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Sprache und Identität
Wer bin ich, wenn ich spreche?
“
”
Sprachen sind bei weitem das wichtigste Vehikel
kultureller Entfaltung und zugleich das wichtigste
Element nationaler - übrigens auch persönlicher -
Identität.
Helmut Schmidt (1918 – 2015)
Gliederung
1. Physische Identität
2. Psychische Identität
3. Geographische Identität
4. Soziale Identität
5. Fazit
6. Literatur
Physische Identität
 KÖRPERTYPEN
 kein direkter Bezug zwischen Sprachverhalten und Gewicht, Größe und Statur
 dennoch gewisser Erwartungshorizont, der durch anatomische Ausprägung der
Sprechorgane erfüllt wird
 GESUNDHEITSZUSTAND
 Behinderung der Sprechfähigkeit bei gewissen gesundheitlichen Defiziten
 Erkältung,
 operativer Eingriff,
 Gaumenspalte,
 Beschädigung des Wernicke- und Broca-Areals,
 …
Physische Identität
 ALTER
 Veränderung von Wortschatz und Stil mit steigendem Alter
 Beeinträchtigung des Sprechvermögens durch nachlassende Leistungsfähigkeit des
Körpers
 Nachlassen des Hörvermögens
 Stimmbruch – schnelles Wachstum des Kehlkopfes
Physische Identität
 GESCHLECHT
 Stimmhöhe als prägnantes
Merkmal
 Indigene Ursprachen weisen
beträchtliche Unterschiede zu
den europäischen und
asiatischen Sprachen auf.
 im Deutschen: keine
Unterschiede in Vokabular und
Aussprache
Weiblich Männlich Übersetzung
ka‘ ká‘s er sagt gerade
molhîl molhís wir schälen es
tacwân tacilwâ‘s Singe nicht!
Im Koasati unterscheiden sich gewisse Verbformen je
nach Geschlecht des Sprechers.
Physische Identität
„Was für ein schöner Tag […]! Tom hat
sich sooo riesig gefreut uns zu sehen.
Der wusste nämlich von gar nichts und
wurde am Strand überrascht. Anna und
Flori haben sich natürlich auch total über
ihren großen Bruder gefreut, genauso
wie über Oma und Opa!“
„Vielen Dank für die vielen
Glückwünsche und Gäste! Die
Überraschung ist euch auf jeden Fall
gelungen! Mit euch immer wieder aufs
neue!
Kommt eigentlich wer zum aufräumen?“
Die Texte stammen aus dem Social Network Facebook. Personennamen wurden aus Gründen der Privatsphäre und des Datenschutzes geändert.
Physische Identität
„Was für ein schöner Tag […]! Tom hat
sich sooo riesig gefreut uns zu sehen.
Der wusste nämlich von gar nichts und
wurde am Strand überrascht. Anna und
Flori haben sich natürlich auch total über
ihren großen Bruder gefreut, genauso
wie über Oma und Opa!“
„Vielen Dank für die vielen
Glückwünsche und Gäste! Die
Überraschung ist euch auf jeden Fall
gelungen! Mit euch immer wieder aufs
neue!
Kommt eigentlich wer zum aufräumen?“
Die Texte stammen aus dem Social Network Facebook. Personennamen wurden aus Gründen der Privatsphäre und des Datenschutzes geändert.
Physische Identität
Frauen Männer
expressive Adjektive (toll, super, …) (beinahe) emotionslose Berichtssprache
Ausrufesätze kurze, elliptische Sätze
Steigerungspartikeln (so, riesig, …) einfache Sprache
parenthetische Verben (meinen, glauben,
denken, …)
Verzicht auf parenthetische Verben
 Subjektivierung  Objektivierung
Psychische Identität
 Persönlichkeitszüge (= Charakter) vs. Persönlichkeitstypen
(= dominantes Persönlichkeitsmerkmal)
 DEFINIERT SPRACHE UNSERE PERSÖNLICHKEIT?
 „Attraktivität“ der Sprache – ausgelöst durch stereotype Vorstellungen
 Pejorisierung der ländlichen Dialekte
Psychische Identität
Persönlichkeitszüge nach Hans
Eysenck (1916 – 1997)
Quelle: http://www.verhaltenswissenschaft.de/Psychologie/Personlichkeit/Gesamtsysteme/Temperamente.jpg [26.11. 2015]
Geographische Identität
Quelle: https://amoiltedesco.files.wordpress.com/2010/12/deutschemundarten-3.jpg [27.11. 2015]
Geographische Identität
Schäbisch Mecklenburgisch-Vorpommersch
weitreichende Diphthongierung der mhd.
Langvokale (
Diphthongierungen von ê, ô und ö
(Kauken, groin)
Einheitsplural der Verben im Präsens auf -
et
Hebung des Vokals vor /r/ (mihr, Uhr,
hüürn)
Diminutive (Kinning)
Geographische Identität
„Da Uagroosvaddr von de Määdla hadd
a äaschte Frau khed, ond die isch ganz
bääs ond schlächd gwäa. Sie hand
midanand ganz schlächd ghousad. Ond
deeswäga iisch ar na(u) alawejl en Hirsch
ganga, ond had säin Zåara naglichd.
Wenn ar nau huigange isch, had’n doch
säi Alda nous(g)schberd khed. Dees isch
em Wintr amål rächd kal(d) gwäa.“
„As ik noch 'n lütt'n Jung'n wer, türfte ich
an jäidn Sommer norn Land gorn. Mihn
Grötting nähm mi dormals opp. Dat wiä
de Tiit as wi noch in äers'n Kriich wiern.
Dor geff dat noch Boller, dor wier ne
Kouh, dor haat wii wat to drinkn - all dat
watt wi to Huus inne Stadt noch nich
hebbm däidn, dat fünn' wi bi uns
Großmurrer.“
Geographische Identität
Quelle: http://www.atlas-alltagssprache.de/wp-content/uploads/2012/12/9_01h.jpg [27.11. 2015]
Soziale und ethnische Identität
 Vielschichtigkeit der Gesellschaft erlaubt mehrere Identitäten pro Individuum
 ständische sowie berufliche Gruppierungen variieren in:
 Aussprache (Gratin > Grateng (Mittelschicht) > ɡʀaˈtɛ̃ː (obere Mittelschicht, Oberschicht),
 Vokabular (Mundart > Dialekt, Regiolekt, Varietät),
 Anredepronomina (Herr, Genosse, Kamerad, Sir, [ohne], …),
 …
Fazit
Sprache
Geografische
Identität
Stilistische
Identität
Soziale
Identität
Nationale
Identität
Psychische
Identität
Ethnische
Identität
Physische
Identität
Kontextuelle
Identität
Literatur
Crystal, David (1995): Die Cambridge Enzyklopädie der Sprache. Röhrich, S., Böckler, A.,
Jansen, M. (Übers.). Frankfurt/New York: Campus Verlag.
Hullmann, Berrit (2003): Zur unterschiedlichen Verwendung von Sprache in Frauen-
und Männerzeitschriften am Beispiel von Amica und Menshealth
(Zwischenprüfungsarbeit). Universität Duisburg-Essen.

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Language Acquisition
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Sprache und Identität

  • 1. Sprache und Identität Wer bin ich, wenn ich spreche?
  • 2. “ ” Sprachen sind bei weitem das wichtigste Vehikel kultureller Entfaltung und zugleich das wichtigste Element nationaler - übrigens auch persönlicher - Identität. Helmut Schmidt (1918 – 2015)
  • 3. Gliederung 1. Physische Identität 2. Psychische Identität 3. Geographische Identität 4. Soziale Identität 5. Fazit 6. Literatur
  • 4. Physische Identität  KÖRPERTYPEN  kein direkter Bezug zwischen Sprachverhalten und Gewicht, Größe und Statur  dennoch gewisser Erwartungshorizont, der durch anatomische Ausprägung der Sprechorgane erfüllt wird  GESUNDHEITSZUSTAND  Behinderung der Sprechfähigkeit bei gewissen gesundheitlichen Defiziten  Erkältung,  operativer Eingriff,  Gaumenspalte,  Beschädigung des Wernicke- und Broca-Areals,  …
  • 5. Physische Identität  ALTER  Veränderung von Wortschatz und Stil mit steigendem Alter  Beeinträchtigung des Sprechvermögens durch nachlassende Leistungsfähigkeit des Körpers  Nachlassen des Hörvermögens  Stimmbruch – schnelles Wachstum des Kehlkopfes
  • 6. Physische Identität  GESCHLECHT  Stimmhöhe als prägnantes Merkmal  Indigene Ursprachen weisen beträchtliche Unterschiede zu den europäischen und asiatischen Sprachen auf.  im Deutschen: keine Unterschiede in Vokabular und Aussprache Weiblich Männlich Übersetzung ka‘ ká‘s er sagt gerade molhîl molhís wir schälen es tacwân tacilwâ‘s Singe nicht! Im Koasati unterscheiden sich gewisse Verbformen je nach Geschlecht des Sprechers.
  • 7. Physische Identität „Was für ein schöner Tag […]! Tom hat sich sooo riesig gefreut uns zu sehen. Der wusste nämlich von gar nichts und wurde am Strand überrascht. Anna und Flori haben sich natürlich auch total über ihren großen Bruder gefreut, genauso wie über Oma und Opa!“ „Vielen Dank für die vielen Glückwünsche und Gäste! Die Überraschung ist euch auf jeden Fall gelungen! Mit euch immer wieder aufs neue! Kommt eigentlich wer zum aufräumen?“ Die Texte stammen aus dem Social Network Facebook. Personennamen wurden aus Gründen der Privatsphäre und des Datenschutzes geändert.
  • 8. Physische Identität „Was für ein schöner Tag […]! Tom hat sich sooo riesig gefreut uns zu sehen. Der wusste nämlich von gar nichts und wurde am Strand überrascht. Anna und Flori haben sich natürlich auch total über ihren großen Bruder gefreut, genauso wie über Oma und Opa!“ „Vielen Dank für die vielen Glückwünsche und Gäste! Die Überraschung ist euch auf jeden Fall gelungen! Mit euch immer wieder aufs neue! Kommt eigentlich wer zum aufräumen?“ Die Texte stammen aus dem Social Network Facebook. Personennamen wurden aus Gründen der Privatsphäre und des Datenschutzes geändert.
  • 9. Physische Identität Frauen Männer expressive Adjektive (toll, super, …) (beinahe) emotionslose Berichtssprache Ausrufesätze kurze, elliptische Sätze Steigerungspartikeln (so, riesig, …) einfache Sprache parenthetische Verben (meinen, glauben, denken, …) Verzicht auf parenthetische Verben  Subjektivierung  Objektivierung
  • 10. Psychische Identität  Persönlichkeitszüge (= Charakter) vs. Persönlichkeitstypen (= dominantes Persönlichkeitsmerkmal)  DEFINIERT SPRACHE UNSERE PERSÖNLICHKEIT?  „Attraktivität“ der Sprache – ausgelöst durch stereotype Vorstellungen  Pejorisierung der ländlichen Dialekte
  • 11. Psychische Identität Persönlichkeitszüge nach Hans Eysenck (1916 – 1997) Quelle: http://www.verhaltenswissenschaft.de/Psychologie/Personlichkeit/Gesamtsysteme/Temperamente.jpg [26.11. 2015]
  • 14. Geographische Identität Schäbisch Mecklenburgisch-Vorpommersch weitreichende Diphthongierung der mhd. Langvokale ( Diphthongierungen von ê, ô und ö (Kauken, groin) Einheitsplural der Verben im Präsens auf - et Hebung des Vokals vor /r/ (mihr, Uhr, hüürn) Diminutive (Kinning)
  • 15. Geographische Identität „Da Uagroosvaddr von de Määdla hadd a äaschte Frau khed, ond die isch ganz bääs ond schlächd gwäa. Sie hand midanand ganz schlächd ghousad. Ond deeswäga iisch ar na(u) alawejl en Hirsch ganga, ond had säin Zåara naglichd. Wenn ar nau huigange isch, had’n doch säi Alda nous(g)schberd khed. Dees isch em Wintr amål rächd kal(d) gwäa.“ „As ik noch 'n lütt'n Jung'n wer, türfte ich an jäidn Sommer norn Land gorn. Mihn Grötting nähm mi dormals opp. Dat wiä de Tiit as wi noch in äers'n Kriich wiern. Dor geff dat noch Boller, dor wier ne Kouh, dor haat wii wat to drinkn - all dat watt wi to Huus inne Stadt noch nich hebbm däidn, dat fünn' wi bi uns Großmurrer.“
  • 17. Soziale und ethnische Identität  Vielschichtigkeit der Gesellschaft erlaubt mehrere Identitäten pro Individuum  ständische sowie berufliche Gruppierungen variieren in:  Aussprache (Gratin > Grateng (Mittelschicht) > ɡʀaˈtɛ̃ː (obere Mittelschicht, Oberschicht),  Vokabular (Mundart > Dialekt, Regiolekt, Varietät),  Anredepronomina (Herr, Genosse, Kamerad, Sir, [ohne], …),  …
  • 19. Literatur Crystal, David (1995): Die Cambridge Enzyklopädie der Sprache. Röhrich, S., Böckler, A., Jansen, M. (Übers.). Frankfurt/New York: Campus Verlag. Hullmann, Berrit (2003): Zur unterschiedlichen Verwendung von Sprache in Frauen- und Männerzeitschriften am Beispiel von Amica und Menshealth (Zwischenprüfungsarbeit). Universität Duisburg-Essen.