4. LOST: Einleitung
Anhand des Beispiels der TV-Serie Lost soll in dieser Arbeit gezeigt werden, welchen Einfluss
Content- und Marketingstrategien auf digitale Mediensozialisationsprozesse und die Bildung
von Affinitätsgruppen nehmen können.
Definition Sozialisation:
Zentraler Begriff der Verhaltens- und Sozialwissenschaften, der die Gesamtheit der Phasen
bezeichnet, durch die der Mensch eine zweite, eine <soziokulturelle Geburt> (R. König) erlebt;
er wird zur sozialen, gesellschaftlich handlungsfähigen Persönlichkeit, indem er in gesellschaftl.
Struktur- und Interaktionszusammenhänge (z. B. In Familien, Gruppen, Schichten)
hineinwächst. (Brockhaus, 1993)
Definition Mediensozialisation:
In den letzten Jahren haben jedoch innerhalb der Jugendforschung Verschiebungen in Richtung
des biographisch eigenverantwortlichen Jugendlichen stattgefunden. Nicht mehr die
Jugendphase erzieht und prägt den sie durchlaufenden Jugendlichen, sondern die
Jugendlichen konstituieren durch ihre Aktivitäten und Lebensformen die Jugendphase.
Der medienbezogene Sozialisationsansatz hat diese Wendung mitgemacht und versteht
Mediensozialisation in der neuen Definition nicht mehr als “Sozialisation durch
Massenkommunikation”, sondern als “Sozialisation zur Massenkommunikation” (Bonfadelli
1983, 317). Im Unterschied zum älteren Sozialisationsansatz eignen sich die Heranwachsenden
aktiv im Prozess der Sozialisation zur Massenkommunikation die Medienkompetenz an, die es
ihnen erlaubt, Medien für sich zu nutzen, den souveränen Umgang mit ihnen zu erlernen, eine
ihnen angemessene Decodierungsfähigkeit zu entwickeln, sie sinnvoll und kreativ in ihrem
Alltag einzusetzen oder auch – als pädagogisch negativ zu bewertendes Phänomen – sich
ihnen untertan zu machen. (Vollbrecht, Wilfried, & Baacke, 1997)
Definition Affinitätsgruppen nach James Paul Gee, 2007:
Gruppen, in denen informelles Lernen stattfindet, unter anderem charakterisiert durch das
Teilen von Wissen und Kompetenzen, basierend auf freiwilliger Zugehörigkeit.
1
5. LOST: Inhalt
Lost ist eine amerikanische TV-Serie, welche 2004 vom US-Network ABC gestartet, und von
vornherein auf sechs Staffeln ausgelegt wurde. Die letzte Folge wurde im Mai 2010 in den USA
ausgestrahlt.
Produziert wurde Lost u.a. von J.J. Abrams, der auch für Serien wie Alias und Fringe bzw.
Kinofilme wie Mission Impossible III oder Star Trek (2009) verantwortlich zeichnet.
Lost basiert auf einer durchgehenden, komplex aufgebauten Handlung, und nicht auf einzelnen,
voneinander abgekapselten Folgen.
Lost erzählt die Geschichte von Überlebenden eines Flugzeugabsturzes (Oceanic Flug 815)1,
welche auf einer Insel im pazifischen Ozean gestrandet sind. Auf Grund diverser übernatürlicher
Phänomene müssen die Überlebenden bald feststellen, dass es auf dieser Insel nicht mit
rechten Dingen zugeht. Es stellt sich auch heraus, dass sie nicht alleine auf der Insel sind: die
Insel wurde jahrelang als eine Art Versuchslabor für die mysteriöse Hanso Foundation bzw.
ihrer sogenannten “Dharma-Initiative” benutzt, welche mit verschiedenen Experimenten das
Schicksal der Menschheit ändern wollen.
Bei Lost kann man zwischen mehreren Handlungssträngen unterscheiden: Einerseits das
Überleben auf der Insel an sich, andererseits Rückblenden (Flashbacks) ins Leben der
einzelnen Hauptdarsteller. Im Laufe der Zeit stellt sich heraus, dass die einzelnen Protagonisten
nicht zufällig auf der Insel gestrandet sind, und alle irgendwie eine Verbindung zueinander
haben.
Zu den verschiedenen Phänomenen gehören Zeitverschiebungen, eine komplette Abschottung
der Insel zur Außenwelt (keine Kommunikation von/zur Insel möglich), die Fähigkeit zur
Translokation der Insel, und rätselhafte Erscheinungen auf der Insel.
1
Oceanic Airlines Flug 815 ist der Linienflug von Sydney nach Los Angeles am 22. September 2004.
Nach acht Stunden gerät das Flugzeug in Turbulenzen und stürzt über dem Südpazifik ab. Insgesamt
überleben 71 Passagiere den Absturz.
2
6. LOST: Vorgänger
Generell wird Lost dem Genre der Mystery-Serien zugeordnet. Als Vorgänger bzw. Vorbilder
können Twin Peaks (David Lynch, 1990-1991) und Akte X (Chris Carter, 1993-2002)
angesehen werden. Weiters sind auch Elemente aus der TV-Serie Gilligan´s Island (Sherwood
Schwartz, 1964-1967) und der Reality-Show Survivor (2000 - ) zu finden. Nancy Franklin hat
Lost im Magazin New Yorker folgendermaßen beschrieben:
The show recalls so many other shows and movies that people can´t describe it without
resorting the formula: Gilligan´s Island meets Survivior - or The Island of Dr Moreau or Lord of
Flies or Cast Away. You can throw Jurassic Park in there too, along with a little X-Files and
Apocalypse Now. (Franklin, 2005)
Zwei große Fehler zeichneten die beiden Vorgängern Twin Peaks und Akte X
aus. In Twin Peaks waren die Protagonisten und die Handlung teilweise schon zu
mysteriös, und das Geheimnis, um welches sich die Handlung drehte (die
Ermordung von Laura Palmer) wurde zu früh gelüftet: So bereut David Lynch
heute noch den Schritt, den Mord an Laura Palmer aufzuklären, denn dieser stieß
die Serie in die Bedeutungslosigkeit. (Alt, 2010)
Anstatt rechtzeitig einen Schlussstrich zu ziehen, wurde bei Akte X wiederum der Fehler
gemacht, auf Grund des Erfolges die Serie auszuschlachten und zu sehr in die Länge zu
ziehen, wodurch neue, teils inkonsistente Handlungsstränge dazu erfunden werden mussten.
Diese Fehler wurden bei Lost von Anfang an vermieden. ABC bestand darauf, dass Lost nicht
zu sehr in Mystery-Genre abdriftet. Im Gegenteil, das Produktionsteam hatte große Probleme
damit, den Mystery-Charakter der Serie ABC gegenüber überhaupt durchzusetzen.
Drehbuchautor David Fury beschreibt diesen “Kampf” mit ABC um das Mystery-Element in Lost
in einem Interview:
They won´t admit to that but that´s the thing that scared them most. They don´t understand that
that is what is intriguing to people. (Bond, 2005)
Weiters wurde von ABC eine fixe Begrenzung auf sechs Staffeln gesetzt, womit auch die
Drehbuchautoren von vornherein ein Limit hatten, um den gesamten Inhalt von Lost
unterzubringen, und die einzelnen Handlungsstränge dementsprechend konzipiert werden
konnten.
3
7. LOST: Kult
Lost weist nicht nur Merkmale einer Mainstream-TV-Serie, sondern
auch die einer so genannten Kult-TV-Serie auf: auf der einen Seite ein
finanzieller Blockbuster, der das breite Publikum anspricht, auf der
anderen Seite eine Erzählweise, die besonders Anhänger von Kult-TV-
Serien anspricht. Eines der Hauptmerkmale von Kult-TV ist laut Roberta
Pearson und Sara Gwenllian-Jones eine Erzählung, welche um
miteinander verbunden Erzählsträngen (Multithreading) herum
strukturiert ist:
A narrative structured around interconnected storylines, both realized
and implied, that extend far beyond any single episode to become a
metatext that structures production, diegesis, and reception. Cult
television´s imaginary universes support an inexhaustible range of
narrative possibilities, inviting, supporting, and rewarding close textual analysis, interpretation,
and inventive reformulation. (Pearson & Gwenllian-Jones, 2004)
Die Mischung aus Mainstream und Kult hat Lost eine große und sehr breitgestreute
Fangemeinde gebracht. Stacey Abbot bezeichnet in diesem Zusammenhang Lost auch als
“event television”:
In this light, Lost can be read as a form of “event television”: aiming for a large and diverse
audience while simultaneously fostering the interactive engagement with the series that is often
associated with cult, and in so doing courting the niche demographics of loyal and interactive
cult TV fans as well as inviting viewers who might not normally engage in fan practices to
commit to the show on a cult level. (Abbot, 2009)
Doch nicht nur beim Publikum, sondern auch bei den Kritikern fand Lost großen Anklang. ABC
und das Produzententeam von Lost hatten damit etwas geschafft, was bei keiner anderen TV-
Serie davor in solch einem Ausmaß erfolgreich gelungen war. Javier Grillo-Marxuach, Co-
Produzent und Drehbuchautor von Lost:
We realized what we had was three things that most shows never had colletively. We had mass
appeal, cult appeal, and critical appeal. (Lowry, 2006)
4
8. LOST: The Lost Experience
Obwohl der Schwerpunkt der Medienstrategie für die Marketingkampagne von Lost im TV-
Sektor lag und auch einen Großteil des Budget ausmachte, war es eine ausgeklügelte Internet-
Kampagne, welche viele Fans der Serie in ihren Bann zog: TLE - The Lost Experience.
TLE war ein sogenanntes ARG (Alternate Reality Game), welches zwischen Ende der zweiten
Staffel, und vor Beginn der dritten Staffel im Mai 2006 von ABC und Channel4, einem britischen
Privat-TV-Sender, gestartet wurde.
Ein ARG wird von der International Games Developers Association
(IGDA) definiert als "a game where the enjoyment comes from the
evocation of a consistent, plausible fictional reality. Usually played in
teams over the internet, often featuring websites with hidden
messages." (IGDA, Alternate Reality Games SIG/Vocabulary, 2007)
Weiters werden ARGs als Form von Massively Multiplayer Online
Games (MMOG) beschrieben:
"Technically speaking, ARGs are a form of Massively Multiplayer
Online Game (MMOG), with individual games attracting playerbases
numbering in the hundreds of thousands, and with a heavy slant
towards online media. However, ARGs use “online” merely as a
convenient, cheap, mass-communication medium, rather than as a
narrow straightjacket to deliver a tightly defined gaming experience. Where the typical MMOG
uses a custom client, an application running on the player's home computer, which delivers and
controls all content and interaction, ARGs use any -and every -application available on the
internet, and potentially every single website, as just small parts of the wider game.” (IGDA,
Alternate Reality Games SIG/Whitepaper/Introduction, 2006)
Ein ARG ist also ein Spiel, welches sich hauptsächlich im Internet abspielt, und bei dem die
Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen.
Die - dem Kult-TV entlehnte - Erzählweise von Lost bot sich geradezu an, ein ARG rund um die
Überlebenden von Oceanic Flug 815 herum zu entwickeln. Im Fall von TLE wurden von ABC,
basierend auf einer eigenen - von der TV-Serie alternierenden - Storyline, Internetseiten von
fiktiven Firmen und Organisationen (Oceanic, Hanso Foundation etc.) online gestellt. Diese
waren dermaßen professionell erstellt, dass sie nicht von Internetauftritten realer Firmen zu
unterscheiden waren. Auf diesen Seiten fanden sich dann - im Text, in Videos oder in
Zahlencodes gut versteckt - weitere Hinweise und Antworten zu bisher ungeklärten Rätseln der
Serie. In Lebensmittelgeschäften wurden Schoko-Riegel (“Apollo Candy”) verkauft, in deren
Verpackung Codes, sogenannte Glyphen, versteckt waren, welche man auf einer der
Webseiten von TLE eingeben konnte, um an weitere Informationen heranzukommen.
ABC ging sogar soweit, landesweit in den USA Werbespots der (fiktiven) Hanso Foundation im
TV und großflächige Anzeigen der Hanso Foundation u.a. in der Washington Post zu schalten,
bzw. mehrere gebührenfreie Nummern (z.B. 877-HANSOORG) einzurichten.
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9. Das ARG wurde so angelegt, dass auch Personen, die bis dahin keine Folgen von Lost
gesehen hatten, problemlos mitspielen konnten. Damit wurden nicht nur bereits vorhandene
Fans angesprochen, sondern es sollten auch neue Fans bzw. Zuseher für Lost dazugewonnen
werden.
2007 und 2008 wurden noch zwei weitere Lost-ARGs gestartet, nämlich “Find 815”, und
“DHARMA Initiative Recruiting Project”, beide waren allerdings bei weitem nicht so erfolgreich
wie The Lost Experience.
Gleichzeitig bot ABC Sponsoren die Möglichkeit, auf den verschiedenen Websites von TLE
präsent zu sein. Hauptsponsoren waren Sprite, Jeep, Monster und Verizon, welche wiederum in
ihren landesweit abgedruckten Print-Werbungen Lösungsansätze zu Rätseln von TLE
versteckten.
Einer der Ziele von TLE war es, Fans interaktiv in die Serie zu
involvieren, die Bildung von Affinitätsgruppen rund um Lost zu
fördern und das Interesse der Fans an der Serie zu steigern bzw.
aufrecht zu erhalten. Fans spielten nicht nur TLE, sondern fingen
an sich zu organisieren und aktiv via E-Mail, Diskussionsforen
etc. miteinander zu kommunizieren, sobald sie irgendwo auf neue
Hinweise stießen.
Unmittelbar nach Start von TLE kam es zur Bildung von Online Communities in denen User
Hinweise diskutierten und ihr Wissen über TLE anderen Usern mitteilten.
Es kam zur Bildung komplett neuer Websites, die einzig auf TLE ausgerichtet waren (z.B.
thelostexperienceclues.com), oder bereits vorhandene Lost-Fanseiten wurden mit TLE erweitert
(z.B. Lostpedia).
ABC selbst stellte die Website thelostexperience.com online, welche aber bei weitem nicht so
viel Zuspruch fand wie jene Seiten, die von Fans selbst organisiert wurden. Vermutlich fühlen
sich Fans von Webseiten, die von anderen Fans erstellt werden, eher angezogen, als von
Seiten, welche von Firmen bereitgestellt werden, da die Selbstorganisation eher dem
Community-Charakter bzw. Gemeinschaftsgefühl entspricht.
Ein ARG als Marketinginstrument für eine TV-Serie zu verwenden, war bis
dahin einzigartig. Noch nie zuvor hatte ein TV-Network dermaßen massiv
auf eine Vernetzung verschiedener Medien einerseits, als auch der Fans
untereinander zu Werbezwecken gesetzt. Der Erfolg gab ABC recht: so
wird zum Beispiel berichtet, dass die gebührenfreien Telefonnummern der
Hanso Foundation am Tag der Erst-Ausstrahlung der TV-Werbe-Spots
jener Hanso Foundation komplett überlastet waren.
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10. Und wenn ich dir nun sage, dass irgendwo auf dieser
Insel eine sehr, sehr große Kiste steht, und was
immer du dir vorstellst, was immer du da drin haben
willst... wenn du die Kiste dann aufmachst, ist es
wirklich drin. Was würdest du dazu sagen, John?2
LOST: Lostpedia
Im Zuge des (gezielt geförderten) Hypes rund um Lost bzw. der Lost Experience bildeten sich
unzählige Communities. Die größte und aktivste Affinitätsgruppe dürfte dabei Lostpedia, sowohl
in deutscher (http://de.lostpedia.wikia.com/wiki/Hauptseite) als auch in englischer Version
(http://lostpedia.wikia.com/wiki/Main_Page), darstellen.
Lostpedia wurde im September 2005 gestartet, und wird auf
http://www.wikia.com gehostet.
Wikia wurde Ende 2004 vom Wikipedia-Gründer Jimmy Wales ins
Leben gerufen. Ziel von Wikia ist es, jenen Themen, die nicht ins
klassische Wikipedia passen, eine Plattform zu bieten, und damit die
Bildung von Affinitätsgruppen rund um populärkulturelle Themen zu
fördern:
“Founded in 2004 by Jimmy Wales and Angela Beesley, Wikia was
inspired by the model of Wikipedia - the free, open-source encyclopedia to which anyone could
contribute content. Wikia focuses, however, on being the definitive resource on many topics that
do not fit into the traditional encyclopedia model, building entire communities around pop culture
content.” (Wikia)
Wikipedia, und damit auch Wikia bzw. Lostpedia, kann einerseits als Form von kollektiver
Intelligenz, andererseits auch als sogenanntes RPG (Role Playing Game bzw. Rollenspiel)
3
betrachtet werden. Andrew Orlowski , IT-Kollumnist, in einem Artikel für “The Register”:
There are many ways to think of Wikipedia. For its supporters, it's an "emergent" sign of
"collective intelligence". But former Brittanica editor Robert McHenry has a more useful
metaphor.
"It's got the public playing the encyclopedia game," he told us recently. "It's also like playing a
game in the sense that playing it has no consequences. If something goes wrong, you just
restart. No problem!"
2
Benjamin Linus zu John Locke in der Episode "Der Mann aus Tallahassee", 3.13. Dieser Satz (“magic
box metaphor”) regte mehr Diskussionen und Theorien unter den Fans an, als irgendein anderer Dialog
aus Lost. Das Geheimnis um die „Wunderkiste“ wurde von den Produzenten ganz bewusst nie gelöst.
3
http://andreworlowski.com/
7
11. In fact, we can extend the metaphor further, by looking at Wikipedia as a massively scalable,
online role-playing game, or RPG. Players can assume fictional online identities - and many
"editors" do just that. And drive-by shootings are common. 4 (Orlowski, 2005)
Vom Inhalt her werden in Lostpedia auf ca. 7.200 Seiten5 so gut wie alle Themen rund um Lost
abgedeckt: Transkripte der einzelnen Folgen, Timelines, Hintergrundinfos zu den
Schauspielern, Antworten zu den Rätseln aus TLE, kulturelle Referenzen und vieles mehr.
Lostpedia unterscheidet sich jedoch geringfügig von einem gewöhnlichen Wiki, da auch
Features wie ein öffentliches Diskussionsforum oder ein eigener Blog angeboten werden.
Welche Auswirkungen hatte nun z.B. The Lost Experience oder der Start einer neuen Staffel auf
die Aktivitäten einer Affinitätsgruppe wie Lostpedia?
Bei näherer Betrachtung des Zeitraumes März 2006 bis Dezember 2006 fallen in der
Nutzerstatistik der englischen Version von Lostpedia jeweils eine Spitze im Mai 2006 und im
Oktober 2006 auf (siehe Abbildungen 1, 2 und 3).
Abbildung 1: Nutzerstatistik Lostpedia, 03/2006 - 12/2006 (Lostpedia)
4
Gemäß dieser Definitionen kann jener Teil von Lostpedia, der sich mit TLE beschäftig, als RGP
innerhalb eines MMOG bezeichnet werden.
5
Stand 12/2010
8
12. Abbildung 2: neue Artikel pro Tag auf Lostpedia, 03/2006 - 12/2006
Abbildung 3: angemeldete Benutzer auf Lostpedia, 03/2006 - 12/2006
Zeitlich fallen diese Spitzen jeweils mit dem Start von TLE im Mai 2006, bzw. mit dem Start der
dritten Staffel im Oktober 2006 zusammen. Die Statistik zeigt damit recht eindrucksvoll, wie
solche Ereignisse das Verhalten der User und damit auch die Aktivitäten innerhalb von
Affinitätsgruppen beeinflussen. Und die Statistik zeigt, dass TLE die gleiche Begeisterung
hervorrufen konnte, wie der Start einer neuen Staffel.
9
13. LOST: Kompetenzen
Welche Kompetenzen der Medienpartizipation trainieren Fans von Lost, die an TLE und
Lostpedia (oder einer ähnlichen Community) teilnehmen?
6
Nach Henry Jenkins wären das folgende Kompetenzen :
● Adaptives Multitasking
Die Fähigkeit, die Umgebung global erfassen und bei Bedarf jederzeit auf einzelne
Details fokussieren zu können.
● Transmediale Navigation
Die Fähigkeit, Erzählungen über mediale Systemgrenzen hinweg multimedial verfolgen
zu können.
● Bewertung von Medieninhalten
Die Fähigkeit, die Zuverlässlichkeit und Glaubwürdigkeit verschiedener
Informationsquellen beurteilen zu können.
● Kollektive Intelligenz
Die Fähigkeit, Wissen zu bündeln und zu vergleichen, um mit anderen Teilnehmern ein
gemeinsames Ziel zu erreichen.
● Informationsvernetzung
Die Fähigkeit, Information zu suchen, Information aufzubauen und Information
weiterzugeben.
● Umgang mit alternativen Normen
Die Fähigkeit, an unterschiedlichen Gemeinschaften teilzunehmen, verschiedene
Sichtweisen wahrzunehmen und zu respektieren, alternative Normen zu verstehen und
ihnen folgen zu können.
6
Vergl. Jenkins, Henry: “Confronting the Challenges of Participatory Culture: Media Education for the 21st
Century”, The MacArthur Foundation, Chicago 2006, S. 4
10
14. LOST: Fazit
Lost ist ein gutes Beispiel dafür, wie mittels einer ausgeklügelter Content- und
Marketingstrategie unter anderem die Bildung von Affinitätsgruppen gezielt gefördert und das
Interesse des Publikums an einer TV-Serie über einen längeren Zeitraum hinweg aufrecht
erhalten werden kann.
Lost gilt als einer jener Fernsehserien, bei der der Einsatz komplexer Handlungsstränge
(Multithreading) perfektioniert wurde. Vom Zuseher wird höchste Aufmerksamkeit gefordert, da
er ansonsten schnell den Überblick verliert. Bei einer TV-Serie wie Lost wird sowohl der Intellekt
und als auch die Kreativität der Zuseher gefordert bzw. gefördert. Die Mischung aus komplexer
Handlung, ARG und diversen Affinitätsgruppen bietet den Fans der Serie viele Möglichkeiten,
sich neue Medienkompetenzen anzueignen bzw. vorhandene zu trainieren und zu verbessern.
Ein Zuseher, der sich einfach nur berieseln lassen und abschalten will, wird allerdings sehr
schnell den Handlungsfaden und damit auch das Interesse an der Serie verlieren.
Mit reinem Berieselungs-Fernsehen früherer TV-Serien, die sehr simplen Handlungsmustern
folgten und abseits des Mediums TV nichts bzw. nur sehr wenig zu bieten hatten, und bei denen
die Medienkompetenzen der Zuschauer kaum gefordert wurden, hat Lost eindeutig nichts mehr
zu tun.
Populärkultur hängt nicht notwendig mit Verblödung zusammen - ganz im Gegenteil. Unsere
heutige Kultur muss endlich dafür gewürdigt werden, dass sie sich unaufhaltsam auf neue
Höhen zubewegt. (Johnson, 2006)
11