Die PHPopstars streiten um den Sieg. Wer darf auf einer Konferenz oder der PHP Unconference in Hamburg einen Vortrag halten? Wer begeistert die Massen und wieso? Die Initiatorin verrät die Tricks der "Rampensäue", die so oft einen Vortrag dominieren können und den Aufstieg neuer Talente blockieren. Dieser Vortrag gewann bei der PHP Unconference 2011 in Hamburg den Wettbewerb.
2. Vorgeschichte PHP Unconference 2010: Ein Teilnehmer dominiert jede Session, die er besucht; sofern er sie nicht ohnehin hält. Johann-Peter Klugscheiß, die Rampensau. Alle wollen nur ihn reden hören. Warum? Carola „Sammy“ Koehntopp geht der Sache auf den Grund. Sie ruft einen Wettbewerb „PHPopstars“ aus. Unterhaltsam und lehrreich erklärt sie mit Castingteilnehmern die Tricks der Rampensäue. Taschenspielertricks. Jeder Teilnehmer bekommt vier Minuten Redezeit. Der Vortrag wird von einer Jury analysiert, um Stärken und Schwächen herauszufinden. Am Ende entscheidet das Publikum.
3. Dieser Vortrag Die erste Ausgabe PHPopstars fand auf der FrOSCon 2011 statt. Es gewann, mit großem Abstand, Kristian Koehntopp. Kristian hielt einen humoristischen, faktenreichen Vortrag über Elefanten als Haustiere. Der Elefant ist das Maskottchen der zuhörenden PHP-Programmierer. Kris wurde von weiteren Teilnahmen ausgeschlossen: intergalaktischer, unbesiegbarer Starkreuzer unbegrenzter Feuerkraft. Der Castingplatz wurde dem Vortragenden überlassen. Er trat in die Fußstapfen seines Lehrmeisters, mit dem er mehrere Jahre zusammenarbeiten durfte. Er gewann. Er gewann mit einer Show. Die Show ist auf den folgenden grauen Folien beschrieben. Die „Regieanweisungen“ waren nicht sichtbar während der Show.
4. So sah es aus... - Teilnehmer Foto: Timm Arnold
6. Die Show beginnt Popstar Casting Musik spielt. Die Moderatorin kündigt den Vortragenden an. Ein Video vom Vortragenden wird gezeigt. Der Vortragende kündigt sich als „Internetsuperhero“ an. Er klebt einen Stimmzettel mit dem Vortragsthema „Ulf Wendel“ mitten über den zentral aufgestellten Tagesplan der PHP Unconference. Die Kamera zeigt den Stimmzettel. Details werden erkennbar. Gefälscht. Egal. Ulf ist der Intersuperhero! Anstatt das Video abzuwarten, läuft der Vortragende unter lautstarkem Protest der anderen Castingteilnehmer zum Vortragspult. Dort legt er Schnuffel, sein Kuscheltier aus Kindertagen, auf dem Rednerpult ab. Er legt einen Beutel ab und gibt der Moderatorin Instruktionen.
10. Der erste Eindruck zählt Die Anmoderation läuft noch. Ulf läuft nervös von links nach rechts. Er knabbert an den Fingernägeln. Er dreht den Zuhörern den Rücken zu und kratzt sich – am Hinterteil. Der Vortragende steht vor dem Rednerpult und sagt: „Ja, ich bin Ulf Wendel und ich soll was zu Popstars sagen.“ Die Moderatorin wechselt die Slides, gemäß den Instruktionen. Alle Texte der Show sind vorformuliert. Daher weiss die Moderatorin wann ein neues Slide aufzulegen ist. Der Vortragende gibt sie in Freier Rede wieder.
13. Der erste Eindruck zählt Der Vortragende sagt nervös und schockiert: „ Neeee, nä ?!“ Ulf verlässt den Bereich des Rednerpults. Er löst sich von Rechner und Vortragsfolien. Derweil wechselt die Moderatorin zur nächsten Folie. „Dr. Watson“ klärt das Publikum auf. „Dr. Watson“ nimmt seine klassische Rolle aus Sherlock Holmes an. Zugleich spielt der Name auf ein der Zielgruppe bekanntes Computerprogramm an.
14.
15. Einstimmung „ Naja, was soll es, es wäre eh nichts geworden. Es ist vielleicht besser so. Das wenige, was ich hatte, ist nicht gut. Ich kann das einfach nicht. Passt irgendwie in den Tag. Ich kann seit einer Woche nicht schlafen. Echt. Das ist noch nicht mal gelogen.“ Der Vortragende ist seit mehr als einem Jahrzehnt in der virtuellen Gemeinde und auf Konferenzen vertreten. Es existiert eine Erwartungshaltung gegenüber seiner Person: immer nur negativ. Klugscheiß, der die PHP Unconference 2010 dominierte, formuliert es einst positiv: Frühwarnsystem eingebaut, kann loben. Die Moderatorin wechselt zur nächsten Folie.
16.
17. Manuskripte und Notizen „ Jetzt habe ich“ - Pause - „vergessen, was ich sagen wollte. “ Der Vortragende hat Stichworte auf kleinen Handzetteln notiert. Die Notizen liegen auf einem Tisch. Er sucht und sucht... Die Moderatorin wechselt zur nächsten Folie.
20. Aus dem Leben gegriffen... „ Der ganze Mist fing schon falsch an. Judith sagt mir auf Facebook, daß Sammy mich sucht. Judith macht das, weil Sammy kein Facebook benutzt. Ich bin im Urlaub und kriege das nicht mit. Dann schreibe ich Sammy eine Mail. Sammy antwortet nicht. Nach dem Wochenende, ja nach dem Wochenende, bequemt sich die feine Datenschützerin mal Daten zu leaken. Völlig Öre. Wenn Kris Grautopf nicht wäre, würde ich mit der kein Wort mehr reden.“ Ein Feuerwerk, das nicht für alle Zuhörer verständlich ist. Die Moderatorin, Sammy, duldet keine öffentlichen Fotos von sich. Facebook ist undenkbar. Kristian Koehntopp, ihr unbesigbarer Ehemann, verbietet sich bestimmte Haarfarben. Die Moderatorin zeigt die nächste Folie.
21.
22. Trick: Freunde Stimmungsumschlag von Verzweiflung zu Wut. Schreiend: „ Was glotzt Du mich eigentlich so bescheuert an! Grins nicht so! Was soll das ?!“ Der betreffende Zuschauer wurde zuvor eingeweiht. Ihm wurde ein Hinweiszettel gereicht mit der Bitte seinen Nachbarn nicht zu verraten. Die Moderatorin wechselt zur nächsten Folie.
23.
24. Achtung, dritte Ebene! „ Ich habe gleich "Nein" gesagt. Ich habe wirklich keine Idee, was ich noch sagen soll. Ihr könntet doch mal was vorschlagen. Das ist eine Unconference. Naja, Vortrag, ... Gut Ding will Weile haben! Und, ääh, also, das ist eine Drecksarbeit. Montag war ich alles andere als gelangweilt. Stas hatte wieder einmal etwas geraucht. Also, das war so. Johannes hat also vorgeschlagen mysqlnd als Standard in, ääh, 5.4 zu setzen. Also auch für Linux. Stas spielte den großen Manager und wollte alles selbst kontrollieren. Rasmus halt dann auch gesagt, daß mysqlnd gut ist und dann wurde es mysqlnd. Ja, Arbeit geht vor!“ Erste Ebene: Show. Zweite Ebene: Dr. Watson. Dritte Ebene: die Nachricht. Personen und Begriffe sind dem Publikum geläufig. Nächste Folie.
27. Dritte Ebene, Nachricht Schnell und laut: „ Ich frage mich, ob Sammy auch nur den blassesten Schimmer hat, wieviel Arbeit hinter einer Show steht? Es ist nicht mit einer Checkliste getan. Gib dieselbe Checkliste zwei Gruppen und Du kriegst zwei unterschiedliche Ergebnisse. Das ist wie ein Nord-Südgefälle. Der Norden rockt, der Süden kriegt nichts auf die Reihe. Seit Jahren. Darum drängeln sich alle im Norden.“ Die Liebeserklärung an die freiwilligen, ehrenamtlichen Mitglieder des PHP Unconference Organisationsteams beginnt. Ihr Erfolg konnte trotz Checkliste anderswo nicht wiederholt werden. Außer Anwesenden des Orgateams versteht es niemand. Die Nachricht bleibt bis zur Auflösung in den Worten versteckt. Folienwechsel.
28.
29. Ehrenamt – Ehre - Lob Leise, vom Publikum abgewandt, sich den Mund zuhaltend: „ Es kostet mich zwei Tage einen Artikel zu schreiben, den andere vor dem Fernseher heruntertippen. Für einen Artikel bekomme ich Geld. Das ist etwas Reales. Da kann ich bestimmen, wie ich mich belohne. Hier kriege ich nichts. Feuchten Händedruck, stinkige Umarmung. Wenn überhaupt. Warum soll ich etwas für andere tun? Für ein doofes Grinsen?“ Der Vortragende leert die mitgebrachte Tasche auf einem Tisch. Viele Stofftiere, ein ortsbekanntes Bier und ein 1kg Paket Zucker erscheinen. Die Aktionen lenken von den Worten ab, die dennoch Lachen erzeugen. Humor ist ein Stilmittel, das Zustimmung bringt. Die Nachricht ist übermittelt. Nächste Folie.
33. Das Finale Gefrustet: „ Eine Woche habe ich gegrübelt. Mir ist nichts eingefallen trotz Bier und Salmiakki. Ich hatte ja auch keine Zeit. Der Herbst kommt und mein Duo wartet auf den Zusammenbau. “ Das mitgebrachte Bier wird mit lautem „Plopp“ geöffnet. Ein kräftiger Schluck wird genommen. Salmiakki ist das traditionelle „Firmengetränk“ des Vortragenden. Wenige wissen es. Nachricht der dritten Ebene: es gibt immer eine Ausrede, wenn man nur sucht. Folienwechsel durch die Moderatorin.
36. Das Finale „ Wenn ich das nicht zuerst mache, dann gibt es Streß mit Ollsche. Das geht vor! Jetzt ist mir alles egal. Jetzt kommt sugar on top.“ Der Spannungsbogen bricht. Immer noch mit dem Publikum teils abgewandten Rücken öffnet der Vortragende das Zuckerpaket. Er nimmt eine Hand voll und lässt es über seinen Kopf fallen. Programmierer, die Zuhörer, kennen „sugar on top“ als Warnung der Vorgesetzen die Arbeit einzustellen, weil sie mehr implementieren als verkauft wurde. Affen, wie der Vortragende, lieben Zucker. Affen und Popstars, brauchen eine Bühne. Eine Bühne, die vom Orgateam bereitgestellt wurde. Folienwechsel.
40. Die Auflösung Die vier Minuten Redezeit sind vorbei. Es ist mit der Moderatorin, Carola „Sammy“ Koehntopp, vereinbart zwei Extraminuten für die Auflösung verwenden zu dürfen. In Freier Rede erfolgt die Auflösung und der Hinweis auf die Nachricht in den Worten. Die Nachricht: bitte dankt den wahren Popstars, dem Orgateam, indem ihr den Gegenwert eines Bieres spendet. Zuvor eingeweihte Zuschauer, die einen Klingelbeutel erhielten, werden vorgestellt. Ein anwesendes Mitglied des Orgateams bekommt den geleerten Beutel, der wie ein großer Klingelbeutel aussieht.
42. Diskussion Juror eins und drei loben den Vortrag in knappen Worten. Juror zwei bemängelt das Highjacking des Vortrags und verzichtet auf weitere Kritik aufgrund der Show. Highjacking ist sicherlich vorhanden, aber ist es nicht Motivation der Initiatorin die Muster hinter dominierenden Akteuren aufzudecken? Der Vortragende kochte mit Wasser. Er investierte Zeit und Herzblut, um seinen Vorbildern, dem Orgateam, nachzukommen. Alle seine Aussagen sind wahr. Die Idee über den Zeitbedarf eines Vortrags zu sprechen, stammt von der brillianten Sammy. Jeder, der Freunden aufmerksam zuhört, kann es nachmachen!