. 26
DSGVO zu behandeln wäre © RA Stephan Schmidt | TCI Rechtsanwälte 2019 6
Gemeinsame Verantwortlichkeit
• Betrifft viele Geschäftsmodelle in der digitalen Ökonomie, bei denen
Unternehmen kooperieren und über Onlineplattformen Informationen
austauschen
• bereits in der Datenschutzrichtlinie aus dem Jahr 1995 angelegt
• erheblicher Unterschied im Detailierungsgrad zu Art. 28 DSGVO nicht zu
erklären
• Nichtabschluss einer den Anforderungen des Art. 26 DSGVO genügenden
Vereinbarung zwischen den gemeinsam Verantwortlichen ist mit einem
erheblichen Bußgeld bedroht
• Wünschenswert wäre eine dem Art. 28 DSGVO im Detailgrad vergleichbare
Regelung, die für Verantwortliche mehr Sicherheit bringt
© RA Stephan Schmidt | TCI Rechtsanwälte 2019 7
Vielen Dank!
© RA Stephan Schmidt | TCI Rechtsanwälte 2019 8
Rechtsanwalt Stephan Schmidt
Fachanwalt für Informationstechnologierecht
Datenschutzbeauftragter | CIPP/E
TCI Rechtsanwälte
Isaac-Fulda-Allee 5
D-55124 Mainz
Telefon: +49 - (0) 6131 - 302 90 460
Telefax: +49 - (0) 6131 - 302 90 466
E-Mail: sschmidt@tcilaw.de
Internet: www.tcilaw.de
Twitter: @stephanschmidt

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1. Jahr DSGVO - Anregungen zur Evaluation

  • 1. 1 Jahr DSGVO – Praxiserfahrungen und Evaluation Stephan Schmidt | Fachanwalt für IT-Recht / Datenschutzbeauftragter / CIPP-E Stuttgart | 28. Juni 2019
  • 2. Belastung für (kleinere) Unternehmen • den Verantwortlichen treffen fast 70 Pflichten, die mehr oder weniger unabhängig von der Größe des Unternehmens sind • der risikobasierte Ansatz der DSGVO wird damit in weiten Teilen der Regelungen praktisch aufgegeben • Umsetzung ist mit hohen Kosten verbunden – insbesondere auch, weil viele Vorgaben unklar und auslegungsbedürftig sind • praktische Anleitungen zur Handhabung der Regelungen fehlen • Wünschenswert wären europaweit einheitliche Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz © RA Stephan Schmidt | TCI Rechtsanwälte 2019 2
  • 3. Informationspflichten Mehrebenen-Ansatz und Medienbruch • es muss über 14 einzelne „Punkte“ „leicht zugänglich“ informiert werden – und das gilt nur dann, wenn man alle Betroffenenrechte als einen Punkt zählt und die Daten direkt beim Betroffen erhoben werden • Datenschutzerklärungen von Webseiten (bei Schriftart Arial und Schriftgröße 12) • IHK Stuttgart – 16 Seiten (34.022 Zeichen) • LfDI Baden-Württemberg – 32 Seiten (48.575 Zeichen) (umfasst aber nicht nur die Webseite) • Google – 32 Seiten (51.282 Zeichen) • Bild.de – 40 Seiten (122.819 Zeichen) • Wünschenswert wäre Klarstellung, dass Mehrebenen-Ansatz und Medienbruch zulässig sind • Gemäß Art. 12 Abs. 7 DSGVO können die gebotenen Informationen mit standardisierten Bildsymbolen kombiniert werden • Wünschenswert wäre Klarstellung, dass „kombiniert“ in Art 12 DSGVO in den Fällen „ersetzen“ meint, in denen ein Ersetzen möglich ist © RA Stephan Schmidt | TCI Rechtsanwälte 2019 3
  • 4. Informationspflichten Fehlende Ausnahmen • Art. 13 DSGVO ist insgesamt nicht ausgewogen • extensiv ausgelegte Informationspflichten führen zu einer Verletzung anderer Grundrechte der Grundrechtecharta der EU • Zweifel, ob die in den §§ 32 und 33 BDSG vorgesehenen Beschränkungen der Informationspflichten nach Art. 23 DSGVO zulässig sind • Wünschenswert wären (weitere) ausdrückliche Ausnahmeregelungen, z.B.: • für die Datenverarbeitung zu privilegierten Zwecken • zugunsten Unternehmen, deren Datenverarbeitung nicht Zweck der Geschäftstätigkeit ist • zugunsten der Geheimhaltungsinteressen des Verantwortlichen und • bei Unverhältnismäßigkeit • Art. 14 DSGVO schränkt Datenverarbeitung bei öffentlich zugänglichen Quellen unverhältnismäßig ein („chilling effect“) © RA Stephan Schmidt | TCI Rechtsanwälte 2019 4
  • 5. Informationspflichten Angabe von Empfängern • Nach dem Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 lit. e) DSGVO sind „gegebenenfalls die Empfänger oder Kategorien von Empfängern“ anzugeben • Regelung wird von h.M. dahingehend verstanden, dass konkreter Empfänger zu benennen ist, wenn dieser bei der Datenerhebung bereits absehbar ist • Problem für „Whitelabel-Lösungen“ bei der Auftragsverarbeitung • Anbieter/Auftragsverarbeiter ist Empfänger von Daten und daher zu benennen • Kunde wird auf Zulieferer/Auftragsverarbeiter hingewiesen und eine wirtschaftsfreundliche Lösung dadurch erschwert / unmöglich gemacht • der Betroffene ist ausreichend durch das Auskunftsrecht geschützt • Wünschenswert wäre Klarstellung, dass selbst dann eine Angabe einer Kategorie von Empfängern ausreichend ist, wenn der Verantwortliche den/die Empfänger konkret kennt © RA Stephan Schmidt | TCI Rechtsanwälte 2019 5
  • 6. Auftragsverarbeitung • DSGVO erstreckt Vorgaben für Auftragsverarbeitungen auf die Mehrzahl internationaler Auftragsverarbeitungen mit EU-Bezug • daher in der Praxis oft Auftragsverarbeitung + Standardvertragsklauseln • wobei Muster nach Art. 46 Abs. 2 lit. d DSGVO immer noch fehlen • unklar, wie mit Widersprüchen umgegangen werden soll • Anforderungen sind für Cloud Computing Anbieter kaum umzusetzen • zweifelhaft, ob den Anforderungen aus Art. 28 DSGVO künftig im Wege von Verhaltensregeln (Art. 40 DSGVO) und Zertifizierungen (Art. 42 DSGVO) entsprochen werden kann • die Folge ist das Risiko für Anbieter und Modelle, dass Verarbeitung als fehlerhafte Auftragsverarbeitung im Fall unerkannter Funktionsübertragung qualifiziert wird (Bußgeldrisiko) • führt zu einer parallelen Verantwortlichkeit, die nach Maßgabe von Art. 26 DSGVO zu behandeln wäre © RA Stephan Schmidt | TCI Rechtsanwälte 2019 6
  • 7. Gemeinsame Verantwortlichkeit • Betrifft viele Geschäftsmodelle in der digitalen Ökonomie, bei denen Unternehmen kooperieren und über Onlineplattformen Informationen austauschen • bereits in der Datenschutzrichtlinie aus dem Jahr 1995 angelegt • erheblicher Unterschied im Detailierungsgrad zu Art. 28 DSGVO nicht zu erklären • Nichtabschluss einer den Anforderungen des Art. 26 DSGVO genügenden Vereinbarung zwischen den gemeinsam Verantwortlichen ist mit einem erheblichen Bußgeld bedroht • Wünschenswert wäre eine dem Art. 28 DSGVO im Detailgrad vergleichbare Regelung, die für Verantwortliche mehr Sicherheit bringt © RA Stephan Schmidt | TCI Rechtsanwälte 2019 7
  • 8. Vielen Dank! © RA Stephan Schmidt | TCI Rechtsanwälte 2019 8 Rechtsanwalt Stephan Schmidt Fachanwalt für Informationstechnologierecht Datenschutzbeauftragter | CIPP/E TCI Rechtsanwälte Isaac-Fulda-Allee 5 D-55124 Mainz Telefon: +49 - (0) 6131 - 302 90 460 Telefax: +49 - (0) 6131 - 302 90 466 E-Mail: sschmidt@tcilaw.de Internet: www.tcilaw.de Twitter: @stephanschmidt