Die Auswirkungen des AMNOGs werden von der Pharmaindustrie noch grundsätzlich unterschätzt. Harte Umsatzeinbrüche und vor allem Gewinneinbrüche drohen ab dem übernächsten Jahr. Die Autoren von Executive Insight AG zeigen, wie der AMNOG-Mechanismus wirkt und was die Industrie unternehmen kann, um das Schlimmste zu verhindern
10 essential questions for successful kol management
AMNOG - ein tektonisches Beben
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inhalt 3-2011
3 News: Pharma Brand Summit 2011
• Biotechnologie • Medco •
Beipackzettel • Arztsuche •
Rabattverträge • Buchtipp
5 Interview: Dr. Tobias Gantner,
Leiter Market-Access bei
Bayer Vital über Aufgaben und
Integration dieser Abteilung in der
Unternehmensorganisation
9 itel: Auswirkungen des AMNOGs und
T
Gegenmaßnahmen
Erosion der Margen
14 irektvertäge: Selektivverträge önnen
D k
einen wichtigen Beitrag zur besseren
Versorgung chronisch Kranker leisten
17 echt: Irreführung bei Werbung mit
R
dem eigenem Markennamen
19 olumne: Einfach einmal Zeit zum
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Wie das AMNOG verheerend auf Innehalten nehmen
Umsatz und Gewinn wirkt Seite 9
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AMNOG – ein
tektonisches Beben Autoren: Hans-Joachim Diedenhofen und Klarissa Hoday
Die Auswirkungen des AMNOGs werden von der Pharmaindustrie
noch grundsätzlich unterschätzt. Harte Umsatzeinbrüche und vor allem
G
ewinneinbrüche drohen ab dem übernächsten Jahr. Die Autoren
zeigen, wie der AMNOG-Mechanismus wirkt und zeigen auf, was
die Industrie unternehmen kann, um das Schlimmste zu verhindern.
Das AMNOG ist ein Revolution des pharmazeutischen Marktes in
Deutschland, die bislang von den Betroffenen schweigend oder ver-
harmlosend zur Kenntnis genommen wird. Selbst die Analysten an
den Kapitalmärkten reagieren nur zögerlich und beginnen erst jetzt
die kommenden Verluste im Sinne von ausbleibenden weltweiten
Umsätzen und Gewinnen der Industrie zu quantifizieren und die
Unternehmen entsprechend neu zu bewerten.
Was ist geschehen? Scheinbar nur, dass eine klare Stellung des Gesetz-
gebers im Hinblick auf die Prägung des Begriffs „Zusatznutzen von
Arzneimitteln“ erfolgte und ein Mechanismus beschrieben wurde, wie
dieser zu ermitteln sei und aus dieser Ermittlung Preisverhandlungen
abgeleitet werden. In Wahrheit hat aber ein sukzessiver Totalumsturz
in der künftigen Preisfindung von Pharmazeutika stattgefunden, der
die Industrie nachhaltig verändern wird.
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Es stellt sich die Frage, ob die von Bundesgesundheits- bei der Erstellung des Dossiers durch spezialisierte
minister Rösler in den Raum gestellten zwei Milliarden Dienstleister erreicht schnell rund 250 000 Euro und Kurve des Grauens
Simulation Umsatz Pharmaindustrie Deutschland in Mrd. Euro
Euro jährliche Entlastung im Arzneimittelbereich der mehr. Orphan-Drugs sind von diesem Zwang nur
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GKV, (entsprechend rund sieben Prozent des Jahres- scheinbar ausgenommen: auch diese müssen ein kein
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umsatzes der Pharmazeutischen Industrie in Deutsch- Dossier einreichen, um in die fünf Nutzenkategorien AMNOG
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land) nicht nur die Spitze eines gewaltigen Eisberges des G-BA eingeordnet werden zu können. AMNOG
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an Margenverlust der pharmazeutischen Industrie Das IQWIG hatte bislang noch durchschnittlich vier Jah-
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insgesamt sein könnten. Ist durch die Einführung des re für eine Nutzenbewertung in Anspruch genommen.
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AMNOG nicht sogar ein globaler Paradigmenwechsel Dies verkürzt sich drastisch auf drei Monate. Sollte ein
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für die forschenden Arzneimittelhersteller eingeläutet Dossier unzureichend oder zu spät eingereicht werden,
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worden? hat dies automatisch zur Folge, dass kein Zusatznutzen
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erkannt wird und damit für mindestens ein Jahr kein 2005 2010 2015 2020
Gravierende Auswirkungen: Die Folgen des AMNOGs könnten
Einer der wesentlichen neuen Hebel ist die Beweislast höherer Preis als der der zweckmässigen Vergleichs- bis zu 30 Prozent der zukünftigen Pharmaumsätze Insight AG 2011
Quelle: Executive in Deutschland
umkehr. Die Rechtsverordnung lässt an Klarheit nichts therapie, respektive der Festbetrag, erstattet wird. vernichten, was rund zwölf Milliarden Euro ausmachen würde.
vermissen: es ist die Aufgabe des pharmazeutischen Die zweckmässige Vergleichstherapie wird vom G-BA
Unternehmers, ein (Value) Dossier nach den Richtlinien nach seinen Gesichtspunkten festgelegt. Dabei ist zu Vergleichstherapie gewählt hat, wird in eine Festbe-
des G-BA zusammenzustellen. Der Nutzenbewerter, beachten, dass diese Vergleichstherapie keineswegs tragsgruppe verbannt. Das ist in der Regel mit Preis-
das vom G-BA zu beauftragende IQWIG oder Dritte, allein medikamentöser Natur sein muss. abschlägen zwischen 70 bis 98 Prozent verbunden.
werden in Zukunft rascher recherchieren und schneller Wer also in seinen Zulassungsstudien nicht gegen den Ergeben die Studien auch für das IQWIG eine evidente
zu Entscheidungen kommen. Bisher konnte dieser vom G-BA festgelegten gültigen Therapiestandard ver- Überlegenheit über den geeigneten Komparator, ist
Prozess erheblich länger dauern, bis notwendige glichen hat, dürfte bereits an dieser Hürde reißen. Die allerdings auch dann ein hoher Preis nicht sicher. Es
Studien- oder andere Daten herausgegeben werden Verbindung von G-BA und IQWiG kombiniert unmiss- kommt in einer zweiten Hürde zur Preisverhandlung
konnten. Die Verantwortung liegt ab sofort klar beim verständlich die Orientierung an den „internationalen mit den versierten Einkaufsspezialisten des Spitzen-
Unternehmer, der alle relevanten Unterlagen rasch, Standards der evidenzbasierten Medizin“ § 6 (1) AMNOG verbandes der Kassen. Die Faustregel der Verhandler
vollständig und wohl durchdacht nach den Gliede- mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V. der Kassenseite ist: Zehn Prozent besser bedeutet zehn
rungsvorschriften der Verfahrensordnung des G-BA Prozent höherer Preis. Wenn die Vergleichssubstanz ein
abzuliefern hat. Das jetzt in jedem Fall zu erstellende Wer nun mit seinen Studien gegen die Vergleichsthe- Generikum im Eurocentbereich ist oder eine günstige
Nutzendossier geht in seinen Ansprüchen über das rapie, nach der sehr besonderen Interpretation des physiotherapeutische Maßnahme, dann dürfte das
international Übliche weit hinaus. Die Unterstützung IQWiG nicht besteht oder nur eine unzweckmäßige Endergebnis nur unwesentlich besser ausfallen.
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Das Schicksal der Marginalinnovationen ↘
Simulation Umsatz Pharmaindustrie Deutschland inMrd. Euro
Umsatz zuist zu tun?
Was Markteintritt
Umsatzzuwachs
Kurzfristig notwendige Maßnahmen
Umsatzabschläge 7. Studien zu Sub-Populationen, in denen ein Zusatz-
Zusatznutzen in der
Gesamtindikation nicht anerkannt 1. Enge Zusammenarbeit mit dem G-BA und nutzen nutzen erwartet werden kann;
der Beratungsoption vor Erstellung und Abgabe des 8. Erstellung von „Real World Data“ (zum Beispiel
Zusatznutzen in der
Teilindikation 20% besser Dossiers; patien enraportiert, ökonomisch) schon zum Zeit-
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2. ristgerechte und schnelle Erstellung des Dossiers;
F punkt der klinischen Phase 3 zur Untermauerung
Verhandlungsergebnis mit
3. Abbau von Pharmavertretern bei gleichzeitigem
Spibu = Mengenbegrenzung p.a. positiver Nutzeneffekte, sodass gleich nach Zulas-
Umsatz Beispieltherapie
Kompetenzaufbau in den Bereichen evidenzbasierte sung Erstattungsanträge ordentlich verargumentiert
Einzelverhandlung
Krankenkasse = PauschalrabattGesundheitsökonomie, Epidemiologie und
Medizin, 10% werden können. Glaubhafte Argumentation bei
Auf der Kippe: So könnte das Erstattungsschicksal vieler
Marginalinnovationen in Zukunft in Deutschland aussehen. Biostatistik. unzureichender Datenlage (zum Beispiel nur Studien
Integriertes Versorgungsmodell
mit Mittelfristig notwendige
zu Non-Inferiority) über die Wahrscheinlichkeit des
Mengen-cap Maßnahmen
Der Spitzenverband Bund hat bereits angekündigt, dass Eintretens eines zukünftigen Zusatznutzens;
4. Stärkere cross-funktionale Zusammenarbeit
ein Halten des Marktpreises zwar in Ausnahmefällen 9. Präzision in der Nutzendarstellung für den einzel-
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wischen Commercial Operations und RD schon
möglich sei, allerdings nur bei strengster Definition nen Patienten als auch in der Hochrechnung des
in der frühen Produktentwicklung, um die Subs-
der Indikation. Jede Abweichung von dieser Einschrän-
100% 85% 15% 18% 1,8% 1,6% 1,5% 13,1% Gesamtnutzens für die infrage kommende Patienten-
tanzen sowie die dazugehörige Evidenz nicht am
kung sei definitionsgemäß eine unwirtschaftliche population (Kosteneffektivität + Budget Impact);
„Markt vorbei“ zu entwickeln;
Quelle: Executive Insight AG 2011
Verordnung. Dies wurde von Wolfgang Kaesbach und 10. Klare Vertragsstrategie in Bezug auf Selektivverträge
5. Vermehrtes Berücksichtigen der Versorgungs- und
Rainer Hess auf einer Zeno-Konferenz zum AMNOG versus zentrale Rabattverträge mit dem GKV-SV für
Budgetrealität von bestimmten Indikationen beim
so zwischenzeitlich bestätigt. das ganze Portfolio oder pro Therapiegebiet.
Einkauf von neuen Substanzen („early stage“) im
Business Development Prozess;
Das Entscheidungsraster der Exekution ist gesetzlich 6. Engere Zusammenarbeit mit Patienten (organisa
vorgeschrieben: Drei Monate stehen dem G-BA zur tionen) zur glaubhaften Argumentation von vorherr-
Verfügung, um eine Nutzenbewertung mit oder ge- schenden Patientenbedürfnissen („unmet needs“)
gebenenfalls auch ohne IQWIG durchzuführen, drei in Anbetracht des steigenden Patienteneinflusses an
Monate bleiben bis zur Entscheidung, gefolgt von sechs Erstattungsentscheidungen;
Monaten Verhandlungsphase. Zu diesem Zeitpunkt ist
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hinzu, dann sind eher Umsatzverluste von 20 bis 25 Me-Too-Präparate sind aufgrund ihres nicht erklär- man prüfen, ob es möglich wäre, innerhalb nur eines
Milliarden Euro zu erwarten. baren oder zu geringen Zusatznutzens zu etablierten Jahres (maximale Zeit der freien Preisbildung) Daten
Therapien in ihrer bisherigen Form vom Aussterben zu erheben, die den erwarteten Zusatznutzen in der
Die Modellrechnung lässt erahnen, dass das AMNOG bedroht. Stellt sich die Frage, welche Präparate bei Lage sind nachzuweisen.
ein weit über Deutschland hinaus wirkendes Instru- der neuen Rechtslage in diese bedauernswerte Ka-
ment ist, das mit dem Mittel der konsequenten An- tegorie fallen werden. Sicher müssen Produkte, bei Chancen ergeben sich in der Umsetzung einer echten
wendung der evidenz-basierten Medizin das Monopol denen die Studienlage strittig ist und die gleichzeitig am Outcome orientierten Leistungserbringung. Durch
der ersten Preisfestsetzung nachhaltig zerstört. Das einen signifikanten Anteil am Jahresbudget der GKV die Margenerosion werden weniger profitable Leistun-
Jahr 2010 als Entstehungsjahr des AMNOG hat beste ausmachen, mit einer Abstrafung rechnen. Wird man gen zum Beispiel im Managed Care relativ attraktiver.
Chancen als schwarzes Jahr in die Geschichte der bei zugelassenen und patentgeschützten Produkten Die Pharmaindustrie kommt nicht mehr daran vorbei,
forschenden pharmazeutischen Industrie einzugehen. Verständnis für einen gewissen Bestandsschutz haben intensiv zu prüfen, welche Möglichkeiten ihre Produkte
Unsere Kurzanalyse lässt vermuten, dass in Zukunft oder für eine Übergangsregelung votieren können, in Kombination mit einem integrierten Versorgungs-
nicht mit bekannten Preiserosionen sondern mit tek- stellt sich die Lage für aktuelle Markteintritte mit konzept eröffnen: hier stehen sich sicherlich zu erwar-
tonischen Verschiebungen zu rechnen ist. abgeschlossener Phase–III-Studien die Frage viel tende Margenerosionen durch Zwangsrabatte und
Kurzfristig wird die Access- und Reimbursement- unmittelbarer: Geht man direkt in die Erstattungs- Festbetragsgruppierungen sowie Berechnungen über
Strategie höchste unternehmerische Relevanz haben, diskussion und bietet prospektive Phase-IV-Studien zusätzliche Kosten der zu erbringenden Dienstleistun-
die aber nicht mehr in einem Land alleine vorbereitet zum Nachweis des Zusatznutzens an oder verzögert gen und/oder erfolgsabhängiger Erstattungsmodelle
und entschieden werden kann. Hier muss eine intensive man den Markteintritt (in Deutschland), um vorher gegenüber. ←
pan-europäische Abstimmung mit globalen Effekten AMNOG relevante Nutzenargumente aufzubauen?
gekoppelt werden. Europa könnte hier mittelfristig sogar Sollten die Produktverantwortlichen davon überzeugt
Auswirkungen auf den amerikanischen Markt haben. sein, dass ihr Produkt gesundheitsökonomische Vortei- Dr. Hans-Joachim Diedenhofen
Die Industrie muss sich aber auch grundsätzlich neu le besitzt, könnte es sinnvoll sein, zuerst in einem Land ist Partner der Schweizer Unternehmensberatung Executive
aufstellen: Wissenschaftlich muss sich die Anerken- zu launchen, in dem solche Vorteile als Argumente Insight. Er verfügt über eine 15-jährige Erfahrung in der Pharma-
branche.
nung der evidenzbasierten Medizin durchsetzen. Noch zählen, zum Beispiel in England. Während dort über
im Februar 2010 versuchten die Industrieverbände in das System der „QALYs“ eine echte Kosten-Nutzen- Klarissa Hoday
ist als Beraterin für Executive Insight seit 2008 tätig. Ihr Schwer-
einem Positionspapier zu suggerieren, dass die Nut- Bewertung einem rationalen Diskurs zugänglich ist, punkt liegt in der Verbesserung der Erstattungen beim Marktzu-
zenbewertung von neu eingeführten Medikamenten wird nach heutiger Lage dies bei der Erstattungs- gang für innovative Produkte.
nach den Kriterien der evidenzbasierten Medizin nicht diskussion in Deutschland nicht gewertet. Um eine Kontakt: a.diedenhofen@executiveinsight.ch
möglich sei. erfolgreiche Markteintrittsstrategie zu verfolgen, muss
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