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  —	
  Lehrbuch	
  für	
  Lernen	
  und	
  Lehren	
  mit	
  Technologien	
  (L3T)


                                                                                       Neben den zuvor skizzierten Grundaussagen wird
1. Das	
  Konzept	
  einer	
  „Netzgenera3on“	
  –	
  zentrale	
  Aus-­‐
                                                                                       das Bild der „Netzgeneration“ zudem noch mit
sagen	
  
                                                                                       meist positiven Zuschreibungen an die Kinder
Seit mehr als zehn Jahren wird von verschiedenen                                       und Jugendlichen auf der psychischen und sozialen
Autoren das Konzept einer „Netzgeneration“ ge-                                         Ebene dieser Generation verbunden. Tapscott (1997)
prägt (zum Beispiel Tapscott, 1997, Prensky, 2001,                                     beispielsweise beschreibt die Kinder der „Netzgene-
Paloff & Pratt, 2003, Oblinger & Oblinger, 2005).                                      ration“ als besonders neugierig und aufnahmefähig,
Weitere Autoren greifen das Konzept im Zusam-                                          offen gegenüber ethnischen Minoritäten und selbst-
menhang mit eigenen Ausführungen zustimmend auf                                        bewusster als frühere Generationen. Oblinger und
(für eine ausführlichere Übersicht Schulmeister, 2009,                                 Oblinger (2005) heben hervor, dass diese Kinder und
36f). Die Begrifflichkeiten und die Verwendung des                                     Jugendlichen schnelle Reaktionszeiten haben und
Konzepts sind im Detail unterschiedlich, allen ge-                                     diese auch von anderen erwarten, stärker visuell ori-
meinsam sind jedoch die folgenden Thesen:                                              entiert seien, Multitasking beherrschen würden, Inter-
▸ Die derzeit aufwachsenden Kinder und Jugend-                                         aktivität und Entdeckungen beim Lernen suchen.
   lichen haben ein weitgehend homogenes Medien-                                       Wiederum andere interpretieren die Konsequenzen
   nutzungsverhalten, das sich grundlegend von dem                                     des mediengeprägten Alltags weniger positiv und ver-
   der Generationen vor ihnen unterscheidet.                                           muten Aufmerksamkeitsstörungen und andere ne-
▸ Da sie in einer Zeit aufwachsen, die von einer                                       gative Auswirkungen (zum Beispiel Opaschowski,
   weiten Verbreitung und Nutzung von digitalen                                        1999).
   Technologien gekennzeichnet ist, gehen sie selbst-                                      Was ist nun dran am Bild der „Netzgeneration“?
   verständlich und kompetent mit den Technologien                                     Auf welcher empirischen Basis beruht das Konzept?
   um.                                                                                 Deckt es sich mit den Ergebnissen aktueller Studien
▸ Ihr Lernverhalten unterscheidet sich daher quali-                                    zum Mediennutzungsverhalten von Kindern und Ju-
   tativ von dem anderer Generationen und stellt                                       gendlichen? Die wissenschaftliche Debatte um den
   unser gesamtes Bildungssystem vor große Heraus-                                     Wahrheitsgehalt des Konzepts der „Netzgeneration“
   forderungen.                                                                        ist Gegenstand des folgenden Abschnitts.
                                                                                       2. Mythos	
  „Netzgenera3on“	
  –	
  zentrale	
  Kri3kpunkte	
  am
Am stärksten rezipiert wurde Marc Prensky (2001),
                                                                                       Konzept
der die Thesen der „Netzgeneration“ zusätzlich mit
dem plakativen Bild der „digitalen Eingeborenen“                                       Um das zentrale Ergebnis vorweg zu nehmen: die
(engl. „digital natives“) für die heutigen Kinder und                                  „Netzgeneration“ kann einer wissenschaftlichen
Jugendlichen bzw. den „digitalen Einwanderern“                                         Überprüfung nicht standhalten. Sie erweist sich bei
(engl. „digital immigrants“) für die – älteren – Er-                                   genauerer Betrachtung als unzulässige, stark über-
wachsenen belegt: Die „digitalen Eingeborenen“ be-                                     zeichnete Generalisierung der Eigenschaften ein-
wegten sich mühelos und kompetent wie „Mutter-                                         zelner Subgruppen heutiger Kinder und Jugendlicher
sprachler“ in einer digitalen Welt der Computer, Vi-                                   (Bennett et al., 2007). Die Kritik am Konzept der
deospiele und Internettechnologien. Die „digitalen                                     „Netzgeneration“ liegt dabei auf verschiedenen
Einwanderer“ hingegen, ohne Computer und In-                                           Ebenen. Im deutschsprachigen Raum hat sich Rolf
ternet aufgewachsen, würden zeitlebens „mit                                            Schulmeister (2009) mit einer mehrfach aktualisierten
Akzent“ sprechen, d.h. im Umgang mit den digitalen                                     Internet-Publikation detailliert der Kritik gewidmet.
Technologien immer Anpassungsschwierigkeiten                                           Im Wesentlichen werden folgende Punkte kritisiert
haben und weniger kompetent agieren. Zur Unterfüt-                                     (für eine detailliertere Darstellung der Kritikpunkte
terung seines Bildes beruft Prensky sich zusätzlich                                    Schulmeister, 2009):
auf neurobiologische Erkenntnisse, die vermeintlich
                                                                                       Empirische	
  Datengrundlage	
  fehlt	
  
ergeben hätten, dass Kinder und Jugendliche heute
Informationen komplett anders verarbeiten und ihr                                      Betrachtet man die empirische Basis der Kernaus-
Gehirn sich daher bereits auch physisch verändert                                      sagen des Konzepts der „Netzgeneration“, wird
habe.                                                                                  schnell deutlich, dass die Aussagen nicht gemäß wis-
   Dieses zugegebenermaßen wirkmächtige Bild ist                                       senschaftlicher Standards empirisch abgesichert sind.
besonders häufig in der mediendidaktischen Dis-                                        Die Beschreibungen basieren auf Einzelbeobach-
kussion als Argument genutzt worden, digitale Tech-                                    tungen und anekdotischer Evidenz, nutzen also
nologien, vor allem neue Webtechnologien, in Lehr-                                     grundsätzlich nur sehr kleine Fallzahlen und beziehen
und Lernsettings einzuführen.                                                          sich überwiegend auf die US-amerikanische weiße
Die	
  „Netzgenera>on“.	
  Empirische	
  Untersuchungen	
  zur	
  Mediennutzung	
  bei	
  Jugendlichen	
  —	
  3


Mittelschicht. Die Ergebnisse können daher in keiner                   zur Komplexität menschlichen Handelns allgemein
Weise als repräsentativ für eine ganze Alterskohorte                   und der Medienaneignung im Speziellen (auch Buck-
gesehen werden. Die Kernaussagen zur „Netzgene-                        ingham 2006).
ration“ sind daher vielmehr unzulässige Verallgemei-
nerungen.
                                                                                Das	
   Konzept	
   der	
   „Netzgenera>on“	
   hat	
   keine	
   empi-­‐
Jugendliches	
   Mediennutzungsverhalten	
   ist	
   differen-­‐
zierter	
  
                                                                          !     rische	
  Basis,	
  die	
  einer	
  wissenschaMlichen	
  Überprüfung
                                                                                stand	
   hält.	
   Das	
   Mediennutzungsverhalten	
   der	
   jün-­‐
                                                                                geren	
   Genera>on	
   ist	
   wesentlich	
   diverser,	
   als	
   es	
   das
Betrachtet man den Mediengebrauch und die Me-                                   Konzept	
  der	
  „Netzgenera>on“	
  nahe	
  legt.	
  In	
  der	
  Argu-­‐
dienkompetenz differenzierter, ergibt sich ein anderes                          menta>on	
  zur	
  Begründung	
  der	
  „Netzgenera>on“	
  wird
Bild: Die vermeintlich einheitliche „Netzgeneration“                            die	
  Komplexität	
  menschlichen	
  Handelns	
  unzulässig	
  re-­‐
                                                                                duziert:	
   es	
   scheint,	
   dass	
   Technologien	
   das	
   Handeln
zerfällt in vielfältige Subgruppen, die ganz unter-
                                                                                der	
   Menschen	
   einsei>g	
   bes>mmen	
   könnten.	
   Im	
   Ge-­‐
schiedliche Nutzungsgewohnheiten, Kenntnisse und                                gensatz	
   dazu	
   weiß	
   man	
   aber	
   aus	
   der	
   Sozialisa>onsfor-­‐
Kompetenzen haben. Außerdem hebt die weite allge-                               schung,	
   dass	
   zahlreiche	
   soziokulturelle	
   Faktoren	
   das
meine Verfügbarkeit digitaler Technologien nicht                                Mediennutzungsverhalten	
  beeinflussen	
  und	
  dass	
  Me-­‐
zwangsläufig soziale Unterschiede auf (zum Beispiel                             dienhandeln	
   immer	
   komplexes	
   soziales	
   Handeln	
   mit
BMBF, 2010; Livingstone & Haddon, 2009, Palfrey &                               Technologien	
  ist,	
  die	
  ihrerseits	
  sozial	
  konstruiert	
  sind.
Gasser, 2008). Aktuelle empirische Studien zum
Medien(nutzungs)verhalten zeigen komplexere Auf-                       3. Ergebnisse	
  empirischer	
  Studien	
  -­‐	
  ein	
  weitaus	
  diffe-­‐
                                                                       renzierteres	
  Bild	
  
teilungen und belegen Unterschiede in Zugang und
Nutzungsart in Abhängigkeit von soziokulturellen                       Hier sollen vier neuere, repräsentative Studien heran-
Parametern (zum Beispiel EU Kids Online, 2009;                         gezogen werden, um die Diversität innerhalb der Me-
JIM-Studie, 2009; ARD/ZDF-Onlinestudie, 2009;                          diennutzung unter den Jüngeren zu belegen: EU Kids
Treumann et al., 2007) Die in repräsentativen empiri-                  Online (2009), JIM-Studie (2009), ARD/ZDF-Onli-
schen Studien belegte Diversität des Medienhandelns,                   nestudie (2009) und die Studie zum Medienhandeln
der vorhandenen Kompetenzniveaus und der Nut-                          Jugendlicher von Treumann et al. (2007). Diese
zungsarten wird in Abschnitt 3 skizziert.                              Studien beleuchten unterschiedliche Aspekte zum
                                                                       Medienhandeln und Mediennutzungsverhalten, unter-
Argumenta3on	
  ist	
  von	
  technologischem	
  Determinismus
                                                                       scheiden sich in Anlage und Detailzielen und entspre-
durchzogen	
  
                                                                       chend auch in den Ergebnissen. Sie belegen aber
Die Verfechter der „Netzgeneration“, insbesondere                      dennoch deutlich, dass das Bild der „Netzgeneration“
Prensky (2001), argumentieren, dass die behaupteten                    mit der pauschalen Vermutung eines einheitlichen
Formen des Medienhandelns und der Eigenschaften                        und kompetenten Medienhandelns und einer eben-
der Kinder und Jugendlichen der „Netzgeneration“                       solchen Mediennutzung nicht aufrecht zu erhalten ist.
unmittelbar aus dem Vorhandensein der digitalen
                                                                       ARD/ZDF-­‐Onlinestudie	
  2009
Technologien und dem selbstverständlichen Umgang
damit resultieren. Hier scheint eine Argumentations-                   Die ARD/ZDF-Onlinestudie 2009 zeigt zwar, dass
figur des technologischen Determinismus auf: die                       sich das Mediennutzungsverhalten der unter 30-Jäh-
Technologien scheinen quasi unabhängig von den                         rigen stark vom dem der darüber liegenden Alters-
handelnden Subjekten eine Kraft und eigenmächtige                      gruppen unterscheidet, aber dass die Gruppe der
Wirkung auf die Mitglieder der sogenannten „Netz-                      Unter-30-Jährigen dennoch mindestens in zwei ver-
generation“ zu entfalten. Dass Mediennutzung immer                     schiedene Subgruppen zerfällt: Unter Rückgriff auf
soziales Handeln ist, das von verschiedenen soziokul-                  die Mediennutzertypologie der MNT-Justierungs-
turellen Faktoren beeinflusst wird und in einem kom-                   studie 2006 werden die Subgruppen „Junge Wilde“
plexen Zusammenspiel von Subjekt und Techno-                           und „Zielstrebige Trendsetter“ unterschieden, deren
logien entsteht, wird ignoriert. Damit werden alle Er-                 Medienhandeln in zahlreichen Bereichen Differenzen
kenntnisse zu Sozialisationsprozessen einerseits und                   aufweist. Diese können durch verschiedene Be-
zur sozialen Konstruiertheit von Technologien ande-                    dürfnis- und Interessenlagen, Bildungsniveaus und le-
rerseits nicht berücksichtigt. Technologien scheinen                   bensweltliche Rahmenbedingungen erklärt werden
menschliches Handeln eindimensional zu bestimmen.                      (Oehmichen & Schröter 2009). Es zeigen sich deut-
Dieser Determinismus steht im krassen Widerspruch                      liche inhaltliche Unterschiede bei der Nutzung von
                                                                       Online-Informationsangeboten (zum Beispiel Nach-
                                                                       richtendienste: „Zielstrebige Trendsetter“ 51 % ge-
4	
  —	
  Lehrbuch	
  für	
  Lernen	
  und	
  Lehren	
  mit	
  Technologien	
  (L3T)



     Abbildung	
  1:	
  Anteil	
  der	
  Internetnutzer/innen	
  unter	
  den	
  6-­‐	
  bis	
  17-­‐Jährigen	
  in	
  der	
  EU
     Quelle:	
  Eurobarometer	
  2005,	
  2008	
  nach	
  Livingstone	
  &	
  Haddon,	
  2009,	
  Sec.	
  1,	
  S.	
  6




     Abbildung	
  2:	
  Inhaltliche	
  Verteilung	
  der	
  Internetnutzung	
  von	
  12-­‐	
  bis	
  19-­‐Jährigen	
  in	
  Deutschland	
  in	
  Prozent	
  (N=1.173)
     Quelle:	
  JIM-­‐Studie	
  2009	
  nach	
  Medienpädagogischer	
  Forschungsverbund	
  Südwest	
  (2009,	
  35)




     Abbildung	
  3:	
  Aktive	
  Nutzung	
  von	
  Onlineanwendungen	
  von	
  Internetnutzern	
  ab	
  14	
  Jahre	
  in	
  Deutschland	
  
     Quelle:	
  ARD/ZDF-­‐Onlinestudie	
  2009	
  nach	
  Oehmichen	
  &	
  Schröter	
  (2009,	
  448)




genüber „Junge Wilden“ 37%), aber auch Diffe-                                                       setters gegenüber. Zugespitzt könnte man dem eher
renzen bei der aktiven Nutzung bestimmter Online-                                                   passiv-konsumistischen Mediennutzungsstil der
Anwendungen wie zum Beispiel beruflicher Netz-                                                      Jungen Wilden einen aktiveren, Mitgestaltung ein-
werke (Abb. 3).                                                                                     schließenden Stil der Zielstrebigen Trendsetter ge-
   Oehmichen und Schroeter (2009, 449) fassen die                                                   genüber stellen“.
Unterschiede zwischen den Gruppierungen auf der
                                                                                                    JIM-­‐Studie	
  2009	
  
Basis der ARD/ZDF-Onlinestudie wie folgt zu-
sammen: „Dem eher bildmedien-, spaß- und unter-                                                     Auch die JIM-Studie zeigt im Bereich von Computer-
haltungsorientierten Typus des Jungen Wilden steht                                                  und Internetnutzung ein differenziertes Gesamtbild:
der rationaler gestimmte, erheblich breiter interes-                                                Alter, Geschlecht und Bildungsgrad führen zu Unter-
sierte MedienNutzerTyp des Zielstrebigen Trend-
Die	
  „Netzgenera>on“.	
  Empirische	
  Untersuchungen	
  zur	
  Mediennutzung	
  bei	
  Jugendlichen	
  —	
  5


schieden im Nutzungsverhalten. Zum einen variiert                              4. Konsequenzen	
  für	
  das	
  Lehren	
  und	
  Lernen	
  mit	
  Tech-­‐
die Ausstattung bzw. der Zugang der Jugendlichen                               nologien	
  -­‐	
  Diversität	
  unterstützen	
  
leicht je nach Bildungsniveau und Geschlecht:                                  Das Bild der „Netzgeneration“ wurde zahlreich als
    Unterscheidet man zum Beispiel den Hauptzweck                              Begründung für neue Lehr- und Lernsettings mit
der jugendlichen Internetnutzung, zeigen sich klare                            Technologien genutzt. Was bedeutet die Erkenntnis,
Differenzen zwischen Mädchen und Jungen: „Jungen                               dass die generalisierende Annahme einer einheitlich
und junge Männer verwenden jede vierte Minute im                               kompetenten jüngeren Mediennutzergeneration nicht
Internet auf Spiele, bei den Mädchen und jungen                                der Realität entspricht, nun für das Lernen und
Frauen ist es nur jede zwölfte. Dafür fällt bei den                            Lehren mit Technologien? Entfällt die Herausfor-
weiblichen Internetnutzern der kommunikative                                   derung für das Bildungssystem? Die Antwort ist ein-
Anteil der Onlinenutzung um zehn Prozentpunkte                                 deutig: Nein, die Herausforderung ist nur anders ge-
höher aus“ (Medienpädagogischer Forschungs-                                    lagert. Sie besteht nicht wie Prensky und andere argu-
verbund Südwest, 2009, 33)                                                     mentieren, in der Notwendigkeit digitale Medien in
                                                                               Lern- und Lehrarrangements zu integrieren, um den
EU	
  Kids	
  Online	
  2009	
  
                                                                               medienkompetenten Jugendlichen passende Lehran-
In der Studie EU Kids Online 2009 (Livingstone &                               gebote zu machen. Sie besteht vielmehr darin, die Di-
Haddon, 2009) werden die Internetnutzung sowie die                             versität der Kinder und Jugendlichen auch in puncto
dadurch entstehenden Risiken für Kinder und Ju-                                Mediennutzung anzuerkennen und die unterschied-
gendliche europaweit verglichen. Hier zeigen sich                              lichen Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht, sozio-
einmal erhebliche Unterschiede zwischen den ein-                               ökonomischer Status sowie Medienpräferenzen und
zelnen Ländern, zum Beispiel in der Anzahl der In-                             vorhandene Medienkompetenzen in ihren unter-
ternetnutzenden unter den 6- bis 17-Jährigen (siehe                            schiedlichen Ausprägungen bei der Einführung von
Abb. 1).                                                                       Technologien in Unterricht und Lehre hinreichend zu
   Zusätzlich wurden zahlreiche Ungleichheiten in                              berücksichtigen und so passgenaue Angebote zu ent-
Abhängigkeit von Alter, Geschlecht und sozioökono-                             wickeln. Für Jugendliche, die von Exklusion in der
mischem Status festgestellt (vgl. auch Zimic, 2009).                           Mediengesellschaft bedroht sind, gilt es zusätzlich ge-
                                                                               eignete Fördersysteme zu entwickeln (BMBF, 2010).
Studie	
  zum	
  Medienhandeln	
  Jugendlicher	
  von	
  Treumann
et	
  al.	
  (2007)
Auch diese Studie zum Medienhandeln kommt zu                                            Diverse	
   empirische	
   Studien	
   zum	
   Mediennutzungsver-­‐
einem ausdifferenzierten Gesamtbild: Generalisie-                                 !     halten	
   von	
   Kindern	
   und	
   Jugendlichen	
   belegen	
   eine
                                                                                        hohe	
  Mediennutzung	
  und	
  ebenso	
  einen	
  weit	
  verbrei-­‐
rungen auf eine ganze Alterskohorte sind nach dieser                                    teten	
   Umgang	
   mit	
   verschiedenen	
   Internetdiensten
Studie ebenfalls nicht angebracht, Kompetenzen und                                      unter	
  Kindern	
  und	
  Jugendlichen.	
  Sie	
  zeigen	
  aber	
  auch
Qualifikationen im Medienhandeln variieren er-                                          erhebliche	
   Unterschiede	
   in	
   Nutzung	
   und	
   Gebrauch
heblich. Die Studie legt das Medienkompetenzmodell                                      auf:	
   Soziodemographische	
   Daten	
   wie	
   Geschlecht,	
   Bil-­‐
von Dieter Baacke (1999) mit den Komponenten Me-                                        dungsabschluss,	
   Einkommen	
   beeinflussen	
   Art	
   und
                                                                                        Zweck	
   der	
   Nutzung	
   von	
   Medien	
   und	
   speziell	
   des	
   In-­‐
dienkunde, Mediennutzung, Medienkritik und Me-
                                                                                        ternets.	
   Eine	
   einheitliche	
   „Netzgenera>on“	
   belegen
diengestaltung zugrunde, wobei die Studie sich nicht                                    sie	
  eindeu>g	
  nicht.
auf Computer- oder Internettechnologien be-
schränkt, sondern klassische wie digitale Medien ein-                          5. Zusammenfassung	
  der	
  zentralen	
  Erkenntnisse	
  
bezieht. Die Unterschiede kommen u.a. in einer Ty-
pologie zum Ausdruck, die sieben verschiedene                                  Abschließend noch einmal eine Zusammenfassung
Typen beinhaltet. Diese unterschieden sich hin-                                zentraler Erkenntnisse dieses Kapitels.
sichtlich ihrer Medienpräferenzen, ihrer Medienkom-                            ▸ Zahlreiche Autor/innen behaupten, dass eine
petenz in den verschiedenen Bereichen des Medien-                                 jüngere Alterskohorte existiere, deren Mediennut-
kompetenzmodells sowie ihren Nutzungsmotiven.                                     zungsverhalten weitgehend einheitlich und unbe-
Die Studie wählt folgende Kurzcharakterisierungen                                 einflusst von soziodemographischen Faktoren ist
und gibt ihre prozentuale Verteilung unter den be-                                und die auf einem gleichsam hohen Medienkom-
fragten Jugendlichen an: Bildungsorientierte (20,4%),                             petenzniveau agieren („Netzgeneration” bezie-
Positionslose (20,3%), Konsum- (17,4%) bzw. Kom-                                  hungsweise. „digitale Eingeborene“).
munikationsorientierte (19,1%). Allrounder (12%),                              ▸ Diese Behauptung hat keine wissenschaftlich ab-
Deprivierte (7,8%) sowie Gestalter (3,1%).                                        gesicherte empirische Basis, sie ist aber dennoch
6	
  —	
  Lehrbuch	
  für	
  Lernen	
  und	
  Lehren	
  mit	
  Technologien	
  (L3T)


  stark rezipiert worden und vor allem als Argument
                                                                                                        Recherchieren	
   Sie	
   bei	
   einer	
   Publika>on,	
   die	
   das	
   Vor-­‐
  für die Notwendigkeit des Lernens und Lehrens
  mit Technologien genutzt worden.                                                                ?     handensein	
   einer	
   „Netzgenera>on”	
   propagiert,	
   die
                                                                                                        angegebene	
  empirische	
  Basis	
  sowie	
  die	
  Methode	
  der
▸ Jüngere repräsentative empirische Studien zum                                                         Erkenntnisgewinnung.	
   Wird	
   ein	
   Forschungsdesign	
   er-­‐
  Medienhandeln Jugendlicher zeigen ein weitaus                                                         kennbar?	
   Welche	
   Fallzahlen	
   werden	
   genannt?	
   Wird
  differenzierteres Bild. Medienkompetente Nutzer                                                       ein	
   einheitliches	
   und	
   systema>sches	
   Vorgehen	
   trans-­‐
                                                                                                        parent	
  ausgewiesen?	
  
  in allen Bereichen von Medienkompetenz (Me-
  dienkunde, Nutzung, Kritik und Gestaltung)                                                    Literatur
  bilden bestenfalls eine Subgruppe unter vielen an-
  deren Gruppierungen. Diese Studien zeigen wei-                                                ▸ Baacke, D. (1999). Medienkompetenz als zentrales Operati-
  terhin Abhängigkeiten des Medienhandelns von                                                    onsfeld von Projekten. In: D. Baacke (Hrsg.), Handbuch
  unterschiedlichen soziodemographischen Faktoren                                                 Medien, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 31-35.
  wie Alter, Geschlecht und sozioökonomischem                                                   ▸ Bennett, S.; Maton, K. & Kervin, L. (2007). The "digital na-
  Status auf.                                                                                     tives" debate: A critical review of the evidence. In: British
▸ Die Herausforderung für das Bildungssystem be-                                                  Journal of Educational Technology, 39(5), 775-786.
  steht nicht darin, zwingend Lern- und Lehrformen                                              ▸ Buckingham, D. (2000). After the death of childhood. Growing
  mit Technologien einführen zu müssen, sondern                                                   up in the age of electronic media. Malden: Blackwell Publishers
  bei ihrer Einführung die Diversität des Medien-                                                 Inc.
  handelns und der Kompetenzniveaus hinreichend                                                 ▸ Bundesministerium für Bildung und Forschung (2010). Kom-
  zu berücksichtigen und entsprechende Lern und-                                                  petenzen in einer digital geprägten Kultur. Medienbildung für
  Lehrarrangements zu gestalten, aber auch Förder-                                                die Persönlichkeitsentwicklung, für die gesellschaftliche
  systeme bei Zugangs- oder grundsätzlichen Kom-                                                  Teilhabe und für die Entwicklung von ausbildungs- und Er-
  petenzproblemen zu konzipieren.                                                                 werbsfähigkeit. Bielefeld: W. Bertelsmann.
                                                                                                ▸ Livingstone, S. & Haddon, L. (2009). EU Kids Online: Final
                                                                                                  report. LSE. London: EU Kids Online.(EC Safer Internet Plus
                                                                                                  Programme Deliverable D6.5), URL:
         Weiterführende	
  Literatur	
  und	
  andere	
  Lernressourcen
                                                                                                  http://www2.lse.ac.uk/media@lse/research/EUKidsOnline/
  !      ▸ Website	
  des	
  Medienpädagogischen	
  Forschungs-­‐
           verbund	
  Südwest	
  mit	
  regelmäßigen,	
  aktuellen	
  em-­‐
                                                                                                  EU%20Kids%20I/Reports/EUKidsOnlineFinalReport.pdf
           pirischen	
  Studien	
  zum	
  Mediennutzungsverhalten                                 [15-11-2010].
           von	
  Kindern	
  und	
  Jugendlichen                                                ▸ Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2009). JIM
           hhp://www.mpfs.de/	
                                                                   2009. Jugend, Information, (Multi-) Media. Basisstudie zum
         ▸ Blogeintrag	
   zum	
   Thema	
   von	
   Prof.	
   Dr.	
   Gabi                       Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland. Stuttgart.
           Reinmann	
   vom	
   20.09.2009	
   mit	
   einer	
   lebendigen                     ▸ Oblinger, D. & Oblinger, J. (2005). Is It Age or IT: First Steps
           Diskussion	
   durch	
   zahlreiche	
   Kommentare:
                                                                                                  Toward Understanding the Net Generation. In: Oblinger, D. &
           hhp://gabi-­‐reinmann.de/?tag=netzgenera>on	
  
         ▸ Weblog	
   „Netgenskep>c“	
   in	
   englischer	
   Sprache	
   mit                    Oblinger, J. (Hrsg.). Educating the Net Generation. Educause,
           zahlreichen	
   aktuellen	
   (kri>schen)	
   Beiträgen	
   zum                        URL: http://www.educause.edu/educatingthenetgen/ [15-11-
           Konzept	
  der	
  Netzgenera>on:	
  hhp://www.netgens-­‐                               2010].
           kep>c.com/	
                                                                         ▸ Oehmichen, E. & Schröter, C. (2009). Zur Differenzierung des
                                                                                                  Medienhandelns der jungen Generation. Eine Analyse auf
                                                                                                  Basis der ARD/ZDF-Onlinestudie 2009. MEDIA PERSPEK-
         Recherchieren	
   Sie	
   im	
   Detail	
   die	
   Ergebnisse	
   einer	
   aktu-­‐     TIVEN, 8, 2009, URL: http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/fi-
  ?      ellen	
   empirischen	
   Studie	
   zum	
   Medienhandeln	
   von
         Kindern	
   und	
   Jugendlichen.	
   Halten	
   Sie	
   s>chwortar>g
                                                                                                  leadmin/Online09/Schroeter_Oehmichen.pdf [15-11-2010].
                                                                                                ▸ Palfrey, J. & Gasser, U. (2008). Generation Internet. Die Digital
         fest,	
  
          ▸ wie	
   das	
   methodische	
   Design	
   und	
   die	
   empirische                 Natives: Wie sie leben - Was sie denken - Wie sie arbeiten.
            Basis	
  beschrieben	
  werden	
  und                                                 München: Hanser Verlag.
          ▸ welche	
  Differenzierungen	
  im	
  Medienhandeln	
  bzw.                           ▸ Palloff, R. & Pratt, K. (2003). Virtual Student. A Profile and
            mit	
   Blick	
   auf	
   die	
   Medienkompetenz	
   herausgear-­‐                   Guide to Working with Online Learners. San Francisco: Jossey-
            beitet	
  werden.	
                                                                   Bass.
         Tragen	
   Sie	
   Ihre	
   Ergebnisse	
   in	
   einer	
   Arbeitsgruppe	
   zu-­‐    ▸ Prensky, M. (2001). Digital Natives, Digital Immigrants. On the
         sammen	
  und	
  disku>eren	
  Sie	
  gemeinsam,	
  welche	
  Kon-­‐                     Horizon NCB University Press, 9(5), URL: http://www.mar-
         sequenzen	
  die	
  Ergebnisse	
  für	
  die	
  Gestaltung	
  von	
  Lern-­‐             cprensky.com/writing/Prensky%20-%20Digital%20Natives,
         und	
   Lehrarrangements	
   haben	
   könnten.	
   Wählen	
   Sie
                                                                                                  %20Digital%20Immigrants%20-%20Part1.pdf [15-11-2010].
         dabei	
   einen	
   konkreten	
   Praxiskontext	
   aus	
   einem	
   Bil-­‐
         dungsbereich,	
  der	
  Sie	
  besonders	
  interessiert	
  
Die	
  „Netzgenera>on“.	
  Empirische	
  Untersuchungen	
  zur	
  Mediennutzung	
  bei	
  Jugendlichen	
  —	
  7


▸ Schulmeister, R. (2009). Gibt es eine Net Generation? Erwei-         ▸ Zimic, S. (2009). Not so ‚techno-savvy‘: Challenging the stereo-
  terte Version 3.0. Hamburg, URL: http://www.zhw.uni-ham-               typical images of the ‚Net generation‘. Digital Culture & Edu-
  burg.de/uploads/schulmeister_net-generation_v3.pdf [15-11-             cation, 1(2), 129-144. URL: http://www.digitalcultureandedu-
  2010].                                                                 cation.com/cms/wp-
▸ Tapscott, D. (1997). Growing Up Digital: The Rise of the Net           content/uploads/2010/01/dce1020_zimic_2009.pdf [15-11-
  Generation. New York: McGraw-Hill.                                     2010].
▸ Treumann, K.; Meister, D. M.; Sander, U.; Hagedorn, J. &
  Kämmerer, M. (2007). Medienhandeln Jugendlicher. Medien-
  nutzung und Medienkompetenz. Wiesbaden: VS Verlag für So-
  zialwissenschaften.

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Die „Netzgeneration“ - Empirische Untersuchungen zur Mediennutzung bei Jugendlichen

  • 1.
  • 2. 2  —  Lehrbuch  für  Lernen  und  Lehren  mit  Technologien  (L3T) Neben den zuvor skizzierten Grundaussagen wird 1. Das  Konzept  einer  „Netzgenera3on“  –  zentrale  Aus-­‐ das Bild der „Netzgeneration“ zudem noch mit sagen   meist positiven Zuschreibungen an die Kinder Seit mehr als zehn Jahren wird von verschiedenen und Jugendlichen auf der psychischen und sozialen Autoren das Konzept einer „Netzgeneration“ ge- Ebene dieser Generation verbunden. Tapscott (1997) prägt (zum Beispiel Tapscott, 1997, Prensky, 2001, beispielsweise beschreibt die Kinder der „Netzgene- Paloff & Pratt, 2003, Oblinger & Oblinger, 2005). ration“ als besonders neugierig und aufnahmefähig, Weitere Autoren greifen das Konzept im Zusam- offen gegenüber ethnischen Minoritäten und selbst- menhang mit eigenen Ausführungen zustimmend auf bewusster als frühere Generationen. Oblinger und (für eine ausführlichere Übersicht Schulmeister, 2009, Oblinger (2005) heben hervor, dass diese Kinder und 36f). Die Begrifflichkeiten und die Verwendung des Jugendlichen schnelle Reaktionszeiten haben und Konzepts sind im Detail unterschiedlich, allen ge- diese auch von anderen erwarten, stärker visuell ori- meinsam sind jedoch die folgenden Thesen: entiert seien, Multitasking beherrschen würden, Inter- ▸ Die derzeit aufwachsenden Kinder und Jugend- aktivität und Entdeckungen beim Lernen suchen. lichen haben ein weitgehend homogenes Medien- Wiederum andere interpretieren die Konsequenzen nutzungsverhalten, das sich grundlegend von dem des mediengeprägten Alltags weniger positiv und ver- der Generationen vor ihnen unterscheidet. muten Aufmerksamkeitsstörungen und andere ne- ▸ Da sie in einer Zeit aufwachsen, die von einer gative Auswirkungen (zum Beispiel Opaschowski, weiten Verbreitung und Nutzung von digitalen 1999). Technologien gekennzeichnet ist, gehen sie selbst- Was ist nun dran am Bild der „Netzgeneration“? verständlich und kompetent mit den Technologien Auf welcher empirischen Basis beruht das Konzept? um. Deckt es sich mit den Ergebnissen aktueller Studien ▸ Ihr Lernverhalten unterscheidet sich daher quali- zum Mediennutzungsverhalten von Kindern und Ju- tativ von dem anderer Generationen und stellt gendlichen? Die wissenschaftliche Debatte um den unser gesamtes Bildungssystem vor große Heraus- Wahrheitsgehalt des Konzepts der „Netzgeneration“ forderungen. ist Gegenstand des folgenden Abschnitts. 2. Mythos  „Netzgenera3on“  –  zentrale  Kri3kpunkte  am Am stärksten rezipiert wurde Marc Prensky (2001), Konzept der die Thesen der „Netzgeneration“ zusätzlich mit dem plakativen Bild der „digitalen Eingeborenen“ Um das zentrale Ergebnis vorweg zu nehmen: die (engl. „digital natives“) für die heutigen Kinder und „Netzgeneration“ kann einer wissenschaftlichen Jugendlichen bzw. den „digitalen Einwanderern“ Überprüfung nicht standhalten. Sie erweist sich bei (engl. „digital immigrants“) für die – älteren – Er- genauerer Betrachtung als unzulässige, stark über- wachsenen belegt: Die „digitalen Eingeborenen“ be- zeichnete Generalisierung der Eigenschaften ein- wegten sich mühelos und kompetent wie „Mutter- zelner Subgruppen heutiger Kinder und Jugendlicher sprachler“ in einer digitalen Welt der Computer, Vi- (Bennett et al., 2007). Die Kritik am Konzept der deospiele und Internettechnologien. Die „digitalen „Netzgeneration“ liegt dabei auf verschiedenen Einwanderer“ hingegen, ohne Computer und In- Ebenen. Im deutschsprachigen Raum hat sich Rolf ternet aufgewachsen, würden zeitlebens „mit Schulmeister (2009) mit einer mehrfach aktualisierten Akzent“ sprechen, d.h. im Umgang mit den digitalen Internet-Publikation detailliert der Kritik gewidmet. Technologien immer Anpassungsschwierigkeiten Im Wesentlichen werden folgende Punkte kritisiert haben und weniger kompetent agieren. Zur Unterfüt- (für eine detailliertere Darstellung der Kritikpunkte terung seines Bildes beruft Prensky sich zusätzlich Schulmeister, 2009): auf neurobiologische Erkenntnisse, die vermeintlich Empirische  Datengrundlage  fehlt   ergeben hätten, dass Kinder und Jugendliche heute Informationen komplett anders verarbeiten und ihr Betrachtet man die empirische Basis der Kernaus- Gehirn sich daher bereits auch physisch verändert sagen des Konzepts der „Netzgeneration“, wird habe. schnell deutlich, dass die Aussagen nicht gemäß wis- Dieses zugegebenermaßen wirkmächtige Bild ist senschaftlicher Standards empirisch abgesichert sind. besonders häufig in der mediendidaktischen Dis- Die Beschreibungen basieren auf Einzelbeobach- kussion als Argument genutzt worden, digitale Tech- tungen und anekdotischer Evidenz, nutzen also nologien, vor allem neue Webtechnologien, in Lehr- grundsätzlich nur sehr kleine Fallzahlen und beziehen und Lernsettings einzuführen. sich überwiegend auf die US-amerikanische weiße
  • 3. Die  „Netzgenera>on“.  Empirische  Untersuchungen  zur  Mediennutzung  bei  Jugendlichen  —  3 Mittelschicht. Die Ergebnisse können daher in keiner zur Komplexität menschlichen Handelns allgemein Weise als repräsentativ für eine ganze Alterskohorte und der Medienaneignung im Speziellen (auch Buck- gesehen werden. Die Kernaussagen zur „Netzgene- ingham 2006). ration“ sind daher vielmehr unzulässige Verallgemei- nerungen. Das   Konzept   der   „Netzgenera>on“   hat   keine   empi-­‐ Jugendliches   Mediennutzungsverhalten   ist   differen-­‐ zierter   ! rische  Basis,  die  einer  wissenschaMlichen  Überprüfung stand   hält.   Das   Mediennutzungsverhalten   der   jün-­‐ geren   Genera>on   ist   wesentlich   diverser,   als   es   das Betrachtet man den Mediengebrauch und die Me- Konzept  der  „Netzgenera>on“  nahe  legt.  In  der  Argu-­‐ dienkompetenz differenzierter, ergibt sich ein anderes menta>on  zur  Begründung  der  „Netzgenera>on“  wird Bild: Die vermeintlich einheitliche „Netzgeneration“ die  Komplexität  menschlichen  Handelns  unzulässig  re-­‐ duziert:   es   scheint,   dass   Technologien   das   Handeln zerfällt in vielfältige Subgruppen, die ganz unter- der   Menschen   einsei>g   bes>mmen   könnten.   Im   Ge-­‐ schiedliche Nutzungsgewohnheiten, Kenntnisse und gensatz   dazu   weiß   man   aber   aus   der   Sozialisa>onsfor-­‐ Kompetenzen haben. Außerdem hebt die weite allge- schung,   dass   zahlreiche   soziokulturelle   Faktoren   das meine Verfügbarkeit digitaler Technologien nicht Mediennutzungsverhalten  beeinflussen  und  dass  Me-­‐ zwangsläufig soziale Unterschiede auf (zum Beispiel dienhandeln   immer   komplexes   soziales   Handeln   mit BMBF, 2010; Livingstone & Haddon, 2009, Palfrey & Technologien  ist,  die  ihrerseits  sozial  konstruiert  sind. Gasser, 2008). Aktuelle empirische Studien zum Medien(nutzungs)verhalten zeigen komplexere Auf- 3. Ergebnisse  empirischer  Studien  -­‐  ein  weitaus  diffe-­‐ renzierteres  Bild   teilungen und belegen Unterschiede in Zugang und Nutzungsart in Abhängigkeit von soziokulturellen Hier sollen vier neuere, repräsentative Studien heran- Parametern (zum Beispiel EU Kids Online, 2009; gezogen werden, um die Diversität innerhalb der Me- JIM-Studie, 2009; ARD/ZDF-Onlinestudie, 2009; diennutzung unter den Jüngeren zu belegen: EU Kids Treumann et al., 2007) Die in repräsentativen empiri- Online (2009), JIM-Studie (2009), ARD/ZDF-Onli- schen Studien belegte Diversität des Medienhandelns, nestudie (2009) und die Studie zum Medienhandeln der vorhandenen Kompetenzniveaus und der Nut- Jugendlicher von Treumann et al. (2007). Diese zungsarten wird in Abschnitt 3 skizziert. Studien beleuchten unterschiedliche Aspekte zum Medienhandeln und Mediennutzungsverhalten, unter- Argumenta3on  ist  von  technologischem  Determinismus scheiden sich in Anlage und Detailzielen und entspre- durchzogen   chend auch in den Ergebnissen. Sie belegen aber Die Verfechter der „Netzgeneration“, insbesondere dennoch deutlich, dass das Bild der „Netzgeneration“ Prensky (2001), argumentieren, dass die behaupteten mit der pauschalen Vermutung eines einheitlichen Formen des Medienhandelns und der Eigenschaften und kompetenten Medienhandelns und einer eben- der Kinder und Jugendlichen der „Netzgeneration“ solchen Mediennutzung nicht aufrecht zu erhalten ist. unmittelbar aus dem Vorhandensein der digitalen ARD/ZDF-­‐Onlinestudie  2009 Technologien und dem selbstverständlichen Umgang damit resultieren. Hier scheint eine Argumentations- Die ARD/ZDF-Onlinestudie 2009 zeigt zwar, dass figur des technologischen Determinismus auf: die sich das Mediennutzungsverhalten der unter 30-Jäh- Technologien scheinen quasi unabhängig von den rigen stark vom dem der darüber liegenden Alters- handelnden Subjekten eine Kraft und eigenmächtige gruppen unterscheidet, aber dass die Gruppe der Wirkung auf die Mitglieder der sogenannten „Netz- Unter-30-Jährigen dennoch mindestens in zwei ver- generation“ zu entfalten. Dass Mediennutzung immer schiedene Subgruppen zerfällt: Unter Rückgriff auf soziales Handeln ist, das von verschiedenen soziokul- die Mediennutzertypologie der MNT-Justierungs- turellen Faktoren beeinflusst wird und in einem kom- studie 2006 werden die Subgruppen „Junge Wilde“ plexen Zusammenspiel von Subjekt und Techno- und „Zielstrebige Trendsetter“ unterschieden, deren logien entsteht, wird ignoriert. Damit werden alle Er- Medienhandeln in zahlreichen Bereichen Differenzen kenntnisse zu Sozialisationsprozessen einerseits und aufweist. Diese können durch verschiedene Be- zur sozialen Konstruiertheit von Technologien ande- dürfnis- und Interessenlagen, Bildungsniveaus und le- rerseits nicht berücksichtigt. Technologien scheinen bensweltliche Rahmenbedingungen erklärt werden menschliches Handeln eindimensional zu bestimmen. (Oehmichen & Schröter 2009). Es zeigen sich deut- Dieser Determinismus steht im krassen Widerspruch liche inhaltliche Unterschiede bei der Nutzung von Online-Informationsangeboten (zum Beispiel Nach- richtendienste: „Zielstrebige Trendsetter“ 51 % ge-
  • 4. 4  —  Lehrbuch  für  Lernen  und  Lehren  mit  Technologien  (L3T) Abbildung  1:  Anteil  der  Internetnutzer/innen  unter  den  6-­‐  bis  17-­‐Jährigen  in  der  EU Quelle:  Eurobarometer  2005,  2008  nach  Livingstone  &  Haddon,  2009,  Sec.  1,  S.  6 Abbildung  2:  Inhaltliche  Verteilung  der  Internetnutzung  von  12-­‐  bis  19-­‐Jährigen  in  Deutschland  in  Prozent  (N=1.173) Quelle:  JIM-­‐Studie  2009  nach  Medienpädagogischer  Forschungsverbund  Südwest  (2009,  35) Abbildung  3:  Aktive  Nutzung  von  Onlineanwendungen  von  Internetnutzern  ab  14  Jahre  in  Deutschland   Quelle:  ARD/ZDF-­‐Onlinestudie  2009  nach  Oehmichen  &  Schröter  (2009,  448) genüber „Junge Wilden“ 37%), aber auch Diffe- setters gegenüber. Zugespitzt könnte man dem eher renzen bei der aktiven Nutzung bestimmter Online- passiv-konsumistischen Mediennutzungsstil der Anwendungen wie zum Beispiel beruflicher Netz- Jungen Wilden einen aktiveren, Mitgestaltung ein- werke (Abb. 3). schließenden Stil der Zielstrebigen Trendsetter ge- Oehmichen und Schroeter (2009, 449) fassen die genüber stellen“. Unterschiede zwischen den Gruppierungen auf der JIM-­‐Studie  2009   Basis der ARD/ZDF-Onlinestudie wie folgt zu- sammen: „Dem eher bildmedien-, spaß- und unter- Auch die JIM-Studie zeigt im Bereich von Computer- haltungsorientierten Typus des Jungen Wilden steht und Internetnutzung ein differenziertes Gesamtbild: der rationaler gestimmte, erheblich breiter interes- Alter, Geschlecht und Bildungsgrad führen zu Unter- sierte MedienNutzerTyp des Zielstrebigen Trend-
  • 5. Die  „Netzgenera>on“.  Empirische  Untersuchungen  zur  Mediennutzung  bei  Jugendlichen  —  5 schieden im Nutzungsverhalten. Zum einen variiert 4. Konsequenzen  für  das  Lehren  und  Lernen  mit  Tech-­‐ die Ausstattung bzw. der Zugang der Jugendlichen nologien  -­‐  Diversität  unterstützen   leicht je nach Bildungsniveau und Geschlecht: Das Bild der „Netzgeneration“ wurde zahlreich als Unterscheidet man zum Beispiel den Hauptzweck Begründung für neue Lehr- und Lernsettings mit der jugendlichen Internetnutzung, zeigen sich klare Technologien genutzt. Was bedeutet die Erkenntnis, Differenzen zwischen Mädchen und Jungen: „Jungen dass die generalisierende Annahme einer einheitlich und junge Männer verwenden jede vierte Minute im kompetenten jüngeren Mediennutzergeneration nicht Internet auf Spiele, bei den Mädchen und jungen der Realität entspricht, nun für das Lernen und Frauen ist es nur jede zwölfte. Dafür fällt bei den Lehren mit Technologien? Entfällt die Herausfor- weiblichen Internetnutzern der kommunikative derung für das Bildungssystem? Die Antwort ist ein- Anteil der Onlinenutzung um zehn Prozentpunkte deutig: Nein, die Herausforderung ist nur anders ge- höher aus“ (Medienpädagogischer Forschungs- lagert. Sie besteht nicht wie Prensky und andere argu- verbund Südwest, 2009, 33) mentieren, in der Notwendigkeit digitale Medien in Lern- und Lehrarrangements zu integrieren, um den EU  Kids  Online  2009   medienkompetenten Jugendlichen passende Lehran- In der Studie EU Kids Online 2009 (Livingstone & gebote zu machen. Sie besteht vielmehr darin, die Di- Haddon, 2009) werden die Internetnutzung sowie die versität der Kinder und Jugendlichen auch in puncto dadurch entstehenden Risiken für Kinder und Ju- Mediennutzung anzuerkennen und die unterschied- gendliche europaweit verglichen. Hier zeigen sich lichen Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht, sozio- einmal erhebliche Unterschiede zwischen den ein- ökonomischer Status sowie Medienpräferenzen und zelnen Ländern, zum Beispiel in der Anzahl der In- vorhandene Medienkompetenzen in ihren unter- ternetnutzenden unter den 6- bis 17-Jährigen (siehe schiedlichen Ausprägungen bei der Einführung von Abb. 1). Technologien in Unterricht und Lehre hinreichend zu Zusätzlich wurden zahlreiche Ungleichheiten in berücksichtigen und so passgenaue Angebote zu ent- Abhängigkeit von Alter, Geschlecht und sozioökono- wickeln. Für Jugendliche, die von Exklusion in der mischem Status festgestellt (vgl. auch Zimic, 2009). Mediengesellschaft bedroht sind, gilt es zusätzlich ge- eignete Fördersysteme zu entwickeln (BMBF, 2010). Studie  zum  Medienhandeln  Jugendlicher  von  Treumann et  al.  (2007) Auch diese Studie zum Medienhandeln kommt zu Diverse   empirische   Studien   zum   Mediennutzungsver-­‐ einem ausdifferenzierten Gesamtbild: Generalisie- ! halten   von   Kindern   und   Jugendlichen   belegen   eine hohe  Mediennutzung  und  ebenso  einen  weit  verbrei-­‐ rungen auf eine ganze Alterskohorte sind nach dieser teten   Umgang   mit   verschiedenen   Internetdiensten Studie ebenfalls nicht angebracht, Kompetenzen und unter  Kindern  und  Jugendlichen.  Sie  zeigen  aber  auch Qualifikationen im Medienhandeln variieren er- erhebliche   Unterschiede   in   Nutzung   und   Gebrauch heblich. Die Studie legt das Medienkompetenzmodell auf:   Soziodemographische   Daten   wie   Geschlecht,   Bil-­‐ von Dieter Baacke (1999) mit den Komponenten Me- dungsabschluss,   Einkommen   beeinflussen   Art   und Zweck   der   Nutzung   von   Medien   und   speziell   des   In-­‐ dienkunde, Mediennutzung, Medienkritik und Me- ternets.   Eine   einheitliche   „Netzgenera>on“   belegen diengestaltung zugrunde, wobei die Studie sich nicht sie  eindeu>g  nicht. auf Computer- oder Internettechnologien be- schränkt, sondern klassische wie digitale Medien ein- 5. Zusammenfassung  der  zentralen  Erkenntnisse   bezieht. Die Unterschiede kommen u.a. in einer Ty- pologie zum Ausdruck, die sieben verschiedene Abschließend noch einmal eine Zusammenfassung Typen beinhaltet. Diese unterschieden sich hin- zentraler Erkenntnisse dieses Kapitels. sichtlich ihrer Medienpräferenzen, ihrer Medienkom- ▸ Zahlreiche Autor/innen behaupten, dass eine petenz in den verschiedenen Bereichen des Medien- jüngere Alterskohorte existiere, deren Mediennut- kompetenzmodells sowie ihren Nutzungsmotiven. zungsverhalten weitgehend einheitlich und unbe- Die Studie wählt folgende Kurzcharakterisierungen einflusst von soziodemographischen Faktoren ist und gibt ihre prozentuale Verteilung unter den be- und die auf einem gleichsam hohen Medienkom- fragten Jugendlichen an: Bildungsorientierte (20,4%), petenzniveau agieren („Netzgeneration” bezie- Positionslose (20,3%), Konsum- (17,4%) bzw. Kom- hungsweise. „digitale Eingeborene“). munikationsorientierte (19,1%). Allrounder (12%), ▸ Diese Behauptung hat keine wissenschaftlich ab- Deprivierte (7,8%) sowie Gestalter (3,1%). gesicherte empirische Basis, sie ist aber dennoch
  • 6. 6  —  Lehrbuch  für  Lernen  und  Lehren  mit  Technologien  (L3T) stark rezipiert worden und vor allem als Argument Recherchieren   Sie   bei   einer   Publika>on,   die   das   Vor-­‐ für die Notwendigkeit des Lernens und Lehrens mit Technologien genutzt worden. ? handensein   einer   „Netzgenera>on”   propagiert,   die angegebene  empirische  Basis  sowie  die  Methode  der ▸ Jüngere repräsentative empirische Studien zum Erkenntnisgewinnung.   Wird   ein   Forschungsdesign   er-­‐ Medienhandeln Jugendlicher zeigen ein weitaus kennbar?   Welche   Fallzahlen   werden   genannt?   Wird differenzierteres Bild. Medienkompetente Nutzer ein   einheitliches   und   systema>sches   Vorgehen   trans-­‐ parent  ausgewiesen?   in allen Bereichen von Medienkompetenz (Me- dienkunde, Nutzung, Kritik und Gestaltung) Literatur bilden bestenfalls eine Subgruppe unter vielen an- deren Gruppierungen. Diese Studien zeigen wei- ▸ Baacke, D. (1999). Medienkompetenz als zentrales Operati- terhin Abhängigkeiten des Medienhandelns von onsfeld von Projekten. In: D. Baacke (Hrsg.), Handbuch unterschiedlichen soziodemographischen Faktoren Medien, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 31-35. wie Alter, Geschlecht und sozioökonomischem ▸ Bennett, S.; Maton, K. & Kervin, L. (2007). The "digital na- Status auf. tives" debate: A critical review of the evidence. In: British ▸ Die Herausforderung für das Bildungssystem be- Journal of Educational Technology, 39(5), 775-786. steht nicht darin, zwingend Lern- und Lehrformen ▸ Buckingham, D. (2000). After the death of childhood. Growing mit Technologien einführen zu müssen, sondern up in the age of electronic media. Malden: Blackwell Publishers bei ihrer Einführung die Diversität des Medien- Inc. handelns und der Kompetenzniveaus hinreichend ▸ Bundesministerium für Bildung und Forschung (2010). Kom- zu berücksichtigen und entsprechende Lern und- petenzen in einer digital geprägten Kultur. Medienbildung für Lehrarrangements zu gestalten, aber auch Förder- die Persönlichkeitsentwicklung, für die gesellschaftliche systeme bei Zugangs- oder grundsätzlichen Kom- Teilhabe und für die Entwicklung von ausbildungs- und Er- petenzproblemen zu konzipieren. werbsfähigkeit. Bielefeld: W. Bertelsmann. ▸ Livingstone, S. & Haddon, L. (2009). EU Kids Online: Final report. LSE. London: EU Kids Online.(EC Safer Internet Plus Programme Deliverable D6.5), URL: Weiterführende  Literatur  und  andere  Lernressourcen http://www2.lse.ac.uk/media@lse/research/EUKidsOnline/ ! ▸ Website  des  Medienpädagogischen  Forschungs-­‐ verbund  Südwest  mit  regelmäßigen,  aktuellen  em-­‐ EU%20Kids%20I/Reports/EUKidsOnlineFinalReport.pdf pirischen  Studien  zum  Mediennutzungsverhalten [15-11-2010]. von  Kindern  und  Jugendlichen ▸ Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (2009). JIM hhp://www.mpfs.de/   2009. Jugend, Information, (Multi-) Media. Basisstudie zum ▸ Blogeintrag   zum   Thema   von   Prof.   Dr.   Gabi Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland. Stuttgart. Reinmann   vom   20.09.2009   mit   einer   lebendigen ▸ Oblinger, D. & Oblinger, J. (2005). Is It Age or IT: First Steps Diskussion   durch   zahlreiche   Kommentare: Toward Understanding the Net Generation. In: Oblinger, D. & hhp://gabi-­‐reinmann.de/?tag=netzgenera>on   ▸ Weblog   „Netgenskep>c“   in   englischer   Sprache   mit Oblinger, J. (Hrsg.). Educating the Net Generation. Educause, zahlreichen   aktuellen   (kri>schen)   Beiträgen   zum URL: http://www.educause.edu/educatingthenetgen/ [15-11- Konzept  der  Netzgenera>on:  hhp://www.netgens-­‐ 2010]. kep>c.com/   ▸ Oehmichen, E. & Schröter, C. (2009). Zur Differenzierung des Medienhandelns der jungen Generation. Eine Analyse auf Basis der ARD/ZDF-Onlinestudie 2009. MEDIA PERSPEK- Recherchieren   Sie   im   Detail   die   Ergebnisse   einer   aktu-­‐ TIVEN, 8, 2009, URL: http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/fi- ? ellen   empirischen   Studie   zum   Medienhandeln   von Kindern   und   Jugendlichen.   Halten   Sie   s>chwortar>g leadmin/Online09/Schroeter_Oehmichen.pdf [15-11-2010]. ▸ Palfrey, J. & Gasser, U. (2008). Generation Internet. Die Digital fest,   ▸ wie   das   methodische   Design   und   die   empirische Natives: Wie sie leben - Was sie denken - Wie sie arbeiten. Basis  beschrieben  werden  und München: Hanser Verlag. ▸ welche  Differenzierungen  im  Medienhandeln  bzw. ▸ Palloff, R. & Pratt, K. (2003). Virtual Student. A Profile and mit   Blick   auf   die   Medienkompetenz   herausgear-­‐ Guide to Working with Online Learners. San Francisco: Jossey- beitet  werden.   Bass. Tragen   Sie   Ihre   Ergebnisse   in   einer   Arbeitsgruppe   zu-­‐ ▸ Prensky, M. (2001). Digital Natives, Digital Immigrants. On the sammen  und  disku>eren  Sie  gemeinsam,  welche  Kon-­‐ Horizon NCB University Press, 9(5), URL: http://www.mar- sequenzen  die  Ergebnisse  für  die  Gestaltung  von  Lern-­‐ cprensky.com/writing/Prensky%20-%20Digital%20Natives, und   Lehrarrangements   haben   könnten.   Wählen   Sie %20Digital%20Immigrants%20-%20Part1.pdf [15-11-2010]. dabei   einen   konkreten   Praxiskontext   aus   einem   Bil-­‐ dungsbereich,  der  Sie  besonders  interessiert  
  • 7. Die  „Netzgenera>on“.  Empirische  Untersuchungen  zur  Mediennutzung  bei  Jugendlichen  —  7 ▸ Schulmeister, R. (2009). Gibt es eine Net Generation? Erwei- ▸ Zimic, S. (2009). Not so ‚techno-savvy‘: Challenging the stereo- terte Version 3.0. Hamburg, URL: http://www.zhw.uni-ham- typical images of the ‚Net generation‘. Digital Culture & Edu- burg.de/uploads/schulmeister_net-generation_v3.pdf [15-11- cation, 1(2), 129-144. URL: http://www.digitalcultureandedu- 2010]. cation.com/cms/wp- ▸ Tapscott, D. (1997). Growing Up Digital: The Rise of the Net content/uploads/2010/01/dce1020_zimic_2009.pdf [15-11- Generation. New York: McGraw-Hill. 2010]. ▸ Treumann, K.; Meister, D. M.; Sander, U.; Hagedorn, J. & Kämmerer, M. (2007). Medienhandeln Jugendlicher. Medien- nutzung und Medienkompetenz. Wiesbaden: VS Verlag für So- zialwissenschaften.