1. Von Eric Mayer
N
icht nur deutsche Konzerne, son-
dern auch viele mittelständische
Unternehmen sind international
erfolgreich tätig und erschließen sich
durch den Aufbau oder die gezielte Wei-
terentwicklung von Tochtergesellschaf-
ten weltweit Marktchancen. Damit
schaffen diese Unternehmen aber auch
Anknüpfungspunkte an ausländische
Rechtsordnungen und Kontaminations-
risiken in als besonders korrupt einge-
schätzten Ländern. So attraktiv auch die
BRIC-Staaten aus ökonomischer Sicht
erscheinen mögen, so anspruchsvoll
bleibt es auch nach der neuesten, inzwi-
schen 19. Auflage des Korruptionswahr-
nehmungsindex von Transparency Inter-
national vom 5. Dezember 2012, dort si-
cher agieren zu können.
Unabhängig von der Wahl der
Rechtsform oder einer tatsächlichen Be-
teiligungsquote bündeln sich in einem
Pyramideneffekt Compliance-Risiken in
den Muttergesellschaften. Aus dem Ge-
danken der konzernweiten Organisati-
onspflicht ergibt sich deshalb gleichzei-
tig eine Konzernleitungspflicht.
Welche Folgen sich für Compliance
aus dem Verhältnis zwischen Mutter-
und Tochtergesellschaft ergeben können,
wird bei der Geldwäsche und dem Kar-
tellrecht deutlich. So können Mutterge-
sellschaften bei Bußgeldern in die Ge-
samtschuld genommen werden. Dies war
auch beim Siemens-Korruptionsskandal
der Fall. Bei dessen Aufarbeitung wurde
nicht danach unterschieden, ob die Ver-
stöße bei den Auslandstöchtern oder di-
rekt bei der Konzernmutter festgestellt
wurden.
Konzernweites System
Nur wenn ein Unternehmen ein Compli-
ance-Management-System innerhalb der
ganzen Gruppe länderübergreifend
nachhaltig implementiert hat, kann
von wirkungsvoller Compliance
gesprochen werden. Dies ist al-
lerdings mit einem nicht uner-
heblichen Kostenaufwand
verbunden. Zudem ist ohne
einen konzernweit agieren-
den Chief Compliance Of-
ficer an einer Spitze der Un-
ternehmensgruppe diese Kom-
plexität nur schwer zu beherr-
schen. Hierbei gilt es, gleich in
drei Dimensionen Integrationsar-
beit zu leisten:
>> Berücksichtigung weltweit unter-
schiedlicher Rechtsordnungen: Die
sorgfältige Prüfung und die Integrati-
on von nationalen und internationalen
Rechtsvorschriften in ein konzernweites
Compliance-Regelwerk sind zentral. Als
Indiz für die Heterogenität der Rechts-
systeme dient etwa die Todesstrafe für
korrupte Manager in
China oder die per-
sönliche Beteili-
gung von Mit-
arbeitern bis
zur Hälfte
e i n e r
K a r -
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COMPLIANCE
Der Pyramideneffekt
Compliance in ausländischen Tochtergesellschaften ist Herausforderung
und Chance zugleich. Beim Aufbau eines internationalen Compliance-
Managements steckt der Teufel im Detail. Dabei ist die Zusammenarbeit
von Konzernleitung und lokalem Management essentiell.
Februar/März | 2013 FINANCE
2. tellbuße in Brasilien. Ähnlich verhält es
sich mit dem Thema „Hospitality“. Der
Versuch, mit nur einer einzigen weltwei-
ten Wertobergrenze für Geschenke oder
Einladungen arbeiten zu wollen, ist zum
Scheitern verurteilt. Nicht das natio-
nale Steuerrecht am Sitz der Unter-
nehmenszentrale sollte hier das
alleinige Leitbild sein, sondern
das Prinzip der landestypi-
schen sozialen Angemes-
senheit. Ein allgemein
verbindlicher Code of
Conduct mit kon-
zern- und welt-
weit geltenden
Pflichtvorga-
ben ist des-
halb je
n a c h
Land
durch landespezifische Regelungen zu
ergänzen.
>> Implementierung in Unternehmens-
prozesse: Compliance ist in die alltäg-
lichen Standardabläufe des ganzen
Unternehmens zu integrieren. Hier sind
unter anderem regelmäßige weltweite
Compliance-Präsenz-Schulungen auf
der Basis präzise formulierter Richtlinien
– idealerweise in Landessprache – ein
erster wichtiger Schritt. Aber auch
Instrumente wie länder- oder regionen-
spezifische Compliance-Helpdesks, Hin-
weisgebersysteme, Kontrollen in Purcha-
sing- oder Accounting-Prozessen und
IT-gestützte Tools zur Fallbearbeitung
und Geschäftspartnerprüfung bilden ei-
ne weitere wichtige Grundlage, um re-
gelgetreues Verhalten im Unternehmen
grenzüberschreitend durchzusetzen.
>> Konzernweite Compliance-Kultur: Das
Management ausländischer Tochter-
gesellschaften wird durch eine überge-
ordnete Konzernorganisationspflicht
nicht von ihrer ureigenen Compli-
ance-Verantwortung entlassen.
Nur ein Miteinander von Kon-
zernzentrale und lokalem
Management kann eine
tragfähige Grundlage für
eine einheitliche Com-
pliance-Kultur über
Landesgrenzen hin-
weg sein. Diese
dritte Dimensi-
on der Com-
pliance-Inte-
gration ist da-
mit sicherlich die
anspruchsvollste.
Denn ohne den
entsprechenden „Tone
from the Top“ der Leitung
der ausländischen Tochter-
gesellschaft werden sich Re-
gional Compliance Officers meist
schwertun. Überhaupt ist die Auswahl
der lokalen Compliance-Vertreter mehr
Kunst als Handwerk. Gute Erfahrungen
werden aber gleichwohl regelmäßig mit
der Ernennung von Regional-CFOs oder
Controlling-Managern gemacht. Wer aus
Effizienzgründen auf Vollzeit-Complian-
ce-Beauftragte im Ausland verzichten
muss, kann bei einer Zusatzbeauftra-
gung vorhandener Manager gerade auch
deshalb an Finanzexperten denken, da
diese sehr nahe an kritischen Unterneh-
mensprozessen wie dem Accounting tä-
tig sind und ihre Erfahrungen in der effi-
zienten Abwicklung von Prozessthemen
haben.
Compliance kostet Zeit und Geld
Gutes, weil konzernweit implementiertes
Compliance Management kostet Zeit und
Geld. Aber richtig gemacht, bringt es
auch handfeste Vorteile. Neben der Ent-
haftungswirkung schafft ein integriertes
Compliance-Management-System vor
allem internationale Transparenz. Es
zeigt auch frühzeitig die tatsächliche
Leistungsfähigkeit von Zulieferern und
Kooperationspartnern auf und vermeidet
dadurch mögliche Abhängigkeiten von
oftmals krisengeschüttelten Lieferanten
im Ausland. ||
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COMPLIANCE
Eric Mayer
ist Partner der
Kanzlei WTS.
eric.mayer@wts.de
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