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Was heißt schon KulturVERMITTLUNG?
social inclusion :: participation :: emotional intelligence
www.kulturvermittlung.net
Birgit MANDEL, Deutschland
Die Brückenbauer
:: Kulturvermittlung als Profession ::
Vortrag inkl. Diskussion
:: Donnerstag, 9. Mai, 16.00 Uhr
BIOGRAFIE
Birgit Mandel ist Professorin für
Kulturmanagement und
Kulturvermittlung an der Universität Hildesheim.
Sie studierte Kulturpädagogik in den Schwerpunktfächern Theater, Literatur und Bildende
Kunst an der Universität Hildesheim. Als Mitarbeiterin im Studiengang Kulturwissenschaften
und ästhetische Praxis der Universität Hildesheim mit Schwerpunkt Kulturmanagement
promovierte sie 1995 mit einer Arbeit zum Thema „Wunschbilder werden wahr
gemacht. Aneignung von Urlaubswelt durch Fotosouvenirs am Beispiel deutscher
Italientouristen der 50er und 60er Jahre“. Sie übernahm Lehraufträge an der Universität
der Künste Berlin, der Universität Wien, der Hochschule der Künste Helsinki und Belgrad.
Sie war in unterschiedlichen Praxisfeldern des Kulturmanagements tätig, unter anderem im
Marketing für die Berliner Festspiele GmbH, den Berliner Kultursenat, die Bar jeder
Vernunft Berlin und die bundesweite GmbH Wissenschaft im Dialog.
Seit 2007 ist sie Professorin für Kulturmanagement und Kulturvermittlung am Institut für
Kulturpolitik der Universität Hildesheim und Studiengangsbeauftragte für die Studiengänge
Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis B.A. und Kulturvermittlung M.A. Birgit Mandel
berät diverse Kultureinrichtungen in Deutschland zu Strategien der Kulturvermittlung,
des Audience Development und des Kulturmarketings und führt Forschungsprojekte in
diesen Bereichen durch.
Sie ist Herausgeberin der Forschungs-Website kulturvermittlung-online.de.
Im September 2012 wurde sie von der Mitgliederversammlung der Kulturpolitischen
Gesellschaft e. V. (KuPoGe) als Beisitzerin in den Vorstand gewählt.
Was heißt schon KulturVERMITTLUNG?
social inclusion :: participation :: emotional intelligence
www.kulturvermittlung.net
ABSTRACT
Der Vortrag gibt einen Überblick der verschiedenen Funktionen von Kulturvermittlung: von
der Kunstvermittlung über die Kulturpädagogik bis zum Kulturmarketing und zeigt daran die
Bandbreite der Ziele von Kulturvermittlung auf: von der Vermittlung der Künste über
Kulturelle Bildung und Teilhabe bis zum Aufmerksamkeitsmanagement und Audience
Development.
Er skizziert die Entwicklung der „Profession“ Kulturvermittlung und zeigt zukünftige
Herausforderungen und damit verbundene Qualitätsansprüche an Kulturvermittlung als
einer gesellschaftlichen Schlüsselfunktion.
PAPER
Funktionen und Ziele von Kulturvermittlung
Kulturvermittlung hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen als Funktion und
Profession, die Kunst und Kultur über den Kultursektor hinaus in die verschiedenen Felder
der Gesellschaft einbringt: in den Bildungssektor, den Sozialbereich, die Wirtschaft.
Kulturvermittlung agiert zwischen künstlerischer Produktion und Rezeption, moderiert
Kommunikationsprozesse über und mit Kunst und animiert ästhetisches Gestalten auch
außerhalb des professionellen Kulturbetriebs.
(Mandel 2008).
Kulturvermittlung kann dabei verschiedene Funktionen und Ziele beinhalten:
Kulturvermittlung als Kunstvermittlung im engeren Sinne sollte und soll den Zugang zu
professionellen künstlerischen Produktionen ermöglichen, indem diese zum Beispiel durch
museums- oder theaterpädagogische Angebote in ihren Inhalten und ihrer Ästhetik
verständlich gemacht werden.
Kulturvermittlung als Kulturpädagogik im weiteren Sinne impliziert darüber hinaus das Ziel,
nicht nur die von Experten hervorgebrachten und definierten Kulturleistungen zugänglich zu
machen, sondern regt Kinder, Jugendliche und auch erwachsene Laien dazu an, ihre
individuellen künstlerischen bzw. ästhetischen Ausdrucksmöglichkeiten zu erweitern,
Was heißt schon KulturVERMITTLUNG?
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www.kulturvermittlung.net
ästhetische Produktion als Mittel der Kommunikation zu nutzen und zugleich eigene
Perspektiven auf die Welt zu entwickeln, eigene Ideen und Interessen zu thematisieren,
ebenso wie daran zu wachsen und sich selbst als bedeutsam und wirksam zu erfahren. Diese
Prozesse lassen sich als kulturelle Bildung bezeichnen (Zacharias 2001).
Kulturelle Bildung ist immer ein Selbstbildungsprozess, häufig angeregt durch professionelle
Kulturvermittler bzw. Kulturpädagogen. Kulturelle Bildungsprozesse beinhalten sowohl
kognitive wie vor alle auch emotionale und soziale Dimensionen.
Kulturpädagogik mit dem Ziel kultureller Bildung geht davon aus, dass durch die eigene
aktive und ästhetisch-gestalterische Auseinandersetzung mit den Künsten ebenso aber auch
wie durch die Auseinandersetzung mit kulturellen Alltags-Phänomenen nachhaltige
Bildungsprozesse angeregt werden können, wenn diese bewusst reflektiert werden
(Reinwand 2008).
Kulturelle Bildung ist zwar besonders nachhaltig, wenn sie in frühem Alter einsetzt, sie ist
jedoch prinzipiell für sämtliche Gruppen der Gesellschaft wünschenswert und vermittelbar.
Kulturelle Bildung ist ein lebenslanger Lernprozess. „Jeder Mensch ist ein Künstler“,
postulierte Joseph Beuys Ende der 60er Jahre und meinte damit, dass eine wirklich
demokratische Gesellschaft davon lebt, dass alle Menschen aktiv und kreativ an ihrer
Gestaltung teilhaben (Beuys 1972). Kulturelle Bildung ist das Kapital jeder und jedes
Einzelnen, das wir für die Entwicklung einer solcher „Kulturgesellschaft“ benötigen (Mandel
2008).
Seit Ende der 80er Jahre entwickelten sich verstärkt Formen von Öffentlichkeitsarbeit und
Marketing, die spezifisch auf die Belange von Kultur zugeschnitten sind und bei denen es
darum geht, die Kommunikation und die Rahmenbedingungen von Kulturangeboten und
Kulturrezeptionsprozessen so zu gestalten, dass sie für unterschiedliche Zielgruppen
attraktiv werden. Diese lassen sich als indirekte Formen von Kulturvermittlung bezeichnen
(Mandel 2008 und 2012).
Im angloamerikanischen Raum wurde Mitte der 90er Jahre der Begriff des Audience
Development eingeführt als Bezeichnung für die strategische Gewinnung neuen Publikums
für Kultureinrichtungen (Arts Council England 2004). Auch Audience Development arbeitet
mit dem Zusammenspiel unterschiedlicher Ansätze aus dem Kulturmarketing, der Kultur-PR,
der Kunstvermittlung auf der Basis von Kulturnutzerforschung, um kulturelle Angebote für
unterschiedliche Zielgruppen zu gestalten, zu positionieren, zu kommunizieren, zu vertreiben
und zu vermitteln. Dabei kann das Ziel darin bestehen, Besucherzahlen zu erhöhen, um die
ökonomische Basis einer Einrichtung zu sichern, ebenso wie darin, ein anderes Publikum zu
Was heißt schon KulturVERMITTLUNG?
social inclusion :: participation :: emotional intelligence
www.kulturvermittlung.net
erreichen, womit politische Zielsetzungen kultureller Partizipation und Chancengleichheit
verfolgt werden können.
Ziele von Kulturvermittlung können, den verschiedenen Funktionen entsprechend, darin
bestehen:
 Zugänge zu Kunst vermitteln und damit die Rezeption von Kunst und Kultur
ermöglichen bzw. zu erleichtern
 Künstlerische Techniken und Kompetenzen vermitteln
 Kreatives Ausdrucksvermögen anregen
 Empowerment/Stärkung des Einzelnen fördern
 Schlüsselkompetenzen fördern wie Kreativität, Wahrnehmungsfähigkeit,
Reflexionsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit
 Kommunikation, interkulturellen Austausch, Identität und Gemeinschaft stiften
 Aufmerksamkeit schaffen für Kunst und Kultur sowie Images von Kunst und Kultur
beeinflussen
Kulturvermittlung kann also sowohl Marketingziele durch Aufmerksamkeitsmanagement
und Steigerung von Besucher- und Einnahmezahlen verfolgen wie auch zur individuellen
Bereicherung des einzelnen Kulturnutzers beitragen sowie auch gemeinnützige
gesellschaftspolitische Ziele verfolgen, die über den Kultursektor hinausreichen.
Häufig sollen durch Kulturvermittlung verschiedene dieser Ziele parallel erreicht werden.
Ein strategisches Zusammenwirken von indirekten und direkten Formen der
Kulturvermittlung erweist sich als besonders wirkungsvoll, wenn es darum geht, neue soziale
Gruppen an Kunst und Kultur heranzuführen und nachhaltig zu binden (Mandel 2008).
Voraussetzung für eine Kulturvermittlung, die sich nicht nur als Kunstübersetzung und
Wissensvermittlung, sondern als Unterstützung für subjektive Kulturaneignungsprozesse
begreift, ist die kritische Reflexion des zugrunde liegenden Kulturbegriffs.
Was heißt schon KulturVERMITTLUNG?
social inclusion :: participation :: emotional intelligence
www.kulturvermittlung.net
Dafür ist es sinnvoll, einen normativen Kulturbegriff zu überwinden, der bestimmte, v.a.
öffentlich geförderte sogenannte Hochkulturangebote als wertvoller begreift als andere
Formen etwa von populärer Kultur und Breitenkultur.
Damit wird der Blick geöffnet für ein breites Spektrum an relevanten Kulturformen, die in
Vermittlungsprozessen in Beziehung zueinander gebracht werden können, um die Kluft
zwischen U und E, zwischen populär und elitär zu überbrücken und neue fruchtbare Bezüge
herzustellen.
Kulturvermittlung ist in einer Einwanderungsgesellschaft in besonderer Weise aufgefordert,
unterschiedliche Kulturformen als gleichwertig zu begreifen, interkulturelle Prozesse zu
animieren und daraus entstehende neue transkulturelle Formen zu fördern, auch gegen die
Vormachtstellung des kulturellen Erbes.
Die Professionalisierung von Kulturvermittlung
Waren die außerschulischen Kulturvermittler noch in den 70er Jahren vorwiegend
Autodidakten, so hat sich die Kulturvermittlung seitdem stark professionalisiert. Die
kulturpolitische Gesellschaft Deutschland ermittelte in ihrer Studie zu Studium und
Arbeitsmarkt Kulturvermittlung (Kulturpolitische Gesellschaft 2012) die erstaunlich hohe
Anzahl von 364 Studiengängen der Kulturvermittlung im weiteren Sinne. Viele davon wurden
erst in jüngerer Zeit im Zuge des Bologna-Prozesses gegründet, bei dem viele neue BA- und
MA-Studiengängen entstanden sind, die Kultur und ihre Vermittlung in verschiedensten
fachlichen Kombinationen integrieren.
Zur Etablierung vieler neuer Ausbildungsgänge im Bereich Kulturvermittlung dürfte auch die
Neubewertung von Kulturvermittlung seit einigen Jahren beigetragen haben als eine für den
Kultursektor und Bildungssektor unverzichtbare Funktion und die damit verbundene
Erwartung eines entsprechend wachsenden Arbeitskräftebedarfs.
Die Absolventinnen und Absolventen dieser vielen Studiengänge im Bereich
außerschulischer Kulturvermittlung haben ihrerseits zur Professionalisierung,
Ausdifferenzierung und Erweiterung des Arbeitsfeldes Kulturvermittlung beigetragen, sie
haben sich selbst neue Stellen geschaffen und neue Dienstleistungen in der
Kulturvermittlung entwickelt. So wuchs etwa die Anzahl der interdisziplinären
Jugendkunstschulen in Deutschland von fünf in der 70er Jahren zu inzwischen über 400
Institutionen.
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Bedeutungswandel der Kulturvermittlung in Kulturbetrieb und Kulturpolitik in
Deutschland
Nachdem Kulturvermittlung in Ländern wie Deutschland und Österreich lange Zeit zu den
stark marginalisierten Bereichen des Kultursektors gehörte und in der Hierarchie der
Kultureinrichtungen weit unten angesiedelt war, hat sie in den letzten 5 bis 10 Jahren stark
an Bedeutung gewonnen.
Gründe für die Aufwertung der Kulturvermittlung liegen zum einen im demografischen
Wandel, durch den die traditionellen (bildungsbürgerlichen) Kulturnutzer, für die der Besuch
hochkultureller Einrichtungen selbstverständlich und selbsterklärend ist, immer weniger
werden, so dass Kultureinrichtungen gezwungen sind, sich um neue Nutzer jenseits dieser
schrumpfenden Milieus zu bemühen.
Ein weiterer Grund dürfte in der zunehmenden Internationalisierung des Kultursektors
bestehen, wodurch Konzepte und Protagonisten von Kulturvermittlung aus anderen
europäischen Ländern Eingang finden und Kulturpolitik beeinflussen. Prominentestes
Beispiel dafür in Deutschland ist sicherlich die Einführung der ersten Education Abteilung in
ein renommiertes klassisches Orchester durch Sir Simon Rattle mit Beginn seiner Amtszeit
als Dirigent der Berliner Philharmoniker.
Auch die Probleme des Bildungssektors in Deutschland, hier vor allem das
Auseinandergehen der Bildungsschere, bedingen ein zunehmendes Interesse an
Kulturvermittlung als Voraussetzung für eine chancengleiche Kulturelle Bildung, die v.a.in
Form von Angeboten im Nachmittagsbereich der sich zunehmend etablierenden
Ganztagsschulen vermittelt werden soll. Zunehmend werden also außerschulische
Kulturvermittler in Kitas und Schulen eingesetzt, aber auch in immer mehr Betrieben und
Unternehmen im Rahmen der Lehrlingsausbildung und Mitarbeiterschulung und -
motivation.
Zukünftige Herausforderung für Kulturvermittler
Die größte Herausforderung für Kulturvermittlung im Zusammenspiel mit Kultur- und
Bildungspolitik wird es sein, freiwillige künstlerisch-kulturelle Angebote fest im
Bildungssektor zu verankern, das heißt Formate und Vermittler kultureller Bildung
Was heißt schon KulturVERMITTLUNG?
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www.kulturvermittlung.net
flächendeckend in den Schulen zu etablieren als dem einzigen Ort, an dem man allen
Mitgliedern einer Gesellschaft einen chancengleichen Zugang ermöglichen kann.
Denn aktuell ist die Nutzung kultureller Angebote weitgehend ein Privileg hochgebildeter
Milieus, bei Erwachsenen ebenso wie bei Kindern und Jugendlichen (Zentrum für
Kulturforschung 2012).
Der Wirtschaftssektor adaptiert zunehmend ästhetische und kulturelle Elemente, indem
Kunst als Gestaltungs- und Imagefaktor für die Corporate Identity von Firmen genutzt wird.
Kulturschaffende und Kulturvermittler sind immer häufiger in Wirtschaftsunternehmen tätig
mit dem Ziel, dort Innovationen zu befördern, etwa indem sie künstlerische Workshops in
der Ausbildung von Lehrlingen durchführen oder Unternehmenstheater einsetzen, um
Konflikte in Teams zu analysieren. Auch im Tourismus werden künstlerische und kulturelle
Vermittlungsleistungen zunehmend nachgefragt, ebenso wie auf weiteren gesellschaftlichen
Feldern wie dem Sozial- und Gesundheitssektor.
Kulturvermittler als Protagonisten der von Richard Florida so genannten „creative class“
agieren als Motor einer auf Veränderung durch Kreativität angewiesenen Gesellschaft.
Damit laufen sie auf der einen Seite Gefahr instrumentalisiert zu werden für Zwecke jenseits
künstlerischer, kultureller und subjektbildender Anliegen. Andererseits und viel mehr liegt
darin aber auch die Chance, den Einflussbereich von Kunst und Kultur weit über den immer
noch sehr elitären Kultursektor hinaus auszuweiten.
Angesichts gesellschaftlicher Spaltungstendenzen, einer zunehmenden Abkehr vor allem
bildungsferner gesellschaftlicher Gruppen vom öffentlichen und kulturellen Leben, Probleme
der Integration der stark wachsenden Migrantengruppen in Deutschland bzw. die
Veränderung der kulturellen Identität durch Migration stellt sich die Frage, wie mit
kulturellen Unterschieden produktiv umgegangen und Kunst als integrative Kraft genutzt
werden könnte.
Dafür ist es notwendig, Kunst und Kultur aus der Nische der gehobenen
Freizeitbeschäftigung herauszuholen und offensiv für die Kommunikation zwischen
verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen einzusetzen. Kunst und Kultur können ein
Handlungsfeld sein für den interkulturellen Dialog, sie können verschiedene Interessen
verdeutlichen, Machtverhältnisse, Widersprüche, Konflikte symbolisch und spielerisch zur
Sprache bringen und verhandeln, sie können manchmal Sprach- und Mentalitätsgrenzen
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www.kulturvermittlung.net
überwinden und haben im besten Falle hohe symbolische, emotionale und
gemeinschaftsstiftende Kraft. Um dieses Potential von Kunst und Kultur zu nutzen, ist es
jedoch notwendig, einen elitären, engen Kulturbegriff zu überwinden, auch traditionelle,
klassische öffentliche Kulturangebote in ihren Inhalten, Formen, Formaten und Strukturen zu
hinterfragen und zu verändern. Es ist erforderlich, Kunst und Kultur offensiv mit anderen
gesellschaftlichen Bereichen zu vernetzen und neue Formen und Formate von
Kulturvermittlung zu entwickeln, die eine sehr viel größere Reichweite in den Alltag einer
vielfältigen Bevölkerung hinein entfalten.
Kulturvermittler haben die wichtige Aufgabe, als Moderatoren und „Brückenbauer“ einer
vielfältigen Kulturgesellschaft zu wirken, die von den verschiedensten Bevölkerungsgruppen
mitgestaltet wird und in der Kunst und Kultur ein für verschiedene Milieus relevanter
Bestandteil ihres alltäglichen Lebens sind.
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LITERATUR
Arts Council England/Johnson, Gill: New Audiences for the Arts. The New Audiences
Programmes 1998–2003, London 2004
Kulturpolitische Gesellschaft/Blumenreich, Ulrike (Hg.): Studium, Arbeitsmarkt, Kultur. Essen
2012
Beuys, Joseph: Jeder Mensch ist ein Künstler, Gespräche auf der documenta 5/1972,
aufgezeichnet von Clara Bodemann-Ritter, Frankfurt a.M. 1975
Fuchs, Max: Kulturelle Bildung. Grundlagen, Praxis, Politik, München 2008
Mandel, Birgit (Hg.): Audience Development, Kulturmanagement, Kulturelle Bildung.
Konzeptionen und Handlungsfelder der Kulturvermittlung. München 2008
Mandel, Birgit: PR für Kunst und Kultur. 4. Auflage, Bielefeld 2012
Mandel, Birgit: Interkulturelles Audience Development. Zukunftsstrategien für öffentlich
geförderte Kulturinstitutionen. Bielefeld 2013
Reinwand, Vanessa: Ohne Kunst wäre das Leben ärmer. Zur biografischen Bedeutung aktiver
Theater-Erfahrung. München 2008
Zacharias, Wolfgang: Kulturpädagogik. Kulturelle Jugendbildung. Eine Einführung. Opladen
2001
Zentrum für Kulturforschung/Keuchel, Susanne: 2. Jugendkulturbarometer, Bonn 2012
Birgit Mandel ist Professorin für Kulturvermittlung und Kulturmanagement am Institut für
Kulturpolitik der Universität Hildesheim. Sie leitet den Masterstudiengang
Kulturvermittlung.
LINKS
http://kulturvermittlung-online.de/

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  • 2. Was heißt schon KulturVERMITTLUNG? social inclusion :: participation :: emotional intelligence www.kulturvermittlung.net ABSTRACT Der Vortrag gibt einen Überblick der verschiedenen Funktionen von Kulturvermittlung: von der Kunstvermittlung über die Kulturpädagogik bis zum Kulturmarketing und zeigt daran die Bandbreite der Ziele von Kulturvermittlung auf: von der Vermittlung der Künste über Kulturelle Bildung und Teilhabe bis zum Aufmerksamkeitsmanagement und Audience Development. Er skizziert die Entwicklung der „Profession“ Kulturvermittlung und zeigt zukünftige Herausforderungen und damit verbundene Qualitätsansprüche an Kulturvermittlung als einer gesellschaftlichen Schlüsselfunktion. PAPER Funktionen und Ziele von Kulturvermittlung Kulturvermittlung hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen als Funktion und Profession, die Kunst und Kultur über den Kultursektor hinaus in die verschiedenen Felder der Gesellschaft einbringt: in den Bildungssektor, den Sozialbereich, die Wirtschaft. Kulturvermittlung agiert zwischen künstlerischer Produktion und Rezeption, moderiert Kommunikationsprozesse über und mit Kunst und animiert ästhetisches Gestalten auch außerhalb des professionellen Kulturbetriebs. (Mandel 2008). Kulturvermittlung kann dabei verschiedene Funktionen und Ziele beinhalten: Kulturvermittlung als Kunstvermittlung im engeren Sinne sollte und soll den Zugang zu professionellen künstlerischen Produktionen ermöglichen, indem diese zum Beispiel durch museums- oder theaterpädagogische Angebote in ihren Inhalten und ihrer Ästhetik verständlich gemacht werden. Kulturvermittlung als Kulturpädagogik im weiteren Sinne impliziert darüber hinaus das Ziel, nicht nur die von Experten hervorgebrachten und definierten Kulturleistungen zugänglich zu machen, sondern regt Kinder, Jugendliche und auch erwachsene Laien dazu an, ihre individuellen künstlerischen bzw. ästhetischen Ausdrucksmöglichkeiten zu erweitern,
  • 3. Was heißt schon KulturVERMITTLUNG? social inclusion :: participation :: emotional intelligence www.kulturvermittlung.net ästhetische Produktion als Mittel der Kommunikation zu nutzen und zugleich eigene Perspektiven auf die Welt zu entwickeln, eigene Ideen und Interessen zu thematisieren, ebenso wie daran zu wachsen und sich selbst als bedeutsam und wirksam zu erfahren. Diese Prozesse lassen sich als kulturelle Bildung bezeichnen (Zacharias 2001). Kulturelle Bildung ist immer ein Selbstbildungsprozess, häufig angeregt durch professionelle Kulturvermittler bzw. Kulturpädagogen. Kulturelle Bildungsprozesse beinhalten sowohl kognitive wie vor alle auch emotionale und soziale Dimensionen. Kulturpädagogik mit dem Ziel kultureller Bildung geht davon aus, dass durch die eigene aktive und ästhetisch-gestalterische Auseinandersetzung mit den Künsten ebenso aber auch wie durch die Auseinandersetzung mit kulturellen Alltags-Phänomenen nachhaltige Bildungsprozesse angeregt werden können, wenn diese bewusst reflektiert werden (Reinwand 2008). Kulturelle Bildung ist zwar besonders nachhaltig, wenn sie in frühem Alter einsetzt, sie ist jedoch prinzipiell für sämtliche Gruppen der Gesellschaft wünschenswert und vermittelbar. Kulturelle Bildung ist ein lebenslanger Lernprozess. „Jeder Mensch ist ein Künstler“, postulierte Joseph Beuys Ende der 60er Jahre und meinte damit, dass eine wirklich demokratische Gesellschaft davon lebt, dass alle Menschen aktiv und kreativ an ihrer Gestaltung teilhaben (Beuys 1972). Kulturelle Bildung ist das Kapital jeder und jedes Einzelnen, das wir für die Entwicklung einer solcher „Kulturgesellschaft“ benötigen (Mandel 2008). Seit Ende der 80er Jahre entwickelten sich verstärkt Formen von Öffentlichkeitsarbeit und Marketing, die spezifisch auf die Belange von Kultur zugeschnitten sind und bei denen es darum geht, die Kommunikation und die Rahmenbedingungen von Kulturangeboten und Kulturrezeptionsprozessen so zu gestalten, dass sie für unterschiedliche Zielgruppen attraktiv werden. Diese lassen sich als indirekte Formen von Kulturvermittlung bezeichnen (Mandel 2008 und 2012). Im angloamerikanischen Raum wurde Mitte der 90er Jahre der Begriff des Audience Development eingeführt als Bezeichnung für die strategische Gewinnung neuen Publikums für Kultureinrichtungen (Arts Council England 2004). Auch Audience Development arbeitet mit dem Zusammenspiel unterschiedlicher Ansätze aus dem Kulturmarketing, der Kultur-PR, der Kunstvermittlung auf der Basis von Kulturnutzerforschung, um kulturelle Angebote für unterschiedliche Zielgruppen zu gestalten, zu positionieren, zu kommunizieren, zu vertreiben und zu vermitteln. Dabei kann das Ziel darin bestehen, Besucherzahlen zu erhöhen, um die ökonomische Basis einer Einrichtung zu sichern, ebenso wie darin, ein anderes Publikum zu
  • 4. Was heißt schon KulturVERMITTLUNG? social inclusion :: participation :: emotional intelligence www.kulturvermittlung.net erreichen, womit politische Zielsetzungen kultureller Partizipation und Chancengleichheit verfolgt werden können. Ziele von Kulturvermittlung können, den verschiedenen Funktionen entsprechend, darin bestehen:  Zugänge zu Kunst vermitteln und damit die Rezeption von Kunst und Kultur ermöglichen bzw. zu erleichtern  Künstlerische Techniken und Kompetenzen vermitteln  Kreatives Ausdrucksvermögen anregen  Empowerment/Stärkung des Einzelnen fördern  Schlüsselkompetenzen fördern wie Kreativität, Wahrnehmungsfähigkeit, Reflexionsfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit  Kommunikation, interkulturellen Austausch, Identität und Gemeinschaft stiften  Aufmerksamkeit schaffen für Kunst und Kultur sowie Images von Kunst und Kultur beeinflussen Kulturvermittlung kann also sowohl Marketingziele durch Aufmerksamkeitsmanagement und Steigerung von Besucher- und Einnahmezahlen verfolgen wie auch zur individuellen Bereicherung des einzelnen Kulturnutzers beitragen sowie auch gemeinnützige gesellschaftspolitische Ziele verfolgen, die über den Kultursektor hinausreichen. Häufig sollen durch Kulturvermittlung verschiedene dieser Ziele parallel erreicht werden. Ein strategisches Zusammenwirken von indirekten und direkten Formen der Kulturvermittlung erweist sich als besonders wirkungsvoll, wenn es darum geht, neue soziale Gruppen an Kunst und Kultur heranzuführen und nachhaltig zu binden (Mandel 2008). Voraussetzung für eine Kulturvermittlung, die sich nicht nur als Kunstübersetzung und Wissensvermittlung, sondern als Unterstützung für subjektive Kulturaneignungsprozesse begreift, ist die kritische Reflexion des zugrunde liegenden Kulturbegriffs.
  • 5. Was heißt schon KulturVERMITTLUNG? social inclusion :: participation :: emotional intelligence www.kulturvermittlung.net Dafür ist es sinnvoll, einen normativen Kulturbegriff zu überwinden, der bestimmte, v.a. öffentlich geförderte sogenannte Hochkulturangebote als wertvoller begreift als andere Formen etwa von populärer Kultur und Breitenkultur. Damit wird der Blick geöffnet für ein breites Spektrum an relevanten Kulturformen, die in Vermittlungsprozessen in Beziehung zueinander gebracht werden können, um die Kluft zwischen U und E, zwischen populär und elitär zu überbrücken und neue fruchtbare Bezüge herzustellen. Kulturvermittlung ist in einer Einwanderungsgesellschaft in besonderer Weise aufgefordert, unterschiedliche Kulturformen als gleichwertig zu begreifen, interkulturelle Prozesse zu animieren und daraus entstehende neue transkulturelle Formen zu fördern, auch gegen die Vormachtstellung des kulturellen Erbes. Die Professionalisierung von Kulturvermittlung Waren die außerschulischen Kulturvermittler noch in den 70er Jahren vorwiegend Autodidakten, so hat sich die Kulturvermittlung seitdem stark professionalisiert. Die kulturpolitische Gesellschaft Deutschland ermittelte in ihrer Studie zu Studium und Arbeitsmarkt Kulturvermittlung (Kulturpolitische Gesellschaft 2012) die erstaunlich hohe Anzahl von 364 Studiengängen der Kulturvermittlung im weiteren Sinne. Viele davon wurden erst in jüngerer Zeit im Zuge des Bologna-Prozesses gegründet, bei dem viele neue BA- und MA-Studiengängen entstanden sind, die Kultur und ihre Vermittlung in verschiedensten fachlichen Kombinationen integrieren. Zur Etablierung vieler neuer Ausbildungsgänge im Bereich Kulturvermittlung dürfte auch die Neubewertung von Kulturvermittlung seit einigen Jahren beigetragen haben als eine für den Kultursektor und Bildungssektor unverzichtbare Funktion und die damit verbundene Erwartung eines entsprechend wachsenden Arbeitskräftebedarfs. Die Absolventinnen und Absolventen dieser vielen Studiengänge im Bereich außerschulischer Kulturvermittlung haben ihrerseits zur Professionalisierung, Ausdifferenzierung und Erweiterung des Arbeitsfeldes Kulturvermittlung beigetragen, sie haben sich selbst neue Stellen geschaffen und neue Dienstleistungen in der Kulturvermittlung entwickelt. So wuchs etwa die Anzahl der interdisziplinären Jugendkunstschulen in Deutschland von fünf in der 70er Jahren zu inzwischen über 400 Institutionen.
  • 6. Was heißt schon KulturVERMITTLUNG? social inclusion :: participation :: emotional intelligence www.kulturvermittlung.net Bedeutungswandel der Kulturvermittlung in Kulturbetrieb und Kulturpolitik in Deutschland Nachdem Kulturvermittlung in Ländern wie Deutschland und Österreich lange Zeit zu den stark marginalisierten Bereichen des Kultursektors gehörte und in der Hierarchie der Kultureinrichtungen weit unten angesiedelt war, hat sie in den letzten 5 bis 10 Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Gründe für die Aufwertung der Kulturvermittlung liegen zum einen im demografischen Wandel, durch den die traditionellen (bildungsbürgerlichen) Kulturnutzer, für die der Besuch hochkultureller Einrichtungen selbstverständlich und selbsterklärend ist, immer weniger werden, so dass Kultureinrichtungen gezwungen sind, sich um neue Nutzer jenseits dieser schrumpfenden Milieus zu bemühen. Ein weiterer Grund dürfte in der zunehmenden Internationalisierung des Kultursektors bestehen, wodurch Konzepte und Protagonisten von Kulturvermittlung aus anderen europäischen Ländern Eingang finden und Kulturpolitik beeinflussen. Prominentestes Beispiel dafür in Deutschland ist sicherlich die Einführung der ersten Education Abteilung in ein renommiertes klassisches Orchester durch Sir Simon Rattle mit Beginn seiner Amtszeit als Dirigent der Berliner Philharmoniker. Auch die Probleme des Bildungssektors in Deutschland, hier vor allem das Auseinandergehen der Bildungsschere, bedingen ein zunehmendes Interesse an Kulturvermittlung als Voraussetzung für eine chancengleiche Kulturelle Bildung, die v.a.in Form von Angeboten im Nachmittagsbereich der sich zunehmend etablierenden Ganztagsschulen vermittelt werden soll. Zunehmend werden also außerschulische Kulturvermittler in Kitas und Schulen eingesetzt, aber auch in immer mehr Betrieben und Unternehmen im Rahmen der Lehrlingsausbildung und Mitarbeiterschulung und - motivation. Zukünftige Herausforderung für Kulturvermittler Die größte Herausforderung für Kulturvermittlung im Zusammenspiel mit Kultur- und Bildungspolitik wird es sein, freiwillige künstlerisch-kulturelle Angebote fest im Bildungssektor zu verankern, das heißt Formate und Vermittler kultureller Bildung
  • 7. Was heißt schon KulturVERMITTLUNG? social inclusion :: participation :: emotional intelligence www.kulturvermittlung.net flächendeckend in den Schulen zu etablieren als dem einzigen Ort, an dem man allen Mitgliedern einer Gesellschaft einen chancengleichen Zugang ermöglichen kann. Denn aktuell ist die Nutzung kultureller Angebote weitgehend ein Privileg hochgebildeter Milieus, bei Erwachsenen ebenso wie bei Kindern und Jugendlichen (Zentrum für Kulturforschung 2012). Der Wirtschaftssektor adaptiert zunehmend ästhetische und kulturelle Elemente, indem Kunst als Gestaltungs- und Imagefaktor für die Corporate Identity von Firmen genutzt wird. Kulturschaffende und Kulturvermittler sind immer häufiger in Wirtschaftsunternehmen tätig mit dem Ziel, dort Innovationen zu befördern, etwa indem sie künstlerische Workshops in der Ausbildung von Lehrlingen durchführen oder Unternehmenstheater einsetzen, um Konflikte in Teams zu analysieren. Auch im Tourismus werden künstlerische und kulturelle Vermittlungsleistungen zunehmend nachgefragt, ebenso wie auf weiteren gesellschaftlichen Feldern wie dem Sozial- und Gesundheitssektor. Kulturvermittler als Protagonisten der von Richard Florida so genannten „creative class“ agieren als Motor einer auf Veränderung durch Kreativität angewiesenen Gesellschaft. Damit laufen sie auf der einen Seite Gefahr instrumentalisiert zu werden für Zwecke jenseits künstlerischer, kultureller und subjektbildender Anliegen. Andererseits und viel mehr liegt darin aber auch die Chance, den Einflussbereich von Kunst und Kultur weit über den immer noch sehr elitären Kultursektor hinaus auszuweiten. Angesichts gesellschaftlicher Spaltungstendenzen, einer zunehmenden Abkehr vor allem bildungsferner gesellschaftlicher Gruppen vom öffentlichen und kulturellen Leben, Probleme der Integration der stark wachsenden Migrantengruppen in Deutschland bzw. die Veränderung der kulturellen Identität durch Migration stellt sich die Frage, wie mit kulturellen Unterschieden produktiv umgegangen und Kunst als integrative Kraft genutzt werden könnte. Dafür ist es notwendig, Kunst und Kultur aus der Nische der gehobenen Freizeitbeschäftigung herauszuholen und offensiv für die Kommunikation zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen einzusetzen. Kunst und Kultur können ein Handlungsfeld sein für den interkulturellen Dialog, sie können verschiedene Interessen verdeutlichen, Machtverhältnisse, Widersprüche, Konflikte symbolisch und spielerisch zur Sprache bringen und verhandeln, sie können manchmal Sprach- und Mentalitätsgrenzen
  • 8. Was heißt schon KulturVERMITTLUNG? social inclusion :: participation :: emotional intelligence www.kulturvermittlung.net überwinden und haben im besten Falle hohe symbolische, emotionale und gemeinschaftsstiftende Kraft. Um dieses Potential von Kunst und Kultur zu nutzen, ist es jedoch notwendig, einen elitären, engen Kulturbegriff zu überwinden, auch traditionelle, klassische öffentliche Kulturangebote in ihren Inhalten, Formen, Formaten und Strukturen zu hinterfragen und zu verändern. Es ist erforderlich, Kunst und Kultur offensiv mit anderen gesellschaftlichen Bereichen zu vernetzen und neue Formen und Formate von Kulturvermittlung zu entwickeln, die eine sehr viel größere Reichweite in den Alltag einer vielfältigen Bevölkerung hinein entfalten. Kulturvermittler haben die wichtige Aufgabe, als Moderatoren und „Brückenbauer“ einer vielfältigen Kulturgesellschaft zu wirken, die von den verschiedensten Bevölkerungsgruppen mitgestaltet wird und in der Kunst und Kultur ein für verschiedene Milieus relevanter Bestandteil ihres alltäglichen Lebens sind.
  • 9. Was heißt schon KulturVERMITTLUNG? social inclusion :: participation :: emotional intelligence www.kulturvermittlung.net LITERATUR Arts Council England/Johnson, Gill: New Audiences for the Arts. The New Audiences Programmes 1998–2003, London 2004 Kulturpolitische Gesellschaft/Blumenreich, Ulrike (Hg.): Studium, Arbeitsmarkt, Kultur. Essen 2012 Beuys, Joseph: Jeder Mensch ist ein Künstler, Gespräche auf der documenta 5/1972, aufgezeichnet von Clara Bodemann-Ritter, Frankfurt a.M. 1975 Fuchs, Max: Kulturelle Bildung. Grundlagen, Praxis, Politik, München 2008 Mandel, Birgit (Hg.): Audience Development, Kulturmanagement, Kulturelle Bildung. Konzeptionen und Handlungsfelder der Kulturvermittlung. München 2008 Mandel, Birgit: PR für Kunst und Kultur. 4. Auflage, Bielefeld 2012 Mandel, Birgit: Interkulturelles Audience Development. Zukunftsstrategien für öffentlich geförderte Kulturinstitutionen. Bielefeld 2013 Reinwand, Vanessa: Ohne Kunst wäre das Leben ärmer. Zur biografischen Bedeutung aktiver Theater-Erfahrung. München 2008 Zacharias, Wolfgang: Kulturpädagogik. Kulturelle Jugendbildung. Eine Einführung. Opladen 2001 Zentrum für Kulturforschung/Keuchel, Susanne: 2. Jugendkulturbarometer, Bonn 2012 Birgit Mandel ist Professorin für Kulturvermittlung und Kulturmanagement am Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim. Sie leitet den Masterstudiengang Kulturvermittlung. LINKS http://kulturvermittlung-online.de/