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Central_London_Cycle
1. 86 CENTRAL URBAN MOBILITY
Velo City Girl Jools Walker
Die Bloggerin vereint Stil mit Rad
und stellt London gern als „Cycle
City“ dar – allein um der Bewegung
mehr Momentum zu geben
CYCLE
REVOLUTION
LONDON
URBAN MOBILITY
Die 8,5-Millionen-Metropole will
Fahrradstadt werden. Knapp
1,3 Milliarden Euro gibt London für
Infrastruktur und politische Initia-
tiven aus, um den Radverkehr zu
vervierfachen. Die wahren Revo-
lutionäre sind Designer, Kreative,
Hipster, Überzeugte mit natürli-
chem Trendbewusstsein. Und der
Kraft zur Innovation.
TEXT NORA MANTHEY
FOTOS HORST A. FRIEDRICHS
2. 88 CENTRAL URBAN MOBILITY
Erholung bei der Generalüberholung
Cafés wie das Look Mum No Hands
sind Treffpunkte der wachsenden
und bunten Radgemeinde. Hier trinkt
man Kaffee, während das Bike in der
angeschlossenen Fahrradwerkstatt
flottgemacht wird. Oder man trifft
sich vor dem morgendlichen Ausritt
3. 90 CENTRAL URBAN MOBILITY
Verkehr lahmgelegt
Zur regelmäßigen
„Die-in-Demo“ legen
Aktivisten den Verkehr
lahm, um verunfallter
Radler zu gedenken
und mehr Sicherheit
zu fordern. In London
endet eine von 500000
Radfahrten mit einem
schweren Unfall – Ten-
denz fallend
4. URBAN MOBILITY CENTRAL 93
Fahrrad als Kunstobjekt
Das Design Museum London
widmet dem Zweirad eine
ganze Ausstellung, welche die
britische Radkultur feiert
Gesehen werden
ist alles im Londoner
Stadtverkehr – und
Neon-Jacken eine
Alltäglichkeit
Rad als Lebensstil
Die Londoner Radfahrer
bekennen sich offen zum
Fortbewegungsmittel
ihrer Wahl
Die Cycle Superhigh
ways sind ein separates
Radwegenetz entlang
geschäftiger Verkehrs
adern. Und sie sind ein
Prestigeprojekt
London, das sind rote
Doppeldecker-Busse, schwarze Taxis, sto-
ckender Verkehr, überfüllte U-Bahn-Züge
und hastende Menschenmassen. Doch
noch etwas bewegt sich in der großen
Metropole. Eine Revolution ist im Gange,
bei der sich alles um das Zweirad dreht.
Die Bewegung wird von Kreativen
und Arbeitern vorangetrieben, die mög-
lichst schnell, schick und günstig von A
nach B kommen wollen. Einfach macht
es ihnen die Stadt dabei nicht, denn es
mangelt an Infrastruktur und Raum für
Fahrradfahrer im dichten Stadtverkehr.
Ausbremsen lassen die Londoner
sich davon nicht. Sie drängen auf ihren
Platz. Ihre Zahl hat sich seit der Jahrtau-
sendwende verdoppelt. Mit dem „Cycle
to Work“- (mit dem Rad zur Arbeit)
Programm ist die Zahl derer, die täglich
Kraft ihrer Beine ins Büro kommen,
innerhalb von zehn Jahren von 77 000
auf 155 000 angestiegen. Lobbygruppen
erkämpfen Großprojekte wie die „Rad-
autobahnen“, sogenannte Cycle Super-
highways, und sie haben Bürgermeister
Boris Johnson auf ihrer Seite. Die stetig
wachsende Metropole braucht Radfahrer,
will sie den Verkehr im Fluss halten. Ih-
ren Anfang aber nahm die „Cycle Revo-
lution“ im Londoner East End.
Im Bezirk Hackney ist für fast 25
Prozent der hippen Anwohner das Rad
Transportmittel Nummer eins. Dabei
spielen sowohl Lebensstil als auch prak-
tische Erwägungen eine Rolle.
Der Osten war schlecht angebunden.
Das änderte sich mit der Olympiade 2012.
Der resultierende Anschluss an die öf-
fentlichen Verkehrsmittel tat dem Trend
zum Zweirad aber keinen Abbruch. Im
Gegenteil: Team Britain fuhr Medaillen
im Radsport ein und löste einen regel-
rechten Boom aus, der den Kreis der Rad-
ler über die Hipster hinaus erweiterte.
So war die erste Garde der Radfahrer
überwiegend männlich und eng in
Lycra gehüllt. Heute sind damals gegrün-
dete Amateur-Teams „fast professionell“
unterwegs, weiß Fahrrad-Fotograf Angus
Sung. Doch selbst wenn die Italiener
oder Franzosen bei Olympia erfolgreich
gewesen wären, hätte es der „multikul-
turellen Radszene der Stadt einen Kick
gegeben“, denkt Sung.
London wäre nicht London, wenn
die Radkultur reiner Transport wäre.
Donna Loveday widmet als Kuratorin
des Design-Museums der Zweiradindus
5. URBAN MOBILITY CENTRAL 95
Geschwindigkeitsrausch
Der Erfolg britischer Rad
sportler löst 2012 einen Boom
aus. Selbst urbane Amateure
sind voll ausgestattet und
nutzen die Straßen der Stadt
als Abenteuer-Rennstrecke
Sir Paul Smith
Sir Paul Smith,
Jahrgang 1946, ist der
bekannteste britische
Modedesigner
6000 Leihräder
animieren Touristen
wie Anwohner zum
Auf- und Umstieg
auf das Rad
Die öffentliche
Fahrradpumpe
von Cyclehoop
liefert an mittler-
weile 25 Orten
Luft
trie eine ganze Ausstellung. Sie sagt:
„Die Cycle Revolution hat das Fahrrad
als ikonisches Design-Produkt etabliert.“
Radfahren als Trend ist „von Kreati-
ven getrieben“, sagt Schuhdesignerin
Tracey Neuls. Ihre Pumps für Radle-
rinnen haben Leuchtstreifen, und die
gebogenen Absätze aus Gummi bieten
sicheren Halt. Die Londoner „machen
aus allem einen Trend, das ist die Natur
der Briten“, bestätigt Otto Lauterbach,
der Regencapes herstellt. Neben einer
Stilfrage ist die Mode aus Notwendigkeit
geboren. Sicherheit ist ein zentrales The-
ma für Radfahrer in London. MAMILs
(mittelalte Männer in Lycra) und Pendler
mit Neon-Jacken gibt es nach wie vor,
doch holen Alternativen auf. Marken wie
Rapha oder Vulpine hatten ihre Anfänge
auf der Insel. Sie bieten urbane Kollektio-
nen, in denen Reflektoren im Hosensaum
unterkommen. Designer Guy Hills von
Dashing Tweeds webt in seine Wollstoff
anzüge reflektierenden Zwirn ein.
Die Start-up-Gründerin Emily Brooke
bietet eine technische Lösung, um
gesehen zu werden. Ihre junge Firma
Blaze produziert das „Laserlight“. Die
Radlampe projiziert ein grünes Rad
auf die Straße und warnt so andere,
noch bevor sie das Fahrrad selbst sehen.
Auch Sara Henrichs wittert ihre Chance
in der Fahrradindustrie. In Hamburg
aufgewachsen, kennt sie Radfahren als
„gemeinschaftliche Transportlösung“. Sie
entwirft reflektierende Capes, die über
jede Jacke passen und die grellen Sicher-
heitswesten ablösen sollen.
London ist spät dran mit dem Aufstieg
auf das Fahrrad. Kopenhagen oder
Amsterdam begannen in den 70er-Jahren
damit, ihre Wege fahrradfreundlicher zu
gestalten und gelten heute als Fahrrad-
städte. Berlin zählt seit 2004 dazu. Ist
einmal die kritische Masse erreicht, wird
das Rad schnell zum Transportmittel für
jedermann. Auf der Insel sind Fahrrad-
fahrer noch Enthusiasten – wie Lawrence
Porter. Er hat in Skandinavien studiert
Guy Hills webt
reflektierendes
Garn in Tweed und
gestaltet Sicher-
heit dezent
Radfahren ist für mich, wenn der Wind mir
angenehm ins Gesicht pustet, es ist das Gefühl
der Freiheit und Offenheit. Ich liebe die
Freiheit, die das Fahrrad mit sich bringt.
6. Umsteigen leicht gemacht
Im Bahnhof Paddington
harren Fahrräder jeden
Morgen ihrer pendelnden
Besitzer, die die letzte Meile
zur Arbeit in London radeln.
Parken ist kostenlos
Cally Callomon
Cally Callomon, Manager,
Fahrradsammler und Präsident
vom Veteran-Cycle Club in
London
Kompaktheit
ist auch die Idee
hinter den
handgefertigten
Cargo-Bikes
von Porterlight
Bicycles
und „wahre Radkultur“ kennengelernt.
Während in Dänemark „alle Rad fahren,
braucht es in England Hingabe“. Er ver
sucht mit dem Cargo-Bike Porterlight
Bicycles, das Rad als Nutzfahrzeug zu
positionieren.
Jools Walker, stadtbekannte Bloggerin
und Radlerin, begleitet die Com-
munity seit fünf Jahren auf ihrem Velo.
Auch sie spricht vom „Spirit der Londo-
ner“. Was sie zusammenschweißt, sei die
„Liebe zum Rad“, so die Bloggerin.
Bürgermeister Boris Johnson ist der
offizielle „Vorradler“ der Stadt. Unter
seiner Ägide wurde das Leihradsystem
gestartet. Banker, Anwälte und Touristen
gondeln vor den roten Bussen her. Seit
ihrer Einführung 2010 wurden sie über
46 Millionen Mal genutzt.
Ken Livingston, Vorgänger von
Johnson und Labour-Mitglied, hatte die
Idee zu den Cycle Superhighways. Die
„Rad-Autobahnen“ verlaufen entlang
stark befahrener Pendler-Routen von den
Außenbezirken in die Innenstadt. Fünf
gibt es. Geplant sind mindestens neun.
Um die Umsetzung kümmert sich der
Cycle Commissioner Andrew Gilligan.
Radpolitik in London ist pikant und laut
Gilligan ein langwieriger Prozess.
Eine Frage stellt er immer wieder:
„Habt ihr gemacht, was ich gefordert
habe?“ Denn es braucht den Bürger
meister und willige Bezirke, um eine
Radstrecke zu beschließen und zu bauen.
Die Cycle Superhighways sind ein
Prestigeprojekt, das beinahe schiefge
gangen wäre. Bei der Einführung 2011
malte man lediglich blaue Streifen auf
Straßen auf. Manchmal endeten die
Radwege abrupt vor dem Kreisverkehr,
oft wurden sie von Bussen befahren
oder gleich zugeparkt. Es gab Tote und
Verletzte und schließlich Proteste. Jetzt
reagiert London und teilt die blauen
Schnellstrecken weitgehend auf.
Bei bereits überzeugten Radlern kom
men die Bemühungen an. Claire Morti-
mer, die jeden Morgen von Oxford pen-
delt, empfindet die Radautobahnen als
URBAN MOBILITY CENTRAL 97
Das kompakte
Faltrad wird in
London hergestellt
und ist perfekt auf
die Enge der Stadt
abgestimmt
Meine Hoffnung für die Zukunft des Radfahrens
ist die Vergangenheit. Ich möchte zurück zu
den einfachen Materialien und langsameren
Fahrrädern, die schwieriger zu fahren sind.
7. Fahrrad-Fashion
Style ist alles in London,
das gilt für Fahrrad und
FahrerIn gleichermaßen
Gut zu wissen: Interessante Infos zur Fahrradstadt London
Sara Henrichs
entwirft
reflektierende
Umhänge,
die über jedes
Outfit passen
Bike-Bauer fertigen
auf Bestellung
Rahmen und ganze
Räder für Individua-
listen her
den richtigen Weg. Pendler Alan Lee, der
mit dem Zug in Paddington ankommt,
glaubt, dass „in der Tat eine Revolution
stattgefunden hat“.
Eine Besonderheit Londons kommt
dem Rad zugute. Der Verkehr ist bes
tenfalls zähfließend und in der Rush-
hour im Schnitt nicht schneller als 25
km/h. Und Radfahrer dürfen die Bus
spuren nutzen. Schneller als mit dem
Rad kommt man kaum durch London.
Das bestätigt Steve Kim, ein Fixie-Fahrer,
der ohne Bremsen unterwegs ist und die
Stadt als „ideal für Fahrräder“ erachtet.
Heute fordert die Radler-Lobby neben
Infrastruktur auch das Verbot schwerer
Laster in der Stadt – oder zumindest de-
ren Ausstattung mit Kameras und Senso-
ren für den toten Winkel – und verkehrs
beruhigte Zonen. Simon Munk von der
London Cycling Campaign will „drin-
gend mehr, nicht weniger Infrastruktur
– und das noch viel schneller als bisher.“
Auch Terrence Stamp von der „Stop Kil-
ling Cyclists“-Kampagne zeigt sich von
Londons infrastrukturellen Maßnahmen
immerhin schon mal beeindruckt, fordert
aber eine wesentlich schnellere Gangart
vom Bürgermeister.
Noch immer sterben Radfahrer auf
Londons Straßen, und diese offensicht-
liche Bedrohung ist der am häufigsten
genannte Grund, nicht Fahrrad zu fah
ren. Gary Schroeder arbeitet mit solch
verzagten Anfängern. „Das Einzige, was
die Leute abhält, ist Angst“, so der Rad
fahrlehrer. Doch einmal aufgesessen,
seien die meisten kaum mehr vom Rad
runterzukriegen. Schroeder rät: „Ver-
schafft euch Platz und lasst euch nicht an
den Straßenrand drängen.“
In London geht es in Zukunft darum,
das Rad zum Massentransportmittel zu
machen. Für die Radkultur gilt: je mehr,
desto besser. Und die Radfahrgemeinde
ist enthusiastisch und hartnäckig. In
einem Punkt sind sich alle einig: London
hat das Potenzial zur Fahrradstadt. Wenn
die Stadt sich bewegt, dann sicher mit
ganz eigenem, typisch britischem Stil. C
URBAN MOBILITY CENTRAL 99
Gary Schroeder
führt Amateure
zu sportlichen
Ausfahrten aus
und bringt An-
fängern sicheres
Fahren bei
37 km wird das
Netzwerk der Cycle
Superhighways, der
Radautobahnen
Londons, umfassen.
Die Strecken führen
entlang von Haupt
verkehrsadern.
Vier Cycle Super-
highways sind (fast)
fertiggestellt.
–––
223 Millionen Fahrten
mit dem Rad wurden
2014 in London ge-
zählt, eine Verdoppe-
lung gegenüber 2000.
Unzählige „Quiet-
ways“, ruhige Neben-
straßen und Kanalwe-
ge, sind das natürliche
Radwegenetz der
Stadt, doch für viele
noch unbekannt.
–––
11 500 Leihräder ste-
hen an 750 Stationen
bereit. Jede halbe
Stunde kostet zwei
Pfund (2,70 Euro). Es
braucht keine Anmel-
dung, sondern nur
eine Bankkarte, um sie
nutzen zu können.
20 Meilen pro Stun-
de (30 km/h) als
Geschwindigkeits
begrenzung werden
von vielen Londoner
Bezirken als Instru-
ment zur Verkehrs
reduktion eingesetzt.
Je langsamer die
Autos, desto attrakti-
ver wird das Rad.
–––
Sieben NGOs (Nicht-
regierungsorgani-
sationen) promoten
Radfahren in UK. Die
London Cycling Cam-
paign konzentriert sich
allein auf die britische
Hauptstadt und zählt
12 000 Mitglieder.
–––
25km/hist die Durch
schnittsgeschwindigkeit
in der Londoner Rush
hour. Mitschwimmen
im Verkehr ist leicht,
Mutige überholen.