1. Matthias
J.
Becker
/
TU
Berlin,
AJC
Berlin
#NetzOhneHass
–
Hass
im
Netz
entgegentreten
Fachtagung
für
Akteure
der
außerschulischen
Jugendarbeit
und
politischen
Jugend-‐
bildung
Vortrag
/Workshop
zu
Antisemitismus
Wenn
es
um
die
Aufdeckung
von
Strategien
geht,
wie
Antisemitismus
im
Web
2.0
identifiziert
und
bekämpft
werden
kann,
ist
es
wichtig,
die
Geschichte
der
Juden-‐
feindschaft
sowie
ihre
zahlreichen
Ausprägungen
zu
berücksichtigen.
Insofern
wirft
der
Vortrag
ein
Licht
auf
die
Entwicklungslinien
von
Antisemitismus
sowie
auf
die
sprachlichen
Formen,
die
die
Entstehung
dieses
Weltdeutungssystems
bedingten.
Sprache
bildet
nicht
nur
ab,
sondern
ihr
kommt
eine
Schlüsselfunktion
zu,
da
mit
ihr
Jüdinnen
und
Juden
über
Jahrhunderte
hinweg
ausgegrenzt
und
über
antisemitische
Stereotype
dämonisiert
wurden;
Sprache
erlaubt
es
zudem,
dass
die-‐
se
Ressentiments
im
kollektiven
Gedächtnis
wachgehalten
werden
–
bis
heute.
Das
Web
2.0
beweist
anschaulich,
dass
deutschsprachige
Schreiber_innen
nach
wie
vor
diese
Stereotype
reproduzieren.
Nach
1945
ging
man
fälschlicherweise
davon
aus,
dass
Antisemitismus
einfach
so
verschwand,
dass
die
Shoah
so
schrecklich
und
die
Umerziehungsmaßnahmen
so
umfassend
waren,
dass
es
für
Antisemitismus
kei-‐
nen
Platz
mehr
geben
konnte.
Was
u.a
der
Expertenkreis
für
Antisemitismus
2012
herausstellt:
Judenfeindschaft
lebte
im
privaten
Diskurs
fort;
es
gibt
einen
sog.
All-‐
tagsantisemitismus,
der
über
Anspielungen,
Scherze
usw.
kommuniziert
wird.
Damit
übereinstimmend
spricht
Shulamit
Volkov
bei
Antisemitismus
von
einem
„kulturellen
Code“
–
ein
Phänomen,
das
tief
sitzt
und
sich
einer
Tabuisierung
im
Nachkriegs-‐
deutschland
zu
entziehen
wusste.
An
der
TU
Berlin
beschäftigt
sich
Monika
Schwarz-‐
Friesel
u.a.
mit
impliziten
Sprachgebrauchsmustern
und
analysiert
im
Rahmen
von
Forschungsprojekten,
wie
Antisemitismus
auf
salonfähige
Weise
auch
in
der
sog.
Mitte
der
Gesellschaft
hervorgebracht
wird.
Mit
dem
Internet
entstand
eine
Semi-‐Öffentlichkeit.
User_innen
schreiben
im
Priva-‐
ten,
führen
jedoch
drastische
Äußerungen
anonym
einer
potenziell
gewaltigen
Le-‐
serschaft
zu.
Selten
werden
sie
für
Hassrede
wirklich
in
die
Verantwortung
genom-‐
men.
In
diesem
Medium
werden
die
Kontinuitäten
(nicht
nur)
antisemitischer
Denkmuster
greifbar.
Da
das
Internet
für
viele
gerade
junge
Menschen
schlechthin
die
Quelle
für
die
Herausbildung
politischer
Einstellungen
darstellt,
müssen
Form
und
Inhalt
umso
ernster
genommen
werden.
Gegenstrategien:
Wenn
man
auf
einen
antisemitischen
Hasskommentar
oder
Tweet
reagieren
möchte,
ist
es
zum
einen
wichtig,
sich
darüber
im
Klaren
zu
sein,
dass
man
schnell
verbal
angegriffen
werden
kann.
Insofern
sollte
man
dies
anonym
machen
2. Matthias
J.
Becker
/
TU
Berlin,
AJC
Berlin
bzw.
von
einer
Organisation
aus
reagieren.
Wichtig
ist
zudem,
sich
nicht
auf
Kom-‐
mentare
einzulassen,
die
älteren
Datums
sind,
da
auf
diese
Weise
Hasskommentaren
eine
Plattform
gegeben
wird,
die
evtl.
vorher
nur
am
Rande
wahrgenommen
wur-‐
den.
Es
ist
wichtig,
zeitnah
auf
potenziell
von
vielen
wahrgenommene
Hassrede
zu
reagieren,
um
ein
effektives
Gegensignal
senden
zu
können.
Die
Option
automati-‐
sierter
Gegenrede
(bspw.
in
Form
von
Bots)
muss
also
weiterhin
im
Auge
behalten
werden,
auch
wenn
gegenwärtig
die
Technik
der
Komplexität
des
Sprachgebrauchs
(und
dementsprechend
von
Hassrede)
noch
nicht
gerecht
wird.
Um
auf
inhaltlicher
Ebene
schnell
und
sicher
reagieren
zu
können,
ist
es
wichtig,
sich
einen
Überblick
über
die
heute
dominant
auftretenden
Stereotype
und
ihre
sprachli-‐
chen
Realisierungsformen
zu
verschaffen.
Das
Stereotyp
des
jüdischen
Kindermordes
tritt
bspw.
immer
wieder
auf,
wenn
es
um
den
Nahostkonflikt
geht;
auch
das
der
jü-‐
dischen
Macht
und
das
einer
jüdischen
Weltverschwörung
sind
im
Internet
en
vogue.
Für
schnelle
und
adäquate
Reaktionen
auf
inhaltlicher
Ebene
müssen
die
Hin-‐
tergründe,
bspw.
die
antijüdischen
Diffamierungen
und
Pogrome
im
Mittelalter
oder
die
Entstehungsgeschichte
der
Fälschung
Die
Protokolle
der
Weisen
von
Zion
bekannt
sein.
Es
ist
insofern
von
Vorteil,
sich
einen
Katalog
an
Argumenten
zuzulegen,
wie
man
es
bei
der
Toolbox
Nichts
gegen
Juden
vorfinden
kann.
Dadurch
kann
man
schnell
Antworten
generieren
und
die
Debatte
beeinflussen.
Antisemitische
Stereotype
können
auch
über
Anspielungen,
also
implizit,
kommuni-‐
ziert
werden.
So
ist
statt
von
einer
jüdischen
Macht
von
der
Ostküstenlobby,
von
ominösen
Kreisen
die
Rede
–
also
Chiffren,
die
jede_r
sogleich
versteht.
Auch
Beleh-‐
rungen,
Ratschläge,
Forderungen,
die
gegen
Israel
oder
auch
gegen
den
Zentralrat
der
Juden
in
Deutschland
in
Anschlag
gebracht
werden,
zeugen
von
einer
inneren
Einstellung
der
Schreiber_innen,
dass
man
die
Referent_innengruppe
aufgrund
un-‐
terstellter
intellektueller
und/oder
moralischer
Defizite
belehren
müsse.
Auch
dar-‐
über
sollten
sich
Akteur_innen
im
Klarem
sein
–
Antisemitismus
wird
häufig
subtil
weitergegeben.
Der
Tonfall
ist
entscheidend,
wenn
es
darum
geht,
nicht
nur
die/den
Adressatin/en
zu
erreichen,
sondern
auch
die
im
Internet
gegebene
Leserschaft.
Insofern
ist
es
wichtig,
trotz
genauer
Kenntnis
über
Antisemitismus
nicht
arrogant
zu
wirken,
son-‐
dern
auf
gleicher
Augenhöhe,
konstruktiv
und
respektvoll
zu
kommunizieren.
Wenn
es
sich
bei
der
Person,
die
sich
antisemitisch
äußert,
um
jemanden
handelt,
der/dem
mit
Argumenten
nur
schwer
beizukommen
ist,
so
bleibt
es
dennoch
sinnvoll,
diese
Standards
zu
wahren,
um
andere
User_innen,
die
in
ihrer
Meinung
noch
schwanken,
von
der
eigenen
Position
zu
überzeugen.
Auch
ist
es
hilfreich,
diese
User_innen
zu
ermutigen,
sich
an
der
Debatte
zu
beteiligen.
Dementsprechend
sollten
Humor,
Ironie
und
Sarkasmus
nur
da
eingesetzt
werden,
die
Basis
von
Hass
und
Ausgrenzung
lächerlich
gemacht
werden
soll.
Personen
soll-‐
ten
nicht
herabgewürdigt
oder
verspottet
werden,
da
die
Gefahr
groß
ist,
dass
man
sich
dadurch
isoliert.
3. Matthias
J.
Becker
/
TU
Berlin,
AJC
Berlin
Der
richtige
Umgang
mit
Hasskommentaren
muss
aber
weiterhin
erforscht
werden.
Die
Ergebnisse
sollten
in
Form
von
Leitfäden
einer
größeren
Zahl
von
Akteur_innen
in
diesem
Feld
zugeführt
werden.
Empfohlene
Literatur
v BECKER,
Matthias
J.,
2015.
Entlastungsantisemitismus
linksliberaler
Couleur
–
Israel-‐Hass
in
den
Kommentarspalten
von
The
Guardian
und
Die
Zeit.
In:
SCHWARZ-‐FRIESEL,
Monika
(Hg.),
2015.
Gebildeter
Antisemitismus.
Eine
Heraus-‐
forderung
für
Politik
und
Zivilgesellschaft.
Baden-‐Baden:
Nomos.
v BECKER,
Matthias
J.,
2015.
Antisemitischer
Sprachgebrauch
in
Zuschriften
an
den
Zentralrat
der
Juden
und
an
die
Israelische
Botschaft.
In:
THURN,
Nike
(Hg.),
2015.
Literarischer
Antisemitismus.
Der
Deutschunterricht.
Friedrich-‐
Verlag.
v BECKER,
Matthias
J./GIESEL,
Linda,
2015.
„‚Reich’
ist
ein
jüdischer
Name“
–
Kontinuitäten
antisemitischen
Sprachgebrauchs
in
den
Neuen
Medien.
In:
BUSCH,
Charlotte/GEHRLEIN,
Martin/UHLIG,
Tom
(Hg.),
2015.
Schiefheilungen.
Zeitgenössische
Betrachtungen
über
Antisemitismus.
Wiesbaden:
Springer
VS.
v JIKELI,
Günther,
2012.
Antisemitismus
und
Diskriminierungswahrnehmungen
junger
Muslime
in
Europa.
Ergebnisse
einer
Studie
unter
jungen
muslimi-‐
schen
Männern
(=
Antisemitismus:
Geschichte
und
Strukturen,
Band
7).
Klar-‐
text,
Essen.
v RADVAN,
Heike,
2010.
Pädagogisches
Handeln
und
Antisemitismus:
Eine
empi-‐
rische
Studie
zu
Beobachtungs-‐
und
Interventionsformen
in
der
offenen
Ju-‐
gendarbeit.
Bad
Heilbrunn:
Klinkhardt.
v SCHWARZ-‐FRIESEL,
Monika,
2013.
„Juden
sind
zum
Töten
da“
(studivz.net,
2008).
Hass
via
Internet
-‐
Zugänglichkeit
und
Verbreitung
von
Antisemitismen
im
World
Wide
Web.
In:
MARX,
Konstanze/SCHWARZ-‐FRIESEL,
Monika
(Hg.),
2013.
Sprache
und
Kommunikation
im
technischen
Zeitalter.
Wieviel
Internet
(v)erträgt
unsere
Gesellschaft?
Berlin,
New
York:
de
Gruyter.
v SCHWARZ-‐FRIESEL,
Monika
(Hg.),
2015.
Gebildeter
Antisemitismus.
Eine
Heraus-‐
forderung
für
Politik
und
Zivilgesellschaft.
Baden-‐Baden:
Nomos.
v SCHWARZ-‐FRIESEL,
Monika/REINHARZ,
Jehuda,
2013.
Die
Sprache
der
Judenfeind-‐
schaft
im
21.
Jahrhundert.
Berlin,
Boston:
de
Gruyter.
4. Matthias
J.
Becker
/
TU
Berlin,
AJC
Berlin
v WISTRICH,
Robert
S.,
2010.
A
Lethal
Obsession:
Anti-‐Semitism
from
Antiquity
to
the
Global
Jihad,
New
York:
Random
House.
Quellen
im
Web
2.0:
http://nichts-‐gegen-‐juden.de/
http://www.amadeu-‐antonio-‐stiftung.de/
http://www.netz-‐gegen-‐nazis.de/lexikon/gegenstrategien-‐internet
http://www.nohatespeechmovement.org/
http://www.linguistik.tu-‐berlin.de/menue/das_fachgebiet_in_den_medien/