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93DER SPIEGEL 22/2014
AuslandFOTO:AMITSHABI/LAIF/DERSPIEGEL
C
ommiphora gileadensis: mandelförmige Blättchen an
knorrigen Zweigen, ab und zu ein paar violette Früch-
te. Für sie würde er alles tun, sagt Guy Ehrlich, 43 Jahre
alt, Vater zweier Söhne und einer Tochter, verheiratet mit der
Kindergärtnerin Efrat. Er denkt einen Augenblick nach, denkt
an seine Frau, an seine Kinder. 
Fast alles, sagt er dann.
Mit dem Finger pult Ehrlich an der hellen Rinde und riecht
daran. Eukalyptusnote dominant, seufzt er, minzig im Nach-
gang. Er zwickt eine Frucht ab, zerquetscht sie in seiner Hand-
fläche, schnuppert: „Zitrone, eindeutig.“
Guy Ehrlich ist Gärtner, aber passender wäre eigentlich:
Groupie. Bedingungsloser Liebhaber einer Pflanze, die besser
bekannt ist als Balsam. Dafür zog Ehrlich von Jerusalem in die
Wüste, von Israel ins Westjordanland, in den Kibbuz Almog.
Für diese Pflanze hat er seine Festanstellung bei einer Lokal-
zeitung aufgegeben, und seine politischen Prinzipien dazu.
Denn Ehrlich ist jetzt Siedler, er lebt nahe der palästinensischen
Stadt Jericho, in Sichtweite des Toten Meeres, wo er zwei Ställe
zum Gewächshaus umgebaut hat.
Es gibt viele Arten von Commiphora, aber Ehrlich hat nur
nach einer gesucht, der Commiphora gileadensis, die in der
Thora auftaucht; und er ist überzeugt, den biblischen Balsam
gefunden zu haben. Zur Sicherheit züchtet er aber zwei weitere
Arten, auf die die biblische Beschreibung zutreffen könnte.
Ihr Duft soll bereits den Tempel in Jerusalem ausgefüllt ha-
ben, mit ihren Ölen rieben sich die judäischen Könige ein,
Kleopatra liebte das aus dem Balsam hergestellte Parfum, und
Herodes soll mit dem Handel der Essenz den Bau seiner Paläste
finanziert haben. Zudem war der biblische Balsam offenbar
ein Wundermittel: genutzt zum Desinfizieren von Wunden,
zum Senken von Bluthochdruck, zum Lindern von Entzün-
dungen und Kopfschmerz, zählt Ehrlich auf, als Aphrodisiakum
und bei epileptischen Anfällen. Thora, Talmud, griechische
und römische Schriften erwähnen den Balsam.
Doch dann verschwand die Gileadensis aus dem Heiligen
Land, 1500 Jahre lang.
Wie eine Erleuchtung sei es gewesen, als er von der Heilkraft
der Pflanze erfahren habe, sagt Ehrlich, ein massiger Mann
mit Nickelbrille, er sitzt auf dem Stamm einer gefällten Dattel-
palme. Dabei mag er das Wort Erleuchtung eigentlich nicht; er
ist alles andere als religiös. Früher, in seinem alten Leben, hat
er als Mitglied des Jerusalemer Gemeinderats dafür gekämpft,
dass die Geschäfte am Sabbat geöffnet bleiben. Dann besuchte
er vor sieben Jahren einen Vortrag über alte Pflanzenarten und
Naturheilkunde. Es war das erste Mal, dass er vom „Export-
schlager des Königreichs Juda“ hörte. Er habe sofort gewusst,
sagt er, dass er dieses kostbare Gewächs dorthin zurückbringen
wollte, wo es einst gewachsen war: am Ufer des Toten Meeres.
Früher war Guy Ehrlich ein Mann, dessen Zimmerpflanzen
vertrockneten. Jetzt hat er seinen Job gekündigt und begonnen,
sich der Suche nach Setzlingen zu widmen. Er fand heraus,
dass ein deutscher Botaniker vor Jahren Samen der Gileaden-
sis aus Saudi-Arabien nach London geschmuggelt hatte; dass
sie auch im Jemen wächst und in Oman. Monate später
war Guy Ehrlich im Besitz seines ersten Setzlings. Mittlerweile
hat er 2500.
Es blieb nicht beim Balsam, Ehrlich fing an, auch andere
biblische Pflanzen zu sammeln. Zurzeit blüht der Weihrauch-
strauch, Boswellia sacra, er trägt kleine, eierschalfarbene Blü-
ten. Gut gegen Depressionen, sagt Ehrlich. Daneben wächst
wilder Wein, stehen Mandel-, Oliven- und Limettenbäumchen.
In seinem Garten im Kibbuz Almog hat er ein kleines Paradies
geschaffen, Ehrlichs Idee ist Wirklichkeit geworden. Das Pro-
blem ist nur, dass die Wirklichkeit recht kostspielig ist.
Ein halber Hektar muss bewässert und gedüngt werden, da
bleibt keine Zeit für einen Nebenjob. Guy Ehrlich hat bereits
sein Erbe und den Erlös aus dem Verkauf des Jerusalemer Hau-
ses in den Garten gesteckt. Seiner Familie versprach er damals,
wenn er im Besitz des Balsams sei, dann komme schon wieder
Geld rein, durch den Verkauf von Ölen und Cremes. Er träumte
von Naturheilkunde und Kosmetik, die er daraus herstellen
könnte, so wie vor 2000 Jahren. Er destilliert jetzt Öl aus der
Gileadensis, das aussieht wie Hustensaft.
Doch für seine biblischen Pflanzen interessieren sich bisher
vor allem religiöse Extremisten. Neulich hat ihn ein Rabbi
besucht, der in Jerusalem an der Stelle des Felsendoms den
jüdischen Tempel wiederaufbauen will. „Du wirst den Duft
dafür kreieren“, sagte der Rabbi. Ehrlich lehnte ab.
Der Balsam ist noch immer ein Hobby, das so viel bringe,
sagt Guy Ehrlich, „wie Weltmeister im Solitaire zu sein“.
Die Begeisterung seiner Familie für die Wunderpflanze ist
mittlerweile vergangen. Nur sein jüngster Sohn begleitet ihn
noch manchmal ins Gewächshaus und spielt dort Dschungel-
kämpfer.
Vor Kurzem hat ein amerikanisches Unternehmen für äthe-
rische Öle Kontakt mit ihm aufgenommen. Man interessiere
sich für den Balsam, schrieb es. Ehrlich hat jetzt weiteres Land
angemietet, für richtige Plantagen.
Er glaubt noch immer an seine Gileadensis. Julia Amalia Heyer
Balsamgärtner Ehrlich
„Exportschlager des Königreichs Juda“
KIBBUZ
ALMOG
Der ewige Gärtner
Global Village Warum ein nicht religiöser
Israeli Pflanzen aus der Thora anbaut

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כתבה דר שפיגל

  • 1. 93DER SPIEGEL 22/2014 AuslandFOTO:AMITSHABI/LAIF/DERSPIEGEL C ommiphora gileadensis: mandelförmige Blättchen an knorrigen Zweigen, ab und zu ein paar violette Früch- te. Für sie würde er alles tun, sagt Guy Ehrlich, 43 Jahre alt, Vater zweier Söhne und einer Tochter, verheiratet mit der Kindergärtnerin Efrat. Er denkt einen Augenblick nach, denkt an seine Frau, an seine Kinder.  Fast alles, sagt er dann. Mit dem Finger pult Ehrlich an der hellen Rinde und riecht daran. Eukalyptusnote dominant, seufzt er, minzig im Nach- gang. Er zwickt eine Frucht ab, zerquetscht sie in seiner Hand- fläche, schnuppert: „Zitrone, eindeutig.“ Guy Ehrlich ist Gärtner, aber passender wäre eigentlich: Groupie. Bedingungsloser Liebhaber einer Pflanze, die besser bekannt ist als Balsam. Dafür zog Ehrlich von Jerusalem in die Wüste, von Israel ins Westjordanland, in den Kibbuz Almog. Für diese Pflanze hat er seine Festanstellung bei einer Lokal- zeitung aufgegeben, und seine politischen Prinzipien dazu. Denn Ehrlich ist jetzt Siedler, er lebt nahe der palästinensischen Stadt Jericho, in Sichtweite des Toten Meeres, wo er zwei Ställe zum Gewächshaus umgebaut hat. Es gibt viele Arten von Commiphora, aber Ehrlich hat nur nach einer gesucht, der Commiphora gileadensis, die in der Thora auftaucht; und er ist überzeugt, den biblischen Balsam gefunden zu haben. Zur Sicherheit züchtet er aber zwei weitere Arten, auf die die biblische Beschreibung zutreffen könnte. Ihr Duft soll bereits den Tempel in Jerusalem ausgefüllt ha- ben, mit ihren Ölen rieben sich die judäischen Könige ein, Kleopatra liebte das aus dem Balsam hergestellte Parfum, und Herodes soll mit dem Handel der Essenz den Bau seiner Paläste finanziert haben. Zudem war der biblische Balsam offenbar ein Wundermittel: genutzt zum Desinfizieren von Wunden, zum Senken von Bluthochdruck, zum Lindern von Entzün- dungen und Kopfschmerz, zählt Ehrlich auf, als Aphrodisiakum und bei epileptischen Anfällen. Thora, Talmud, griechische und römische Schriften erwähnen den Balsam. Doch dann verschwand die Gileadensis aus dem Heiligen Land, 1500 Jahre lang. Wie eine Erleuchtung sei es gewesen, als er von der Heilkraft der Pflanze erfahren habe, sagt Ehrlich, ein massiger Mann mit Nickelbrille, er sitzt auf dem Stamm einer gefällten Dattel- palme. Dabei mag er das Wort Erleuchtung eigentlich nicht; er ist alles andere als religiös. Früher, in seinem alten Leben, hat er als Mitglied des Jerusalemer Gemeinderats dafür gekämpft, dass die Geschäfte am Sabbat geöffnet bleiben. Dann besuchte er vor sieben Jahren einen Vortrag über alte Pflanzenarten und Naturheilkunde. Es war das erste Mal, dass er vom „Export- schlager des Königreichs Juda“ hörte. 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Der Balsam ist noch immer ein Hobby, das so viel bringe, sagt Guy Ehrlich, „wie Weltmeister im Solitaire zu sein“. Die Begeisterung seiner Familie für die Wunderpflanze ist mittlerweile vergangen. Nur sein jüngster Sohn begleitet ihn noch manchmal ins Gewächshaus und spielt dort Dschungel- kämpfer. Vor Kurzem hat ein amerikanisches Unternehmen für äthe- rische Öle Kontakt mit ihm aufgenommen. Man interessiere sich für den Balsam, schrieb es. Ehrlich hat jetzt weiteres Land angemietet, für richtige Plantagen. Er glaubt noch immer an seine Gileadensis. Julia Amalia Heyer Balsamgärtner Ehrlich „Exportschlager des Königreichs Juda“ KIBBUZ ALMOG Der ewige Gärtner Global Village Warum ein nicht religiöser Israeli Pflanzen aus der Thora anbaut