SlideShare ist ein Scribd-Unternehmen logo
1 von 454
Downloaden Sie, um offline zu lesen
Angelo Nigro




World without Profit
Dieses Buch wurde digital nach dem neuen „book on demand“ Ver-
fahren gedruckt. Für den Inhalt und die Korrektur zeichnet der Autor
verantwortlich.


Für die Bücher in der deutschen Sprache
© 2009 edition nove, Neckenmarkt

Printed in the European Union
ISBN 978-3-85251-534-2

Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefrei gebleichtem
Papier.


                      www.editionnove.de
1.Auflage


Das Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberechtlich ge-
schützt. Jede Verwertung und Vervielfältigung des Werkes ist ohne
Zustimmung des Autors unzulässig und strafbar. Alle Rechte,
auch die des auszugsweisen Nachdrucks und der Übersetzung
wie Verfilmung, sind vorbehalten! Ohne ausdrückliche schrift-
liche Erlaubnis des Autors darf das Werk, auch nicht Teile daraus,
weder reproduziert, übertragen noch kopiert werden, wie zum
Beispiel manuell oder mit Hilfe elektronischer und mechani-
scher Systeme inklusive Fotokopieren, Bandaufzeichnung und
Datenspeicherung. Zuwiderhandlung verpflichtet zu Schaden-
ersatz. Alle Personen und Namen sind frei erfunden. Der Roman
ist reine Fiktion. Alle im Buch enthaltenen Angaben, Ergebnisse
usw. wurden vom Autor nach bestem Wissen erstellt. Sie erfolgen
ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie des Autors und Verla-
ges. Der Verlag übernimmt deshalb keinerlei Verantwortung und
Haftung für etwa vorhandene Unrichtigkeiten.




                                5
Ein herzliches Dankeschön an alle, die an diesem
Buch mitgewirkt haben, insbesondere an meine Frau
Véronique.




                        7
Einleitung

oder

Die Entstehung dieses Buches



Nach einem Traum der mich lange beschäftigt und
von dem ich nicht wusste was er zu bedeuten hatte,
bin ich wie von Geisterhand geleitet zum Schreiben
gekommen.
In dem Traum vor etwa zwei Jahren war immer wie-
der die Rede vom „Salz der Erde“. Dieser Satz wurde
in meinem Traum mehrmals wiederholt. Ich konnte
damals nicht verstehen was es damit auf sich hatte und
habe lange in Büchern, Zeitschriften und im Internet
nach Salz, Wasser, Salzkristall, Papst, ägyptische Pyra-
miden, Maya und andere Hochkulturen, NA Cl und
halt alles was damit zu tun haben könnte recherchiert.
Ich bin vom Himalaja Salz bis in die Weltmeere vor-
gedrungen. Von Energie-Erzeugung und Elektrolyse
bis zur Osmose. Bis vor einigen Tagen… als das Buch
praktisch geschrieben war, mir das Motiv oder der
Sinn dieses Werkes bewusst wurde und wie Schuppen
von den Augen fiel.
Worum es im meinem Traum ging, war schlicht und
einfach die Bedeutung und den Platz des Menschen
auf unserem Planeten und im Universum zu verste-
hen. Unabhängig von seinem Glauben, seiner Her-
kunft und Couleur. Hier steht der Mensch im Mittel-
punkt der Diskussion. Er ist „das Salz der Erde“.
Dieser Traum hat mir die Möglichkeit gegeben ein
Buch zu schreiben. Ich habe mal früher darüber

                           9
nachgedacht, dies eines Tages zu tun, aber nie richtig
daran geglaubt.
Was mich wundert ist, dass ich dabei ein für die Be-
griffe einiger Leser komplett utopisches, unrealis-
tisches wie illusionäres Buch geschrieben habe. Die
darin beschriebene VISION kann aber gar nicht so
einfach abgetan werden. Denn mein logisches Den-
ken sagt mir und wahrscheinlich vielen von Ihnen, so
abwegig ist das Ganze gar nicht, wenn die Menschheit
überhaupt eine Chance haben will in Zukunft diesen
Planeten weiter zu besiedeln.
Unser Ziel darf nicht nur stur auf dem Weg des mate-
riellen Glücks weiter ausgebaut werden.
Dieser Weg müsste mit unserem klaren Menschenver-
stand mittlerweile als der falsche Weg verstanden wer-
den, egal wo er hinführen mag. Wenn jeder Einzelne
sich damit auseinandersetzen würde, kommt er sehr
schnell zum Entschluss, wir laufen entweder in eine
Sackgasse oder in unser Verderben.Wir sollten uns be-
sinnen und uns selber eingestehen, so weit und nicht
weiter.Wir müssen für unsere Kinder etwas tun, wenn
es überhaupt noch eine Zukunft für uns Menschen
geben soll auf diesem wunderschönen Himmelskör-
per.
Was wollen wir ihnen und anderen überhaupt hinter-
lassen?
Lesen Sie selbst.




                          10
Vorwort



In diesem Buch möchte ich alle Nationen, Politiker,
Religionen, Mediziner, Wirtschaftsbonzen und Ak-
tionäre bitten, sich zu mäßigen und zu besinnen, der
Menschheit nicht den Weg für eine (bessere) Zukunft
zu versperren mit ihren Unersättlichkeiten und Lü-
gen.
Die Schätze dieser Erde gehören sowohl den Men-
schen als auch den Tieren und den Pflanzen. Letz-
tere müssen wir wie unsere eigenen Kinder schüt-
zen, denn sie können sich nicht wehren. Da unsere
Atmosphäre so zerbrechlich ist wie Glas, sollten wir
sie mit äußerster Vorsicht behandeln. Alle Menschen
haben das Recht, teilzuhaben am Wohlstand, egal,
welchem Land, welcher Farbe oder Gesinnung sie
angehören. Unsere Kinder brauchen ein Vorbild und
wir müssen sie schützen vor jeglicher Ungerechtig-
keit. Daher gilt es, der Armut massiv und konsequent
entgegenzuwirken. Wir sollten Gott dem Allmächti-
gen dienen, damit die Verantwortlichen einsehen, dass
dies der einzig richtige Weg ist. Dies sind keine leeren
Worte, sondern die Botschaft Gottes, durch Nächs-
tenliebe und Toleranz ein besseres Verständnis unter
den Menschen auf diesem Planeten zu erreichen.
Täglich lernen wir von der Natur oder ahmen sie
nach. Aber ist es nicht dennoch schön, nach allen
technischen Errungenschaften zurück zur Natur zu
finden und nach einem warmen Sommerregen den
Duft von Gras einzuatmen? In kalten Wintertagen
morgens beim Aufstehen die eisige klare Luft und den
kalten Schnee zu fühlen? An einer Quelle, umringt

                          11
von Frühlingsblumen, unbekümmert den Durst zu
löschen?
Also lasst uns alle miteinander etwas tun, damit dies
alles für unsere Kinder erhalten bleibt und nicht eines
Tages nur noch eine Gutenachtgeschichte darstellt.




                          12
Unter dem Druck des Klimawandels




2013

Angesichts der multimedialen Möglichkeiten ließ
sich der nun besser informierte Mensch nicht mehr
so einfach durch die Lügenmatrix der Konzerne ein-
wickeln, die sich mit billigen Tricks weiter bereichern
wollten. Es kam zu einem Machtkampf mit gewissen
skrupellosen Geschäftemachern, die bislang gemeint
hatten, mit den Rohstoffen und Bodenschätzen unse-
rer Erde alles tun und machen zu können, wie es ih-
nen beliebte, weil sie das nötige Kapital besaßen.
Im Zuge dieser Auseinandersetzungen war es gelun-
gen, zukünftig nicht mehr alles mit Kapital oder Fusio-
nen erwerben zu können, da die Regeln und Gesetze
sich zum Wohle der Allgemeinheit geändert hatten,
zumal eine Umweltkatastrophe, die unwiderruflich
auf die Menschheit zurollte, mit allen Konsequenzen
drohte. Wir mussten versuchen, sie mit all unserer In-
telligenz und unserem Wissen zu verhindern, sei es
durch Fahrzeugreduzierungen, Stromeinsparungen
oder Rationalisierung gewisser Rohstoffe und Pro-
dukte. Wir mussten lernen, bewusster mit alldem um-
zugehen und mit der Gemeinschaft zu teilen.
Da die meisten fossilen Brennstoffe und Bodenschät-
ze sich ihrem Ende zuneigten oder bereits erschöpft
waren, lohnten sich Kriege – zumindest deswegen
– einfach nicht mehr. Die Zukunft musste sich auf
erneuerbare Energien, einen veränderten Lebenswan-
del und neue Strukturen unseres alltäglichen Lebens
konzentrieren und sich daran orientieren.

                          13
Hitze, Dürren, Überschwemmungen und Orkane
waren ein fester Bestandteil unseres Alltags gewor-
den, dazu kam das Schmelzen der Gletscher. Fast alle
Tiere drohten auszusterben, weil das natürliche Um-
feld ohne Hemmungen zerstört worden war. Zudem
mangelte es zusehends an Wasser, unserem kostbarsten
Gut, denn die Gletscher waren verschwunden und nur
noch im Winter auf den Nordkappen anzutreffen.
Doch das schlimmste Problem stellte die Atmosphäre
dar, die so verunreinigt war, dass das Kohlendioxid die
Oberhand übernommen hatte und der Sauerstoffan-
teil in der Luft schwand. Die überforderten Wissen-
schaftler wussten keine Lösungen. Vermutet wurde,
dass wir das Ozonloch unterschätzt hatten und der
Sauerstoff ins All entwich, wobei der Sauerstoffan-
teil in der Luft zurückging. Die Jagd nach Sauerstoff
war somit eröffnet. An einigen Stellen standen bereits
Sauerstoffzapfsäulen, nur für besser Betuchte natür-
lich, während die Bevölkerung in den höheren Lagen
und in den Städten über Müdigkeit, Kopfschmerzen,
Schwindelanfälle und viele andere Gesundheitsschä-
den klagte. Ein Rückgang der Belastbarkeit der Men-
schen machte sich bemerkbar. Großes Unheil stand
vor der Tür.
Wenn die Politik zuließ, dass sich die Konzerne wei-
terhin bereicherten und nichts dagegen unternahm,
schien eine universelle Katastrophe unabwendbar zu
sein. Wiederum andere, die die prekäre Situation ver-
harmlosten, mussten ausgeschaltet werden; jetzt galt
es, der Forschung alle Mittel zur Verfügung zu stellen,
damit schnell eine Lösung gefunden wurde.




                          14
Die Erpresser

Mittlerweile war es März geworden. Wir, mein Kol-
lege Jan, mein Schwager Guiglelmo und ich, hatten
unsere Forschungsarbeiten von damals weiter ausge-
baut und Erstaunliches herausgefunden.
Es klingelte an der Tür. Zwei Männer standen da und
wollten wissen, wo die Unterlagen der Forschungs-
arbeiten respektive die Untersuchungen geblieben
seien. Sie würden sich für die Organismen in den
Untersuchungen interessieren und für eine Firma
arbeiten, die nicht genannt werden wolle, aber bereit
sei, viel Geld dafür zu zahlen. Sie machten mir ein
Angebot. Mir kam das Ganze nach mehr als sechzehn
Jahren spanisch vor. Dabei hatte ich das Patent an das
Pharmaunternehmen Medpharma für noch weitere
zwei Jahre abgetreten, in dem ich leitender Laborchef
war seit meinem Abschluss vor acht Jahren.
„Die habe ich bei meinem letzten Umzug verloren“,
versuchte ich beide abzuwimmeln.
„So, und das sollen wir glauben?“ antwortete der
Schmächtige mit blonden Haaren und stieß mich zur
Seite. „Mal sehen, ob du die Wahrheit sagst.“
Während er eintrat, hielt mich der Dickere fest und
meinte mit ruhiger Stimme: „Mach keinen Ärger,
Kumpel, ansonsten müssen wir andere        Methoden
anwenden.“
Ich entschied mich, keinen Widerstand zu leisten, da
sich ohnehin nichts im Haus befand, was die Unter-
lagen betraf. Nur mein Diplom hing an der Wand
meines Büros, das sie, ohne lange zu zaudern, im Nu
verwüstet hatten.
„Und jetzt zu dem Code vom Safe … Den hast du
doch noch, hoffe ich“, sagte der Dickere drohend.

                         15
„Ja klar, der ist 294 293“, gab ich sofort weiter.
„Guter Junge“, kam die Antwort, während er auch
schon den Code in die Tastatur vom Safe eintippte,
wo vorher der nun runtergeschmissene eingerahm-
te Maya-Kalender gehangen hatte. Zum Glück nur
eine Kopie. Er holte alle Papiere heraus und stöberte
sie durch, ohne fündig zu werden. Den Geldscheinen
schenkten sie keine Beachtung.
Der Dicke drehte sich zu mir um und meinte: „Wir
kommen wieder, dann gibst du sie uns schon – frei-
willig, wollen wir wetten …? Dagegen war dies nur
ein höflicher Besuch, mein Herr. – Komm, wir hau-
en ab!“, sagte er zu seinem Kumpan und beide ver-
schwanden ohne weiteren Kommentar in Richtung
Tür.
So, Brink, jetzt hast du ein Problem am Hals, dachte ich.
Du besitzt den Schlüssel zur Produktion von Sauerstoff und
Energie. Das verleiht viel Macht. Das darf niemals in falsche
Hände geraten.
Das hatte ich immer befürchtet. Sie waren jetzt hin-
ter mir her. Jemand schien ausgepackt zu haben. Wer
wohl? Mein Leben stand plötzlich auf dem Kopf, auch
wenn es zugegebenermaßen so hatte kommen müs-
sen. Eigentlich hatte ich zuerst eine Anlage errichten
wollen, bevor Profitgeier sich über mich und das Pro-
jekt stürzten. Doch nun war ich gezwungen, einen
anderen Weg zu nehmen. Aber welchen? Mir drehte
sich der Kopf.
Ich musste handeln, und zwar schnell, so wie damals
auf Spitzbergen. In jenen Tagen hatte das Wissen mei-
ne Neugier entfacht, ein Feuer zum Lodern gebracht
und mich unvermittelt losgeschickt, um zu erfahren,
was dahintersteckte. Einen Tag später hätte ich viel-
leicht anders entschieden. Doch es war nicht mehr

                             16
dasselbe wie damals. Jetzt hatten sie sich an meine
Fersen geheftet. So machte das keinen Spaß.
Ein ungutes Gefühl beschlich mich, als ich mir meiner
Lage bewusst wurde. Ich war kein Held, sie würden
mich jagen, um zu erfahren, was ich wusste. Ich muss-
te etwas unternehmen, aber was? Mit wem konnte
ich reden, wen ins Vertrauen ziehen? Wer hatte etwas
ausgeplaudert? Jan, Guiglelmo, León Almeida? Meine
Frau Teresa? Möglich wäre auch Fiona, meine Schwä-
gerin. Fragen, Fragen und nochmals Fragen.
Schließlich war es kein Geheimnis, wie es um unse-
ren Planeten und die Atmosphäre stand. Die fossilen
Brennstoffe gingen zur Neige, ganz zu schweigen von
den Naturkatastrophen, die uns tagtäglich über die
Medien vor Augen geführt wurden. Man hätte sich
fast an die Bilder gewöhnen können, wären sie nicht
so brutal. Die Unzufriedenheit führte weltweit zu
vielen Unruhen unter den Völkern, und es war keine
Einigung in Sicht, wobei die Amerikaner die Terror-
anschläge einfach nicht mehr in den Griff bekommen
konnten. Die ungleiche Verteilung griff noch mehr
um sich, sodass die Hoffnungen auf eine Besserung
völlig zu schwinden drohten.
An diesem Märzabend musste ich an meine jungen
Jahre denken und wie alles gekommen war. Schon
1996 ein Wettlauf in puncto Jobsuche. Das mobile
Telefonieren und dann das Medium Internet. Bereits
damals ein Leben voll Stress und Hektik. Die Men-
schen erlebten Diktaturen und Kriege. Der Terroris-
mus brach über die ganze Welt herein. Selbstmord-
kommandos, die sich und unzählige Unschuldige,
Kinder und Erwachsene, mit in den Tod rissen. Die
wilde Jagd auf Osama Bin Laden, dem die Tat vom 11.
September 2001 zugeschrieben wurde, als das Unfass-

                         17
bare passierte und die Türme des World Trade Centers
in Schutt und Asche zerfielen. Bis heute der fünfte
Nahostkrieg. Israel und die Palästinenser hatten ein-
fach keinen gleichnamigen Nenner gefunden, sogar
die Sunniten und Schiiten bekriegten einander. Die
Politik war in ihren unermüdlichen Friedensbemü-
hungen gescheitert, egal, wer die Macht innehatte.
Wie oft hatte man Friedenstruppen gesendet. Alles
vergebens. Die Araber wollten Israel als eigenständi-
gen Staat nicht anerkennen und waren untereinander
zerstritten, da sich die Völker im eigenen Land zu sehr
unterschieden. Die Korruption zu offensichtlich. Der
Graben zwischen Arm und Reich klaffte unüberwind-
bar auseinander. Jeder noch so kleine (falsche) Schritt
der westlichen Welt wurde mit heftigen Demonstra-
tionen und Ausschreitungen von der islamischen Welt
bekämpft. Obwohl wir dringend Frieden brauchten,
ließen uns der Fanatismus und der Stolz beider Seiten
nicht zueinanderfinden.

Das Telefon klingelte. Es war Teresa.
„Liebling, wir sind soeben in Köln gelandet. Wo
bleibst du?“
„Ja, ich hab dich nicht vergessen, es ist bloß etwas da-
zwischengekommen. Tut mir leid. Nimm dir ein Taxi
und fahr zu meiner Mutter.Wo sind die Kinder?“, gab
ich mit ruhiger Stimme zurück. Ich hatte sie ganz ver-
gessen und griff geistesgegenwärtig zur Notlüge. „Ich
muss nur dringend ins Labor, einige Papiere fertigstel-
len, da morgen ein neuer Termin anberaumt wurde.
Ich hol dich später bei meiner Mutter ab, okay?“ Ich
wollte sie nicht beunruhigen. „Ich beeile mich.“
„Gut, mach nicht zu spät. Ich bereite etwas bei Mut-
ti zu essen vor, die Kinder lassen grüßen. Also bis

                          18
dann.“
„Ciao, ciao, bis gleich!“, gab ich zurück und beendete
das Gespräch, bevor ich mich noch verriet.
Ach ja, die Kinder, soweit man das so sagen konn-
te. Tommaso, mein Sohn, war inzwischen mit seinen
sechsundzwanzig Jahren genauso erwachsen wie seine
zwei Jahre jüngere Schwester Marcella. Meine Frau
Teresa war Italienerin und noch sehr hübsch mit ihren
sechsundvierzig Jahren. Ich dagegen hatte mit meinen
achtundvierzig Jahren bereits graue Haare, und man
sah auch schon ein bisschen Bauchspeck, was mich
jedoch in keiner Weise störte. Meine Forschungen be-
deuteten mir viel, und ich war mit mir, meiner Fa-
milie und meinem Job als leitender Pharmadesigner
bei Medpharma in Köln sehr zufrieden. Der Aufstieg
vom Laborassistenten zum Pharmadesigner verschaff-
te mir sehr viel Ansehen, wobei es mich sehr stolz
machte, den Menschen mit neuen pharmazeutischen
innovativen Konzepten und Präparaten das Leben er-
leichtern zu können. Vielleicht war sogar der Eintritt
in den Aufsichtsrat möglich.

Dennoch ließ mich das mulmige Gefühl nicht los.
„Eine Lösung muss her“, stachelte ich mich selbst an.
Doch mit wem konnte ich reden, ohne alles preis-
zugeben oder mich zu verraten? Nur wir drei wuss-
ten von unserem Geheimnis. Jan, Guiglelmo und
ich. Ferner hatte unser Freund León Almeida sicher-
heitshalber einige Dokumente erhalten, ohne die die
Forschungsarbeit nicht enträtselt werden konnte und
nicht umsetzbar war.
Die Lizenzvergabe an Medpharma umfasste nicht
die Produktion von Sauerstoff und Energie, sondern
lediglich Sauerstofftabletten für eine bessere Durch-

                          19
blutung von Lunge und Gehirn. Meine Forschungen
bestanden auch darin, den Zusammenhang zwischen
Alzheimer und dem jahrelangen Verzehr von Lebens-
mitteln und Getränken aus Aluminiumkonservendo-
sen zu untersuchen.
Ich musste Jan anrufen, um nachzufragen, ob sich je-
mand bei ihm gemeldet und nach den Unterlagen ge-
fragt hatte. Seit einigen Wochen hatte ich nicht mehr
mit ihm gesprochen. Bereits beim Anwählen der Tele-
fonnummer legte ich den Hörer wieder auf, weil ich
keinen unnötigen Wirbel auslösen wollte. Unser Ge-
heimnis war bei uns sicher, da wir wussten, was pas-
sieren würde, geriete es in falsche Hände. Wir trauten
uns damals nicht, an die Öffentlichkeit zu gehen; es
schien einfach noch zu früh zu sein. Bis zum heu-
tigen Tag hatten wir noch Bedenken, ob es wirklich
funktionierte, insbesondere in großen Mengen. Mir
fiel ein, dass ich Guiglelmo in Rom mit dem Vorwand
anrufen könnte, mich zu erkundigen, ob Teresa und
die Kinder bereits abgereist waren.
Ich nahm das Telefon und wählte die Sprechtaste:
„Verbinden mit Guiglelmo jetzt.“
„Pronto, con chi parlo?“, erklang die Stimme von
Fiona, meiner Schwägerin, auf der anderen Seite, als
hätte sie auf den Anruf gewartet.
„Ich bin’s, Jeff, sono io, tuo cognato. Come va? Tut-
to bene? Sind Teresa und die Kinder bereits abgeflo-
gen?“
„Si, si, bereits vor drei Stunden. Sie müssten in Köln
schon gelandet sein“, gab Fiona zurück. „Guiglelmo
hat sie zum Flughafen gebracht und ist noch nicht
zurück. Ich bin etwas beunruhigt, da er nicht gesagt
hat, ob er noch etwas erledigen wollte. Er geht auch
nicht an sein Handy“, klang Fiona etwas besorgt. „Ist

                         20
nicht seine Art.“
Dem musste auch ich zustimmen und versuchte sie zu
beruhigen: „Hat bestimmt jemand getroffen, er wird
sicher bald zu Hause sein! Hör mal, wenn er zurück
ist, soll er mich bitte zurückrufen“, sagte ich schnell,
um sie nicht weiter zu nerven. „Alles Gute, Fiona, bis
bald mal wieder.“
„Ciao, Jeff, ciao, ich sag’s ihm. Ciao.“
Ich legte auf. Obwohl ich mich zwang, ruhig zu blei-
ben, fingen meine Gedanken an zu rasen. Was ist mit
Guiglelmo? Meine Vermutung, dass es da einen Zu-
sammenhang gab, ließ mich nicht mehr los.
Das Telefon klingelte. Es war Fiona, die sagte: „Jeff,
ich wollte dir noch etwas sagen. Vor ein paar Tagen
hat er Teresa ein paar Mal gefragt, ob in Deutschland
alles okay sei. Er schien die letzten Tage etwas nervös
gewesen zu sein. Das kam mir ehrlich gesagt ein biss-
chen komisch vor, da ihr noch vor zwei Tagen mit-
einander telefoniert hattet.“
Ich musste Fiona die Antwort schuldig bleiben und
ihr recht geben. Da war irgendetwas im Busch, aber
was? „Warten wir es ab“, gab ich schnell zurück. „Fio-
na, wie ist das Wetter bei euch?“
„Heute waren es 28 Grad, viel zu warm“, erwiderte
sie.
„Fiona, ich muss auflegen, da ich noch einen Anruf
erwarte, halt mich auf dem Laufenden, ciao.“
Bevor sie noch etwas erwidern konnte, legte ich den
Hörer auf.
Soviel ich wusste, hatte es in Italien seit drei Monaten
nicht geregnet und das Wasser war bereits seit einigen
Jahren rationiert. Lediglich in den Wintermonaten fiel
etwas Regen, sonst herrschte bis in den späten Herbst
hinein nur Trockenheit. Ich kannte die Geschichte

                          21
der letzten acht Jahre nur zu gut. Die Lage hatte sich
besorgniserregend zugespitzt. Weihnachten 24 Grad,
ab 2.500 Meter einige Schneeflocken. Aber es konnte
auch passieren, dass bei einem Wetterumschwung bis
zu drei Meter Schnee in ein paar Tagen runterkamen,
was dann zu Überschwemmungen führte. Dazu ge-
sellte sich die schlechte Versorgung mit Heizöl; immer
wieder kam es zu Verspätungen und zu Preisen von
350 Euro pro Barrel, wenn nicht mehr, je nachdem,
wie die Spekulanten an der Börse kauften oder ver-
kauften. Die Konzerne scherten sich einen Dreck um
kartellartige Verstrickungen und nahmen die langjäh-
rigen Gerichtsverhandlungen lächelnd in Kauf, die
den Bußgeldern folgten. Die OPEC war weltweit nur
auf Expandierung und den schnellen Dollar fixiert.
Wie sollte so eine Politik den Verbrauchern zugute-
kommen und wo sollte das hinführen? Man konnte
schließlich nicht in der Kälte sitzen bleiben.
Wo steckte Guiglelmo bloß? Da ich Fiona nicht wie-
der beunruhigen wollte, versuchte ich es ebenfalls auf
seinem Handy, wurde aber auf die Mailbox verwiesen.
Das stank zum Himmel.




                         22
Die Entführung

Die Geschehnisse entwickelten bereits eine eigene
Dynamik. Alles lief unausweichlich auf Komplikatio-
nen hinaus, was ich jetzt schon spüren konnte und
mir große Sorgen bereitete. Was wussten sie, wer waren
sie?, lauteten meine nächsten Gedanken. Verflucht, das
scheint noch nicht das Ende zu sein, sagte mir mein Ver-
stand, sondern bloß die Spitze des Eisbergs. Aber ruhig,
ich musste überlegen, wie ich der momentanen Si-
tuation Herr werden konnte, ohne Dummheiten zu
machen. Als Erstes durfte ich kein eigenes Telefon be-
nutzen; vielleicht wurde ich ja abgehört. Weiter muss-
te ich unbemerkt das Haus verlassen und Kontakt mit
Jan oder Guiglelmo aufnehmen. Jan wohnte in Frank-
furt, zu weit, um schnell einmal dort hinzufahren. Mit
dem Wagen würde ich obendrein nicht unbemerkt
hier rauskommen. Blieb nur das Hinausschleichen,
bevor ich versuchen wollte, mit der Straßenbahn zu
meiner Mutter zu gelangen.Was sagte ich Teresa? „Ich
bin mit der Straßenbahn hier, um dich abzuholen!“
Lächerlich, ich musste bei der Vorstellung selbst laut
lachen, wie sie mich alle anschauen würden. Der hat
einen Sprung in der Schüssel. Unsere Abwesenheit scheint
ihm nicht gut bekommen zu sein, würden die denken. Ich
saß in der Falle. Sie würden wiederkommen und mich
auseinandernehmen. Ich war doch nicht … RAMBO.
Nein, die warteten auf einen Fehler von mir.
Mir blieb keine Wahl, ich musste handeln, um her-
auszufinden, was mit Jan oder Guiglelmo los war. Ich
durfte auch nicht vergessen, Teresa anzurufen. Wenn
möglich aus einer Telefonkabine. So, es reichte. Es
musste etwas geschehen.
Im selben Augenblick klingelte es an der Tür. Schei-

                          23
ße, sie sind zurückgekommen, ging mir durch den Kopf,
während mein Puls unerwartet in die Höhe schnell-
te. Ich hatte gesehen, mit welchem Wagen sie vorhin
weggefahren waren, und schaute vorsichtig durch die
Gardinen. Aber es war nichts zu sehen. Ding dong, ding
dong … Leise schlich ich zur Tür und schaute mit ra-
sendem Herzschlag durch den Spion. Da stand Jan,
nervös mit den Händen fuchtelnd, als wollte er sagen,
mach bloß schnell auf. Ich riss die Tür auf und zog ihn
am Ärmel zu mir herein.
„Jeff, sie sind seit heute Morgen hinter mir her. Ich
muss mit dir reden. Sie überwachen uns und unsere
Telefone. Bist du alleine? Was ist passiert, dass die hin-
ter uns her sind?“
„Eins nach dem anderen und immer ruhig Blut“, ver-
suchte ich Jan zu beruhigen, obwohl es mir genauso
ging wie ihm. „Setz dich erst mal hin. Möchtest du
etwas trinken?“ Ich spürte eine gewisse Erleichterung,
ihn bei mir zu haben und mit ihm über alles reden zu
können.
Aber er merkte, dass bei mir ebenfalls etwas nicht
stimmte, da noch nicht aufgeräumt war. Er sprang auf-
geregt auf und rief: „Sie waren hier bei dir, nicht wahr,
und du tust, als wäre alles in Butter!“
„Beruhige dich erst mal.“ Ich drückte ihn wieder in
den Sessel zurück. „Ja, mich haben vor einer guten
Stunde zwei Männer aufgesucht. Sie wollten unsere
Forschungsarbeiten von damals, haben aber nichts ge-
funden und drohten damit, wiederzukommen.“
„Wie bei mir, ein dicker und ein schmächtiger Typ in
Anzügen, als wären es Banker.Wer sind sie, was wollen
sie und für wen arbeiten sie?“
„Jan, du hast eine Menge Fragen, die ich auch gerne
beantwortet haben möchte. Also beruhige dich erst

                           24
mal. Wir sind am Leben und gesund. Ich mache mir
ernsthafte Sorgen um Guiglelmo, der heute Mittag,
nachdem er Teresa und die Kinder zum Flughafen ge-
fahren hat, nicht mehr nach Hause zurückgekommen
ist, und Fiona weiß auch nicht, wo er steckt. Er mel-
det sich nicht am Telefon, ich hab’s das letzte Mal vor
einer Viertelstunde probiert. – Aber was wollten die
Typen von dir?“
„Sie fragten, ob ich meine Examenarbeit von damals
verkaufen wolle. Sie würden gut dafür bezahlen. Ich
hab ihnen geantwortet, dass ich kein Interesse an
einem Deal hätte, woraufhin sie mir kurzerhand die
Bude auseinandergenommen und mir gedroht haben,
wiederzukommen.“
„Also genauso wie bei mir, wie du siehst.“
„Ich bin dann sofort aus dem Haus, ab in den erstbes-
ten ICE und weiter mit dem Taxi zu dir. Dreihundert
Meter von hier entfernt bin ich dann ausgestiegen,
bevor ich mich von hinten rangeschlichen habe, damit
mich keiner sieht.“
„Bist du sicher, dass dich keiner gesehen hat?“
„Ganz sicher“, gab er überzeugt zurück.
„Ja gut, und was machen wir jetzt?“
„Ach ja, noch was, Jeff: Etwa fünfzig Meter von hier
um die Ecke steht ein schwarzer Van mit holländi-
schem Kennzeichen und zwei Leuten drin. Aber ich
konnte nicht dicht genug rangehen, um zu erkennen,
ob das dieselben Typen sind, die bei mir waren. Also
Vorsicht. Ich sehe, du hast alle Gardinen vorgezogen
und kein Licht vor dem Haus an.“
„Am besten wir bleiben nicht länger hier, Jan.“
„Aber wo sollen wir hingehen?“, fragte er.
„Wir verschwinden unauffällig und beraten später
unsere nächsten Schritte. Ich hol nur ein paar Sachen

                          25
und meine Jacke.“
„Mach schnell! Wenn die zurückkommen und uns
hier zusammen antreffen, sind wir geliefert!“
Jan hatte den Satz noch nicht richtig zu Ende gespro-
chen, da klingelte es erneut an der Tür.
„Psst“, sagte ich und deutete an, still zu sein, während
ich fieberhaft überlegte, was wir tun konnten.Vorsich-
tig schlich ich zur Tür und schaute durch den Spion,
der allerdings von außen zugehalten wurde.
„Wenn wir abhauen, fallen wir auf“, flüsterte ich Jan
zu. „Vielleicht haben die auch Kanonen. Ich schlage
vor, du verschwindest erst mal, ehe ich aufmache. So
hat wenigstens einer von uns die Chance, davonzu-
kommen. Versteck dich im Gäste-WC und bleib so
lange dort, bis sie reingekommen sind. Ich werde hus-
ten, wenn du raus auf die Straße kannst, nicht vorher,
verstanden?! Dann nimmst du dir ein Taxi, und wir
treffen uns später im Café de Paris, sagen wir mal in
ein oder spätestens zwei Stunden. Solltest du bis dahin
nichts von mir gehört haben, kannst du zur Polizei
gehen. Teresa ist bei meiner Mutter in Bonn. Hast du
verstanden?“
„Alles klar!“
„Ich versuche sie abzuwimmeln, ich schaff das schon.
Bis dann.“
„Viel Glück, Jeff!“ Jan schlug mit seiner Hand in mei-
ne Handfläche, die ich ihm aufhielt, wie früher. Er
verschwand im Gäste-WC.
Draußen wurden die Herren ungeduldig. Sie pochten
laut gegen das Holz.
„Ja, wer ist da?“, tat ich überrascht.
„Mach sofort auf oder wir machen Kleinholz aus
dir!“
Ich meinte die Stimme des Dicklichen wiedererkannt

                          26
zu haben. Wortlos öffnete ich die Tür.
„Na also“, blaffte mich der große Blonde an.
„Wir hätten noch ein paar Fragen, und versuch ja
nicht, uns zu belügen, verstanden, wenn du nicht als
Leiche deinen schönen Teppich schmücken willst.
Also, wo steckt dein Freund Bieberich? Wir möchten
auch deinen Computer checken, wenn du nichts da-
gegen hast“, sagte der Dicke. „Mach schon, wir haben
nicht die ganze Nacht Zeit!“
„Keine Bange, wir wollen dir nichts anhaben, wir sind
hier, um die Unterlagen von deinem Examen abzu-
holen. Allerdings bekommst du keine weitere Chan-
ce mehr, bevor ich die Geduld verliere und dir eine
Kugel in den Kopf jage. Du kannst es dir überlegen.
Entscheide du“, meinte der Blonde, als redete er übers
Wetter.
„Ich, ich … kann jetzt nicht ins Werk, das würde auf-
fallen. Am Eingang befinden sich immer mindestens
drei Posten seit diesen verdammten Terroranschlägen.
Da ist kein Durchkommen.“
„Mach dir mal nicht in die Hose, wir bleiben draußen,
während du die Unterlagen holst, ansonsten rufen wir
Rom an, du weißt schon, warum.“
Sie schauten mich an und warteten auf eine Reak-
tion.
„Wieso Rom, was hat das zu bedeuten?“, tat ich un-
wissend.
Der Dicke ging zur Garderobe neben dem Gäste-WC
und holte meinen Mantel. Einen Moment dachte
ich, er wolle in der Toilette nachsehen. Mir war ganz
schlecht bei dem Gedanken.
Er warf mir den Mantel zu und sagte: „Die Sache mit
dem Computer hat sich erledigt. Wir begleiten dich
zum Werk. Keine faulen Tricks, sonst ist dein Schwa-

                         27
ger die längste Zeit dein Schwager gewesen, ist das
klar, Freundchen!“
Jan musste alles mitgehört haben und wusste somit,
wo ich in den nächsten Stunden sein würde.
„Du brauchst die Unterlagen eh nicht mehr, du hast
ja den Wisch dafür bekommen.“ Er meinte mein Di-
plom. „Was willst du mit den Papieren? Wir werden
gut auf sie aufpassen.“
„Kommt jetzt“, hetzte der Blonde, „wir wollen kei-
ne Zeit verlieren.“ Ich wurde zur Tür geleitet, wo er
fortfuhr: „Wenn wir die Papiere haben, kann dein
Schwager heute Nacht bei seiner Frau schlafen.“
In diesem Augenblick musste ich an Fiona denken
und dann an Teresa, die ganz schön böse auf mich sein
musste, dass ich so lange im Werk blieb. Doch im Au-
genblick blieb mir keine andere Wahl.
Der Blonde zog einen Revolver und versteckte ihn
in seiner Manteltasche, bevor er ihn in meine Seite
bohrte. „Das ist für den Fall, dass du draußen nicht
brav bist. So, gehen wir!“, befahl er. „Aber vorsichtig,
keine übermütigen Bewegungen, ich bin nämlich ein
bisschen nervös.“
Wir gingen auf die andere Straßenseite, wo der Blon-
de nach mir in den Fond des Wagens stieg. Der Di-
cke fuhr sofort los, ohne nach dem Weg zu fragen. Sie
wussten Bescheid und wollten ohne Verletzungen die
Sache hinter sich bringen, damit beim Eingang zum
Werk nichts Auffälliges zu sehen war. Ich hatte es also
mit Profis zu tun, die kein Risiko eingingen und die
Situation im Griff zu haben glaubten. Aber ich sträub-
te mich, einfach aufzugeben, und suchte verzweifelt
nach einem Ausweg.
Ein Geistesblitz ließ mich zum Fahrer sagen: „Können
Sie die Fensterscheibe hier hinten etwas runterlassen,

                          28
mir ist nicht ganz wohl.“
Postwendend ging die Scheibe ein Stück runter, nur
an der anderen Seite, wo der Blonde saß. „Gut so?“,
sagte er daraufhin.
Die wenigen Zentimeter mussten reichen, den Schlüs-
selbund hinauszuschleudern. Aber wie bekam ich ihn
unauffällig aus der Manteltasche, ohne dass sie es so-
fort bemerkten? Zum Glück war es dunkel genug.
Vorsichtig tastete ich in meiner Manteltasche danach,
schloss dann meine Hand, damit der Schlüsselbund
mit dem Büroschlüssel dran nicht raschelte, und hielt
ihn fest umklammert. Jetzt brauchte ich nur noch auf
meine Chance zu warten. Die Straße zog dunkel und
menschenleer an uns vorbei. Ich musste warten, bis
wir durch die Stadt fuhren, wo mehr Verkehr herrsch-
te. Aber wie lange würde er die Fensterscheibe runter
lassen? Mir kam das Ganze vor wie eine Lotterie. Mei-
ne Nerven waren zum Zerreißen gespannt, als wir die
Stadt erreichten. Langsam füllten sich die Straßen mit
Menschen und Autos. Ich witterte meine Chance. In
der nächsten Linkskurve ließ ich mich durch die Zen-
trifugalkraft auf den Blonden prallen, riss im selben
Moment die linke Hand mit dem Schlüsselbund he-
raus und zwängte ihn durch den geöffneten Fenster-
spalt nach draußen. Zu meinem Glück kam uns genau
rechtzeitig eine Straßenbahn in der Kurve entgegen,
sodass der Dicke nicht bremsen konnte und auswei-
chen musste. Er fluchte, während mich der Blonde
mit voller Wucht auf meinen Platz zurückstieß, dass
meine Schulter schmerzte.
„Du, Schwein, hast die Schlüssel vom Büro rausge-
schmissen. Du willst Ärger und sollst ihn haben“, wü-
tete er und schlug mir voll ins Gesicht.
Ich heulte vor Schmerz auf, während der Wagen mit

                         29
kreischenden Bremsen etwa fünfzig Meter weiter zum
Stehen kam.
„Ich werde dich zermalmen, wenn wir die Schlüs-
sel nicht wiederfinden, du verdammtes Schwein.“
Der Dicke stieg aus. „Du kannst was erleben“, schrie
er. „Ich verspreche dir, dass deine Familie dich nicht
wiedererkennt, du verdammtes Arschloch.“ Er kam
zur Autotür und riss sie fast aus den Scharnieren.
Als er gerade losschlagen wollte, hielt der Blonde sei-
nen Arm fest und meinte: „Jake, ich versprech dir, wir
holen das nach, sobald wir alles hinter uns haben. Eine
Tracht Prügel bekommt er für seine Arroganz, aber
nachher.“
Der Dicke riss mich aus dem Wagen und befahl mir,
die Schlüssel zu suchen. „Wenn wir die Schlüssel nicht
finden, fahren wir woandershin mit dir, hast du ver-
standen, du Idiot. Keine weiteren Tricks, sonst geht’s
dir schlecht, Mister.“
Ein bisschen erschrocken war ich schon, aber meine
Idee hatte funktioniert, bis jetzt zumindest. Ich ging
mit dem Fahrer die kurze Strecke zurück und begann
zu suchen.
Die vorbeigehenden Leute machten Bemerkungen
wie: „Haben Sie etwas verloren?“
„Ja, meine Hausschlüssel“, erwiderte ich und witterte
gleichzeitig meine Chance. „Sie können mir bei der
Suche helfen.“
Der Blonde kam dazu und bemerkte ganz lakonisch:
„Aber gerne.“
Da sagte eine Frauenstimme: „Hier sind sie.“
Ich griff sofort danach und rief ganz erleichtert: „Gott
sei Dank. Sie haben mir das Leben gerettet.“
Meine Entführer starrten sich an, doch bevor etwas
passieren konnte, bedankte ich mich bei der Dame:

                          30
„Herzlichen Dank, so kann ich mich jetzt auf den
Weg machen. Meine Herren, ebenfalls danke für Ihre
Hilfe. Bis vielleicht ein andermal“, drehte mich um
und verschwand in der Menge.
Sie würden nicht schießen, mir aber auf den Fersen
bleiben. Ich bemerkte, wie sie mich verfolgten, und
ergriff sofort meine Chance, als ich an einem Lokal
vorbeikam, das ich vom Bummeln mit Teresa und den
Kindern her kannte. Hier genehmigten wir uns öfter
ein Bier. Ich betrat den ziemlich vollen Raum und
ging schnurstracks am Tresen vorbei zur Treppe, die
zu den Toiletten führte. Anstatt die Männertoilette
aufzusuchen, stiefelte ich zu den Damen rein. Hier
befand sich ein Fenster. Ohne mich um die zwei Da-
men zu kümmern, öffnete ich das Fenster und sprang
in den Hinterhof. Ich kam so hart auf, dass ich mir
beinahe den Knöchel des rechten Beines verstaucht
hätte. Humpelnd lief ich weiter zum Lieferantentor,
bog sofort in die Seitenstraße ein und tauchte in der
Menge unter.
Es verfolgte mich niemand. So konnte ich weiter zur
Fußgängerzone gelangen, wo ich ein Taxi nahm. „Zum
Café de Paris.“ Während der ganzen Fahrt schwieg
ich und dachte nach, was nun mit Guiglelmo passie-
ren würde. Eine knappe Viertelstunde später stieg ich
aus und zahlte. Es herrschte rege Betriebsamkeit, der
Parkplatz vor dem Laden quoll über. Jetzt musste ich
zusehen, dass ich Jan erwischte. Er saß am Tresen und
unterhielt sich mit zwei Damen. Beim Herumdrehen
bemerkte er mich, und ich gab Zeichen, uns etwas
abseits zu sprechen.
„Wie hast du es geschafft?“, fragte er neugierig.
Schnell erzählte ich ihm die ganze Geschichte und
endete: „Wie soll es weitergehen, Guiglelmo ist in

                         31
ernster Gefahr.“
„Wir müssen herausfinden, mit wem wir es zu tun
haben“, schlug Jan vor.
Da konnte ich ihm nur zustimmen. Doch zuallererst
musste ich Fiona anrufen und Teresa warnen. Ich er-
kundigte mich beim Kellner nach einem Telefon.
„Leider nein, da jeder ein Handy hat“, lautete seine
etwas amüsierte Antwort, als ob er sagen wollte, wo
ich in Gottes Namen herkomme.
Was jetzt? Ich fragte Jan, ob die beiden Damen uns
wohl ihr Handy ausleihen würden, woraufhin er sich
prompt auf den Weg machte. Jan stellte mich wenig
später vor, und ich musste zugeben, dass er einen guten
Geschmack hatte. Warum ist er eigentlich nicht ver-
heiratet, sinnierte ich kurz. Seit mehr als fünf Jahren
hatte er zwar eine Freundin, aber sie wohnten nicht
zusammen. Als Bankkauffrau jagte sie in der Welt di-
versen Metallen hinterher. Ob Aluminium oder Stahl,
alles konnte man für die Aktionäre gebrauchen, die
sich in unermesslichem Reichtum ergötzen wollten.
Aber zurück zu den Damen. Jan fragte ohne Um-
schweife, ob sie ein Handy dabeihätten.
„Wenn es nicht lange dauert, gerne.“
Ich nahm dankend und mit einem Lächeln an. „Ich
bezahle die Zeche“, sagte ich und tippte die Nummer
meiner Mutter ein.
Nachdem es zweimal geklingelt hatte, nahm meine
Mutter den Anruf an. „Hallo, hier bei Brink, wer ist
am Apparat?“
„Mama, ich bin’s. Sind Teresa und die Kinder noch
bei dir?“
„Ja, aber sie konnten dich nicht erreichen und warten
jetzt auf ein Taxi.Wo steckst du, Junge?“ Ich war noch
immer der Junge.

                          32
„Kannst du mir Teresa bitte ans Telefon rufen? Ich er-
klär’s lieber nur einmal. Sie kann dir dann alles sagen.
Ich liebe dich, pass gut auf dich auf. Und schließe
abends alles gut ab und öffne keinem Fremden die
Tür“, musste ich noch loswerden.
„Gut, ich ruf sie, bis bald. Ich hätte mich so gefreut
und hatte auch ein Abendessen vorbereitet. Was um
Himmels willen geht da vor? Ja, dann tschüss, hier, ich
geb sie dir.“
„Jeff, wo steckst du?“, kam die aufgeregte Stimme von
Teresa in italienisch-deutschem Akzent, obwohl sie
sehr gut Deutsch sprach. „Kann man denn überhaupt
noch mit dir rechnen? Was ist los? Kannst du mir das
verraten?“
„Hör jetzt gut zu“, sagte ich sehr ruhig. „Du kannst
nicht nach Hause, ich hatte heute Abend Besuch von
zwei Männern. Sie fragten nach meiner Examenar-
beit, bevor sie alles durchwühlt haben. Zu deiner In-
formation, unsere Telefone werden abgehört. Ich be-
finde mich in Sicherheit. Außerdem ist Jan vor ein
paar Stunden bei mir eingetroffen. Den Rest erzähle
ich dir, wenn ich bei Mama ankomme. Bleib auf jeden
Fall auf der Hut und lasst keinen bei euch rein. Es han-
delt sich um Profis, die wohl genau wissen, wo sie uns
finden können. Somit auch die Adresse von Mama.
Es sind sehr gefährliche Leute, die um jeden Preis das
Manuskript haben wollen, und sie sind bewaffnet.
Nimm dir am besten mit Mama und den Kindern
ein Hotel, du weißt welches, da kann ich problemlos
anrufen oder euch aufsuchen. Also bis dann. Ich habe
jetzt keine Zeit, dir im Detail zu erzählen, was los ist.
Mach schnell. In zwei Stunden ruf ich dich im Hotel
wieder an. Also Küsschen, mein Schatz. Ich erkläre dir
alles, wenn ich da bin. Bis dann. Ciao.“

                           33
So, nun musste ich noch Fiona in Rom anrufen. Ohne
lange zu fragen, wählte ich auch ihre Nummer.
Nach langem Klingeln kam eine weinerliche Stimme:
„Pronto chi parla?“
„Ich bin’s Jeff. Was ist los, Fiona?“
„Sie haben die ganze Wohnung durchwühlt und Sa-
chen mitgenommen.“
„Wer … hat was?“
„Zwei Männer. Ich glaube, es waren Holländer.“
„Bei uns vor der Tür stand ebenfalls ein Auto mit
holländischem Nummernschild, in das ich einsteigen
musste. Mensch, bist du sicher, dass es Holländer wa-
ren, und was wollten sie?“
„Keine Ahnung, haben sie nicht gesagt. Nur dass Gu-
iglelmo zurückkäme, wenn alles wieder in Ordnung
sei. Sie haben dich verflucht und gedroht, dich zu er-
schießen, wenn sie dich in die Finger kriegen. Jeff,
kannst du mir sagen, was los ist? Ich hab ein Recht
dazu.“
„Fiona, beruhige dich. Ich kann dir im Augenblick
auch nicht mehr sagen. Wir sitzen in der Klemme. Sie
haben Guiglelmo entführt und wollen Dokumente
von mir erpressen.“
„Welche Dokumente?“
„Meine Examenarbeit von damals.“
„Ach die! Gib sie ihnen, damit Guiglelmo wieder
freikommt. Ich bitte dich!“
„Kann ich nicht, selbst wenn ich wollte, ich besitze
sie nicht mehr. Sie ist in sicheren Händen seit Jahren
und wird auch da bleiben. Keiner hat das Recht, sie
zu besitzen.Wenn Guiglelmo nach Hause will, wird er
es ihnen sagen, mehr vermag ich im Augenblick nicht
zu unternehmen. Ich kann nur versuchen, herauszu-
finden, wo sie ihn versteckt halten. Aber zuerst muss

                         34
ich wissen, mit wem wir es zu tun haben. Tut mir leid,
aber ich muss jetzt auflegen, da es nicht mein Handy
ist und unsere Telefone seit geraumer Zeit abgehört
werden. Ich melde mich, sobald ich kann. Kopf hoch
und geh zu deiner Schwester Roberta, da bist du si-
cher.Versprich es mir.“
Sie antwortete ganz weinerlich. „Jeff, hilf uns bitte,
sie sollen ihre verdammten Papiere haben, wenn sie
ihnen so wichtig sind. Hauptsache, Guiglelmo kommt
wieder frei.“
„Ich verspreche dir, mein Menschenmöglichstes zu
unternehmen, dass er bald frei kommt. Sei vorsichtig,
pack dir einige Sachen ein und nimm dir ein Taxi.
Also, ich melde mich, sobald es was Neues gibt. Kopf
hoch, ciao Fiona. Ich hab dich lieb.“
Ich legte auf und war sichtlich betroffen. Das Ganze
stimmte mich traurig. Ich konnte fühlen, wie es Fiona
ging. Aber zuerst musste ich mit Jan überlegen, was
wir als Nächstes tun konnten. Es war kurz vor Mitter-
nacht, als ich auf meine Armbanduhr schaute.
Bald standen wir auf der Straße. Aber wohin sollten
wir nun gehen, ohne andere zu gefährden? Es war
bitter, sich nicht einmal in seine eigenen vier Wände
zurückziehen zu können. Ich wollte meine Frau und
meine Kinder sehen.
„So, Jan, wir nehmen uns ein Taxi und fahren zum
Hotel.“
In diesem Moment begann es zu regnen.
„Auch das noch“, meinte Jan, „ist es nicht mies ge-
nug?!“
Etwas weiter die Straße runter warteten bereits einige
Taxis auf Kundschaft. Wir stiegen ein und gaben das
Hotel an. „Bitte zum Sheraton.“ Keiner sprach ein
Wort, auch als der Taxifahrer Witze reißen wollte. Er

                         35
bemerkte sofort, dass uns nicht danach zumute war.
Eine halbe Stunde später waren wir an der Rezeption,
wo ich höflich empfangen wurde.
„Ihre Frau ist bereits mit den Kindern oben“, sagte
der Portier.
„Danke.“
„Haben die Herren kein Gepäck dabei?“
„Nein“, gab ich kurz zurück, ehe wir uns am Aufzug
vorbei um die Ecke zur Bar begaben. Wir mussten
noch einiges unter vier Augen besprechen, bevor wir
nach oben gingen. „Jan, was hältst du davon, sollten
wir nicht die verdammten CDs herausgeben?“
„Bist du verrückt! Auf gar keinen Fall. Du weißt, was
dann passieren wird. Niemals in die Hände von Poli-
tikern oder Konzernen, haben wir gesagt – und dabei
bleibt es.“
„Du hast recht. Und Terroristen schon gar nicht“, er-
widerte ich.
Wir bestellten zwei Whiskys, obwohl wir keine Whis-
kytrinker waren und unsere Vorliebe eher einem gu-
ten französischen Rotwein galt. Aber in diesem Mo-
ment tat es gut, unsere Sorgen zu ersaufen.
Ich musste Jan etwas gestehen. „Hör mir mal gut zu:
Ich hab mir damals erlaubt, einige Fehler in unsere
Formel einzubauen, und hab euch das bis heute ver-
schwiegen, aus vielerlei Gründen. Du weißt ja, wie das
ist, man weiß nie im Leben … Leonardo da Vinci ist
ähnlich vorgegangen. Er hat bei den Aufzeichnungen
seiner Erfindungen immer einen Fehler eingeschleust,
damit seine Ideen nicht nachgebaut werden konnten.
Ich hab bereits vorgesorgt für den Fall, dass mir etwas
zustößt. Das Originalteil der Formel befindet sich in
sicheren Händen. Sie würden hingegen die Kopien
mit den Fehlern bekommen. Sollen sie sich nur die

                          36
Birne zermartern. Die verfügen bestimmt über fähi-
ge Leute, die vielleicht in fünfzig Jahren herausfinden,
wie es funktioniert. Bis dahin braucht eh keiner mehr
eine Lösung, wenn wir mit unseren Rohstoffen und
dem Klima so weitermachen. Hör mal, ich weiß sogar,
wo die beiden von heute Abend abgestiegen sind. Ich
habe vorne im Wagen einen bedruckten Umschlag
gesehen mit Novotel. Wir könnten versuchen, heraus-
zufinden, ob in der Parkgarage das Auto der beiden
steht. Irgendwann müssen die doch auch schlafen.“
„Gute Idee!“, stimmte Jan mir zu.
Mir ging’s darum, zu erfahren, mit wem wir es zu tun
hatten. Jemand musste das Gangsterpärchen doch be-
zahlt haben.
Jan war sichtlich müde und wollte abschalten, aber das
ging jetzt nicht. Da er morgen nach Rom reisen sollte,
um dort nach Guiglelmo Ausschau zu halten, brauch-
ten wir Informationen, und die bekamen wir nur im
Novotel. Nachdem wir einen Plan ausgeheckt hatten,
gingen wir auf unsere Zimmer.
Teresa wartete bereits ungeduldig. „Ich hab mit Fiona
telefoniert. Sie ist außer sich und hat nur geheult. Ihr
solltet diesen Leuten die Informationen geben, damit
Guiglelmo wieder freikommt.“
„Keiner kommt frei, weder Guiglelmo noch wir, wenn
wir nicht diese Bande ausschalten oder Hilfe von au-
ßen bekommen. Wir haben jedoch keine Wahl, also
werden wir ihnen die Informationen übergeben.“
Fiona und Teresa sollten von den nicht vollständig ge-
speicherten Daten noch nicht aufgeklärt werden, da
sonst das Risiko bestand, dass sie, bei nicht vorherseh-
baren Komplikationen oder Fragen von den Entfüh-
rern bezüglich der Vollständigkeit des Materials, sich
verquatschten.

                          37
„So bekommen wir zumindest Guiglelmo frei und
Zeit zu verschwinden. Buch schon mal vier Tickets für
uns nach Cancun und für Jan eins nach Rom. Kannst
du das für uns übernehmen? Wir fliegen nach Mexiko
zu Jackie und León, da werden sie uns am wenigsten
vermuten. Ich hab dort noch einiges aufzuklären.“
Sie starrte mich an, als wäre ich ein Außerirdischer.
Aber ich wusste, wovon ich sprach.
„Von Cancun fliegen wir weiter nach Palenque. Ich
möchte mich dort mit León treffen.“
Ich sah hierin unsere einzige Chance. León Almeida
war Maya-Experte. Wir hatten uns vor etwa zwan-
zig Jahren in Mexiko kennengelernt und waren seit-
dem befreundet. Nach einigem Hin und Her hatte
ich, ohne mich mit Jan und Guiglelmo abzusprechen,
León einen wichtigen Teil meiner damaligen Arbeit
übergeben und mit ihm vereinbart, dass er den Me-
morystick mit den codierten Informationen zur An-
lage sehr gut aufbewahren sollte, bis ich ihn brauchte.
Ohne diese wichtigen Details konnten die Anlagen
nicht in Betrieb genommen werden. León ahnte
nicht, welche Informationen dieser Stick beinhaltete.
Aber vielleicht konnte er uns jetzt helfen. Wir muss-
ten an die Öffentlichkeit, damit wir das Projekt star-
ten konnten. Die anderen brauchten mein Wissen, um
noch mehr Macht und Reichtum anzuhäufen. Denen
schien jedes Mittel recht zu sein.
„Es tut mir leid, dich, die Kinder und Fiona mit hi-
neinziehen zu müssen. Aber was soll ich deiner Mei-
nung nach tun? Klein beigeben – dann kannst du
mich morgen tot aus der Gosse fischen. Lieber setz
ich mich zur Wehr und such nach einem Weg, die
Anlagen selbst zu bauen, anstatt es diesen Profithaien
und Spekulanten zu überlassen, die doch nur die ge-

                          38
wonnene Energie an der Börse teuer wiederverkau-
fen werden.“
Teresa unterbrach mich: „Können wir das den Kin-
dern nicht ersparen?“
In diesem Augenblick kam Tommaso herein, ohne an-
zuklopfen. Ich zuckte zusammen.
„Pa, das ist eine ziemliche Scheißgeschichte mit On-
kel Guiglelmo. Was können wir tun?“ Es überraschte
mich, wie locker er ranging. „Ich will euch helfen,
wenn du erlaubst, damit dieser Albtraum schnell zu
Ende geht. Ich hab mir sofort gedacht, dass es um dei-
ne Examenarbeit geht. Wo steckt Jan Bieberich? Ich
hab gehört, er ist auch bei dir.“
„Er hat ein eigenes Zimmer, wenn du erlaubst. So,
und womit willst du mir helfen?“
„Man könnte versuchen, ihre Identität herauszufin-
den, und mit ihnen verhandeln.“
„Daran hätte ich nicht gedacht, mein Junge“, entgeg-
nete ich. „Diese Leute machen keine Verträge, son-
dern nehmen sich, was ihnen in den Kram passt, aber
die Idee ist nicht schlecht. Doch wie willst du das an-
stellen?“ Ich musste grinsen. „Etwa mit einem weißen
Tuch wedeln und sich ergeben?“
„Pa, sei nicht albern! Wie sonst willst du Onkel Gu-
iglelmo da rausholen, außer mit einem Lockvogel zu
Verhandlungen zu gehen. Sie lassen Onkel Guiglelmo
frei, während wir eine gefälschte Examenarbeit ab-
geben.“
„Das dürfte nicht so einfach sein. Sie werden zuerst
sichergehen wollen, dass sie die richtigen Informa-
tionen erhalten haben, und Onkel Guiglelmo nicht
eher freigeben, bis sie sie überprüft haben. Und wenn
ihnen das nicht reicht, knallen sie Onkel Guiglelmo
ab“, fuhr ich fort. „Aber die Richtung stimmt, Junge.

                          39
Aber zu deiner Information, wir fliegen so bald wie
möglich nach Mexiko.“
„Was, Mexiko? Wie? Wieso Mexiko? Was sollen wir
in Mexiko?“
„Ich treffe mich dort mit jemand.“
„Ach so, und wer soll das sein?“
„León Almeida“, antwortete ich meinem noch un-
wissenden Sohn.
Doch ich hatte vor, Tommaso endlich einzuweihen,
damit er León warnen konnte, falls etwas passieren
sollte. Schließlich war er alt genug und die Zeit reif,
ihm einige Vorgänge meiner Erfindung zu unterbrei-
ten.
„Wir haben einen Plan ausgetüftelt. Wenn der hin-
haut, gewinnen wir Zeit, und dein Onkel käme viel-
leicht frei. Du wirst dich aber noch etwas in Geduld
üben müssen und mich in Mexiko begleiten. – So
jetzt brauch ich aber eine Mütze Schlaf. Jan und ich
müssen gegen drei, vier Uhr noch einiges erledigen,
wenn diese verdammten Bastarde nicht vorher heraus-
gefunden haben, wo wir uns aufhalten. Keine Gesprä-
che mit Handys. Sie könnten uns vielleicht dadurch
lokalisieren. Und keine Telefonate mit irgendwelchen
Bekannten und niemals mit Fiona. So können sie uns
nicht zurückverfolgen. Schließlich wissen wir nicht,
mit wem wir es zu tun haben. Ob Privatiers, Unter-
nehmer oder sogar der Geheimdienst und somit die
Regierung, jeder kann dahinterstecken. Und aus wel-
chem Land stammen sie?“
Diese Fragen mussten geklärt werden, und das Novo-
tel könnte uns weiterhelfen.
„Wo ist Marcella?“
„In ihrem Zimmer“, gab Teresa sofort zurück.
„Sie soll mit niemandem telefonieren, kannst du ihr

                          40
das sagen, Teresa!“
Das Zimmertelefon klingelte.
Teresa hob den Hörer ab. „Ja bitte! – Ach, du bist es,
wie geht’s dir? Was? Du willst mit Jeff sprechen? Au-
genblick, ich geb ihn dir. Wir sehen uns aber noch
beim Frühstück?“ Sie reichte mir den Hörer. „Es ist
Jan.“
„Ja, hallo, was gibt’s?“
„Ich glaub, das Beste wäre, sofort zuzuschlagen, Jeff“,
meinte Jan.
„Und wieso?“, fragte ich. „Ich dachte, du wärst
müde.“
„Ich bin nach der Dusche wieder topfit und denke,
wir sollten schnellstens herausfinden, mit wem wir es
zu tun haben. Bis dahin hab ich ja doch keine Ruhe“,
meinte Jan, womit er recht hatte.
„Also los, wir treffen uns draußen vor dem Hotel. Ich
lass uns ein Taxi kommen. Bis in zehn Minuten.“ Ich
legte wieder auf und wählte die Rezeption. „Bitte
ein Taxi in zehn Minuten. – Gut, danke“, sagte ich
und drehte mich zu Teresa und Tommaso. „Ihr habt
es gehört, wir wollen der Sache schon jetzt auf den
Grund gehen und fahren zum Novotel. Falls ich in
zwei Stunden noch nicht zurück bin, musst du diese
Kette zu León bringen.“ Ich zog die Kette über mei-
nen Kopf und gab sie meinem Sohn. „Herr Almeida
wird dir den Memorystick nur im Austausch gegen
dieses Aztekenmedaillon aushändigen, so haben wir
es damals abgemacht, sollte ich ihn nicht persönlich
abholen können. Du holst das Paket aber nur, damit
Onkel Guiglelmo freikommt, gesetzt den Fall, dass es
heute Nacht nicht klappen sollte.“
In diesem Augenblick trat Marcella ins Zimmer, kam
sofort auf mich zu und umarmte mich. „Oh Papa, ich

                          41
hab dich sehr vermisst.“
„Bin auch froh, dich wieder bei mir zu haben, mein
Kind.“
Sie hielt mich noch eine Weile fest und meinte dann:
„Was wollen die von uns? Was ist mit Onkel Guiglel-
mo, kommt er wieder frei? Papa, versprich mir, dass
ihr sehr vorsichtig seid. Kann ich vielleicht auch hel-
fen?“
„Ja, natürlich, du kannst deiner Mutter Gesellschaft
leisten.Wir fliegen, sobald ein Flug nach Cancun geht.
Es wäre lieb, wenn ihr euch darum kümmert.“
Unsere Strategie beruhte jetzt auf gegenseitigem Ver-
trauen, und wenn alle Bescheid wussten, waren wir
ein Team und konnten uns so besser durchsetzen.
„Wir müssen uns nur ein Handy besorgen, ein neut-
rales, was sich nicht zurückverfolgen lässt.“
„Papa, ich hab eins, zwar ein altes, aber es funktioniert
noch.“
„Brauchst du sicher, um deine verschiedenen Freun-
dinnen anzurufen“, bemerkte ich.
Tommaso grinste, ohne sich zu äußern, kramte aus
seiner Jackentasche ein Handy hervor und reichte es
mir.
In diesem Augenblick kam auch Jan ins Zimmer. „So,
ich bin so weit.Von mir aus können wir los. Wie weit
seid ihr?“
„Alles klar“, bestätigte ich und gab noch einige An-
weisungen: „Hört mal gut zu, wir gehen die Sache
noch einmal schnell durch. Also, worum es geht: Wir
versuchen herauszufinden, ohne viel Wirbel und Auf-
sehen, was das für Leute sind und für wen sie arbeiten.
Vielleicht finden wir in ihrem Wagen bereits, wonach
wir suchen, und ziehen uns sofort zurück. Du, Tom-
maso, gibst uns Rückendeckung in der Zeit, wo Jan

                           42
und ich uns an dem Wagen zu schaffen machen. Ist
das okay so?“
„Kein Problem, geht klar! Ihr könnt euch auf mich
verlassen. Es kribbelt schon.“
„Falls wir durch das Hotel schleichen müssen, wird es
nicht einfach, zumal wir sofort auffallen würden. Da
sind bestimmt Kameras aufgestellt“, sagte Jan.
„Um reinzukommen, müssten wir ein Zimmer reser-
vieren. So hätten wir freie Bahn im Hotel“, fiel Tom-
maso plötzlich ein.
„Ja, das scheint mir das Einfachste zu sein“, gab Jan
zu.
„Denk ich auch, gute Idee, Junge! Also los, ich sag den
Frauen Bescheid. Tommaso, nimm zwei Koffer und
steck ein paar Decken rein, damit es echt wirkt – und
ab geht’s. Ich bin sehr gespannt, wer dahintersteckt“,
sagte ich.
„Es müssen Holländer sein. Die hatten einen komi-
schen englischen Akzent“, bemerkte Jan.
„Egal, es nutzt uns nichts, wenn wir herumraten“, er-
widerte ich. „Sie scheinen nicht lockerzulassen.“

Wir gingen runter, verstauten die Koffer im Koffer-
raum und fuhren los Richtung Novotel.Tommaso be-
trat als Erster das Hotel. Nach einigen Minuten folg-
te ich mit Jan. Obwohl es bereits halb zwei in der
Nacht war, wurden wir freundlich empfangen. In der
Bar saßen noch einige Gäste, zum Glück nicht unsere
beiden schrägen Vögel. Tommaso war sofort auf sein
Zimmer gegangen. Auch Jan und ich folgten sofort
und gaben ihm Bescheid, dass es losging. Wir nahmen
den Aufzug zur Tiefgarage, wo nicht allzu viele Autos
parkten. Wir brauchten nicht lange zu suchen, da sah
ich die schwarze Limousine.

                          43
„Jan, da steht der Van, der mich mitgenommen hat.
Aber Vorsicht, dass der Alarm nicht losgeht.“
Wir taten so, als wollten wir einsteigen, ich an der
Fahrerseite und Jan als Beifahrer. Ich fummelte nach
dem vermeintlichen Schlüssel, während Jan sich an-
schickte, die Beifahrertür zu knacken. Es dauerte eine
Weile, bis es so weit war. Sofort ging der Alarm los,
als die Fensterscheibe in Stücke zersprang. Er mach-
te sofort die Tür auf und lehnte sich in den Wagen,
um die Fahrertür zu öffnen. Wir fackelten nicht lan-
ge, steckten alles, was im Handschuhfach lag, in eine
Plastiktüte und fuhren mit dem Aufzug zu Tommasos
Zimmer. Mittlerweile hatte mein Sohn sich schlau ge-
macht, wie wir unauffällig aus dem Hotel verschwin-
den konnten. Da alle Zimmer im Parterre lagen, war
es nicht schwierig, am Ende des Ganges durch den
Notausgang nach draußen zu gelangen, wobei der
Alarm ausgelöst wurde. Schnell und ohne viele Worte
verschwanden wir nach draußen und befanden uns im
Park des Hotels. Lichter wurden angeschaltet. Ohne
Zwischenfälle konnten wir entkommen. Als wir in
einer Nebenstraße angelangt waren, hörten wir in der
Ferne, wie sich Polizeisirenen näherten. Wir mussten
uns trennen und zurück zum Hotel Sheraton fahren.
Im Zentrum nahm jeder ein Taxi.
Im Hotel trafen wir auf etwas nervös wartende Frauen,
die sich aber entspannten, als wir meldeten, dass alles
gut geklappt hätte. Ohne lange zu fackeln, drehte ich
die Tüte auf den Kopf und betrachtete unsere Beu-
te. Autopapiere, eine Mappe, Adresskarten, Anzünder,
Kugelschreiber, Brille und ein kleines Notizbuch, das
ich neugierig aufschlug.
„Ich glaube, wir haben Glück.“
Ich blätterte darin herum und schlug das Datum von

                          44
heute auf. Da waren einige Telefonnummern notiert.
Mir fielen sofort die 0039-Nummer aus Italien und
weitere Nummern aus Holland mit der Vorwahl 0031
auf.
„Sieh mal einer an“, sagte ich. Zügig blätterte ich wei-
ter und fand einen Namen, der mir sehr bekannt vor-
kam, und ich wusste auch, für wen er arbeitete. „Das
ist nicht möglich, ein Ölkonzern scheint an unseren
Unterlagen interessiert zu sein, wenn das stimmen
sollte. Er selbst ist ein ziemlich bekannter Politiker
und verkehrt ganz oben in der Regierung. War früher
sehr lange Berater des Konzerns, was nicht heißt, dass
er dies nicht mehr ist“, fügte ich hinzu.
„Wenn das stimmt, Jeff, haben wir gute Arbeit geleis-
tet“, freute sich Jan zurückhaltend.
„Teresa, ihr bleibt im Hotel. Keiner weiß, wo wir uns
befinden. Sobald die Flugtickets beim Portier vor-
liegen und die Abflugzeit bekannt ist, verschwinden
wir. Du, Jan, musst in Rom in einem Hotel ausstei-
gen und versuchen, Fiona unauffällig zu kontaktie-
ren. Keine Handys bitte, telefonier nur aus dem Hotel.
Diese Telefone können sie schwierig zurückverfolgen.
Verstanden? Wir werden nur von Hotel zu Hotel in
Kontakt treten, ist das klar, egal, was passiert?! Oder
wir hinterlassen eine Nachricht beim Portier, die du
abfragen kannst.“
„Ich werde alles Nötige tun. Ich bin doch nicht le-
bensmüde.“
„Ich werde dir die Dokumente an deine E-Mail-Ad-
resse schicken. Du kannst sie dir dann im Hotel in
Rom auf CD brennen. Das könnte Guiglelmo mit
ein bisschen Glück das Leben retten. Wir müssen alles
versuchen. Tommaso, wir fahren getrennt zum Flug-
hafen. Das heißt, du mit deiner Schwester und ich mit

                          45
deiner Mutter“, schloss ich das Gespräch. „Wir neh-
men noch eine Mütze voll Schlaf, können wir ehrlich
gesagt gebrauchen“, gestand ich. „Wann gehen die
Flüge?“, fragte ich Teresa.
„Morgen zum Frühstück wissen wir Bescheid“, gab
sie zurück. „Ich bin jetzt auch müde, ich möchte ins
Bett, also gute Nacht allerseits.“ Sie ging rüber zum
Schlafzimmer.
Marcella hatte kein Wort gesagt, aber die blanke Angst
stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Ich möchte bei
Mama schlafen“, sagte sie etwas ängstlich.
„Papa, du kannst ja in meinem Zimmer schlafen“,
sagte Tommaso sofort.
„Nein, ich schlafe hier auf der Couch, es geht schon.
Muss noch einige Sachen erledigen und über man-
ches nachdenken. Wir können uns keine Fehler er-
lauben. Ruht euch gut aus. Wer weiß, was noch alles
kommt.Wir können keinem trauen. Ich muss morgen
früh auch noch im Werk anrufen.“
Mittlerweile war es halb sechs in der Früh geworden
und die Augen brannten mir im Kopf. Die längste
Nacht meines Lebens lag hinter mir, ohne eine Party
gefeiert zu haben.




                         46
Mexiko, hola
	
Es schien alles so unheimlich und unwirklich zu
sein. Ich stand in Cancun mit meiner Familie, ohne
dass Ferienfreude aufgekommen wäre. Glühend heiß
brannte die Sonne vom Himmel, das kannte ich so
nicht vor zehn Jahren. Den Klimawandel spürte man
hier sehr deutlich, genauso wie den Golfstrom, der
noch unerträglicher und heißer geworden war. Hier
waren Hurrikans an der Tagesordnung, es vergingen
keine zwei Wochen, und schon fegte der nächste Or-
kan erbarmungslos über das Meer und das Land.

Im zwölften Stock der Staroil in Rotterdam herrschte
dicke Luft, dort verfolgte man eine andere Realität. Sie
waren zusammengekommen, um die Situation mit all
ihren schiefgelaufenen Einzelheiten zu beurteilen. Die
Gesichter schauten düster drein, während sie auf den
Aufsichtsratsvorsitzenden des zweitgrößten Ölprodu-
zenten des Globus warteten. Aber die Aktien fielen
von Minute zu Minute. Man musste sich entscheiden,
ob sie von der Börse genommen werden sollten. Mitt-
lerweile nichts Neues auf diesem Gebiet. Schon seit
vier Jahren beherrschte das Phänomen des Auf und
Ab weltweit die Börsenparkette. Der einzige Druck,
den die Öl- und Gaslieferanten ausüben konnten, be-
stand darin, den Hahn zuzudrehen oder Lieferstopps
auszusprechen, wenn nicht innerhalb kurzer Zeit bar
gezahlt wurde. Alle Übernahmen hatten nicht dazu
beigetragen, die Aktionäre zu sättigen. Hier lautete das
Motto: fressen oder gefressen werden. Es war nichts Neu-
es, dass auch an dieser Front die Karten neu gemischt
werden mussten, um einigermaßen die Kontrolle der
durstigen Wirtschaftsbonzen zu löschen.

                          47
Nach einigen Minuten des Wartens kamen der Se-
kretär und die Dolmetscherin, um den Vorsitzenden
anzumelden. Die außerordentliche Konferenz sollte
neue Perspektiven öffnen.
„Meine Damen und Herren, sehr verehrte Freunde
und Gäste: der Präsident“, wurde er von einer Dame
angemeldet.
Alle applaudierten und warteten gespannt, was And-
reas van der Heuvel zu sagen hatte. Langsam und ziel-
bewusst begab er sich ans Rednerpult.
„Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie wis-
sen, dies ist eine geschlossene Zusammenkunft. Ich
möchte nicht zu lange ihre Geduld strapazieren und
gleich zum Wesentlichen kommen. Wir haben zwar
einen der drei Protagonisten der Theorie, aber das
nützt uns wenig. Ich bin mir sicher, dass nach den Vor-
fällen im Novotel in Köln die anderen beiden Herr-
schaften bereits über unser Vorhaben Bescheid wissen.
Uns nützt der Tod von Guiglelmo Vaccha wenig, an-
dererseits kann er als Druckmittel verwendet werden.
Was mit ihm passieren soll, wollen wir erst einmal zu-
rückstellen. Da wir die beiden anderen verloren haben,
können wir nur Vermutungen über ihren Aufenthalts-
ort anstellen. Ich möchte, dass sie alles daransetzen,
sie zu finden, andernfalls geraten wir ins Hintertreffen
zur Konkurrenz. Schließlich sind wir sehr großzü-
gig unseren Zahlungen gegenüber der Staroil nach-
gekommen. Wollen Sie, dass wir uns nach fähigeren
Leuten umsehen? Ich möchte unverzüglich Resultate
und die Pläne unverfälscht auf meinem Schreibtisch
sehen. Ich mache keinen Hehl daraus oder ihr seid ab
sofort arbeitslos. Möchte jemand noch etwas sagen?“
Ein junger Mann namens Alex J. Scott hob die Hand
und meinte: „Wie sollen wir arbeiten, wenn keiner

                          48
zu Schaden kommen soll. Früher oder später gelangt
die Angelegenheit an die Presse, wenn wir weiter so
zögern. Nichtsdestotrotz hatten wir alle drei bereits in
unseren Händen. Doch keiner kann jemanden zwin-
gen, die Aufzeichnungen herauszugeben, ohne Druck
zu machen, außer wir machen ernst, bevor die Presse
oder die andere Seite Wind davon bekommt. Schließ-
lich sind Sie politisch geschützt und genießen Immu-
nität.“
„Stimmt nur zum Teil. Sie können nicht zur Polizei
gehen, denn sie vertrauen niemandem, außer viel-
leicht ein paar Leuten, deren Namen ich nun bekannt
geben werde, damit dies ein schnelles Ende findet.Wir
werden sie sofort aus dem Verkehr ziehen, damit Brink
und Bieberich einsehen, wie brenzlig es wird. Wir
können uns keine negative Presse erlauben. Aber ein
Hintertürchen besteht: Schnappt euch León Almeida
und macht ihm klar, dass wir für gar nichts garantieren,
wenn er die Brinks aufnimmt. Und Brinks vertrauter
Mitarbeiter Andreas Gloden bei Medpharma soll so-
fort mit der Sprache herausrücken, was sie zurzeit im
Werk entwickeln und wie weit sie mit der Forschung
sind. Versucht an alle Informationen zu gelangen und
nochmals: Ich sage euch, wann Blut vergossen wer-
den soll. Denn wenn etwas schiefgeht, können wir das
Ganze vergessen. Es ist für uns und unser Land von
enormer Wichtigkeit, die Theorie in unsere Hände zu
bekommen, ohne Aufsehen zu erregen. So, das wäre
alles. Ich will, dass übermorgen um dieselbe Zeit alles
erledigt ist. Wie, ist mir egal. Ihr seid die Profis. Ich
muss weiter die Aktionäre und den Aufsichtsrat be-
ruhigen. Also, achtundvierzig Stunden und keine Mi-
nute mehr. Hab ich mich klar ausgedrückt?“
Alex J. Scott, ein ziemlich rauer Bursche und gewalt-

                           49
tätig, wollte die Lage mit aller Macht wieder gera-
debiegen. Aber das ging nur, wenn ein paar von der
Mannschaft an seiner Seite und unter seinem Kom-
mando stünden. Er veranlasste ein Treffen außerhalb,
um das weitere Vorgehen zu planen. Er hatte nichts
Gutes, dieser Plan.

Im Hotel Holiday Inn auf Cancun waren die paar
Habseligkeiten schnell aufs Zimmer gebracht.Wir tra-
fen uns anschließend im klimagekühlten Lunchraum.
Die Uhr zeigte halb neun. Draußen war es schon
stockdunkel und schwül bei 40 Grad.
Ich hatte mit Jan telefoniert, der sehr vorsichtig bei
Fiona aufgekreuzt war, um Genaueres zu erfahren. Sie
hatte meinen Rat, zu ihrer Schwester zu gehen, nicht
befolgt. Daher musste sie unbedingt von zu Hause
weg und in Sicherheit gebracht werden, damit keine
weiteren Familienmitglieder in Gefahr gebracht wur-
den. Jan meinte, sie habe sehr mitgenommen ausgese-
hen und gewollt, dass wir unser Wissen herausgaben.
Er hatte sie beruhigt und ihr erklärt, dass wir alles in
unserer Macht Stehende tun würden, um Guiglelmo
freizubekommen, aber bis jetzt hatte sich keiner der
Entführer gemeldet, um den Transfer vorzubereiten.
Wir warteten alle ungeduldig auf Jans Anruf aus
Rom.
Als das Abendessen serviert wurde, kam ein Kellner
und brachte einen Briefumschlag auf einem Tablett.
Ich nahm ihn entgegen und schaute mich im Restau-
rant nach verdächtigen Personen um. Alles war fried-
lich. Gespannt öffnete ich den Brief und las die paar
Sätze.
„Lieber Freund, wenn du diesen Brief in der Hand
hältst, bin ich entweder tot oder auf Chichen Itza im

                          50
Maya-Land-Hotel. Da mir aufgefallen ist, dass eini-
ge Leute mich seit zwei Wochen beobachten, hab ich
mich entschieden, nach unserem Telefonat sofort ab-
zureisen, ohne auf Palenque eine Nachricht zu hin-
terlassen. Bis bald, Junge. León Almeida.“
„So“, sagte ich, „sie wissen Bescheid. León wurde of-
fenbar bereits seit Wochen beschattet. Er ist abgereist
nach Chichen Itza ins Maya-Land-Hotel. Wir fahren
morgen in der Früh sofort dahin. Tommaso, du gehst
mit mir. Die Frauen bleiben hier in einem anderen
Hotel. Es tut mir leid, aber es ist besser so.“
„Jeff, ich werde noch verrückt, wann hört dieses Thea-
ter endlich auf“, bemerkte Teresa aufgeregt.
„Mama, es ist gut, Papa will ja nur, dass wir nicht auch
noch mit reingezogen werden, und er hat recht mit
seiner Vorsicht“, entgegnete Marcella, und zu mir ge-
richtet: „Papa, ich möchte auch mit nach Chichen
Itza, ich bin noch nie dort gewesen.“
„Geht leider nicht, mein Kind, ein andermal viel-
leicht.“
„Ich bin kein Kind mehr. Hör auf damit! Ich werde
auch sehr brav sein.“
„Wir brauchen einen Geländewagen, Tommaso“, ver-
suchte ich abzulenken.
„Eigentlich möchte ich auch dabei sein“, sagte Teresa,
„warum sollen wir Frauen immer ins Wartezimmer
abgeschoben werden. Jeff, wir fahren auch mit!“
Ich musste ihr recht geben. Sie wie rohe Eier zu be-
handeln brachte überhaupt nichts.
„Also gut, wir fahren alle zusammen.“
Unmittelbar nach dem Kaffee gingen wir auf unsere
Zimmer und gingen früh zu Bett. Da ich nicht schla-
fen konnte, rief ich Jan an. Er hatte herausgefunden,
dass es sich bei der italienischen Telefonnummer aus

                          51
dem Notizblock um eine Filiale des holländischen
Ölkonzerns handelte. Morgen wollte er etwas Licht
in die Sache bringen, indem er ein wenig nachforsch-
te. Vielleicht wurde Guiglelmo dort festgehalten. Ein
billiger Trick sollte ihm dabei helfen. Wenn sich die
beiden Männer in dieser Filiale befanden, wussten
wir, dass Guiglelmo nicht weit weg sein konnte. Das
ließ uns hoffen.
Ich traute mich nicht, im Maya-Land-Hotel anzu-
rufen und nach León zu fragen, damit niemand von
unserer Ankunft erfuhr. Irgendwann schlief ich ein.

Unterwegs nach Chichen Itza überraschte uns ein
fürchterlicher Platzregen. Es schüttete wie aus Ei-
mern, sodass wir anhalten mussten. Durch die hef-
tigen Windböen und umgefallenen Bäume verloren
wir viel Zeit. Wieder wurden wir mit den unbere-
chenbaren Folgen des Klimawandels konfrontiert. Am
späten Nachmittag erreichten wir eine der schönsten
Hinterlassenschaften der alten Mayakultur. Die Maya
verschwanden genau auf dem Höhepunkt ihres Da-
seins, als hätte sie der Erdboden verschluckt. So wie
Uxmal, Tulum, Palenque und viele andere Kultstätten.
Als Ursache ihres Verschwindens vermuteten die Wis-
senschaftler eine jahrzehntelange Trockenheit, den-
noch blieb es ein riesiges Geheimnis. Einige Fragen
waren zwar beantwortet worden, aber bei sehr vielen
anderen stocherte man noch im Dunkeln.
Der Zyklus des Maya-Kalenders endete, wenn alles
stimmte, 2012 unserer Zeit, also im vorigen Jahr. Des
Weiteren hatten die Pyramiden mit den acht Stufen
eine symbolische Bedeutung. León und ich waren
davon überzeugt, dass ein gemeinsamer Nenner zwi-
schen all diesen Mythen und Hinterlassenschaften der

                         52
prähistorischen Monumentalgeschichte bestand und
wir es mit ziemlicher Sicherheit in nicht allzu lan-
ger Zeit wissen oder schmerzlich würden erfahren
müssen. Weil die spanischen Konquistadoren sowohl
in Mittel- als auch in Südamerika aus Habgier viel
zerstört und geplündert hatten, standen wir vor kei-
ner leichten Aufgabe, genaue Abläufe dieser Kulturen
nachzuvollziehen.

Der Tzolkin-Kalender,Teil des Maya-Kalenders, stellte
meiner Theorie nach einen Erdenlauf-Zyklus von etwa
sechsundzwanzigtausend Jahren dar, wobei jedes der
dreizehn Zahlenfelder eine Periode von zweitausend
Jahren darstellte. Die zwanzig äußeren Unterteilungen
des kreisförmigen Kalenders, die Hieroglyphen, reprä-
sentierten die bestimmenden, einschneidenden Ereig-
nisse oder Merkmale einer Epoche. Nördlich auf der
Scheibe ist die Hieroglyphe eines Kindgesichts, die als
Menschensohn (Messias) zu verstehen ist, abgebildet.
Unterhalb beginnt gleichzeitig mit der Hieroglyphe
die letzte Zahl, dreizehn. Zu diesem Zeitpunkt wurde
Jesus Christus geboren. Die Hieroglyphe linkerhand
wird übergreifend von der Zahl dreizehn in die Zahl
eins (die neue Erde) dargestellt. Das war genau unse-
re jetzige Zeitperiode. Dies bedeutete, dass wir, die
Menschheit, einer gewaltigen Veränderung entgegen-
schauten. Wann genau dies sein würde, konnte und
sollte keiner bestimmen. Meine neuen Erkenntnisse
diesbezüglich wollte ich León unterbreiten, der seit
mehreren Jahrzehnten Maya-Experte war.

Dann schweiften meine Gedanken in die Gegen-
wart zurück. Die Tatsache, dass der Sauerstoffanteil in
der Luft stetig zurückgegangen war und das Ozon-

                          53
loch immer größer über den Polen klaffte, lag letzt-
endlich nicht an irgendwelchen Sonnenaktivitäten
oder -winden, sondern an der nicht abnehmenden
Verschmutzung und dem Treibhauseffekt durch den
CO2-Ausstoß, den die Menschen verursacht hatten.
Doch die Menschen hatten ihre Augen verschlossen
oder ihnen wurde verschwiegen, dass der immense,
seit 1965 ständig steigende Kohlenmonoxid-Ausstoß
eines Tages seinen Preis fordern würde, wie viele Ex-
perten vorausgesagt hatten, aber die Politik hatte die
Auswirkungen auf Natur und Ernährung systematisch
verharmlost und vertuscht. Sogar unsere Ozeane wa-
ren mittlerweile hochgradig verschmutzt und leer ge-
fischt, wobei vollkommen vergessen wurde, dass sie
seit Millionen von Jahren ein wertvolles Element für
das Leben und unser Klima waren. Doch wenn der
letzte Wal aus dem Meer gefischt war, was dann? Zu-
dem waren unsere Süßwasserreserven, auch Gletscher
genannt, weltweit gänzlich verschwunden und keiner
wollte etwas ändern.
Alle Abläufe, die auf der Erde seit Millionen von Jah-
ren als selbstverständlich galten, durften jetzt nicht
durch einige Mächtige aus Habsucht und Profitgier
nach Lust und Laune zerstört werden. Jeder Mensch
sollte an dieser Welt teilhaben. Aber da viele Machtha-
ber oder Industriepotentaten sich als alleinige Eigen-
tümer der Ressourcen betrachteten, sich das Recht
herausnahmen, diese auszubeuten, und die Politik sie
als Wirtschaftselite auf Kosten der Verbraucher oder
Mittellosen und Unwissenden hochstilisierte, hatten
wir keine Zukunft.
Jeder Mensch sollte täglich an seine eigene Verantwor-
tung erinnert werden. Auf den Werbeplakaten und auf
der Verpackung sollte man auf die Schädlichkeit der

                          54
Produkte hinweisen, wie auf den Zigarettenschach-
teln. Beispielsweise: Autoreifen töten und verpesten unsere
Umwelt. Die Konzerne sollten vom eigenen Personal
ermahnt werden, auf saubere Energien und Produkte
umzurüsten.
Das Kyoto-Abkommen hatte überdies kläglich ver-
sagt und nicht den Hunger nach mehr Energie der
westlichen Zivilisationen und neuen kapitalistischen
Länder, wie China, Indien und Russland, stillen kön-
nen. Dadurch waren noch mehr CO2-Emissionen in
die Atmosphäre gelangt, aber auch Milliarden von
Dollar in die eigenen Taschen der Börsianer geflossen.
Von Abstrafen der Industrieländer keine Rede, weil
sie nach Belieben Zertifikate kaufen, verkaufen und
übertragen konnten. Bis heute hatte sich niemand für
eine Alternative eingesetzt. Das Ganze drohte zu kip-
pen und niemand schien sich darum zu scheren, auch
wenn allerorts viel geredet und dokumentiert wurde.
Aber in sehr naher Zukunft sollte das ein Nachspiel
haben. Die Armen konnten sich nicht verteidigen,
während die Reichen keinen Anlass dazu sahen, zu-
mal sie bereits Sauerstofftanks eingebunkert hatten,
um eine eventuelle Krise zu überstehen. Von Wis-
senschaftlern wurde prognostiziert, dass bis zum Jahr
2030 auf der nördlichen Hälfte des Globus kaum noch
jemand überleben könnte, während die südliche He-
misphäre in Kriege verwickelt sein würde durch Dür-
reperioden, Flüchtlings- und Asylprobleme, Hunger
und Epidemien und nicht zuletzt wegen der unter-
schiedlichen Kulturen und Religionen.
Ich persönlich wollte unbedingt die Zusammenhän-
ge und die Entstehung von Leben vor Millionen von
Jahren verstehen. Die Mythen und Legenden der ver-
gangenen Kulturen hatten uns eine Menge Botschaf-

                            55
ten hinterlassen, die uns helfen konnten, die Vorgänge
der Zeit zu begreifen und eine Lösung zu finden.
Die Beweise erhärteten sich, dass gewisse Leute sich
meines Wissens ermächtigen wollten, um selbst nicht
eines Tages mit ihren Produkten auf dem Trocknen
zu stehen. Wer wollte schon zusehen, wie der andere
bejubelt wurde, während man selbst aufgeben musste.
Meine Theorie von der WWP, World Without Profit
(Welt Ohne Profit), sollte jedem offen gelegt werden,
und es sollte gemeinsam weiter geforscht und nicht
für eigene Interessen genutzt werden. Lieber ver-
brannte ich meine Erkenntnisse oder nahm sie mit
ins Grab.

Ich bemerkte erst jetzt, dass wir fast angekommen
waren. Der Tourismus schien beinahe erloschen zu
sein, seit ich zum letzten Mal diese Kultstätten be-
sucht hatte. Immer weniger Busse waren uns begeg-
net. Mir war es damals schon komisch vorgekommen,
dass Menschen und Kulturen solche Bauwerke für
die Ewigkeit bauten, obwohl sie selbst nach kurzer
Zeit verschwanden. Ich denke, wenn wir zum Beispiel
lange Jahre am Petersdom in Rom nichts reparieren
würden, wäre bereits nach zweihundert Jahren von
diesem Prunkbau nicht mehr viel übrig. Die Bausubs-
tanz war eben nicht dieselbe und konnte die Jahrtau-
sende nicht überdauern.
Wir bogen in die Straße, die uns zum Maya-Land-
Hotel führte. Das Unwetter hatte sich mittlerweile
beruhigt.
Marcella sagte: „Ich wäre doch lieber zu Hause ge-
blieben, wenn es nicht für Onkel Guiglelmo die Ret-
tung bedeuten würde.“
„Du wolltest doch unbedingt mit und jetzt redest du

                         56
so. Ich wäre auch lieber zu Hause geblieben“, meinte
Teresa.
Tommaso dagegen befand sich in seinem Element.
In der Hotellobby wurden wir bereits von den hie-
sigen Mexikanern sehr freundlich empfangen. „Olà
como va señoras e señores?“
„Mui bien, mui bien“, antwortete ich. „El señor Pro-
fessor Almeida està aqui?“, fragte ich sofort an der Re-
zeption.
„Si, esta un correro por usted señor Brink“, sagte der
Mann hinter der Theke, er hätte eine Nachricht von
Professor Almeida.
„Muchas gracias señor“, nahm ich den Brief entgegen.
Ich drehte mich zu Teresa um und sah ihren besorgten
Blick. Ich öffnete den Brief. Die Spannung stand allen
ins Gesicht geschrieben.
„Hallo, allerseits“, las ich laut vor. „Entschuldigt mich,
ich musste mit meiner Familie zu einer Einladung
von Bekannten aus der Nähe. Ich bin so gegen Abend
wieder zurück. Ich habe bereits eine Suite im ersten
Stock reservieren lassen. Entspannt euch inzwischen
etwas von der Reise. Bis später. Grüße, León.“
Erleichtert atmeten wir auf. Dann gingen wir auf
unsere Zimmer, die im Kolonialstil eingerichtet wa-
ren. Es handelte sich um ein altes Hotel aus der spani-
schen Epoche, sehr nach meinem Geschmack. An der
Decke hing ein Ventilator, der langsam seine Runde
drehte, während von draußen tropisches Vogelgeschrei
und sehr sanfte mexikanische Gitarrenmusik herein-
drangen. Die Sonne schien auch wieder.
Marcella und Tommaso wollten im Swimmingpool
eine Runde schwimmen und Teresa zog sich zu einer
Siesta zurück. Somit hatte ich Zeit, Jan anzurufen und
mich nach Neuigkeiten zu erkundigen.

                           57
„Jan, ich bin’s. Ist Fiona bei dir?“, fragte ich sofort.
„Ja, ja, alles so weit okay. Möchtest du mit ihr spre-
chen?“
„Ja später, erzähl du zuerst.“
„Ich hab mich heute Morgen so gegen acht Uhr zum
Büro der Staroil-Filiale hier in Rom aufgemacht und
beobachtet, wer ein- und ausging. Unser nett geklei-
deter Kerl ist drinnen verschwunden und später mit
jemandem weggefahren. Allerdings konnte ich ihn
nicht weiter verfolgen, weil ich zu einer Verabredung
mit Fiona musste. Gestern Abend dagegen schien
hier auf den Büroetagen mächtig was los gewesen zu
sein. Ich muss unbedingt herausfinden, ob Guiglelmo
hier festgehalten wird, dazu schleiche ich mich heute
Abend nach Feierabend ins Gebäude. Mehr konnte
ich noch nicht tun, zumal ich immer an die Sicherheit
von Guiglelmo zu denken habe.“
„Hast recht, pass auf dich auf! Schreib dir bitte die
Nummer von unserem Hotel hier auf. Also sie lau-
tet: 0052 3654876823. Bis später. Gib mir Fiona.“ Ich
wandte mich um. „Teresa, möchtest du mit ihr reden,
es gibt nichts Neues in der Sache, aber du könntest sie
etwas trösten.“
Sie nahm den Hörer. „Ja gut.“  – “Hallo, Fiona, wie
geht es dir …“
Ich machte mir einen Drink und verschwand auf die
Veranda, ein sehr romantischer Ort, der einen Blick auf
die berühmte Pyramide von Chichen Itza mit ihrem
Gott Chak Mol an der anderen Seite des Platzes, ein
paar hundert Meter von hier, erlaubte. Ich setzte mich
auf einen bequemen Sessel und schlief augenblicklich
ein. Teresa weckte mich zum Abendessen mit einem
zärtlichen Kuss auf die Stirn. Mir war nicht sehr wohl,
am liebsten hätte ich mich umgedreht und weiter-

                          58
geschlafen.
Die Kinder waren schon umgezogen und Teresa
schminkte sich gerade. Draußen war es stockdunkel.
„León ist mit Frau und Tochter schon eingetroffen.
Sie haben vor einer halben Stunde auf dem Zimmer
angerufen. Wir treffen uns gegen halb neun im Foyer
und essen später zusammen.“
„Wie lange hab ich geschlafen?“, fragte ich.
„Es ist jetzt halb sieben“, erwiderte Marcella.
Tommaso war dabei, mit seinem Handy zu spielen.
„Tommaso, du lässt das schön bleiben. Wie bespro-
chen, es werden keine Telefone benutzt, die zurück-
verfolgt werden könnten, einverstanden?“, gebot ich
mit fester Stimme.
„Ja, Pa, ich schau mir nur ein paar SMS an. Sie wollen
alle wissen, wo ich bin, was soll ich denen antwor-
ten?“
„Im Moment nichts, da wir keine weiteren Probleme
gebrauchen können.“
Er gab keine Antwort, er verstand auf Anhieb, worum
es ging. Ich stand auf und ging ins Bad.
Vor dem Abendessen spazierten wir eine Weile durch
den Park. Es war als ob hier die Zeit stehen geblieben
war, es hatte sich wenig geändert. Teresa hielt mich
ganz fest, wobei sie die Erinnerungen von vor mehr
als zwanzig Jahren, als wir auch hier abgestiegen wa-
ren, ein bisschen melancholisch machten. Ich konnte
mich noch genau erinnern. Sie war damals schwanger
mit Marcella. Sehr heiß und schwül war es gewesen.
Sie musste oft das Zimmer hüten, weil es dort eine
Klimaanlage gab.
Teresa und ich schwiegen zumeist und bewunder-
ten die exotischen Pflanzen und Bäume, die von den
Strahlern hell beleuchtet wurden.

                         59
Zu jener Zeit hatte ich León kennengelernt.Wir spra-
chen viel über den Maya-Zeitzyklus und ihr plötzli-
ches Verschwinden. Er machte viele Recherchen be-
züglich des Maya-Kalenders und der Stelen, in riesige
Steine gehauene Inschriften und Abbildungen. Dazu
kamen die exakten astronomischen Kenntnisse dieses
für die damalige Zeit hoch entwickelten Volks. Dass
hier auch Pyramiden gebaut worden waren, mutete
schon merkwürdig an, nicht minder die gemeinsame
Legende einer Sintflut, die sich in vielen Kulturen er-
zählt wurde. Aber wo lag der Schlüssel zu alledem?
Wir gingen langsam den Pfad hinunter und setzten
uns auf die Terrasse. Sofort kamen Kellner und einige
Musikanten und bezirzten uns mit ihrer Musik, die
alle unangenehmen Gedanken verdrängen konnte.
Die Kinder kamen hinzu und hänselten uns.
„Dürfen wir die Verliebten stören oder wollt ihr noch
von vergangenen schönen Stunden träumen?“, fragte
Marcella lachend. „Tommaso, sag was!“
„Ich seh, sie sind verliebt wie damals.“
Teresa errötete ein bisschen, während es mich schmei-
chelte. Es tat gut, alle zusammen hier an diesem Ort
zu sein. Ich gab den Musikern einige Pesos und sie
zogen mit einem Tusch weiter.
In diesem Moment kam León mit seiner Gattin und
seiner Tochter an der Hand auf die Terrasse. Seine
Haare waren vollends ergraut, aber seine Haut zeigte
eine gesunde Farbe, und die sportliche Abendbeklei-
dung ließ ihn interessant aussehen. Seine Frau Jackie
stammte aus guter Familie und sah mit ihren vierund-
fünfzig Jahren blendend aus. Ihre Tochter Serena hätte
ich nach all der Zeit niemals wiedererkannt. Sie hatte
damals mit drei Jahren wochenlang mit Tommaso im
Park des Hotels gespielt. León allerdings hatte ich zu-

                          60
letzt vor drei Jahren auf einer Konferenz in Chicago
gesehen. Ferner trafen wir uns ohne die andere Hälfte
fast alle drei bis fünf Jahre. Wir waren Freunde gewor-
den und telefonierten fast jeden Monat miteinander.
„Wie schön, euch wiederzusehen!“ Ich stand auf, be-
grüßte die Gattin mit Handkuss und gab der hüb-
schen Tochter die Hand. Dann drehte ich mich um
und umarmte León, so wie wir es schon seit Jahren
taten. Die Damen küssten sich auf die Wangen, wäh-
rend Tommaso schüchtern allen die Hand gab. Ich sah,
dass Marcella und Tommaso sich freuten.
„Ich freue mich so, euch wiederzusehen nach all den
Jahren!“, sagte Jackie frohgemut.
„Wir freuen uns auch, Jackie“, entgegnete Teresa lä-
chelnd, die sich nun merklich entspannte.
„Bist du gewachsen“, meinte León nach einem Blick
auf Tommaso, „ein sympathischer junger Mann bist
du geworden. – So ist das, Jeff, und wir werden immer
älter.“
„Kommt, lasst uns Platz nehmen und uns einen Wie-
dersehenstrunk genehmigen“, schlug ich vor. „Was
möchtet ihr trinken?“ Ich hob die Hand.

Sofort war die Bedienung zur Stelle und nahm die
Bestellung auf.
Die jungen Damen hatten sofort genügend Ge-
sprächsstoff, während sich Tommaso merklich zurück-
hielt und, wie mir schien, die Augen nicht von Serena
lassen konnte, die er scheinbar unauffällig musterte.
Es amüsierte mich. Ich hätte in jungen Jahren wahr-
scheinlich dasselbe getan.
„León, mein Alter“, fuhr ich fort, „gut, dass wir uns
sehen. Du weißt ja inzwischen, was vorgefallen ist,
und wir müssen handeln. Bei meinem Schwager, den

                          61
du ja in Chicago kennengelernt hast, geht es um Le-
ben und Tod. Er wurde vor zwei Tagen entführt, und
sie werden ihn erst wieder freilassen, wenn sie unsere
Erfindung in die Hände bekommen, die sie dann pro-
fitabel ausschlachten wollen.“
„Ja, du hast vollkommen recht, es muss schnellstens
etwas geschehen. Wir müssen sie aufhalten und Zeit
gewinnen.“
„Auf jeden Fall sollten sie nie wissen, wo wir uns auf-
halten“, bemerkte ich.
„Aus diesem Grunde haben wir auch sofort das Ho-
tel gewechselt, ohne anzugeben, wo es hingeht“, gab
León bestimmt zurück.
„Wir schweben alle in Gefahr“, meinte Teresa be-
sorgt.
„Aber was geschehen ist, kann nicht ungeschehen ge-
macht werden“, versuchte Jackie zu beschwichtigen.
Sie war eine mutige Frau und hatte ihren Mann all die
Jahre seiner Forschung über die Maya unterstützt.
Nach dem Abendessen wollten wir noch einmal bei
einer Zigarre die weiteren Schritte besprechen. Aber
so weit sollte es nicht kommen.
Es war so gegen halb elf, da nahm die Misere ihren
Lauf – oder war es Schicksal? Vier Männer tauchten
plötzlich in dem bis auf den letzten Platz besetzten
Saal auf, wobei einer laut die Musik der Musikanten
mit der Frage übertönte: „Wer ist Señor Jeff Brink? Er
soll sofort aufstehen, sonst müssen andere dran glau-
ben, die nichts mit der Sache zu tun haben. Keiner
rührt sich, verstanden! Das ist ein Befehl und kein gut
gemeinter Rat.“
Die anderen drei Männer stürmten in die Menge und
rissen einige Stühle um.
„Alles bleibt sitzen. Keiner rührt sich vom Fleck“,

                          62
schrie der erste. „Wir schießen sofort.“
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Tommaso lang-
sam in die Knie rutschte und unter dem großen run-
den Tisch verschwand. Mich wunderte es, dass kei-
ner der vier Männer dies bemerkte. Ich schob seinen
Teller beiseite, damit es nicht so aussah, als hätte dort
jemand gesessen, und mit dem Fuß rückte ich den
Stuhl gegen den Tisch.
Erst redeten alle durcheinander, dann brüllte der erste
Mann: „Still, alle sollen die Klappe halten, hab ich ge-
sagt.“
Eine Salve aus einer automatischen Pistole riss fünf,
sechs Löcher in die Wand. Es staubte, und das zeigte
Wirkung auf alle Anwesenden im Saal. Es wurde so
still, dass man eine Nadel hätte fallen hören können.
„So ist es brav, aber jetzt soll Herr Brink endlich zu
mir kommen, und ihr könnt in aller Ruhe weiter-
machen, meine Damen und Herren.“ Die Worte aus
seinem Mund klangen zynisch und hämisch zugleich.
Ich musste etwas unternehmen, schaute León an und
nickte ihm zu.
„Na also, das ging ja flott. Kommen Sie mit erhobe-
nen Händen hier rüber – und keine falsche Bewe-
gung. Mein Finger juckt.“
Obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, dass sie ge-
schossen hätten, wollte ich niemanden weiter gefähr-
den, stand mit erhobenen Händen auf und bewegte
mich vorsichtig in seine Richtung.
„Was wollt ihr?“, fragte ich, um sie etwas abzulenken.
„Du weißt ganz genau, was wir wollen.“ Er trat an
mich heran und hielt mir seine Kanone unter das
Kinn.
Ich musste einen Moment auf Zehenspitzen aushar-
ren, bevor mich ein Kinnhaken erwischte. Rücklings

                           63
fiel ich zu Boden. Meine Nase blutete.
Etwas benommen hörte ich, wie er schimpfte: „Du
bist auch noch arrogant, du deutscher Bastard, ty-
pisch für dein Volk.“
Ich schwieg, um sie nicht noch weiter zu reizen.
„So, und jetzt zu den anderen. Überlegt es euch gut,
wenn ihr ihn lebend wiedersehen wollt. Haben wir
uns klar ausgedrückt? Also, in genau vierundzwan-
zig Stunden liegen die Akten in unseren Händen,
und kommt ja nicht auf dumme Gedanken, sonst
könnt ihr ihn begraben.“
Teresa sprang auf und wollte mir zu Hilfe eilen. Eine
weitere Salve knatterte in die Wand hinter ihr.
Sie hielt inne, rief verzweifelt: „Bitte, lasst ihn lau-
fen, ihr könnt alles haben“, und fiel weinend auf die
Knie.
Marcella lief zu ihr hin und kniete nieder, um sie
zu trösten. León hielt bewusst inne, während seine
Frau wie erstarrt dasaß.
Nur Serena wurde blass im Gesicht und verteidigte
mich laut: „Ihr sollt Herrn Brink sofort freilassen,
ansonsten knalle ich sicher zwei von euch ab.“ Sie
hielt mit einem Mal eine Pistole in der Hand. Aber
woher? „Mal sehen, wer hier mit wem heil heraus-
kommt.“
Ich konnte es nicht glauben, als Tommaso unter
dem Tisch hervorkam, ebenfalls mit einer Waffe he-
rumfuchtelte und drohte: „Und ich übernehme die
beiden anderen.“
Der Anführer schien mit einer derart heftigen Re-
aktion, geschweige denn von einer jungen Dame,
nicht gerechnet zu haben, aber er begriff augen-
blicklich den Ernst der Lage, zumal es niemandem
nutzte, wenn hier Kugeln herumflogen.

                          64
„Also gut, diesmal habt ihr gewonnen, aber ab jetzt
habt ihr keine ruhige Minute mehr.“
In diesem Moment vernahmen wir die Sirene eines
sich schnell nähernden Polizeiwagens. Die Gangster
zogen sich postwendend zurück und verschwanden
in der Dunkelheit. Als die Polizei eintraf, war die Ver-
wirrung unter den Gästen noch größer.
„Alle mal herhören“, meinte der Polizeichef.
„Ruhe!“
Weitere Polizeibeamte betraten hinter ihm den Saal.
„Was ist passiert?“ Der Kommissar schaute mich an,
ehe er zu mir kam und mir half, aufzustehen. „Wer
sind Sie?“
„Mein Name ist Brink, deutscher Staatsangehöriger
in Urlaub.“
„Was war hier los?“, fragte er mich weiter.
„Vier bewaffnete Männer wollten mich entführen.“
„Warum denn das? Wer sind Sie wirklich?“
„Brink, Jeff Brink. Dies sind meine Frau und meine
Kinder.“
Tommaso hatte inzwischen die Waffe auf den Stuhl
gelegt, während Serena die ihre in ihre Handtasche
gesteckt hatte.
Der Kommissar näherte sich dem Tisch und meinte
mit total veränderter Stimme: „Señor Almeida? Was
für eine Ehre, Sie bei uns zu haben. Ich versteh zwar
nicht, was vorgefallen ist, aber können Sie ein we-
nig Licht in die Angelegenheit bringen“, meinte er
freundlich.
„Bei den Brinks handelt es sich um Freunde aus
Deutschland. Sie sollten entführt werden.“
„Und dann sind die Entführer grundlos und ohne
Beute abgehauen?“
„Nein, meine Tochter ist, wie Sie wissen, in der Si-

                          65
cherheitsbrigade von L.A. und besitzt eine Waffe. Da-
mit hat sie gedroht, einige zu erschießen. Das kam für
die Gangster völlig unerwartet, sodass sie sich zurück-
gezogen haben, wie Sie sehen.“
„Ist jemand hinter diesen Gangstern her?“, wollte Ja-
ckie wissen.
„Machen Sie sich keine Sorgen. Die Gegend wird
bereits abgesucht. Uns wurde gemeldet, dass mehrere
bewaffnete Leute das Hotel gestürmt hätten. Kannte
jemand diese Leute?“ Er schaute sich um, ob jemand
sich meldete. Alle schwiegen.
Es war mir ein Rätsel, wie sie uns ausfindig gemacht
hatten, und vor allem so schnell. Nachdem einige
Leute verhört worden waren, zog sich die Polizei nach
einer Stunde ohne nennenswerte Ergebnisse wieder
zurück. Wir konnten sie glauben machen, dass sie nur
Geld von deutschen Touristen erpressen wollten. Den
wahren Grund erfuhren sie nicht.
Obwohl der Kommissar kein dummer Junge war,
musste er sich einstweilen mit unserer Erklärung zu-
friedengeben. Argwöhnisch sagte er, als er ging: „Es
muss noch etwas anderes dahinterstecken. Bei den
Gangstern hat es sich doch eindeutig um Europäer
gehandelt, nach verschiedenen Zeugenaussagen zu
urteilen. Also mir soll’s recht sein. Ich kann Sie aber
so leider nicht hundertprozentig schützen. Es liegt in
Ihrer Verantwortung. Meine Damen, meine Herren,
einen angenehmen Abend noch.“ Dann verschwand
er mit seinen Leuten nach draußen.
Ziemlich fertig gingen wir sofort auf Leóns Zimmer,
um uns zu beraten. León bewohnte eine große Suite,
somit hatten wir genügend Platz für uns alle. Ich wur-
de sofort medizinisch betreut. Ein blauer Fleck wür-
de mich wohl oder übel für ein paar Tage begleiten.

                          66
Der Schmerz hatte jedoch weitgehend nachgelassen.
Ich durfte gar nicht daran denken, was passiert wäre,
wenn die mich verschleppt hätten.
Aber eins war uns deutlich geworden: Wir schienen
nirgendwo mehr sicher zu sein.
„Wir haben Glück gehabt. Und wie kommt ihr an
die Waffen?“, wollte ich wissen.
„Die haben wir in unserer Sommerresidenz in Pa-
lenque zu unserer eigenen Sicherheit und Verteidi-
gung“, antwortete Serena. „Wir wurden vor Jahren
bereits belästigt, seitdem haben wir sie im Hause.“
„Und du hast sie mitgenommen, um uns zu schüt-
zen“, bemerkte ich.
„Ich kann zwar nicht damit umgehen …“, sagte
Tommaso.
„… aber du hast sie überzeugt“, unterbrach Jackie
ihn.
Teresa saß neben mir und hielt meine Hand. León
hatte noch kein Wort gesagt. Er schien abwesend zu
sein und eigene Überlegungen anzustellen.
„León, es ist schlimmer, als ich dachte. Wir müssen
uns entscheiden, wie wir vorgehen sollen, und vor
allem die Frauen und die Kinder in Sicherheit brin-
gen“, sagte ich.
„Ja, denn sie haben mit dem Ganzen nichts zu tun“,
antwortete León.
Tommaso zeigte kein Verständnis und meinte: „Und
ob mich das etwas angeht, wenn man uns bedroht
und nach dem Leben trachtet. Ich schlage vor, dass
Mama und Jackie mit Serena und Marcella nach
Palenque zurückfahren. Ich vermute, da suchen sie
nicht mehr.“
„Das kann gut sein“, stimmte León Tommaso zu.
„Ich bleib bei euch und helfe, wo Not am Mann

                         67
ist“, sagte Tommaso.
„Ich bleib auch“, meinte Serena, „und beschütze
uns.“
Wir waren zerstritten in dieser Situation.
„Ich bin dafür, dass wir alle nach Palenque abreisen
und ihnen die CDs aushändigen, damit das Ganze
endlich ein Ende findet. Sollen sie doch damit ma-
chen, was sie wollen“, schlug Teresa vor.
„Ich möchte nicht, dass einem von uns etwas pas-
siert. Ich könnte mir das nie verzeihen. Da wir mo-
mentan aber keine andere Lösung haben, ist es wohl
das Beste; obwohl sie uns nie in Ruhe lassen wer-
den“, entschied ich.
„Gut, dass Jan in Rom ist. Er kann die Übergabe
organisieren“, stellte Tommaso fest.
„Ich rufe Jan an, damit er alles vorbereiten kann“,
sagte ich zu León.
„In Ordnung. Bis die herausgefunden haben, dass es
nur bedingt klappt, können wir für unser Problem
nach einer Lösung suchen“, sagte León ernst. „Also
ich denke, wir machen Schluss für heute Abend.
Morgen fliegen wir mit einem Privatjet nach Pa-
lenque und erledigen alles. Du, Jeff, kümmerst dich
um Jan, dass alles klappt. Mit der Bande nehmen wir
Kontakt auf.“
„Ich schlage vor, wir übergeben die ersten zwei CDs
in Rom, oder wo auch immer sie sie haben wollen,
und die dritte, wenn sie Guiglelmo freigelassen ha-
ben“, fügte ich hinzu und begab mich zum Telefon.
„Es ist jetzt Abend in Rom, ich erwisch Jan jetzt
sicher bei Fiona oder bei deren Familie.“ Ich tippte
die Nummer ein.
„Si pronto, con chi parlo“, antwortete eine nervöse
Stimme.

                        68
„Ich bin’s, Jeff.“
„Gott sei Dank. Drei bewaffnete Männer haben Jan
vor zwei Stunden mitgenommen. Sie waren sehr ag-
gressiv. Mich haben sie nur bedroht. Ich soll euch
Bescheid geben, aber in Palenque konnte mir keiner
verraten, wo ihr hingegangen seid. Ich war sehr beun-
ruhigt. Jeff, sag auch Señor León, dass es besser wäre,
die CDs auszuhändigen, da nach Guiglelmo jetzt auch
Jan entführt worden ist“, sagte sie außer Atem.
Ich wollte sie nicht beunruhigen und verschwieg
daher unser Vorhaben. „Sie bekommen so bald wie
möglich die CDs“, bemerkte ich.
„Ganz einfach, wir verlangen von denen, sie sollen
Guiglelmo ans Telefon holen. Ihm sagen wir dann, dass
wir alle CDs aushändigen werden und er das Passwort
offenlegen kann. Unsere dritte CD bekommen sie
erst, wenn die Sache mit der Befreiung geklärt ist.“
„Scheint mir eine gute Idee zu sein“, sagte Serena so-
fort.
Wir schauten uns alle an und stimmten zu.
„Ich wollte schon immer nach Europa“, fuhr Serena
fort. „Jemand muss sich doch um die Übergabe küm-
mern. Wir überbringen die dritte CD und ihr macht
euch einen schönen Urlaub. Wie wäre das?“, wollte
sie uns überzeugen.
Obwohl mir dabei nicht geheuer war, hielt ich mich
mit Äußerungen zurück.
León dagegen meinte, seiner Tochter vertrauen zu
können, und sagte etwas zurückhaltend: „Könnte
funktionieren. Es sollen ja keine anderen mit rein-
gezogen werden. Ich hätte nichts dagegen einzuwen-
den.“
„Nichts da“, meinte Jackie, „du bleibst hier.“
„O ja, ich kann euch und auch Tante Fiona sicher

                          69
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit
Buch worldwithoutprofit

Weitere ähnliche Inhalte

Ähnlich wie Buch worldwithoutprofit

Corona spezial online
Corona spezial onlineCorona spezial online
Corona spezial onlineGottesdienste
 
Politische Ponerologie
Politische PonerologiePolitische Ponerologie
Politische PonerologieMCExorzist
 
Powerpoint Netzwerk von Christen GMPI Langfassung 7 juli 2010
Powerpoint Netzwerk von Christen GMPI  Langfassung 7 juli 2010Powerpoint Netzwerk von Christen GMPI  Langfassung 7 juli 2010
Powerpoint Netzwerk von Christen GMPI Langfassung 7 juli 2010Netzwerk von Christen
 
Was fehlt unserer Umwelt? (2019)
Was fehlt unserer Umwelt? (2019)Was fehlt unserer Umwelt? (2019)
Was fehlt unserer Umwelt? (2019)Research Impulses
 
Gottesdienst in der Tüte am 9. Mai - Jeder teil dieser Erde
Gottesdienst in der Tüte am 9. Mai - Jeder teil dieser ErdeGottesdienst in der Tüte am 9. Mai - Jeder teil dieser Erde
Gottesdienst in der Tüte am 9. Mai - Jeder teil dieser ErdeGottesdienste
 
öKosoziale marktwirtschaft josef riegler frühjahr 2012
öKosoziale marktwirtschaft  josef riegler  frühjahr 2012öKosoziale marktwirtschaft  josef riegler  frühjahr 2012
öKosoziale marktwirtschaft josef riegler frühjahr 2012Netzwerk von Christen
 
Glaube und Wirklichkeit Flyer
Glaube und Wirklichkeit FlyerGlaube und Wirklichkeit Flyer
Glaube und Wirklichkeit FlyerFamilie Pammer
 
Besinnliches zum jahreswechsel
Besinnliches zum jahreswechselBesinnliches zum jahreswechsel
Besinnliches zum jahreswechselHans-Jürgen Bell
 
Feiertage für Christen
Feiertage für ChristenFeiertage für Christen
Feiertage für ChristenMartin M Flynn
 
Paradoxon unserer Zeit - Carpe Diem
Paradoxon unserer Zeit - Carpe DiemParadoxon unserer Zeit - Carpe Diem
Paradoxon unserer Zeit - Carpe DiemSylvi O.
 
J connecting with nature article german jonette 32
J connecting with nature article german jonette 32J connecting with nature article german jonette 32
J connecting with nature article german jonette 32Johanna-Merete Creutzberg
 
J connecting with nature article german jonette 32
J connecting with nature article german jonette 32J connecting with nature article german jonette 32
J connecting with nature article german jonette 32Johanna-Merete Creutzberg
 
Grüne Neoheiden greifen nach der Macht
Grüne Neoheiden greifen nach der MachtGrüne Neoheiden greifen nach der Macht
Grüne Neoheiden greifen nach der MachtIngo Breuer
 

Ähnlich wie Buch worldwithoutprofit (20)

Corona spezial online
Corona spezial onlineCorona spezial online
Corona spezial online
 
Politische Ponerologie
Politische PonerologiePolitische Ponerologie
Politische Ponerologie
 
Wege in eine humane Zukunft
Wege in eine humane ZukunftWege in eine humane Zukunft
Wege in eine humane Zukunft
 
Powerpoint Netzwerk von Christen GMPI Langfassung 7 juli 2010
Powerpoint Netzwerk von Christen GMPI  Langfassung 7 juli 2010Powerpoint Netzwerk von Christen GMPI  Langfassung 7 juli 2010
Powerpoint Netzwerk von Christen GMPI Langfassung 7 juli 2010
 
Was fehlt unserer Umwelt? (2019)
Was fehlt unserer Umwelt? (2019)Was fehlt unserer Umwelt? (2019)
Was fehlt unserer Umwelt? (2019)
 
Die-groesste-Macht-des-Menschen
Die-groesste-Macht-des-MenschenDie-groesste-Macht-des-Menschen
Die-groesste-Macht-des-Menschen
 
Aus dem buch occupy your mind 2
Aus dem buch occupy your mind 2Aus dem buch occupy your mind 2
Aus dem buch occupy your mind 2
 
Herbst 2012
Herbst 2012Herbst 2012
Herbst 2012
 
Gottesdienst in der Tüte am 9. Mai - Jeder teil dieser Erde
Gottesdienst in der Tüte am 9. Mai - Jeder teil dieser ErdeGottesdienst in der Tüte am 9. Mai - Jeder teil dieser Erde
Gottesdienst in der Tüte am 9. Mai - Jeder teil dieser Erde
 
öKosoziale marktwirtschaft josef riegler frühjahr 2012
öKosoziale marktwirtschaft  josef riegler  frühjahr 2012öKosoziale marktwirtschaft  josef riegler  frühjahr 2012
öKosoziale marktwirtschaft josef riegler frühjahr 2012
 
Glaube und Wirklichkeit Flyer
Glaube und Wirklichkeit FlyerGlaube und Wirklichkeit Flyer
Glaube und Wirklichkeit Flyer
 
wundersam über sehen
wundersam über sehenwundersam über sehen
wundersam über sehen
 
Besinnliches zum jahreswechsel
Besinnliches zum jahreswechselBesinnliches zum jahreswechsel
Besinnliches zum jahreswechsel
 
Feiertage für Christen
Feiertage für ChristenFeiertage für Christen
Feiertage für Christen
 
Wir wissen es
Wir wissen esWir wissen es
Wir wissen es
 
Paradoxon unserer Zeit - Carpe Diem
Paradoxon unserer Zeit - Carpe DiemParadoxon unserer Zeit - Carpe Diem
Paradoxon unserer Zeit - Carpe Diem
 
Carpe diem
Carpe diemCarpe diem
Carpe diem
 
J connecting with nature article german jonette 32
J connecting with nature article german jonette 32J connecting with nature article german jonette 32
J connecting with nature article german jonette 32
 
J connecting with nature article german jonette 32
J connecting with nature article german jonette 32J connecting with nature article german jonette 32
J connecting with nature article german jonette 32
 
Grüne Neoheiden greifen nach der Macht
Grüne Neoheiden greifen nach der MachtGrüne Neoheiden greifen nach der Macht
Grüne Neoheiden greifen nach der Macht
 

Buch worldwithoutprofit

  • 1.
  • 2.
  • 4. Dieses Buch wurde digital nach dem neuen „book on demand“ Ver- fahren gedruckt. Für den Inhalt und die Korrektur zeichnet der Autor verantwortlich. Für die Bücher in der deutschen Sprache © 2009 edition nove, Neckenmarkt Printed in the European Union ISBN 978-3-85251-534-2 Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefrei gebleichtem Papier. www.editionnove.de
  • 5. 1.Auflage Das Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberechtlich ge- schützt. Jede Verwertung und Vervielfältigung des Werkes ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig und strafbar. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks und der Übersetzung wie Verfilmung, sind vorbehalten! Ohne ausdrückliche schrift- liche Erlaubnis des Autors darf das Werk, auch nicht Teile daraus, weder reproduziert, übertragen noch kopiert werden, wie zum Beispiel manuell oder mit Hilfe elektronischer und mechani- scher Systeme inklusive Fotokopieren, Bandaufzeichnung und Datenspeicherung. Zuwiderhandlung verpflichtet zu Schaden- ersatz. Alle Personen und Namen sind frei erfunden. Der Roman ist reine Fiktion. Alle im Buch enthaltenen Angaben, Ergebnisse usw. wurden vom Autor nach bestem Wissen erstellt. Sie erfolgen ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie des Autors und Verla- ges. Der Verlag übernimmt deshalb keinerlei Verantwortung und Haftung für etwa vorhandene Unrichtigkeiten. 5
  • 6.
  • 7. Ein herzliches Dankeschön an alle, die an diesem Buch mitgewirkt haben, insbesondere an meine Frau Véronique. 7
  • 8.
  • 9. Einleitung oder Die Entstehung dieses Buches Nach einem Traum der mich lange beschäftigt und von dem ich nicht wusste was er zu bedeuten hatte, bin ich wie von Geisterhand geleitet zum Schreiben gekommen. In dem Traum vor etwa zwei Jahren war immer wie- der die Rede vom „Salz der Erde“. Dieser Satz wurde in meinem Traum mehrmals wiederholt. Ich konnte damals nicht verstehen was es damit auf sich hatte und habe lange in Büchern, Zeitschriften und im Internet nach Salz, Wasser, Salzkristall, Papst, ägyptische Pyra- miden, Maya und andere Hochkulturen, NA Cl und halt alles was damit zu tun haben könnte recherchiert. Ich bin vom Himalaja Salz bis in die Weltmeere vor- gedrungen. Von Energie-Erzeugung und Elektrolyse bis zur Osmose. Bis vor einigen Tagen… als das Buch praktisch geschrieben war, mir das Motiv oder der Sinn dieses Werkes bewusst wurde und wie Schuppen von den Augen fiel. Worum es im meinem Traum ging, war schlicht und einfach die Bedeutung und den Platz des Menschen auf unserem Planeten und im Universum zu verste- hen. Unabhängig von seinem Glauben, seiner Her- kunft und Couleur. Hier steht der Mensch im Mittel- punkt der Diskussion. Er ist „das Salz der Erde“. Dieser Traum hat mir die Möglichkeit gegeben ein Buch zu schreiben. Ich habe mal früher darüber 9
  • 10. nachgedacht, dies eines Tages zu tun, aber nie richtig daran geglaubt. Was mich wundert ist, dass ich dabei ein für die Be- griffe einiger Leser komplett utopisches, unrealis- tisches wie illusionäres Buch geschrieben habe. Die darin beschriebene VISION kann aber gar nicht so einfach abgetan werden. Denn mein logisches Den- ken sagt mir und wahrscheinlich vielen von Ihnen, so abwegig ist das Ganze gar nicht, wenn die Menschheit überhaupt eine Chance haben will in Zukunft diesen Planeten weiter zu besiedeln. Unser Ziel darf nicht nur stur auf dem Weg des mate- riellen Glücks weiter ausgebaut werden. Dieser Weg müsste mit unserem klaren Menschenver- stand mittlerweile als der falsche Weg verstanden wer- den, egal wo er hinführen mag. Wenn jeder Einzelne sich damit auseinandersetzen würde, kommt er sehr schnell zum Entschluss, wir laufen entweder in eine Sackgasse oder in unser Verderben.Wir sollten uns be- sinnen und uns selber eingestehen, so weit und nicht weiter.Wir müssen für unsere Kinder etwas tun, wenn es überhaupt noch eine Zukunft für uns Menschen geben soll auf diesem wunderschönen Himmelskör- per. Was wollen wir ihnen und anderen überhaupt hinter- lassen? Lesen Sie selbst. 10
  • 11. Vorwort In diesem Buch möchte ich alle Nationen, Politiker, Religionen, Mediziner, Wirtschaftsbonzen und Ak- tionäre bitten, sich zu mäßigen und zu besinnen, der Menschheit nicht den Weg für eine (bessere) Zukunft zu versperren mit ihren Unersättlichkeiten und Lü- gen. Die Schätze dieser Erde gehören sowohl den Men- schen als auch den Tieren und den Pflanzen. Letz- tere müssen wir wie unsere eigenen Kinder schüt- zen, denn sie können sich nicht wehren. Da unsere Atmosphäre so zerbrechlich ist wie Glas, sollten wir sie mit äußerster Vorsicht behandeln. Alle Menschen haben das Recht, teilzuhaben am Wohlstand, egal, welchem Land, welcher Farbe oder Gesinnung sie angehören. Unsere Kinder brauchen ein Vorbild und wir müssen sie schützen vor jeglicher Ungerechtig- keit. Daher gilt es, der Armut massiv und konsequent entgegenzuwirken. Wir sollten Gott dem Allmächti- gen dienen, damit die Verantwortlichen einsehen, dass dies der einzig richtige Weg ist. Dies sind keine leeren Worte, sondern die Botschaft Gottes, durch Nächs- tenliebe und Toleranz ein besseres Verständnis unter den Menschen auf diesem Planeten zu erreichen. Täglich lernen wir von der Natur oder ahmen sie nach. Aber ist es nicht dennoch schön, nach allen technischen Errungenschaften zurück zur Natur zu finden und nach einem warmen Sommerregen den Duft von Gras einzuatmen? In kalten Wintertagen morgens beim Aufstehen die eisige klare Luft und den kalten Schnee zu fühlen? An einer Quelle, umringt 11
  • 12. von Frühlingsblumen, unbekümmert den Durst zu löschen? Also lasst uns alle miteinander etwas tun, damit dies alles für unsere Kinder erhalten bleibt und nicht eines Tages nur noch eine Gutenachtgeschichte darstellt. 12
  • 13. Unter dem Druck des Klimawandels 2013 Angesichts der multimedialen Möglichkeiten ließ sich der nun besser informierte Mensch nicht mehr so einfach durch die Lügenmatrix der Konzerne ein- wickeln, die sich mit billigen Tricks weiter bereichern wollten. Es kam zu einem Machtkampf mit gewissen skrupellosen Geschäftemachern, die bislang gemeint hatten, mit den Rohstoffen und Bodenschätzen unse- rer Erde alles tun und machen zu können, wie es ih- nen beliebte, weil sie das nötige Kapital besaßen. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen war es gelun- gen, zukünftig nicht mehr alles mit Kapital oder Fusio- nen erwerben zu können, da die Regeln und Gesetze sich zum Wohle der Allgemeinheit geändert hatten, zumal eine Umweltkatastrophe, die unwiderruflich auf die Menschheit zurollte, mit allen Konsequenzen drohte. Wir mussten versuchen, sie mit all unserer In- telligenz und unserem Wissen zu verhindern, sei es durch Fahrzeugreduzierungen, Stromeinsparungen oder Rationalisierung gewisser Rohstoffe und Pro- dukte. Wir mussten lernen, bewusster mit alldem um- zugehen und mit der Gemeinschaft zu teilen. Da die meisten fossilen Brennstoffe und Bodenschät- ze sich ihrem Ende zuneigten oder bereits erschöpft waren, lohnten sich Kriege – zumindest deswegen – einfach nicht mehr. Die Zukunft musste sich auf erneuerbare Energien, einen veränderten Lebenswan- del und neue Strukturen unseres alltäglichen Lebens konzentrieren und sich daran orientieren. 13
  • 14. Hitze, Dürren, Überschwemmungen und Orkane waren ein fester Bestandteil unseres Alltags gewor- den, dazu kam das Schmelzen der Gletscher. Fast alle Tiere drohten auszusterben, weil das natürliche Um- feld ohne Hemmungen zerstört worden war. Zudem mangelte es zusehends an Wasser, unserem kostbarsten Gut, denn die Gletscher waren verschwunden und nur noch im Winter auf den Nordkappen anzutreffen. Doch das schlimmste Problem stellte die Atmosphäre dar, die so verunreinigt war, dass das Kohlendioxid die Oberhand übernommen hatte und der Sauerstoffan- teil in der Luft schwand. Die überforderten Wissen- schaftler wussten keine Lösungen. Vermutet wurde, dass wir das Ozonloch unterschätzt hatten und der Sauerstoff ins All entwich, wobei der Sauerstoffan- teil in der Luft zurückging. Die Jagd nach Sauerstoff war somit eröffnet. An einigen Stellen standen bereits Sauerstoffzapfsäulen, nur für besser Betuchte natür- lich, während die Bevölkerung in den höheren Lagen und in den Städten über Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schwindelanfälle und viele andere Gesundheitsschä- den klagte. Ein Rückgang der Belastbarkeit der Men- schen machte sich bemerkbar. Großes Unheil stand vor der Tür. Wenn die Politik zuließ, dass sich die Konzerne wei- terhin bereicherten und nichts dagegen unternahm, schien eine universelle Katastrophe unabwendbar zu sein. Wiederum andere, die die prekäre Situation ver- harmlosten, mussten ausgeschaltet werden; jetzt galt es, der Forschung alle Mittel zur Verfügung zu stellen, damit schnell eine Lösung gefunden wurde. 14
  • 15. Die Erpresser Mittlerweile war es März geworden. Wir, mein Kol- lege Jan, mein Schwager Guiglelmo und ich, hatten unsere Forschungsarbeiten von damals weiter ausge- baut und Erstaunliches herausgefunden. Es klingelte an der Tür. Zwei Männer standen da und wollten wissen, wo die Unterlagen der Forschungs- arbeiten respektive die Untersuchungen geblieben seien. Sie würden sich für die Organismen in den Untersuchungen interessieren und für eine Firma arbeiten, die nicht genannt werden wolle, aber bereit sei, viel Geld dafür zu zahlen. Sie machten mir ein Angebot. Mir kam das Ganze nach mehr als sechzehn Jahren spanisch vor. Dabei hatte ich das Patent an das Pharmaunternehmen Medpharma für noch weitere zwei Jahre abgetreten, in dem ich leitender Laborchef war seit meinem Abschluss vor acht Jahren. „Die habe ich bei meinem letzten Umzug verloren“, versuchte ich beide abzuwimmeln. „So, und das sollen wir glauben?“ antwortete der Schmächtige mit blonden Haaren und stieß mich zur Seite. „Mal sehen, ob du die Wahrheit sagst.“ Während er eintrat, hielt mich der Dickere fest und meinte mit ruhiger Stimme: „Mach keinen Ärger, Kumpel, ansonsten müssen wir andere Methoden anwenden.“ Ich entschied mich, keinen Widerstand zu leisten, da sich ohnehin nichts im Haus befand, was die Unter- lagen betraf. Nur mein Diplom hing an der Wand meines Büros, das sie, ohne lange zu zaudern, im Nu verwüstet hatten. „Und jetzt zu dem Code vom Safe … Den hast du doch noch, hoffe ich“, sagte der Dickere drohend. 15
  • 16. „Ja klar, der ist 294 293“, gab ich sofort weiter. „Guter Junge“, kam die Antwort, während er auch schon den Code in die Tastatur vom Safe eintippte, wo vorher der nun runtergeschmissene eingerahm- te Maya-Kalender gehangen hatte. Zum Glück nur eine Kopie. Er holte alle Papiere heraus und stöberte sie durch, ohne fündig zu werden. Den Geldscheinen schenkten sie keine Beachtung. Der Dicke drehte sich zu mir um und meinte: „Wir kommen wieder, dann gibst du sie uns schon – frei- willig, wollen wir wetten …? Dagegen war dies nur ein höflicher Besuch, mein Herr. – Komm, wir hau- en ab!“, sagte er zu seinem Kumpan und beide ver- schwanden ohne weiteren Kommentar in Richtung Tür. So, Brink, jetzt hast du ein Problem am Hals, dachte ich. Du besitzt den Schlüssel zur Produktion von Sauerstoff und Energie. Das verleiht viel Macht. Das darf niemals in falsche Hände geraten. Das hatte ich immer befürchtet. Sie waren jetzt hin- ter mir her. Jemand schien ausgepackt zu haben. Wer wohl? Mein Leben stand plötzlich auf dem Kopf, auch wenn es zugegebenermaßen so hatte kommen müs- sen. Eigentlich hatte ich zuerst eine Anlage errichten wollen, bevor Profitgeier sich über mich und das Pro- jekt stürzten. Doch nun war ich gezwungen, einen anderen Weg zu nehmen. Aber welchen? Mir drehte sich der Kopf. Ich musste handeln, und zwar schnell, so wie damals auf Spitzbergen. In jenen Tagen hatte das Wissen mei- ne Neugier entfacht, ein Feuer zum Lodern gebracht und mich unvermittelt losgeschickt, um zu erfahren, was dahintersteckte. Einen Tag später hätte ich viel- leicht anders entschieden. Doch es war nicht mehr 16
  • 17. dasselbe wie damals. Jetzt hatten sie sich an meine Fersen geheftet. So machte das keinen Spaß. Ein ungutes Gefühl beschlich mich, als ich mir meiner Lage bewusst wurde. Ich war kein Held, sie würden mich jagen, um zu erfahren, was ich wusste. Ich muss- te etwas unternehmen, aber was? Mit wem konnte ich reden, wen ins Vertrauen ziehen? Wer hatte etwas ausgeplaudert? Jan, Guiglelmo, León Almeida? Meine Frau Teresa? Möglich wäre auch Fiona, meine Schwä- gerin. Fragen, Fragen und nochmals Fragen. Schließlich war es kein Geheimnis, wie es um unse- ren Planeten und die Atmosphäre stand. Die fossilen Brennstoffe gingen zur Neige, ganz zu schweigen von den Naturkatastrophen, die uns tagtäglich über die Medien vor Augen geführt wurden. Man hätte sich fast an die Bilder gewöhnen können, wären sie nicht so brutal. Die Unzufriedenheit führte weltweit zu vielen Unruhen unter den Völkern, und es war keine Einigung in Sicht, wobei die Amerikaner die Terror- anschläge einfach nicht mehr in den Griff bekommen konnten. Die ungleiche Verteilung griff noch mehr um sich, sodass die Hoffnungen auf eine Besserung völlig zu schwinden drohten. An diesem Märzabend musste ich an meine jungen Jahre denken und wie alles gekommen war. Schon 1996 ein Wettlauf in puncto Jobsuche. Das mobile Telefonieren und dann das Medium Internet. Bereits damals ein Leben voll Stress und Hektik. Die Men- schen erlebten Diktaturen und Kriege. Der Terroris- mus brach über die ganze Welt herein. Selbstmord- kommandos, die sich und unzählige Unschuldige, Kinder und Erwachsene, mit in den Tod rissen. Die wilde Jagd auf Osama Bin Laden, dem die Tat vom 11. September 2001 zugeschrieben wurde, als das Unfass- 17
  • 18. bare passierte und die Türme des World Trade Centers in Schutt und Asche zerfielen. Bis heute der fünfte Nahostkrieg. Israel und die Palästinenser hatten ein- fach keinen gleichnamigen Nenner gefunden, sogar die Sunniten und Schiiten bekriegten einander. Die Politik war in ihren unermüdlichen Friedensbemü- hungen gescheitert, egal, wer die Macht innehatte. Wie oft hatte man Friedenstruppen gesendet. Alles vergebens. Die Araber wollten Israel als eigenständi- gen Staat nicht anerkennen und waren untereinander zerstritten, da sich die Völker im eigenen Land zu sehr unterschieden. Die Korruption zu offensichtlich. Der Graben zwischen Arm und Reich klaffte unüberwind- bar auseinander. Jeder noch so kleine (falsche) Schritt der westlichen Welt wurde mit heftigen Demonstra- tionen und Ausschreitungen von der islamischen Welt bekämpft. Obwohl wir dringend Frieden brauchten, ließen uns der Fanatismus und der Stolz beider Seiten nicht zueinanderfinden. Das Telefon klingelte. Es war Teresa. „Liebling, wir sind soeben in Köln gelandet. Wo bleibst du?“ „Ja, ich hab dich nicht vergessen, es ist bloß etwas da- zwischengekommen. Tut mir leid. Nimm dir ein Taxi und fahr zu meiner Mutter.Wo sind die Kinder?“, gab ich mit ruhiger Stimme zurück. Ich hatte sie ganz ver- gessen und griff geistesgegenwärtig zur Notlüge. „Ich muss nur dringend ins Labor, einige Papiere fertigstel- len, da morgen ein neuer Termin anberaumt wurde. Ich hol dich später bei meiner Mutter ab, okay?“ Ich wollte sie nicht beunruhigen. „Ich beeile mich.“ „Gut, mach nicht zu spät. Ich bereite etwas bei Mut- ti zu essen vor, die Kinder lassen grüßen. Also bis 18
  • 19. dann.“ „Ciao, ciao, bis gleich!“, gab ich zurück und beendete das Gespräch, bevor ich mich noch verriet. Ach ja, die Kinder, soweit man das so sagen konn- te. Tommaso, mein Sohn, war inzwischen mit seinen sechsundzwanzig Jahren genauso erwachsen wie seine zwei Jahre jüngere Schwester Marcella. Meine Frau Teresa war Italienerin und noch sehr hübsch mit ihren sechsundvierzig Jahren. Ich dagegen hatte mit meinen achtundvierzig Jahren bereits graue Haare, und man sah auch schon ein bisschen Bauchspeck, was mich jedoch in keiner Weise störte. Meine Forschungen be- deuteten mir viel, und ich war mit mir, meiner Fa- milie und meinem Job als leitender Pharmadesigner bei Medpharma in Köln sehr zufrieden. Der Aufstieg vom Laborassistenten zum Pharmadesigner verschaff- te mir sehr viel Ansehen, wobei es mich sehr stolz machte, den Menschen mit neuen pharmazeutischen innovativen Konzepten und Präparaten das Leben er- leichtern zu können. Vielleicht war sogar der Eintritt in den Aufsichtsrat möglich. Dennoch ließ mich das mulmige Gefühl nicht los. „Eine Lösung muss her“, stachelte ich mich selbst an. Doch mit wem konnte ich reden, ohne alles preis- zugeben oder mich zu verraten? Nur wir drei wuss- ten von unserem Geheimnis. Jan, Guiglelmo und ich. Ferner hatte unser Freund León Almeida sicher- heitshalber einige Dokumente erhalten, ohne die die Forschungsarbeit nicht enträtselt werden konnte und nicht umsetzbar war. Die Lizenzvergabe an Medpharma umfasste nicht die Produktion von Sauerstoff und Energie, sondern lediglich Sauerstofftabletten für eine bessere Durch- 19
  • 20. blutung von Lunge und Gehirn. Meine Forschungen bestanden auch darin, den Zusammenhang zwischen Alzheimer und dem jahrelangen Verzehr von Lebens- mitteln und Getränken aus Aluminiumkonservendo- sen zu untersuchen. Ich musste Jan anrufen, um nachzufragen, ob sich je- mand bei ihm gemeldet und nach den Unterlagen ge- fragt hatte. Seit einigen Wochen hatte ich nicht mehr mit ihm gesprochen. Bereits beim Anwählen der Tele- fonnummer legte ich den Hörer wieder auf, weil ich keinen unnötigen Wirbel auslösen wollte. Unser Ge- heimnis war bei uns sicher, da wir wussten, was pas- sieren würde, geriete es in falsche Hände. Wir trauten uns damals nicht, an die Öffentlichkeit zu gehen; es schien einfach noch zu früh zu sein. Bis zum heu- tigen Tag hatten wir noch Bedenken, ob es wirklich funktionierte, insbesondere in großen Mengen. Mir fiel ein, dass ich Guiglelmo in Rom mit dem Vorwand anrufen könnte, mich zu erkundigen, ob Teresa und die Kinder bereits abgereist waren. Ich nahm das Telefon und wählte die Sprechtaste: „Verbinden mit Guiglelmo jetzt.“ „Pronto, con chi parlo?“, erklang die Stimme von Fiona, meiner Schwägerin, auf der anderen Seite, als hätte sie auf den Anruf gewartet. „Ich bin’s, Jeff, sono io, tuo cognato. Come va? Tut- to bene? Sind Teresa und die Kinder bereits abgeflo- gen?“ „Si, si, bereits vor drei Stunden. Sie müssten in Köln schon gelandet sein“, gab Fiona zurück. „Guiglelmo hat sie zum Flughafen gebracht und ist noch nicht zurück. Ich bin etwas beunruhigt, da er nicht gesagt hat, ob er noch etwas erledigen wollte. Er geht auch nicht an sein Handy“, klang Fiona etwas besorgt. „Ist 20
  • 21. nicht seine Art.“ Dem musste auch ich zustimmen und versuchte sie zu beruhigen: „Hat bestimmt jemand getroffen, er wird sicher bald zu Hause sein! Hör mal, wenn er zurück ist, soll er mich bitte zurückrufen“, sagte ich schnell, um sie nicht weiter zu nerven. „Alles Gute, Fiona, bis bald mal wieder.“ „Ciao, Jeff, ciao, ich sag’s ihm. Ciao.“ Ich legte auf. Obwohl ich mich zwang, ruhig zu blei- ben, fingen meine Gedanken an zu rasen. Was ist mit Guiglelmo? Meine Vermutung, dass es da einen Zu- sammenhang gab, ließ mich nicht mehr los. Das Telefon klingelte. Es war Fiona, die sagte: „Jeff, ich wollte dir noch etwas sagen. Vor ein paar Tagen hat er Teresa ein paar Mal gefragt, ob in Deutschland alles okay sei. Er schien die letzten Tage etwas nervös gewesen zu sein. Das kam mir ehrlich gesagt ein biss- chen komisch vor, da ihr noch vor zwei Tagen mit- einander telefoniert hattet.“ Ich musste Fiona die Antwort schuldig bleiben und ihr recht geben. Da war irgendetwas im Busch, aber was? „Warten wir es ab“, gab ich schnell zurück. „Fio- na, wie ist das Wetter bei euch?“ „Heute waren es 28 Grad, viel zu warm“, erwiderte sie. „Fiona, ich muss auflegen, da ich noch einen Anruf erwarte, halt mich auf dem Laufenden, ciao.“ Bevor sie noch etwas erwidern konnte, legte ich den Hörer auf. Soviel ich wusste, hatte es in Italien seit drei Monaten nicht geregnet und das Wasser war bereits seit einigen Jahren rationiert. Lediglich in den Wintermonaten fiel etwas Regen, sonst herrschte bis in den späten Herbst hinein nur Trockenheit. Ich kannte die Geschichte 21
  • 22. der letzten acht Jahre nur zu gut. Die Lage hatte sich besorgniserregend zugespitzt. Weihnachten 24 Grad, ab 2.500 Meter einige Schneeflocken. Aber es konnte auch passieren, dass bei einem Wetterumschwung bis zu drei Meter Schnee in ein paar Tagen runterkamen, was dann zu Überschwemmungen führte. Dazu ge- sellte sich die schlechte Versorgung mit Heizöl; immer wieder kam es zu Verspätungen und zu Preisen von 350 Euro pro Barrel, wenn nicht mehr, je nachdem, wie die Spekulanten an der Börse kauften oder ver- kauften. Die Konzerne scherten sich einen Dreck um kartellartige Verstrickungen und nahmen die langjäh- rigen Gerichtsverhandlungen lächelnd in Kauf, die den Bußgeldern folgten. Die OPEC war weltweit nur auf Expandierung und den schnellen Dollar fixiert. Wie sollte so eine Politik den Verbrauchern zugute- kommen und wo sollte das hinführen? Man konnte schließlich nicht in der Kälte sitzen bleiben. Wo steckte Guiglelmo bloß? Da ich Fiona nicht wie- der beunruhigen wollte, versuchte ich es ebenfalls auf seinem Handy, wurde aber auf die Mailbox verwiesen. Das stank zum Himmel. 22
  • 23. Die Entführung Die Geschehnisse entwickelten bereits eine eigene Dynamik. Alles lief unausweichlich auf Komplikatio- nen hinaus, was ich jetzt schon spüren konnte und mir große Sorgen bereitete. Was wussten sie, wer waren sie?, lauteten meine nächsten Gedanken. Verflucht, das scheint noch nicht das Ende zu sein, sagte mir mein Ver- stand, sondern bloß die Spitze des Eisbergs. Aber ruhig, ich musste überlegen, wie ich der momentanen Si- tuation Herr werden konnte, ohne Dummheiten zu machen. Als Erstes durfte ich kein eigenes Telefon be- nutzen; vielleicht wurde ich ja abgehört. Weiter muss- te ich unbemerkt das Haus verlassen und Kontakt mit Jan oder Guiglelmo aufnehmen. Jan wohnte in Frank- furt, zu weit, um schnell einmal dort hinzufahren. Mit dem Wagen würde ich obendrein nicht unbemerkt hier rauskommen. Blieb nur das Hinausschleichen, bevor ich versuchen wollte, mit der Straßenbahn zu meiner Mutter zu gelangen.Was sagte ich Teresa? „Ich bin mit der Straßenbahn hier, um dich abzuholen!“ Lächerlich, ich musste bei der Vorstellung selbst laut lachen, wie sie mich alle anschauen würden. Der hat einen Sprung in der Schüssel. Unsere Abwesenheit scheint ihm nicht gut bekommen zu sein, würden die denken. Ich saß in der Falle. Sie würden wiederkommen und mich auseinandernehmen. Ich war doch nicht … RAMBO. Nein, die warteten auf einen Fehler von mir. Mir blieb keine Wahl, ich musste handeln, um her- auszufinden, was mit Jan oder Guiglelmo los war. Ich durfte auch nicht vergessen, Teresa anzurufen. Wenn möglich aus einer Telefonkabine. So, es reichte. Es musste etwas geschehen. Im selben Augenblick klingelte es an der Tür. Schei- 23
  • 24. ße, sie sind zurückgekommen, ging mir durch den Kopf, während mein Puls unerwartet in die Höhe schnell- te. Ich hatte gesehen, mit welchem Wagen sie vorhin weggefahren waren, und schaute vorsichtig durch die Gardinen. Aber es war nichts zu sehen. Ding dong, ding dong … Leise schlich ich zur Tür und schaute mit ra- sendem Herzschlag durch den Spion. Da stand Jan, nervös mit den Händen fuchtelnd, als wollte er sagen, mach bloß schnell auf. Ich riss die Tür auf und zog ihn am Ärmel zu mir herein. „Jeff, sie sind seit heute Morgen hinter mir her. Ich muss mit dir reden. Sie überwachen uns und unsere Telefone. Bist du alleine? Was ist passiert, dass die hin- ter uns her sind?“ „Eins nach dem anderen und immer ruhig Blut“, ver- suchte ich Jan zu beruhigen, obwohl es mir genauso ging wie ihm. „Setz dich erst mal hin. Möchtest du etwas trinken?“ Ich spürte eine gewisse Erleichterung, ihn bei mir zu haben und mit ihm über alles reden zu können. Aber er merkte, dass bei mir ebenfalls etwas nicht stimmte, da noch nicht aufgeräumt war. Er sprang auf- geregt auf und rief: „Sie waren hier bei dir, nicht wahr, und du tust, als wäre alles in Butter!“ „Beruhige dich erst mal.“ Ich drückte ihn wieder in den Sessel zurück. „Ja, mich haben vor einer guten Stunde zwei Männer aufgesucht. Sie wollten unsere Forschungsarbeiten von damals, haben aber nichts ge- funden und drohten damit, wiederzukommen.“ „Wie bei mir, ein dicker und ein schmächtiger Typ in Anzügen, als wären es Banker.Wer sind sie, was wollen sie und für wen arbeiten sie?“ „Jan, du hast eine Menge Fragen, die ich auch gerne beantwortet haben möchte. Also beruhige dich erst 24
  • 25. mal. Wir sind am Leben und gesund. Ich mache mir ernsthafte Sorgen um Guiglelmo, der heute Mittag, nachdem er Teresa und die Kinder zum Flughafen ge- fahren hat, nicht mehr nach Hause zurückgekommen ist, und Fiona weiß auch nicht, wo er steckt. Er mel- det sich nicht am Telefon, ich hab’s das letzte Mal vor einer Viertelstunde probiert. – Aber was wollten die Typen von dir?“ „Sie fragten, ob ich meine Examenarbeit von damals verkaufen wolle. Sie würden gut dafür bezahlen. Ich hab ihnen geantwortet, dass ich kein Interesse an einem Deal hätte, woraufhin sie mir kurzerhand die Bude auseinandergenommen und mir gedroht haben, wiederzukommen.“ „Also genauso wie bei mir, wie du siehst.“ „Ich bin dann sofort aus dem Haus, ab in den erstbes- ten ICE und weiter mit dem Taxi zu dir. Dreihundert Meter von hier entfernt bin ich dann ausgestiegen, bevor ich mich von hinten rangeschlichen habe, damit mich keiner sieht.“ „Bist du sicher, dass dich keiner gesehen hat?“ „Ganz sicher“, gab er überzeugt zurück. „Ja gut, und was machen wir jetzt?“ „Ach ja, noch was, Jeff: Etwa fünfzig Meter von hier um die Ecke steht ein schwarzer Van mit holländi- schem Kennzeichen und zwei Leuten drin. Aber ich konnte nicht dicht genug rangehen, um zu erkennen, ob das dieselben Typen sind, die bei mir waren. Also Vorsicht. Ich sehe, du hast alle Gardinen vorgezogen und kein Licht vor dem Haus an.“ „Am besten wir bleiben nicht länger hier, Jan.“ „Aber wo sollen wir hingehen?“, fragte er. „Wir verschwinden unauffällig und beraten später unsere nächsten Schritte. Ich hol nur ein paar Sachen 25
  • 26. und meine Jacke.“ „Mach schnell! Wenn die zurückkommen und uns hier zusammen antreffen, sind wir geliefert!“ Jan hatte den Satz noch nicht richtig zu Ende gespro- chen, da klingelte es erneut an der Tür. „Psst“, sagte ich und deutete an, still zu sein, während ich fieberhaft überlegte, was wir tun konnten.Vorsich- tig schlich ich zur Tür und schaute durch den Spion, der allerdings von außen zugehalten wurde. „Wenn wir abhauen, fallen wir auf“, flüsterte ich Jan zu. „Vielleicht haben die auch Kanonen. Ich schlage vor, du verschwindest erst mal, ehe ich aufmache. So hat wenigstens einer von uns die Chance, davonzu- kommen. Versteck dich im Gäste-WC und bleib so lange dort, bis sie reingekommen sind. Ich werde hus- ten, wenn du raus auf die Straße kannst, nicht vorher, verstanden?! Dann nimmst du dir ein Taxi, und wir treffen uns später im Café de Paris, sagen wir mal in ein oder spätestens zwei Stunden. Solltest du bis dahin nichts von mir gehört haben, kannst du zur Polizei gehen. Teresa ist bei meiner Mutter in Bonn. Hast du verstanden?“ „Alles klar!“ „Ich versuche sie abzuwimmeln, ich schaff das schon. Bis dann.“ „Viel Glück, Jeff!“ Jan schlug mit seiner Hand in mei- ne Handfläche, die ich ihm aufhielt, wie früher. Er verschwand im Gäste-WC. Draußen wurden die Herren ungeduldig. Sie pochten laut gegen das Holz. „Ja, wer ist da?“, tat ich überrascht. „Mach sofort auf oder wir machen Kleinholz aus dir!“ Ich meinte die Stimme des Dicklichen wiedererkannt 26
  • 27. zu haben. Wortlos öffnete ich die Tür. „Na also“, blaffte mich der große Blonde an. „Wir hätten noch ein paar Fragen, und versuch ja nicht, uns zu belügen, verstanden, wenn du nicht als Leiche deinen schönen Teppich schmücken willst. Also, wo steckt dein Freund Bieberich? Wir möchten auch deinen Computer checken, wenn du nichts da- gegen hast“, sagte der Dicke. „Mach schon, wir haben nicht die ganze Nacht Zeit!“ „Keine Bange, wir wollen dir nichts anhaben, wir sind hier, um die Unterlagen von deinem Examen abzu- holen. Allerdings bekommst du keine weitere Chan- ce mehr, bevor ich die Geduld verliere und dir eine Kugel in den Kopf jage. Du kannst es dir überlegen. Entscheide du“, meinte der Blonde, als redete er übers Wetter. „Ich, ich … kann jetzt nicht ins Werk, das würde auf- fallen. Am Eingang befinden sich immer mindestens drei Posten seit diesen verdammten Terroranschlägen. Da ist kein Durchkommen.“ „Mach dir mal nicht in die Hose, wir bleiben draußen, während du die Unterlagen holst, ansonsten rufen wir Rom an, du weißt schon, warum.“ Sie schauten mich an und warteten auf eine Reak- tion. „Wieso Rom, was hat das zu bedeuten?“, tat ich un- wissend. Der Dicke ging zur Garderobe neben dem Gäste-WC und holte meinen Mantel. Einen Moment dachte ich, er wolle in der Toilette nachsehen. Mir war ganz schlecht bei dem Gedanken. Er warf mir den Mantel zu und sagte: „Die Sache mit dem Computer hat sich erledigt. Wir begleiten dich zum Werk. Keine faulen Tricks, sonst ist dein Schwa- 27
  • 28. ger die längste Zeit dein Schwager gewesen, ist das klar, Freundchen!“ Jan musste alles mitgehört haben und wusste somit, wo ich in den nächsten Stunden sein würde. „Du brauchst die Unterlagen eh nicht mehr, du hast ja den Wisch dafür bekommen.“ Er meinte mein Di- plom. „Was willst du mit den Papieren? Wir werden gut auf sie aufpassen.“ „Kommt jetzt“, hetzte der Blonde, „wir wollen kei- ne Zeit verlieren.“ Ich wurde zur Tür geleitet, wo er fortfuhr: „Wenn wir die Papiere haben, kann dein Schwager heute Nacht bei seiner Frau schlafen.“ In diesem Augenblick musste ich an Fiona denken und dann an Teresa, die ganz schön böse auf mich sein musste, dass ich so lange im Werk blieb. Doch im Au- genblick blieb mir keine andere Wahl. Der Blonde zog einen Revolver und versteckte ihn in seiner Manteltasche, bevor er ihn in meine Seite bohrte. „Das ist für den Fall, dass du draußen nicht brav bist. So, gehen wir!“, befahl er. „Aber vorsichtig, keine übermütigen Bewegungen, ich bin nämlich ein bisschen nervös.“ Wir gingen auf die andere Straßenseite, wo der Blon- de nach mir in den Fond des Wagens stieg. Der Di- cke fuhr sofort los, ohne nach dem Weg zu fragen. Sie wussten Bescheid und wollten ohne Verletzungen die Sache hinter sich bringen, damit beim Eingang zum Werk nichts Auffälliges zu sehen war. Ich hatte es also mit Profis zu tun, die kein Risiko eingingen und die Situation im Griff zu haben glaubten. Aber ich sträub- te mich, einfach aufzugeben, und suchte verzweifelt nach einem Ausweg. Ein Geistesblitz ließ mich zum Fahrer sagen: „Können Sie die Fensterscheibe hier hinten etwas runterlassen, 28
  • 29. mir ist nicht ganz wohl.“ Postwendend ging die Scheibe ein Stück runter, nur an der anderen Seite, wo der Blonde saß. „Gut so?“, sagte er daraufhin. Die wenigen Zentimeter mussten reichen, den Schlüs- selbund hinauszuschleudern. Aber wie bekam ich ihn unauffällig aus der Manteltasche, ohne dass sie es so- fort bemerkten? Zum Glück war es dunkel genug. Vorsichtig tastete ich in meiner Manteltasche danach, schloss dann meine Hand, damit der Schlüsselbund mit dem Büroschlüssel dran nicht raschelte, und hielt ihn fest umklammert. Jetzt brauchte ich nur noch auf meine Chance zu warten. Die Straße zog dunkel und menschenleer an uns vorbei. Ich musste warten, bis wir durch die Stadt fuhren, wo mehr Verkehr herrsch- te. Aber wie lange würde er die Fensterscheibe runter lassen? Mir kam das Ganze vor wie eine Lotterie. Mei- ne Nerven waren zum Zerreißen gespannt, als wir die Stadt erreichten. Langsam füllten sich die Straßen mit Menschen und Autos. Ich witterte meine Chance. In der nächsten Linkskurve ließ ich mich durch die Zen- trifugalkraft auf den Blonden prallen, riss im selben Moment die linke Hand mit dem Schlüsselbund he- raus und zwängte ihn durch den geöffneten Fenster- spalt nach draußen. Zu meinem Glück kam uns genau rechtzeitig eine Straßenbahn in der Kurve entgegen, sodass der Dicke nicht bremsen konnte und auswei- chen musste. Er fluchte, während mich der Blonde mit voller Wucht auf meinen Platz zurückstieß, dass meine Schulter schmerzte. „Du, Schwein, hast die Schlüssel vom Büro rausge- schmissen. Du willst Ärger und sollst ihn haben“, wü- tete er und schlug mir voll ins Gesicht. Ich heulte vor Schmerz auf, während der Wagen mit 29
  • 30. kreischenden Bremsen etwa fünfzig Meter weiter zum Stehen kam. „Ich werde dich zermalmen, wenn wir die Schlüs- sel nicht wiederfinden, du verdammtes Schwein.“ Der Dicke stieg aus. „Du kannst was erleben“, schrie er. „Ich verspreche dir, dass deine Familie dich nicht wiedererkennt, du verdammtes Arschloch.“ Er kam zur Autotür und riss sie fast aus den Scharnieren. Als er gerade losschlagen wollte, hielt der Blonde sei- nen Arm fest und meinte: „Jake, ich versprech dir, wir holen das nach, sobald wir alles hinter uns haben. Eine Tracht Prügel bekommt er für seine Arroganz, aber nachher.“ Der Dicke riss mich aus dem Wagen und befahl mir, die Schlüssel zu suchen. „Wenn wir die Schlüssel nicht finden, fahren wir woandershin mit dir, hast du ver- standen, du Idiot. Keine weiteren Tricks, sonst geht’s dir schlecht, Mister.“ Ein bisschen erschrocken war ich schon, aber meine Idee hatte funktioniert, bis jetzt zumindest. Ich ging mit dem Fahrer die kurze Strecke zurück und begann zu suchen. Die vorbeigehenden Leute machten Bemerkungen wie: „Haben Sie etwas verloren?“ „Ja, meine Hausschlüssel“, erwiderte ich und witterte gleichzeitig meine Chance. „Sie können mir bei der Suche helfen.“ Der Blonde kam dazu und bemerkte ganz lakonisch: „Aber gerne.“ Da sagte eine Frauenstimme: „Hier sind sie.“ Ich griff sofort danach und rief ganz erleichtert: „Gott sei Dank. Sie haben mir das Leben gerettet.“ Meine Entführer starrten sich an, doch bevor etwas passieren konnte, bedankte ich mich bei der Dame: 30
  • 31. „Herzlichen Dank, so kann ich mich jetzt auf den Weg machen. Meine Herren, ebenfalls danke für Ihre Hilfe. Bis vielleicht ein andermal“, drehte mich um und verschwand in der Menge. Sie würden nicht schießen, mir aber auf den Fersen bleiben. Ich bemerkte, wie sie mich verfolgten, und ergriff sofort meine Chance, als ich an einem Lokal vorbeikam, das ich vom Bummeln mit Teresa und den Kindern her kannte. Hier genehmigten wir uns öfter ein Bier. Ich betrat den ziemlich vollen Raum und ging schnurstracks am Tresen vorbei zur Treppe, die zu den Toiletten führte. Anstatt die Männertoilette aufzusuchen, stiefelte ich zu den Damen rein. Hier befand sich ein Fenster. Ohne mich um die zwei Da- men zu kümmern, öffnete ich das Fenster und sprang in den Hinterhof. Ich kam so hart auf, dass ich mir beinahe den Knöchel des rechten Beines verstaucht hätte. Humpelnd lief ich weiter zum Lieferantentor, bog sofort in die Seitenstraße ein und tauchte in der Menge unter. Es verfolgte mich niemand. So konnte ich weiter zur Fußgängerzone gelangen, wo ich ein Taxi nahm. „Zum Café de Paris.“ Während der ganzen Fahrt schwieg ich und dachte nach, was nun mit Guiglelmo passie- ren würde. Eine knappe Viertelstunde später stieg ich aus und zahlte. Es herrschte rege Betriebsamkeit, der Parkplatz vor dem Laden quoll über. Jetzt musste ich zusehen, dass ich Jan erwischte. Er saß am Tresen und unterhielt sich mit zwei Damen. Beim Herumdrehen bemerkte er mich, und ich gab Zeichen, uns etwas abseits zu sprechen. „Wie hast du es geschafft?“, fragte er neugierig. Schnell erzählte ich ihm die ganze Geschichte und endete: „Wie soll es weitergehen, Guiglelmo ist in 31
  • 32. ernster Gefahr.“ „Wir müssen herausfinden, mit wem wir es zu tun haben“, schlug Jan vor. Da konnte ich ihm nur zustimmen. Doch zuallererst musste ich Fiona anrufen und Teresa warnen. Ich er- kundigte mich beim Kellner nach einem Telefon. „Leider nein, da jeder ein Handy hat“, lautete seine etwas amüsierte Antwort, als ob er sagen wollte, wo ich in Gottes Namen herkomme. Was jetzt? Ich fragte Jan, ob die beiden Damen uns wohl ihr Handy ausleihen würden, woraufhin er sich prompt auf den Weg machte. Jan stellte mich wenig später vor, und ich musste zugeben, dass er einen guten Geschmack hatte. Warum ist er eigentlich nicht ver- heiratet, sinnierte ich kurz. Seit mehr als fünf Jahren hatte er zwar eine Freundin, aber sie wohnten nicht zusammen. Als Bankkauffrau jagte sie in der Welt di- versen Metallen hinterher. Ob Aluminium oder Stahl, alles konnte man für die Aktionäre gebrauchen, die sich in unermesslichem Reichtum ergötzen wollten. Aber zurück zu den Damen. Jan fragte ohne Um- schweife, ob sie ein Handy dabeihätten. „Wenn es nicht lange dauert, gerne.“ Ich nahm dankend und mit einem Lächeln an. „Ich bezahle die Zeche“, sagte ich und tippte die Nummer meiner Mutter ein. Nachdem es zweimal geklingelt hatte, nahm meine Mutter den Anruf an. „Hallo, hier bei Brink, wer ist am Apparat?“ „Mama, ich bin’s. Sind Teresa und die Kinder noch bei dir?“ „Ja, aber sie konnten dich nicht erreichen und warten jetzt auf ein Taxi.Wo steckst du, Junge?“ Ich war noch immer der Junge. 32
  • 33. „Kannst du mir Teresa bitte ans Telefon rufen? Ich er- klär’s lieber nur einmal. Sie kann dir dann alles sagen. Ich liebe dich, pass gut auf dich auf. Und schließe abends alles gut ab und öffne keinem Fremden die Tür“, musste ich noch loswerden. „Gut, ich ruf sie, bis bald. Ich hätte mich so gefreut und hatte auch ein Abendessen vorbereitet. Was um Himmels willen geht da vor? Ja, dann tschüss, hier, ich geb sie dir.“ „Jeff, wo steckst du?“, kam die aufgeregte Stimme von Teresa in italienisch-deutschem Akzent, obwohl sie sehr gut Deutsch sprach. „Kann man denn überhaupt noch mit dir rechnen? Was ist los? Kannst du mir das verraten?“ „Hör jetzt gut zu“, sagte ich sehr ruhig. „Du kannst nicht nach Hause, ich hatte heute Abend Besuch von zwei Männern. Sie fragten nach meiner Examenar- beit, bevor sie alles durchwühlt haben. Zu deiner In- formation, unsere Telefone werden abgehört. Ich be- finde mich in Sicherheit. Außerdem ist Jan vor ein paar Stunden bei mir eingetroffen. Den Rest erzähle ich dir, wenn ich bei Mama ankomme. Bleib auf jeden Fall auf der Hut und lasst keinen bei euch rein. Es han- delt sich um Profis, die wohl genau wissen, wo sie uns finden können. Somit auch die Adresse von Mama. Es sind sehr gefährliche Leute, die um jeden Preis das Manuskript haben wollen, und sie sind bewaffnet. Nimm dir am besten mit Mama und den Kindern ein Hotel, du weißt welches, da kann ich problemlos anrufen oder euch aufsuchen. Also bis dann. Ich habe jetzt keine Zeit, dir im Detail zu erzählen, was los ist. Mach schnell. In zwei Stunden ruf ich dich im Hotel wieder an. Also Küsschen, mein Schatz. Ich erkläre dir alles, wenn ich da bin. Bis dann. Ciao.“ 33
  • 34. So, nun musste ich noch Fiona in Rom anrufen. Ohne lange zu fragen, wählte ich auch ihre Nummer. Nach langem Klingeln kam eine weinerliche Stimme: „Pronto chi parla?“ „Ich bin’s Jeff. Was ist los, Fiona?“ „Sie haben die ganze Wohnung durchwühlt und Sa- chen mitgenommen.“ „Wer … hat was?“ „Zwei Männer. Ich glaube, es waren Holländer.“ „Bei uns vor der Tür stand ebenfalls ein Auto mit holländischem Nummernschild, in das ich einsteigen musste. Mensch, bist du sicher, dass es Holländer wa- ren, und was wollten sie?“ „Keine Ahnung, haben sie nicht gesagt. Nur dass Gu- iglelmo zurückkäme, wenn alles wieder in Ordnung sei. Sie haben dich verflucht und gedroht, dich zu er- schießen, wenn sie dich in die Finger kriegen. Jeff, kannst du mir sagen, was los ist? Ich hab ein Recht dazu.“ „Fiona, beruhige dich. Ich kann dir im Augenblick auch nicht mehr sagen. Wir sitzen in der Klemme. Sie haben Guiglelmo entführt und wollen Dokumente von mir erpressen.“ „Welche Dokumente?“ „Meine Examenarbeit von damals.“ „Ach die! Gib sie ihnen, damit Guiglelmo wieder freikommt. Ich bitte dich!“ „Kann ich nicht, selbst wenn ich wollte, ich besitze sie nicht mehr. Sie ist in sicheren Händen seit Jahren und wird auch da bleiben. Keiner hat das Recht, sie zu besitzen.Wenn Guiglelmo nach Hause will, wird er es ihnen sagen, mehr vermag ich im Augenblick nicht zu unternehmen. Ich kann nur versuchen, herauszu- finden, wo sie ihn versteckt halten. Aber zuerst muss 34
  • 35. ich wissen, mit wem wir es zu tun haben. Tut mir leid, aber ich muss jetzt auflegen, da es nicht mein Handy ist und unsere Telefone seit geraumer Zeit abgehört werden. Ich melde mich, sobald ich kann. Kopf hoch und geh zu deiner Schwester Roberta, da bist du si- cher.Versprich es mir.“ Sie antwortete ganz weinerlich. „Jeff, hilf uns bitte, sie sollen ihre verdammten Papiere haben, wenn sie ihnen so wichtig sind. Hauptsache, Guiglelmo kommt wieder frei.“ „Ich verspreche dir, mein Menschenmöglichstes zu unternehmen, dass er bald frei kommt. Sei vorsichtig, pack dir einige Sachen ein und nimm dir ein Taxi. Also, ich melde mich, sobald es was Neues gibt. Kopf hoch, ciao Fiona. Ich hab dich lieb.“ Ich legte auf und war sichtlich betroffen. Das Ganze stimmte mich traurig. Ich konnte fühlen, wie es Fiona ging. Aber zuerst musste ich mit Jan überlegen, was wir als Nächstes tun konnten. Es war kurz vor Mitter- nacht, als ich auf meine Armbanduhr schaute. Bald standen wir auf der Straße. Aber wohin sollten wir nun gehen, ohne andere zu gefährden? Es war bitter, sich nicht einmal in seine eigenen vier Wände zurückziehen zu können. Ich wollte meine Frau und meine Kinder sehen. „So, Jan, wir nehmen uns ein Taxi und fahren zum Hotel.“ In diesem Moment begann es zu regnen. „Auch das noch“, meinte Jan, „ist es nicht mies ge- nug?!“ Etwas weiter die Straße runter warteten bereits einige Taxis auf Kundschaft. Wir stiegen ein und gaben das Hotel an. „Bitte zum Sheraton.“ Keiner sprach ein Wort, auch als der Taxifahrer Witze reißen wollte. Er 35
  • 36. bemerkte sofort, dass uns nicht danach zumute war. Eine halbe Stunde später waren wir an der Rezeption, wo ich höflich empfangen wurde. „Ihre Frau ist bereits mit den Kindern oben“, sagte der Portier. „Danke.“ „Haben die Herren kein Gepäck dabei?“ „Nein“, gab ich kurz zurück, ehe wir uns am Aufzug vorbei um die Ecke zur Bar begaben. Wir mussten noch einiges unter vier Augen besprechen, bevor wir nach oben gingen. „Jan, was hältst du davon, sollten wir nicht die verdammten CDs herausgeben?“ „Bist du verrückt! Auf gar keinen Fall. Du weißt, was dann passieren wird. Niemals in die Hände von Poli- tikern oder Konzernen, haben wir gesagt – und dabei bleibt es.“ „Du hast recht. Und Terroristen schon gar nicht“, er- widerte ich. Wir bestellten zwei Whiskys, obwohl wir keine Whis- kytrinker waren und unsere Vorliebe eher einem gu- ten französischen Rotwein galt. Aber in diesem Mo- ment tat es gut, unsere Sorgen zu ersaufen. Ich musste Jan etwas gestehen. „Hör mir mal gut zu: Ich hab mir damals erlaubt, einige Fehler in unsere Formel einzubauen, und hab euch das bis heute ver- schwiegen, aus vielerlei Gründen. Du weißt ja, wie das ist, man weiß nie im Leben … Leonardo da Vinci ist ähnlich vorgegangen. Er hat bei den Aufzeichnungen seiner Erfindungen immer einen Fehler eingeschleust, damit seine Ideen nicht nachgebaut werden konnten. Ich hab bereits vorgesorgt für den Fall, dass mir etwas zustößt. Das Originalteil der Formel befindet sich in sicheren Händen. Sie würden hingegen die Kopien mit den Fehlern bekommen. Sollen sie sich nur die 36
  • 37. Birne zermartern. Die verfügen bestimmt über fähi- ge Leute, die vielleicht in fünfzig Jahren herausfinden, wie es funktioniert. Bis dahin braucht eh keiner mehr eine Lösung, wenn wir mit unseren Rohstoffen und dem Klima so weitermachen. Hör mal, ich weiß sogar, wo die beiden von heute Abend abgestiegen sind. Ich habe vorne im Wagen einen bedruckten Umschlag gesehen mit Novotel. Wir könnten versuchen, heraus- zufinden, ob in der Parkgarage das Auto der beiden steht. Irgendwann müssen die doch auch schlafen.“ „Gute Idee!“, stimmte Jan mir zu. Mir ging’s darum, zu erfahren, mit wem wir es zu tun hatten. Jemand musste das Gangsterpärchen doch be- zahlt haben. Jan war sichtlich müde und wollte abschalten, aber das ging jetzt nicht. Da er morgen nach Rom reisen sollte, um dort nach Guiglelmo Ausschau zu halten, brauch- ten wir Informationen, und die bekamen wir nur im Novotel. Nachdem wir einen Plan ausgeheckt hatten, gingen wir auf unsere Zimmer. Teresa wartete bereits ungeduldig. „Ich hab mit Fiona telefoniert. Sie ist außer sich und hat nur geheult. Ihr solltet diesen Leuten die Informationen geben, damit Guiglelmo wieder freikommt.“ „Keiner kommt frei, weder Guiglelmo noch wir, wenn wir nicht diese Bande ausschalten oder Hilfe von au- ßen bekommen. Wir haben jedoch keine Wahl, also werden wir ihnen die Informationen übergeben.“ Fiona und Teresa sollten von den nicht vollständig ge- speicherten Daten noch nicht aufgeklärt werden, da sonst das Risiko bestand, dass sie, bei nicht vorherseh- baren Komplikationen oder Fragen von den Entfüh- rern bezüglich der Vollständigkeit des Materials, sich verquatschten. 37
  • 38. „So bekommen wir zumindest Guiglelmo frei und Zeit zu verschwinden. Buch schon mal vier Tickets für uns nach Cancun und für Jan eins nach Rom. Kannst du das für uns übernehmen? Wir fliegen nach Mexiko zu Jackie und León, da werden sie uns am wenigsten vermuten. Ich hab dort noch einiges aufzuklären.“ Sie starrte mich an, als wäre ich ein Außerirdischer. Aber ich wusste, wovon ich sprach. „Von Cancun fliegen wir weiter nach Palenque. Ich möchte mich dort mit León treffen.“ Ich sah hierin unsere einzige Chance. León Almeida war Maya-Experte. Wir hatten uns vor etwa zwan- zig Jahren in Mexiko kennengelernt und waren seit- dem befreundet. Nach einigem Hin und Her hatte ich, ohne mich mit Jan und Guiglelmo abzusprechen, León einen wichtigen Teil meiner damaligen Arbeit übergeben und mit ihm vereinbart, dass er den Me- morystick mit den codierten Informationen zur An- lage sehr gut aufbewahren sollte, bis ich ihn brauchte. Ohne diese wichtigen Details konnten die Anlagen nicht in Betrieb genommen werden. León ahnte nicht, welche Informationen dieser Stick beinhaltete. Aber vielleicht konnte er uns jetzt helfen. Wir muss- ten an die Öffentlichkeit, damit wir das Projekt star- ten konnten. Die anderen brauchten mein Wissen, um noch mehr Macht und Reichtum anzuhäufen. Denen schien jedes Mittel recht zu sein. „Es tut mir leid, dich, die Kinder und Fiona mit hi- neinziehen zu müssen. Aber was soll ich deiner Mei- nung nach tun? Klein beigeben – dann kannst du mich morgen tot aus der Gosse fischen. Lieber setz ich mich zur Wehr und such nach einem Weg, die Anlagen selbst zu bauen, anstatt es diesen Profithaien und Spekulanten zu überlassen, die doch nur die ge- 38
  • 39. wonnene Energie an der Börse teuer wiederverkau- fen werden.“ Teresa unterbrach mich: „Können wir das den Kin- dern nicht ersparen?“ In diesem Augenblick kam Tommaso herein, ohne an- zuklopfen. Ich zuckte zusammen. „Pa, das ist eine ziemliche Scheißgeschichte mit On- kel Guiglelmo. Was können wir tun?“ Es überraschte mich, wie locker er ranging. „Ich will euch helfen, wenn du erlaubst, damit dieser Albtraum schnell zu Ende geht. Ich hab mir sofort gedacht, dass es um dei- ne Examenarbeit geht. Wo steckt Jan Bieberich? Ich hab gehört, er ist auch bei dir.“ „Er hat ein eigenes Zimmer, wenn du erlaubst. So, und womit willst du mir helfen?“ „Man könnte versuchen, ihre Identität herauszufin- den, und mit ihnen verhandeln.“ „Daran hätte ich nicht gedacht, mein Junge“, entgeg- nete ich. „Diese Leute machen keine Verträge, son- dern nehmen sich, was ihnen in den Kram passt, aber die Idee ist nicht schlecht. Doch wie willst du das an- stellen?“ Ich musste grinsen. „Etwa mit einem weißen Tuch wedeln und sich ergeben?“ „Pa, sei nicht albern! Wie sonst willst du Onkel Gu- iglelmo da rausholen, außer mit einem Lockvogel zu Verhandlungen zu gehen. Sie lassen Onkel Guiglelmo frei, während wir eine gefälschte Examenarbeit ab- geben.“ „Das dürfte nicht so einfach sein. Sie werden zuerst sichergehen wollen, dass sie die richtigen Informa- tionen erhalten haben, und Onkel Guiglelmo nicht eher freigeben, bis sie sie überprüft haben. Und wenn ihnen das nicht reicht, knallen sie Onkel Guiglelmo ab“, fuhr ich fort. „Aber die Richtung stimmt, Junge. 39
  • 40. Aber zu deiner Information, wir fliegen so bald wie möglich nach Mexiko.“ „Was, Mexiko? Wie? Wieso Mexiko? Was sollen wir in Mexiko?“ „Ich treffe mich dort mit jemand.“ „Ach so, und wer soll das sein?“ „León Almeida“, antwortete ich meinem noch un- wissenden Sohn. Doch ich hatte vor, Tommaso endlich einzuweihen, damit er León warnen konnte, falls etwas passieren sollte. Schließlich war er alt genug und die Zeit reif, ihm einige Vorgänge meiner Erfindung zu unterbrei- ten. „Wir haben einen Plan ausgetüftelt. Wenn der hin- haut, gewinnen wir Zeit, und dein Onkel käme viel- leicht frei. Du wirst dich aber noch etwas in Geduld üben müssen und mich in Mexiko begleiten. – So jetzt brauch ich aber eine Mütze Schlaf. Jan und ich müssen gegen drei, vier Uhr noch einiges erledigen, wenn diese verdammten Bastarde nicht vorher heraus- gefunden haben, wo wir uns aufhalten. Keine Gesprä- che mit Handys. Sie könnten uns vielleicht dadurch lokalisieren. Und keine Telefonate mit irgendwelchen Bekannten und niemals mit Fiona. So können sie uns nicht zurückverfolgen. Schließlich wissen wir nicht, mit wem wir es zu tun haben. Ob Privatiers, Unter- nehmer oder sogar der Geheimdienst und somit die Regierung, jeder kann dahinterstecken. Und aus wel- chem Land stammen sie?“ Diese Fragen mussten geklärt werden, und das Novo- tel könnte uns weiterhelfen. „Wo ist Marcella?“ „In ihrem Zimmer“, gab Teresa sofort zurück. „Sie soll mit niemandem telefonieren, kannst du ihr 40
  • 41. das sagen, Teresa!“ Das Zimmertelefon klingelte. Teresa hob den Hörer ab. „Ja bitte! – Ach, du bist es, wie geht’s dir? Was? Du willst mit Jeff sprechen? Au- genblick, ich geb ihn dir. Wir sehen uns aber noch beim Frühstück?“ Sie reichte mir den Hörer. „Es ist Jan.“ „Ja, hallo, was gibt’s?“ „Ich glaub, das Beste wäre, sofort zuzuschlagen, Jeff“, meinte Jan. „Und wieso?“, fragte ich. „Ich dachte, du wärst müde.“ „Ich bin nach der Dusche wieder topfit und denke, wir sollten schnellstens herausfinden, mit wem wir es zu tun haben. Bis dahin hab ich ja doch keine Ruhe“, meinte Jan, womit er recht hatte. „Also los, wir treffen uns draußen vor dem Hotel. Ich lass uns ein Taxi kommen. Bis in zehn Minuten.“ Ich legte wieder auf und wählte die Rezeption. „Bitte ein Taxi in zehn Minuten. – Gut, danke“, sagte ich und drehte mich zu Teresa und Tommaso. „Ihr habt es gehört, wir wollen der Sache schon jetzt auf den Grund gehen und fahren zum Novotel. Falls ich in zwei Stunden noch nicht zurück bin, musst du diese Kette zu León bringen.“ Ich zog die Kette über mei- nen Kopf und gab sie meinem Sohn. „Herr Almeida wird dir den Memorystick nur im Austausch gegen dieses Aztekenmedaillon aushändigen, so haben wir es damals abgemacht, sollte ich ihn nicht persönlich abholen können. Du holst das Paket aber nur, damit Onkel Guiglelmo freikommt, gesetzt den Fall, dass es heute Nacht nicht klappen sollte.“ In diesem Augenblick trat Marcella ins Zimmer, kam sofort auf mich zu und umarmte mich. „Oh Papa, ich 41
  • 42. hab dich sehr vermisst.“ „Bin auch froh, dich wieder bei mir zu haben, mein Kind.“ Sie hielt mich noch eine Weile fest und meinte dann: „Was wollen die von uns? Was ist mit Onkel Guiglel- mo, kommt er wieder frei? Papa, versprich mir, dass ihr sehr vorsichtig seid. Kann ich vielleicht auch hel- fen?“ „Ja, natürlich, du kannst deiner Mutter Gesellschaft leisten.Wir fliegen, sobald ein Flug nach Cancun geht. Es wäre lieb, wenn ihr euch darum kümmert.“ Unsere Strategie beruhte jetzt auf gegenseitigem Ver- trauen, und wenn alle Bescheid wussten, waren wir ein Team und konnten uns so besser durchsetzen. „Wir müssen uns nur ein Handy besorgen, ein neut- rales, was sich nicht zurückverfolgen lässt.“ „Papa, ich hab eins, zwar ein altes, aber es funktioniert noch.“ „Brauchst du sicher, um deine verschiedenen Freun- dinnen anzurufen“, bemerkte ich. Tommaso grinste, ohne sich zu äußern, kramte aus seiner Jackentasche ein Handy hervor und reichte es mir. In diesem Augenblick kam auch Jan ins Zimmer. „So, ich bin so weit.Von mir aus können wir los. Wie weit seid ihr?“ „Alles klar“, bestätigte ich und gab noch einige An- weisungen: „Hört mal gut zu, wir gehen die Sache noch einmal schnell durch. Also, worum es geht: Wir versuchen herauszufinden, ohne viel Wirbel und Auf- sehen, was das für Leute sind und für wen sie arbeiten. Vielleicht finden wir in ihrem Wagen bereits, wonach wir suchen, und ziehen uns sofort zurück. Du, Tom- maso, gibst uns Rückendeckung in der Zeit, wo Jan 42
  • 43. und ich uns an dem Wagen zu schaffen machen. Ist das okay so?“ „Kein Problem, geht klar! Ihr könnt euch auf mich verlassen. Es kribbelt schon.“ „Falls wir durch das Hotel schleichen müssen, wird es nicht einfach, zumal wir sofort auffallen würden. Da sind bestimmt Kameras aufgestellt“, sagte Jan. „Um reinzukommen, müssten wir ein Zimmer reser- vieren. So hätten wir freie Bahn im Hotel“, fiel Tom- maso plötzlich ein. „Ja, das scheint mir das Einfachste zu sein“, gab Jan zu. „Denk ich auch, gute Idee, Junge! Also los, ich sag den Frauen Bescheid. Tommaso, nimm zwei Koffer und steck ein paar Decken rein, damit es echt wirkt – und ab geht’s. Ich bin sehr gespannt, wer dahintersteckt“, sagte ich. „Es müssen Holländer sein. Die hatten einen komi- schen englischen Akzent“, bemerkte Jan. „Egal, es nutzt uns nichts, wenn wir herumraten“, er- widerte ich. „Sie scheinen nicht lockerzulassen.“ Wir gingen runter, verstauten die Koffer im Koffer- raum und fuhren los Richtung Novotel.Tommaso be- trat als Erster das Hotel. Nach einigen Minuten folg- te ich mit Jan. Obwohl es bereits halb zwei in der Nacht war, wurden wir freundlich empfangen. In der Bar saßen noch einige Gäste, zum Glück nicht unsere beiden schrägen Vögel. Tommaso war sofort auf sein Zimmer gegangen. Auch Jan und ich folgten sofort und gaben ihm Bescheid, dass es losging. Wir nahmen den Aufzug zur Tiefgarage, wo nicht allzu viele Autos parkten. Wir brauchten nicht lange zu suchen, da sah ich die schwarze Limousine. 43
  • 44. „Jan, da steht der Van, der mich mitgenommen hat. Aber Vorsicht, dass der Alarm nicht losgeht.“ Wir taten so, als wollten wir einsteigen, ich an der Fahrerseite und Jan als Beifahrer. Ich fummelte nach dem vermeintlichen Schlüssel, während Jan sich an- schickte, die Beifahrertür zu knacken. Es dauerte eine Weile, bis es so weit war. Sofort ging der Alarm los, als die Fensterscheibe in Stücke zersprang. Er mach- te sofort die Tür auf und lehnte sich in den Wagen, um die Fahrertür zu öffnen. Wir fackelten nicht lan- ge, steckten alles, was im Handschuhfach lag, in eine Plastiktüte und fuhren mit dem Aufzug zu Tommasos Zimmer. Mittlerweile hatte mein Sohn sich schlau ge- macht, wie wir unauffällig aus dem Hotel verschwin- den konnten. Da alle Zimmer im Parterre lagen, war es nicht schwierig, am Ende des Ganges durch den Notausgang nach draußen zu gelangen, wobei der Alarm ausgelöst wurde. Schnell und ohne viele Worte verschwanden wir nach draußen und befanden uns im Park des Hotels. Lichter wurden angeschaltet. Ohne Zwischenfälle konnten wir entkommen. Als wir in einer Nebenstraße angelangt waren, hörten wir in der Ferne, wie sich Polizeisirenen näherten. Wir mussten uns trennen und zurück zum Hotel Sheraton fahren. Im Zentrum nahm jeder ein Taxi. Im Hotel trafen wir auf etwas nervös wartende Frauen, die sich aber entspannten, als wir meldeten, dass alles gut geklappt hätte. Ohne lange zu fackeln, drehte ich die Tüte auf den Kopf und betrachtete unsere Beu- te. Autopapiere, eine Mappe, Adresskarten, Anzünder, Kugelschreiber, Brille und ein kleines Notizbuch, das ich neugierig aufschlug. „Ich glaube, wir haben Glück.“ Ich blätterte darin herum und schlug das Datum von 44
  • 45. heute auf. Da waren einige Telefonnummern notiert. Mir fielen sofort die 0039-Nummer aus Italien und weitere Nummern aus Holland mit der Vorwahl 0031 auf. „Sieh mal einer an“, sagte ich. Zügig blätterte ich wei- ter und fand einen Namen, der mir sehr bekannt vor- kam, und ich wusste auch, für wen er arbeitete. „Das ist nicht möglich, ein Ölkonzern scheint an unseren Unterlagen interessiert zu sein, wenn das stimmen sollte. Er selbst ist ein ziemlich bekannter Politiker und verkehrt ganz oben in der Regierung. War früher sehr lange Berater des Konzerns, was nicht heißt, dass er dies nicht mehr ist“, fügte ich hinzu. „Wenn das stimmt, Jeff, haben wir gute Arbeit geleis- tet“, freute sich Jan zurückhaltend. „Teresa, ihr bleibt im Hotel. Keiner weiß, wo wir uns befinden. Sobald die Flugtickets beim Portier vor- liegen und die Abflugzeit bekannt ist, verschwinden wir. Du, Jan, musst in Rom in einem Hotel ausstei- gen und versuchen, Fiona unauffällig zu kontaktie- ren. Keine Handys bitte, telefonier nur aus dem Hotel. Diese Telefone können sie schwierig zurückverfolgen. Verstanden? Wir werden nur von Hotel zu Hotel in Kontakt treten, ist das klar, egal, was passiert?! Oder wir hinterlassen eine Nachricht beim Portier, die du abfragen kannst.“ „Ich werde alles Nötige tun. Ich bin doch nicht le- bensmüde.“ „Ich werde dir die Dokumente an deine E-Mail-Ad- resse schicken. Du kannst sie dir dann im Hotel in Rom auf CD brennen. Das könnte Guiglelmo mit ein bisschen Glück das Leben retten. Wir müssen alles versuchen. Tommaso, wir fahren getrennt zum Flug- hafen. Das heißt, du mit deiner Schwester und ich mit 45
  • 46. deiner Mutter“, schloss ich das Gespräch. „Wir neh- men noch eine Mütze voll Schlaf, können wir ehrlich gesagt gebrauchen“, gestand ich. „Wann gehen die Flüge?“, fragte ich Teresa. „Morgen zum Frühstück wissen wir Bescheid“, gab sie zurück. „Ich bin jetzt auch müde, ich möchte ins Bett, also gute Nacht allerseits.“ Sie ging rüber zum Schlafzimmer. Marcella hatte kein Wort gesagt, aber die blanke Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben. „Ich möchte bei Mama schlafen“, sagte sie etwas ängstlich. „Papa, du kannst ja in meinem Zimmer schlafen“, sagte Tommaso sofort. „Nein, ich schlafe hier auf der Couch, es geht schon. Muss noch einige Sachen erledigen und über man- ches nachdenken. Wir können uns keine Fehler er- lauben. Ruht euch gut aus. Wer weiß, was noch alles kommt.Wir können keinem trauen. Ich muss morgen früh auch noch im Werk anrufen.“ Mittlerweile war es halb sechs in der Früh geworden und die Augen brannten mir im Kopf. Die längste Nacht meines Lebens lag hinter mir, ohne eine Party gefeiert zu haben. 46
  • 47. Mexiko, hola Es schien alles so unheimlich und unwirklich zu sein. Ich stand in Cancun mit meiner Familie, ohne dass Ferienfreude aufgekommen wäre. Glühend heiß brannte die Sonne vom Himmel, das kannte ich so nicht vor zehn Jahren. Den Klimawandel spürte man hier sehr deutlich, genauso wie den Golfstrom, der noch unerträglicher und heißer geworden war. Hier waren Hurrikans an der Tagesordnung, es vergingen keine zwei Wochen, und schon fegte der nächste Or- kan erbarmungslos über das Meer und das Land. Im zwölften Stock der Staroil in Rotterdam herrschte dicke Luft, dort verfolgte man eine andere Realität. Sie waren zusammengekommen, um die Situation mit all ihren schiefgelaufenen Einzelheiten zu beurteilen. Die Gesichter schauten düster drein, während sie auf den Aufsichtsratsvorsitzenden des zweitgrößten Ölprodu- zenten des Globus warteten. Aber die Aktien fielen von Minute zu Minute. Man musste sich entscheiden, ob sie von der Börse genommen werden sollten. Mitt- lerweile nichts Neues auf diesem Gebiet. Schon seit vier Jahren beherrschte das Phänomen des Auf und Ab weltweit die Börsenparkette. Der einzige Druck, den die Öl- und Gaslieferanten ausüben konnten, be- stand darin, den Hahn zuzudrehen oder Lieferstopps auszusprechen, wenn nicht innerhalb kurzer Zeit bar gezahlt wurde. Alle Übernahmen hatten nicht dazu beigetragen, die Aktionäre zu sättigen. Hier lautete das Motto: fressen oder gefressen werden. Es war nichts Neu- es, dass auch an dieser Front die Karten neu gemischt werden mussten, um einigermaßen die Kontrolle der durstigen Wirtschaftsbonzen zu löschen. 47
  • 48. Nach einigen Minuten des Wartens kamen der Se- kretär und die Dolmetscherin, um den Vorsitzenden anzumelden. Die außerordentliche Konferenz sollte neue Perspektiven öffnen. „Meine Damen und Herren, sehr verehrte Freunde und Gäste: der Präsident“, wurde er von einer Dame angemeldet. Alle applaudierten und warteten gespannt, was And- reas van der Heuvel zu sagen hatte. Langsam und ziel- bewusst begab er sich ans Rednerpult. „Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie wis- sen, dies ist eine geschlossene Zusammenkunft. Ich möchte nicht zu lange ihre Geduld strapazieren und gleich zum Wesentlichen kommen. Wir haben zwar einen der drei Protagonisten der Theorie, aber das nützt uns wenig. Ich bin mir sicher, dass nach den Vor- fällen im Novotel in Köln die anderen beiden Herr- schaften bereits über unser Vorhaben Bescheid wissen. Uns nützt der Tod von Guiglelmo Vaccha wenig, an- dererseits kann er als Druckmittel verwendet werden. Was mit ihm passieren soll, wollen wir erst einmal zu- rückstellen. Da wir die beiden anderen verloren haben, können wir nur Vermutungen über ihren Aufenthalts- ort anstellen. Ich möchte, dass sie alles daransetzen, sie zu finden, andernfalls geraten wir ins Hintertreffen zur Konkurrenz. Schließlich sind wir sehr großzü- gig unseren Zahlungen gegenüber der Staroil nach- gekommen. Wollen Sie, dass wir uns nach fähigeren Leuten umsehen? Ich möchte unverzüglich Resultate und die Pläne unverfälscht auf meinem Schreibtisch sehen. Ich mache keinen Hehl daraus oder ihr seid ab sofort arbeitslos. Möchte jemand noch etwas sagen?“ Ein junger Mann namens Alex J. Scott hob die Hand und meinte: „Wie sollen wir arbeiten, wenn keiner 48
  • 49. zu Schaden kommen soll. Früher oder später gelangt die Angelegenheit an die Presse, wenn wir weiter so zögern. Nichtsdestotrotz hatten wir alle drei bereits in unseren Händen. Doch keiner kann jemanden zwin- gen, die Aufzeichnungen herauszugeben, ohne Druck zu machen, außer wir machen ernst, bevor die Presse oder die andere Seite Wind davon bekommt. Schließ- lich sind Sie politisch geschützt und genießen Immu- nität.“ „Stimmt nur zum Teil. Sie können nicht zur Polizei gehen, denn sie vertrauen niemandem, außer viel- leicht ein paar Leuten, deren Namen ich nun bekannt geben werde, damit dies ein schnelles Ende findet.Wir werden sie sofort aus dem Verkehr ziehen, damit Brink und Bieberich einsehen, wie brenzlig es wird. Wir können uns keine negative Presse erlauben. Aber ein Hintertürchen besteht: Schnappt euch León Almeida und macht ihm klar, dass wir für gar nichts garantieren, wenn er die Brinks aufnimmt. Und Brinks vertrauter Mitarbeiter Andreas Gloden bei Medpharma soll so- fort mit der Sprache herausrücken, was sie zurzeit im Werk entwickeln und wie weit sie mit der Forschung sind. Versucht an alle Informationen zu gelangen und nochmals: Ich sage euch, wann Blut vergossen wer- den soll. Denn wenn etwas schiefgeht, können wir das Ganze vergessen. Es ist für uns und unser Land von enormer Wichtigkeit, die Theorie in unsere Hände zu bekommen, ohne Aufsehen zu erregen. So, das wäre alles. Ich will, dass übermorgen um dieselbe Zeit alles erledigt ist. Wie, ist mir egal. Ihr seid die Profis. Ich muss weiter die Aktionäre und den Aufsichtsrat be- ruhigen. Also, achtundvierzig Stunden und keine Mi- nute mehr. Hab ich mich klar ausgedrückt?“ Alex J. Scott, ein ziemlich rauer Bursche und gewalt- 49
  • 50. tätig, wollte die Lage mit aller Macht wieder gera- debiegen. Aber das ging nur, wenn ein paar von der Mannschaft an seiner Seite und unter seinem Kom- mando stünden. Er veranlasste ein Treffen außerhalb, um das weitere Vorgehen zu planen. Er hatte nichts Gutes, dieser Plan. Im Hotel Holiday Inn auf Cancun waren die paar Habseligkeiten schnell aufs Zimmer gebracht.Wir tra- fen uns anschließend im klimagekühlten Lunchraum. Die Uhr zeigte halb neun. Draußen war es schon stockdunkel und schwül bei 40 Grad. Ich hatte mit Jan telefoniert, der sehr vorsichtig bei Fiona aufgekreuzt war, um Genaueres zu erfahren. Sie hatte meinen Rat, zu ihrer Schwester zu gehen, nicht befolgt. Daher musste sie unbedingt von zu Hause weg und in Sicherheit gebracht werden, damit keine weiteren Familienmitglieder in Gefahr gebracht wur- den. Jan meinte, sie habe sehr mitgenommen ausgese- hen und gewollt, dass wir unser Wissen herausgaben. Er hatte sie beruhigt und ihr erklärt, dass wir alles in unserer Macht Stehende tun würden, um Guiglelmo freizubekommen, aber bis jetzt hatte sich keiner der Entführer gemeldet, um den Transfer vorzubereiten. Wir warteten alle ungeduldig auf Jans Anruf aus Rom. Als das Abendessen serviert wurde, kam ein Kellner und brachte einen Briefumschlag auf einem Tablett. Ich nahm ihn entgegen und schaute mich im Restau- rant nach verdächtigen Personen um. Alles war fried- lich. Gespannt öffnete ich den Brief und las die paar Sätze. „Lieber Freund, wenn du diesen Brief in der Hand hältst, bin ich entweder tot oder auf Chichen Itza im 50
  • 51. Maya-Land-Hotel. Da mir aufgefallen ist, dass eini- ge Leute mich seit zwei Wochen beobachten, hab ich mich entschieden, nach unserem Telefonat sofort ab- zureisen, ohne auf Palenque eine Nachricht zu hin- terlassen. Bis bald, Junge. León Almeida.“ „So“, sagte ich, „sie wissen Bescheid. León wurde of- fenbar bereits seit Wochen beschattet. Er ist abgereist nach Chichen Itza ins Maya-Land-Hotel. Wir fahren morgen in der Früh sofort dahin. Tommaso, du gehst mit mir. Die Frauen bleiben hier in einem anderen Hotel. Es tut mir leid, aber es ist besser so.“ „Jeff, ich werde noch verrückt, wann hört dieses Thea- ter endlich auf“, bemerkte Teresa aufgeregt. „Mama, es ist gut, Papa will ja nur, dass wir nicht auch noch mit reingezogen werden, und er hat recht mit seiner Vorsicht“, entgegnete Marcella, und zu mir ge- richtet: „Papa, ich möchte auch mit nach Chichen Itza, ich bin noch nie dort gewesen.“ „Geht leider nicht, mein Kind, ein andermal viel- leicht.“ „Ich bin kein Kind mehr. Hör auf damit! Ich werde auch sehr brav sein.“ „Wir brauchen einen Geländewagen, Tommaso“, ver- suchte ich abzulenken. „Eigentlich möchte ich auch dabei sein“, sagte Teresa, „warum sollen wir Frauen immer ins Wartezimmer abgeschoben werden. Jeff, wir fahren auch mit!“ Ich musste ihr recht geben. Sie wie rohe Eier zu be- handeln brachte überhaupt nichts. „Also gut, wir fahren alle zusammen.“ Unmittelbar nach dem Kaffee gingen wir auf unsere Zimmer und gingen früh zu Bett. Da ich nicht schla- fen konnte, rief ich Jan an. Er hatte herausgefunden, dass es sich bei der italienischen Telefonnummer aus 51
  • 52. dem Notizblock um eine Filiale des holländischen Ölkonzerns handelte. Morgen wollte er etwas Licht in die Sache bringen, indem er ein wenig nachforsch- te. Vielleicht wurde Guiglelmo dort festgehalten. Ein billiger Trick sollte ihm dabei helfen. Wenn sich die beiden Männer in dieser Filiale befanden, wussten wir, dass Guiglelmo nicht weit weg sein konnte. Das ließ uns hoffen. Ich traute mich nicht, im Maya-Land-Hotel anzu- rufen und nach León zu fragen, damit niemand von unserer Ankunft erfuhr. Irgendwann schlief ich ein. Unterwegs nach Chichen Itza überraschte uns ein fürchterlicher Platzregen. Es schüttete wie aus Ei- mern, sodass wir anhalten mussten. Durch die hef- tigen Windböen und umgefallenen Bäume verloren wir viel Zeit. Wieder wurden wir mit den unbere- chenbaren Folgen des Klimawandels konfrontiert. Am späten Nachmittag erreichten wir eine der schönsten Hinterlassenschaften der alten Mayakultur. Die Maya verschwanden genau auf dem Höhepunkt ihres Da- seins, als hätte sie der Erdboden verschluckt. So wie Uxmal, Tulum, Palenque und viele andere Kultstätten. Als Ursache ihres Verschwindens vermuteten die Wis- senschaftler eine jahrzehntelange Trockenheit, den- noch blieb es ein riesiges Geheimnis. Einige Fragen waren zwar beantwortet worden, aber bei sehr vielen anderen stocherte man noch im Dunkeln. Der Zyklus des Maya-Kalenders endete, wenn alles stimmte, 2012 unserer Zeit, also im vorigen Jahr. Des Weiteren hatten die Pyramiden mit den acht Stufen eine symbolische Bedeutung. León und ich waren davon überzeugt, dass ein gemeinsamer Nenner zwi- schen all diesen Mythen und Hinterlassenschaften der 52
  • 53. prähistorischen Monumentalgeschichte bestand und wir es mit ziemlicher Sicherheit in nicht allzu lan- ger Zeit wissen oder schmerzlich würden erfahren müssen. Weil die spanischen Konquistadoren sowohl in Mittel- als auch in Südamerika aus Habgier viel zerstört und geplündert hatten, standen wir vor kei- ner leichten Aufgabe, genaue Abläufe dieser Kulturen nachzuvollziehen. Der Tzolkin-Kalender,Teil des Maya-Kalenders, stellte meiner Theorie nach einen Erdenlauf-Zyklus von etwa sechsundzwanzigtausend Jahren dar, wobei jedes der dreizehn Zahlenfelder eine Periode von zweitausend Jahren darstellte. Die zwanzig äußeren Unterteilungen des kreisförmigen Kalenders, die Hieroglyphen, reprä- sentierten die bestimmenden, einschneidenden Ereig- nisse oder Merkmale einer Epoche. Nördlich auf der Scheibe ist die Hieroglyphe eines Kindgesichts, die als Menschensohn (Messias) zu verstehen ist, abgebildet. Unterhalb beginnt gleichzeitig mit der Hieroglyphe die letzte Zahl, dreizehn. Zu diesem Zeitpunkt wurde Jesus Christus geboren. Die Hieroglyphe linkerhand wird übergreifend von der Zahl dreizehn in die Zahl eins (die neue Erde) dargestellt. Das war genau unse- re jetzige Zeitperiode. Dies bedeutete, dass wir, die Menschheit, einer gewaltigen Veränderung entgegen- schauten. Wann genau dies sein würde, konnte und sollte keiner bestimmen. Meine neuen Erkenntnisse diesbezüglich wollte ich León unterbreiten, der seit mehreren Jahrzehnten Maya-Experte war. Dann schweiften meine Gedanken in die Gegen- wart zurück. Die Tatsache, dass der Sauerstoffanteil in der Luft stetig zurückgegangen war und das Ozon- 53
  • 54. loch immer größer über den Polen klaffte, lag letzt- endlich nicht an irgendwelchen Sonnenaktivitäten oder -winden, sondern an der nicht abnehmenden Verschmutzung und dem Treibhauseffekt durch den CO2-Ausstoß, den die Menschen verursacht hatten. Doch die Menschen hatten ihre Augen verschlossen oder ihnen wurde verschwiegen, dass der immense, seit 1965 ständig steigende Kohlenmonoxid-Ausstoß eines Tages seinen Preis fordern würde, wie viele Ex- perten vorausgesagt hatten, aber die Politik hatte die Auswirkungen auf Natur und Ernährung systematisch verharmlost und vertuscht. Sogar unsere Ozeane wa- ren mittlerweile hochgradig verschmutzt und leer ge- fischt, wobei vollkommen vergessen wurde, dass sie seit Millionen von Jahren ein wertvolles Element für das Leben und unser Klima waren. Doch wenn der letzte Wal aus dem Meer gefischt war, was dann? Zu- dem waren unsere Süßwasserreserven, auch Gletscher genannt, weltweit gänzlich verschwunden und keiner wollte etwas ändern. Alle Abläufe, die auf der Erde seit Millionen von Jah- ren als selbstverständlich galten, durften jetzt nicht durch einige Mächtige aus Habsucht und Profitgier nach Lust und Laune zerstört werden. Jeder Mensch sollte an dieser Welt teilhaben. Aber da viele Machtha- ber oder Industriepotentaten sich als alleinige Eigen- tümer der Ressourcen betrachteten, sich das Recht herausnahmen, diese auszubeuten, und die Politik sie als Wirtschaftselite auf Kosten der Verbraucher oder Mittellosen und Unwissenden hochstilisierte, hatten wir keine Zukunft. Jeder Mensch sollte täglich an seine eigene Verantwor- tung erinnert werden. Auf den Werbeplakaten und auf der Verpackung sollte man auf die Schädlichkeit der 54
  • 55. Produkte hinweisen, wie auf den Zigarettenschach- teln. Beispielsweise: Autoreifen töten und verpesten unsere Umwelt. Die Konzerne sollten vom eigenen Personal ermahnt werden, auf saubere Energien und Produkte umzurüsten. Das Kyoto-Abkommen hatte überdies kläglich ver- sagt und nicht den Hunger nach mehr Energie der westlichen Zivilisationen und neuen kapitalistischen Länder, wie China, Indien und Russland, stillen kön- nen. Dadurch waren noch mehr CO2-Emissionen in die Atmosphäre gelangt, aber auch Milliarden von Dollar in die eigenen Taschen der Börsianer geflossen. Von Abstrafen der Industrieländer keine Rede, weil sie nach Belieben Zertifikate kaufen, verkaufen und übertragen konnten. Bis heute hatte sich niemand für eine Alternative eingesetzt. Das Ganze drohte zu kip- pen und niemand schien sich darum zu scheren, auch wenn allerorts viel geredet und dokumentiert wurde. Aber in sehr naher Zukunft sollte das ein Nachspiel haben. Die Armen konnten sich nicht verteidigen, während die Reichen keinen Anlass dazu sahen, zu- mal sie bereits Sauerstofftanks eingebunkert hatten, um eine eventuelle Krise zu überstehen. Von Wis- senschaftlern wurde prognostiziert, dass bis zum Jahr 2030 auf der nördlichen Hälfte des Globus kaum noch jemand überleben könnte, während die südliche He- misphäre in Kriege verwickelt sein würde durch Dür- reperioden, Flüchtlings- und Asylprobleme, Hunger und Epidemien und nicht zuletzt wegen der unter- schiedlichen Kulturen und Religionen. Ich persönlich wollte unbedingt die Zusammenhän- ge und die Entstehung von Leben vor Millionen von Jahren verstehen. Die Mythen und Legenden der ver- gangenen Kulturen hatten uns eine Menge Botschaf- 55
  • 56. ten hinterlassen, die uns helfen konnten, die Vorgänge der Zeit zu begreifen und eine Lösung zu finden. Die Beweise erhärteten sich, dass gewisse Leute sich meines Wissens ermächtigen wollten, um selbst nicht eines Tages mit ihren Produkten auf dem Trocknen zu stehen. Wer wollte schon zusehen, wie der andere bejubelt wurde, während man selbst aufgeben musste. Meine Theorie von der WWP, World Without Profit (Welt Ohne Profit), sollte jedem offen gelegt werden, und es sollte gemeinsam weiter geforscht und nicht für eigene Interessen genutzt werden. Lieber ver- brannte ich meine Erkenntnisse oder nahm sie mit ins Grab. Ich bemerkte erst jetzt, dass wir fast angekommen waren. Der Tourismus schien beinahe erloschen zu sein, seit ich zum letzten Mal diese Kultstätten be- sucht hatte. Immer weniger Busse waren uns begeg- net. Mir war es damals schon komisch vorgekommen, dass Menschen und Kulturen solche Bauwerke für die Ewigkeit bauten, obwohl sie selbst nach kurzer Zeit verschwanden. Ich denke, wenn wir zum Beispiel lange Jahre am Petersdom in Rom nichts reparieren würden, wäre bereits nach zweihundert Jahren von diesem Prunkbau nicht mehr viel übrig. Die Bausubs- tanz war eben nicht dieselbe und konnte die Jahrtau- sende nicht überdauern. Wir bogen in die Straße, die uns zum Maya-Land- Hotel führte. Das Unwetter hatte sich mittlerweile beruhigt. Marcella sagte: „Ich wäre doch lieber zu Hause ge- blieben, wenn es nicht für Onkel Guiglelmo die Ret- tung bedeuten würde.“ „Du wolltest doch unbedingt mit und jetzt redest du 56
  • 57. so. Ich wäre auch lieber zu Hause geblieben“, meinte Teresa. Tommaso dagegen befand sich in seinem Element. In der Hotellobby wurden wir bereits von den hie- sigen Mexikanern sehr freundlich empfangen. „Olà como va señoras e señores?“ „Mui bien, mui bien“, antwortete ich. „El señor Pro- fessor Almeida està aqui?“, fragte ich sofort an der Re- zeption. „Si, esta un correro por usted señor Brink“, sagte der Mann hinter der Theke, er hätte eine Nachricht von Professor Almeida. „Muchas gracias señor“, nahm ich den Brief entgegen. Ich drehte mich zu Teresa um und sah ihren besorgten Blick. Ich öffnete den Brief. Die Spannung stand allen ins Gesicht geschrieben. „Hallo, allerseits“, las ich laut vor. „Entschuldigt mich, ich musste mit meiner Familie zu einer Einladung von Bekannten aus der Nähe. Ich bin so gegen Abend wieder zurück. Ich habe bereits eine Suite im ersten Stock reservieren lassen. Entspannt euch inzwischen etwas von der Reise. Bis später. Grüße, León.“ Erleichtert atmeten wir auf. Dann gingen wir auf unsere Zimmer, die im Kolonialstil eingerichtet wa- ren. Es handelte sich um ein altes Hotel aus der spani- schen Epoche, sehr nach meinem Geschmack. An der Decke hing ein Ventilator, der langsam seine Runde drehte, während von draußen tropisches Vogelgeschrei und sehr sanfte mexikanische Gitarrenmusik herein- drangen. Die Sonne schien auch wieder. Marcella und Tommaso wollten im Swimmingpool eine Runde schwimmen und Teresa zog sich zu einer Siesta zurück. Somit hatte ich Zeit, Jan anzurufen und mich nach Neuigkeiten zu erkundigen. 57
  • 58. „Jan, ich bin’s. Ist Fiona bei dir?“, fragte ich sofort. „Ja, ja, alles so weit okay. Möchtest du mit ihr spre- chen?“ „Ja später, erzähl du zuerst.“ „Ich hab mich heute Morgen so gegen acht Uhr zum Büro der Staroil-Filiale hier in Rom aufgemacht und beobachtet, wer ein- und ausging. Unser nett geklei- deter Kerl ist drinnen verschwunden und später mit jemandem weggefahren. Allerdings konnte ich ihn nicht weiter verfolgen, weil ich zu einer Verabredung mit Fiona musste. Gestern Abend dagegen schien hier auf den Büroetagen mächtig was los gewesen zu sein. Ich muss unbedingt herausfinden, ob Guiglelmo hier festgehalten wird, dazu schleiche ich mich heute Abend nach Feierabend ins Gebäude. Mehr konnte ich noch nicht tun, zumal ich immer an die Sicherheit von Guiglelmo zu denken habe.“ „Hast recht, pass auf dich auf! Schreib dir bitte die Nummer von unserem Hotel hier auf. Also sie lau- tet: 0052 3654876823. Bis später. Gib mir Fiona.“ Ich wandte mich um. „Teresa, möchtest du mit ihr reden, es gibt nichts Neues in der Sache, aber du könntest sie etwas trösten.“ Sie nahm den Hörer. „Ja gut.“  – “Hallo, Fiona, wie geht es dir …“ Ich machte mir einen Drink und verschwand auf die Veranda, ein sehr romantischer Ort, der einen Blick auf die berühmte Pyramide von Chichen Itza mit ihrem Gott Chak Mol an der anderen Seite des Platzes, ein paar hundert Meter von hier, erlaubte. Ich setzte mich auf einen bequemen Sessel und schlief augenblicklich ein. Teresa weckte mich zum Abendessen mit einem zärtlichen Kuss auf die Stirn. Mir war nicht sehr wohl, am liebsten hätte ich mich umgedreht und weiter- 58
  • 59. geschlafen. Die Kinder waren schon umgezogen und Teresa schminkte sich gerade. Draußen war es stockdunkel. „León ist mit Frau und Tochter schon eingetroffen. Sie haben vor einer halben Stunde auf dem Zimmer angerufen. Wir treffen uns gegen halb neun im Foyer und essen später zusammen.“ „Wie lange hab ich geschlafen?“, fragte ich. „Es ist jetzt halb sieben“, erwiderte Marcella. Tommaso war dabei, mit seinem Handy zu spielen. „Tommaso, du lässt das schön bleiben. Wie bespro- chen, es werden keine Telefone benutzt, die zurück- verfolgt werden könnten, einverstanden?“, gebot ich mit fester Stimme. „Ja, Pa, ich schau mir nur ein paar SMS an. Sie wollen alle wissen, wo ich bin, was soll ich denen antwor- ten?“ „Im Moment nichts, da wir keine weiteren Probleme gebrauchen können.“ Er gab keine Antwort, er verstand auf Anhieb, worum es ging. Ich stand auf und ging ins Bad. Vor dem Abendessen spazierten wir eine Weile durch den Park. Es war als ob hier die Zeit stehen geblieben war, es hatte sich wenig geändert. Teresa hielt mich ganz fest, wobei sie die Erinnerungen von vor mehr als zwanzig Jahren, als wir auch hier abgestiegen wa- ren, ein bisschen melancholisch machten. Ich konnte mich noch genau erinnern. Sie war damals schwanger mit Marcella. Sehr heiß und schwül war es gewesen. Sie musste oft das Zimmer hüten, weil es dort eine Klimaanlage gab. Teresa und ich schwiegen zumeist und bewunder- ten die exotischen Pflanzen und Bäume, die von den Strahlern hell beleuchtet wurden. 59
  • 60. Zu jener Zeit hatte ich León kennengelernt.Wir spra- chen viel über den Maya-Zeitzyklus und ihr plötzli- ches Verschwinden. Er machte viele Recherchen be- züglich des Maya-Kalenders und der Stelen, in riesige Steine gehauene Inschriften und Abbildungen. Dazu kamen die exakten astronomischen Kenntnisse dieses für die damalige Zeit hoch entwickelten Volks. Dass hier auch Pyramiden gebaut worden waren, mutete schon merkwürdig an, nicht minder die gemeinsame Legende einer Sintflut, die sich in vielen Kulturen er- zählt wurde. Aber wo lag der Schlüssel zu alledem? Wir gingen langsam den Pfad hinunter und setzten uns auf die Terrasse. Sofort kamen Kellner und einige Musikanten und bezirzten uns mit ihrer Musik, die alle unangenehmen Gedanken verdrängen konnte. Die Kinder kamen hinzu und hänselten uns. „Dürfen wir die Verliebten stören oder wollt ihr noch von vergangenen schönen Stunden träumen?“, fragte Marcella lachend. „Tommaso, sag was!“ „Ich seh, sie sind verliebt wie damals.“ Teresa errötete ein bisschen, während es mich schmei- chelte. Es tat gut, alle zusammen hier an diesem Ort zu sein. Ich gab den Musikern einige Pesos und sie zogen mit einem Tusch weiter. In diesem Moment kam León mit seiner Gattin und seiner Tochter an der Hand auf die Terrasse. Seine Haare waren vollends ergraut, aber seine Haut zeigte eine gesunde Farbe, und die sportliche Abendbeklei- dung ließ ihn interessant aussehen. Seine Frau Jackie stammte aus guter Familie und sah mit ihren vierund- fünfzig Jahren blendend aus. Ihre Tochter Serena hätte ich nach all der Zeit niemals wiedererkannt. Sie hatte damals mit drei Jahren wochenlang mit Tommaso im Park des Hotels gespielt. León allerdings hatte ich zu- 60
  • 61. letzt vor drei Jahren auf einer Konferenz in Chicago gesehen. Ferner trafen wir uns ohne die andere Hälfte fast alle drei bis fünf Jahre. Wir waren Freunde gewor- den und telefonierten fast jeden Monat miteinander. „Wie schön, euch wiederzusehen!“ Ich stand auf, be- grüßte die Gattin mit Handkuss und gab der hüb- schen Tochter die Hand. Dann drehte ich mich um und umarmte León, so wie wir es schon seit Jahren taten. Die Damen küssten sich auf die Wangen, wäh- rend Tommaso schüchtern allen die Hand gab. Ich sah, dass Marcella und Tommaso sich freuten. „Ich freue mich so, euch wiederzusehen nach all den Jahren!“, sagte Jackie frohgemut. „Wir freuen uns auch, Jackie“, entgegnete Teresa lä- chelnd, die sich nun merklich entspannte. „Bist du gewachsen“, meinte León nach einem Blick auf Tommaso, „ein sympathischer junger Mann bist du geworden. – So ist das, Jeff, und wir werden immer älter.“ „Kommt, lasst uns Platz nehmen und uns einen Wie- dersehenstrunk genehmigen“, schlug ich vor. „Was möchtet ihr trinken?“ Ich hob die Hand. Sofort war die Bedienung zur Stelle und nahm die Bestellung auf. Die jungen Damen hatten sofort genügend Ge- sprächsstoff, während sich Tommaso merklich zurück- hielt und, wie mir schien, die Augen nicht von Serena lassen konnte, die er scheinbar unauffällig musterte. Es amüsierte mich. Ich hätte in jungen Jahren wahr- scheinlich dasselbe getan. „León, mein Alter“, fuhr ich fort, „gut, dass wir uns sehen. Du weißt ja inzwischen, was vorgefallen ist, und wir müssen handeln. Bei meinem Schwager, den 61
  • 62. du ja in Chicago kennengelernt hast, geht es um Le- ben und Tod. Er wurde vor zwei Tagen entführt, und sie werden ihn erst wieder freilassen, wenn sie unsere Erfindung in die Hände bekommen, die sie dann pro- fitabel ausschlachten wollen.“ „Ja, du hast vollkommen recht, es muss schnellstens etwas geschehen. Wir müssen sie aufhalten und Zeit gewinnen.“ „Auf jeden Fall sollten sie nie wissen, wo wir uns auf- halten“, bemerkte ich. „Aus diesem Grunde haben wir auch sofort das Ho- tel gewechselt, ohne anzugeben, wo es hingeht“, gab León bestimmt zurück. „Wir schweben alle in Gefahr“, meinte Teresa be- sorgt. „Aber was geschehen ist, kann nicht ungeschehen ge- macht werden“, versuchte Jackie zu beschwichtigen. Sie war eine mutige Frau und hatte ihren Mann all die Jahre seiner Forschung über die Maya unterstützt. Nach dem Abendessen wollten wir noch einmal bei einer Zigarre die weiteren Schritte besprechen. Aber so weit sollte es nicht kommen. Es war so gegen halb elf, da nahm die Misere ihren Lauf – oder war es Schicksal? Vier Männer tauchten plötzlich in dem bis auf den letzten Platz besetzten Saal auf, wobei einer laut die Musik der Musikanten mit der Frage übertönte: „Wer ist Señor Jeff Brink? Er soll sofort aufstehen, sonst müssen andere dran glau- ben, die nichts mit der Sache zu tun haben. Keiner rührt sich, verstanden! Das ist ein Befehl und kein gut gemeinter Rat.“ Die anderen drei Männer stürmten in die Menge und rissen einige Stühle um. „Alles bleibt sitzen. Keiner rührt sich vom Fleck“, 62
  • 63. schrie der erste. „Wir schießen sofort.“ Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Tommaso lang- sam in die Knie rutschte und unter dem großen run- den Tisch verschwand. Mich wunderte es, dass kei- ner der vier Männer dies bemerkte. Ich schob seinen Teller beiseite, damit es nicht so aussah, als hätte dort jemand gesessen, und mit dem Fuß rückte ich den Stuhl gegen den Tisch. Erst redeten alle durcheinander, dann brüllte der erste Mann: „Still, alle sollen die Klappe halten, hab ich ge- sagt.“ Eine Salve aus einer automatischen Pistole riss fünf, sechs Löcher in die Wand. Es staubte, und das zeigte Wirkung auf alle Anwesenden im Saal. Es wurde so still, dass man eine Nadel hätte fallen hören können. „So ist es brav, aber jetzt soll Herr Brink endlich zu mir kommen, und ihr könnt in aller Ruhe weiter- machen, meine Damen und Herren.“ Die Worte aus seinem Mund klangen zynisch und hämisch zugleich. Ich musste etwas unternehmen, schaute León an und nickte ihm zu. „Na also, das ging ja flott. Kommen Sie mit erhobe- nen Händen hier rüber – und keine falsche Bewe- gung. Mein Finger juckt.“ Obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, dass sie ge- schossen hätten, wollte ich niemanden weiter gefähr- den, stand mit erhobenen Händen auf und bewegte mich vorsichtig in seine Richtung. „Was wollt ihr?“, fragte ich, um sie etwas abzulenken. „Du weißt ganz genau, was wir wollen.“ Er trat an mich heran und hielt mir seine Kanone unter das Kinn. Ich musste einen Moment auf Zehenspitzen aushar- ren, bevor mich ein Kinnhaken erwischte. Rücklings 63
  • 64. fiel ich zu Boden. Meine Nase blutete. Etwas benommen hörte ich, wie er schimpfte: „Du bist auch noch arrogant, du deutscher Bastard, ty- pisch für dein Volk.“ Ich schwieg, um sie nicht noch weiter zu reizen. „So, und jetzt zu den anderen. Überlegt es euch gut, wenn ihr ihn lebend wiedersehen wollt. Haben wir uns klar ausgedrückt? Also, in genau vierundzwan- zig Stunden liegen die Akten in unseren Händen, und kommt ja nicht auf dumme Gedanken, sonst könnt ihr ihn begraben.“ Teresa sprang auf und wollte mir zu Hilfe eilen. Eine weitere Salve knatterte in die Wand hinter ihr. Sie hielt inne, rief verzweifelt: „Bitte, lasst ihn lau- fen, ihr könnt alles haben“, und fiel weinend auf die Knie. Marcella lief zu ihr hin und kniete nieder, um sie zu trösten. León hielt bewusst inne, während seine Frau wie erstarrt dasaß. Nur Serena wurde blass im Gesicht und verteidigte mich laut: „Ihr sollt Herrn Brink sofort freilassen, ansonsten knalle ich sicher zwei von euch ab.“ Sie hielt mit einem Mal eine Pistole in der Hand. Aber woher? „Mal sehen, wer hier mit wem heil heraus- kommt.“ Ich konnte es nicht glauben, als Tommaso unter dem Tisch hervorkam, ebenfalls mit einer Waffe he- rumfuchtelte und drohte: „Und ich übernehme die beiden anderen.“ Der Anführer schien mit einer derart heftigen Re- aktion, geschweige denn von einer jungen Dame, nicht gerechnet zu haben, aber er begriff augen- blicklich den Ernst der Lage, zumal es niemandem nutzte, wenn hier Kugeln herumflogen. 64
  • 65. „Also gut, diesmal habt ihr gewonnen, aber ab jetzt habt ihr keine ruhige Minute mehr.“ In diesem Moment vernahmen wir die Sirene eines sich schnell nähernden Polizeiwagens. Die Gangster zogen sich postwendend zurück und verschwanden in der Dunkelheit. Als die Polizei eintraf, war die Ver- wirrung unter den Gästen noch größer. „Alle mal herhören“, meinte der Polizeichef. „Ruhe!“ Weitere Polizeibeamte betraten hinter ihm den Saal. „Was ist passiert?“ Der Kommissar schaute mich an, ehe er zu mir kam und mir half, aufzustehen. „Wer sind Sie?“ „Mein Name ist Brink, deutscher Staatsangehöriger in Urlaub.“ „Was war hier los?“, fragte er mich weiter. „Vier bewaffnete Männer wollten mich entführen.“ „Warum denn das? Wer sind Sie wirklich?“ „Brink, Jeff Brink. Dies sind meine Frau und meine Kinder.“ Tommaso hatte inzwischen die Waffe auf den Stuhl gelegt, während Serena die ihre in ihre Handtasche gesteckt hatte. Der Kommissar näherte sich dem Tisch und meinte mit total veränderter Stimme: „Señor Almeida? Was für eine Ehre, Sie bei uns zu haben. Ich versteh zwar nicht, was vorgefallen ist, aber können Sie ein we- nig Licht in die Angelegenheit bringen“, meinte er freundlich. „Bei den Brinks handelt es sich um Freunde aus Deutschland. Sie sollten entführt werden.“ „Und dann sind die Entführer grundlos und ohne Beute abgehauen?“ „Nein, meine Tochter ist, wie Sie wissen, in der Si- 65
  • 66. cherheitsbrigade von L.A. und besitzt eine Waffe. Da- mit hat sie gedroht, einige zu erschießen. Das kam für die Gangster völlig unerwartet, sodass sie sich zurück- gezogen haben, wie Sie sehen.“ „Ist jemand hinter diesen Gangstern her?“, wollte Ja- ckie wissen. „Machen Sie sich keine Sorgen. Die Gegend wird bereits abgesucht. Uns wurde gemeldet, dass mehrere bewaffnete Leute das Hotel gestürmt hätten. Kannte jemand diese Leute?“ Er schaute sich um, ob jemand sich meldete. Alle schwiegen. Es war mir ein Rätsel, wie sie uns ausfindig gemacht hatten, und vor allem so schnell. Nachdem einige Leute verhört worden waren, zog sich die Polizei nach einer Stunde ohne nennenswerte Ergebnisse wieder zurück. Wir konnten sie glauben machen, dass sie nur Geld von deutschen Touristen erpressen wollten. Den wahren Grund erfuhren sie nicht. Obwohl der Kommissar kein dummer Junge war, musste er sich einstweilen mit unserer Erklärung zu- friedengeben. Argwöhnisch sagte er, als er ging: „Es muss noch etwas anderes dahinterstecken. Bei den Gangstern hat es sich doch eindeutig um Europäer gehandelt, nach verschiedenen Zeugenaussagen zu urteilen. Also mir soll’s recht sein. Ich kann Sie aber so leider nicht hundertprozentig schützen. Es liegt in Ihrer Verantwortung. Meine Damen, meine Herren, einen angenehmen Abend noch.“ Dann verschwand er mit seinen Leuten nach draußen. Ziemlich fertig gingen wir sofort auf Leóns Zimmer, um uns zu beraten. León bewohnte eine große Suite, somit hatten wir genügend Platz für uns alle. Ich wur- de sofort medizinisch betreut. Ein blauer Fleck wür- de mich wohl oder übel für ein paar Tage begleiten. 66
  • 67. Der Schmerz hatte jedoch weitgehend nachgelassen. Ich durfte gar nicht daran denken, was passiert wäre, wenn die mich verschleppt hätten. Aber eins war uns deutlich geworden: Wir schienen nirgendwo mehr sicher zu sein. „Wir haben Glück gehabt. Und wie kommt ihr an die Waffen?“, wollte ich wissen. „Die haben wir in unserer Sommerresidenz in Pa- lenque zu unserer eigenen Sicherheit und Verteidi- gung“, antwortete Serena. „Wir wurden vor Jahren bereits belästigt, seitdem haben wir sie im Hause.“ „Und du hast sie mitgenommen, um uns zu schüt- zen“, bemerkte ich. „Ich kann zwar nicht damit umgehen …“, sagte Tommaso. „… aber du hast sie überzeugt“, unterbrach Jackie ihn. Teresa saß neben mir und hielt meine Hand. León hatte noch kein Wort gesagt. Er schien abwesend zu sein und eigene Überlegungen anzustellen. „León, es ist schlimmer, als ich dachte. Wir müssen uns entscheiden, wie wir vorgehen sollen, und vor allem die Frauen und die Kinder in Sicherheit brin- gen“, sagte ich. „Ja, denn sie haben mit dem Ganzen nichts zu tun“, antwortete León. Tommaso zeigte kein Verständnis und meinte: „Und ob mich das etwas angeht, wenn man uns bedroht und nach dem Leben trachtet. Ich schlage vor, dass Mama und Jackie mit Serena und Marcella nach Palenque zurückfahren. Ich vermute, da suchen sie nicht mehr.“ „Das kann gut sein“, stimmte León Tommaso zu. „Ich bleib bei euch und helfe, wo Not am Mann 67
  • 68. ist“, sagte Tommaso. „Ich bleib auch“, meinte Serena, „und beschütze uns.“ Wir waren zerstritten in dieser Situation. „Ich bin dafür, dass wir alle nach Palenque abreisen und ihnen die CDs aushändigen, damit das Ganze endlich ein Ende findet. Sollen sie doch damit ma- chen, was sie wollen“, schlug Teresa vor. „Ich möchte nicht, dass einem von uns etwas pas- siert. Ich könnte mir das nie verzeihen. Da wir mo- mentan aber keine andere Lösung haben, ist es wohl das Beste; obwohl sie uns nie in Ruhe lassen wer- den“, entschied ich. „Gut, dass Jan in Rom ist. Er kann die Übergabe organisieren“, stellte Tommaso fest. „Ich rufe Jan an, damit er alles vorbereiten kann“, sagte ich zu León. „In Ordnung. Bis die herausgefunden haben, dass es nur bedingt klappt, können wir für unser Problem nach einer Lösung suchen“, sagte León ernst. „Also ich denke, wir machen Schluss für heute Abend. Morgen fliegen wir mit einem Privatjet nach Pa- lenque und erledigen alles. Du, Jeff, kümmerst dich um Jan, dass alles klappt. Mit der Bande nehmen wir Kontakt auf.“ „Ich schlage vor, wir übergeben die ersten zwei CDs in Rom, oder wo auch immer sie sie haben wollen, und die dritte, wenn sie Guiglelmo freigelassen ha- ben“, fügte ich hinzu und begab mich zum Telefon. „Es ist jetzt Abend in Rom, ich erwisch Jan jetzt sicher bei Fiona oder bei deren Familie.“ Ich tippte die Nummer ein. „Si pronto, con chi parlo“, antwortete eine nervöse Stimme. 68
  • 69. „Ich bin’s, Jeff.“ „Gott sei Dank. Drei bewaffnete Männer haben Jan vor zwei Stunden mitgenommen. Sie waren sehr ag- gressiv. Mich haben sie nur bedroht. Ich soll euch Bescheid geben, aber in Palenque konnte mir keiner verraten, wo ihr hingegangen seid. Ich war sehr beun- ruhigt. Jeff, sag auch Señor León, dass es besser wäre, die CDs auszuhändigen, da nach Guiglelmo jetzt auch Jan entführt worden ist“, sagte sie außer Atem. Ich wollte sie nicht beunruhigen und verschwieg daher unser Vorhaben. „Sie bekommen so bald wie möglich die CDs“, bemerkte ich. „Ganz einfach, wir verlangen von denen, sie sollen Guiglelmo ans Telefon holen. Ihm sagen wir dann, dass wir alle CDs aushändigen werden und er das Passwort offenlegen kann. Unsere dritte CD bekommen sie erst, wenn die Sache mit der Befreiung geklärt ist.“ „Scheint mir eine gute Idee zu sein“, sagte Serena so- fort. Wir schauten uns alle an und stimmten zu. „Ich wollte schon immer nach Europa“, fuhr Serena fort. „Jemand muss sich doch um die Übergabe küm- mern. Wir überbringen die dritte CD und ihr macht euch einen schönen Urlaub. Wie wäre das?“, wollte sie uns überzeugen. Obwohl mir dabei nicht geheuer war, hielt ich mich mit Äußerungen zurück. León dagegen meinte, seiner Tochter vertrauen zu können, und sagte etwas zurückhaltend: „Könnte funktionieren. Es sollen ja keine anderen mit rein- gezogen werden. Ich hätte nichts dagegen einzuwen- den.“ „Nichts da“, meinte Jackie, „du bleibst hier.“ „O ja, ich kann euch und auch Tante Fiona sicher 69