Begleitung der konzeptionellen Überlegung bei der Gründung eines Stadtwerks
Vorlesungsskript el masch_inhalt
1. Vorlesung: „Elektrische Maschinen“ 10/11 Seite 1 von 108
Technische Universität Hamburg-Harburg
Institut für Elektrische Energiesysteme und Automation
Prof. Dr.-Ing. G. Ackermann Eißendorfer Str. 38, 21073 Hamburg
Tel.: 040/428 78-4204
Manuskript der Vorlesung
„Elektrische Maschinen“
Prof. Dr.-Ing. G. Ackermann
Änderungen gegenüber Stand 10/09:
Aufgabe 8 (Asynchronmotoren) hinzugekommen; kleinere Korrekturen
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2. Vorlesung: „Elektrische Maschinen“ 10/11 Seite 2 von 108
Inhalt
1 FORMELZEICHEN, KONVENTIONEN 4
2 GLEICHSTROMMASCHINEN 5
2.1 Aufbau 5
2.2 Wirkung der Erregerwicklung 6
2.3 Kraftwirkung 7
2.4 Mechanische Abmessungen 14
2.5 Feldlinienbild, Ankerrückwirkung 15
2.6 Kompensations- und Wendepolwicklungen 16
2.7 Betriebsverhalten und Kennlinien 18
2.7.1 Spannungsgleichung und Drehmomentgleichung 18
2.7.2 Fremderregung, Permanenterregung 19
2.7.3 Reihenschlussverhalten 22
2.7.4 Wechselstrommotoren 24
3 DREHFELDMASCHINEN 24
3.1 Drehfelder in elektrischen Maschinen, Drehmoment und Abmessungen 24
3.1.1 Zum Aufbau von Drehfeldmaschinen 24
3.1.2 Grundprinzip der Drehfeldbildung 25
3.1.3 Beschreibung des Drehfeldes 26
3.1.4 Drehmoment, Strombelag, Abmessungen 29
3.2 Asynchronmaschinen 32
3.2.1 Besondere Formelzeichen und Begriffe 32
3.2.2 Aufbau der Ständer- und Läuferwicklung, Begriffe 32
3.2.3 Läuferspannungsgleichung 33
3.2.4 Ortskurve des Läuferstromes, Ersatzschaltbilder 37
3.2.5 Stromortskurve der Asynchronmaschine (Heyland-Kreis) 39
3.2.6 Normierung der Stromortskurve 41
3.2.7 Drehmoment-Drehzahl- und Strom-Drehzahl-Kennlinien 42
3.2.8 Aufteilung der Luftspaltleistung 43
3.2.9 Polumschaltung, Schleifringläufer, Käfigläufer 45
3.2.10 Stromverdrängungsläufer 46
3.2.11 Mechanisches Modell für den Asynchronmotor 49
3.2.12 Verluste von Asynchronmotoren und mechanischen Kupplungen bei
Beschleunigungsvorgängen 50
3.2.13 Betrachtung zur Größenordnung der Verlustenergie in einem Hebezeugmotor
für ein Frachtschiff 54
3.2.14 Anmerkungen zu instationären Betriebszuständen 60
3.2.15 Einphasiger Asynchronmotor 62
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3. Vorlesung: „Elektrische Maschinen“ 10/11 Seite 3 von 108
3.3 Synchronmaschinen 63
3.3.1 Grundsätzliche Wirkungsweise und Eigenschaften 63
3.3.2 Konstruktive Ausführung, Anwendungen 66
3.3.3 Betriebsverhalten, Kennlinien 68
3.3.4 Ortskurve des Ständerstromes 72
3.3.5 Drehmomentbildung 74
3.3.6 Betrieb der Synchronmaschine am Netz 75
3.4 Antriebe mit Frequenzumrichter 77
3.4.1 Pulswechselrichter 77
3.4.2 Leistungsflüsse bei Motorbetrieb und bei Bremsbetrieb 79
3.4.3 Zur Regelung und Steuerung 80
4 SONDERFORMEN ELEKTRISCHER MASCHINEN 82
4.1 Schrittmotoren 82
4.2 Linearmotoren 84
4.3 Drehstrom-Lichtmaschine für Pkw`s/Lkw`s 86
4.4 Antrieb für einen kleinen Lüfter (z. B. in Rechnern) 86
4.5 Autotachometer, Drehzahlmesser usw. 87
4.6 Scheibenmotor 88
5 ZUR BERECHNUNG DES DYNAMISCHEN VERHALTENS VON
DREHFELDMASCHINEN 89
5.1 Voraussetzungen 89
5.2 Idee der Berechnungsweise 89
5.3 1. Schritt: Transformation auf ein 2-phasiges a-b-System 90
5.4 Besonderheiten bei der Rechnung in normierten Größen 92
5.5 2. Schritt: Transformation von a-b in ein verdrehtes x-y-System 92
5.6 3. Schritt: Die Gleichungen der Synchronmaschine 93
5.7 Anwendung auf die Asynchronmaschine 96
6 ÜBUNGSAUFGABEN 98
6.1 Allgemeines, Grundlagen 98
6.2 Gleichstrommaschine 99
6.3 Asynchronmaschine 102
6.4 Synchronmaschine 106
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4. Vorlesung: „Elektrische Maschinen“ 10/11 Seite 4 von 108
1 Formelzeichen, Konventionen
a) Großbuchstaben: zeitlich konstante Größen
Kleinbuchstaben: zeitlich veränderliche Größen
b) Bei Wechsel- und Drehstrom sind U, I die Effektivwerte
c) _ (Unterstrich) markiert komplexe Größen
d) Bei Drehstrom ist die Spannung zwischen den Leitern gemessen, der Strom ist der Leiter-
strom.
e) Das einphasige Ersatzschaltbild bei Drehstrom ist immer auf eine Sternschaltung bezogen.
Häufig verwendete Indizes:
o Leerlauf
L Luftspalt
n Nennwert
N Netz
A Anker der Gleichstrommaschine
1 Stator-/Ständergröße
2 Rotor-/Läufergröße
f Feld, Erreger
σ Streuinduktivität
h Hauptinduktivität
p Pol
e Erreger, Feld
P Wirk...
Q Blind...
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5. Vorlesung: „Elektrische Maschinen“ 10/11 Seite 5 von 108
2 Gleichstrommaschinen
2.1 Aufbau
Quelle: ABB-Cat DMI 99-02 Klemmkasten
Bürsten
Rotor- (Anker-)
Wicklung
Kommutator
Feldwicklung
Abbildung 2.1: Schnitt durch eine Gleichstrommaschine
Joch
Erregerwicklung
Windungszahl Ne
r Anker mit
Ankerwicklung
Polschuhe
F
Pol
Abbildung 2.2: Schematischer Querschnitt durch einen Gleichstrommotor
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6. Vorlesung: „Elektrische Maschinen“ 10/11 Seite 6 von 108
Der Ständer von Gleichstrommaschinen, auch Magnetgestell genannt, besteht aus einem Jochring
aus Stahl, ausgeprägten Hauptpolen mit Polkernen und Polschuhen aus Elektroblech und der auf
den Polkernen sitzenden Erregerwicklung (Feldwicklung).
Bis zu einer Nennleistung von 20 kW werden auch permanenterregter Gleichstrommaschinen ge-
baut. Bei diesen sind die Erregerwicklungen und ihre Polkerne durch Dauermagneten ersetzt. Der
Läufer von Gleichstrommaschinen, meist Anker genannt, besteht aus einer Stahlwelle mit aufge-
presstem Läuferblechpaket aus Elektroblech. Er trägt die in Nuten befindliche Ankerwicklung und
einen Stromwender.
2.2 Wirkung der Erregerwicklung
Abbildung 2.3 zeigt schematisch das durch die Erregerwicklung erzeugte magnetische Feld. Der
Luftspalt zwischen Rotor und Stator habe in radialer Richtung die Länge d. Nach dem Durchflu-
tungsgesetz ergibt sich für den Erregerstrom If die Flussdichte im Luftspalt:
µ o ⋅ 2N e ⋅ If
BL =
2d + lFe / µr
Ne ist die Windungszahl einer der beiden Erregerspulen und lFe ist die Länge der Feldlinien im
Eisen. Oft ist
2d >> lFe/µr,
dann kann der zweite Term im Nenner entfallen oder man rechnet ersatzweise mit einem etwas
vergrößerten Luftspalt. Damit ist die Flussdichte einfacher:
N e ⋅ If
BL = µo · (2.1)
d
Der magnetische Fluss folgt unter Annahme eines homogenen Feldes und unter Vernachlässigung
von Feldverzerrungen an den Rändern der Polschuhe zu:
Φ = BL · lp · bp (2.2)
lp ist dabei die Länge des aktiven Bereiches in axialer Richtung.
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Pol 2
bp
Pol 1
lp
bp
Abbildung 2. 3: Schematische Darstellung zum Verlauf des Erregerfeldes
Ne ⋅ If Θ
B = µo = µo · (2.3)
d d
Bis zu einer Flussdichte von etwa 1,5 T ist die Flussdichte proportional zu dem Erregerstrom If.
B[T]
2 Bei einer Flussdichte von etwa 1,5 T beginnt die Eisensätti-
gung, d. h. zur Vergrößerung des Flusses ist eine überproporti-
1,5
onale Erhöhung des Erregerstromes erforderlich. Eine Fluss-
1 dichte von etwa 2,2 T kann in üblichen Eisenarten erreicht
werden.
0,5
H
Abbildung 2.4: Magnetisierungskennlinie mit Sättigung
2.3 Kraftwirkung
Auf einen Strom führenden Leiter in einem Magnetfeld wird eine Kraft senkrecht zum Leiter
und senkrecht zu dem magnetischen Feld ausgeübt.
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8. Vorlesung: „Elektrische Maschinen“ 10/11 Seite 8 von 108
BL i
lp
BL F F, v
u
Abbildung 2.5: Kraftwirkung auf einen stromdurchflossenen Leiter
Mit den in Abbildung 2.5 eingetragenen Zählpfeilen ist nach den Grundgesetzen der Elektrotech-
nik:
F = BL · i · lp (2.4)
Bei einer Bewegung des Leiters mit der Geschwindigkeit v wird in dem Leiter eine Spannung u
induziert, die nach dem Induktionsgesetz durch die zeitliche Änderung des magnetischen Flusses
in der Leiterschleife bestimmt ist:
dΦ
ui = +
dt
Für das Vorzeichen der Spannung gilt die Lenz`sche Regel, nach der ein aus der induzierten
Spannung resultierende Stromfluss der Flussänderung entgegenwirkt. Die Bewegung des Leiters
verkleinert die Fläche der Leiterschleife und somit auch den Fluss. Die induzierte Spannung muss
also einen Strom erzeugen können, der den Fluss verstärkt.
Mit den Angaben in Abbildung 2.5 ist
dΦ
= - BL · lp · v
dt
ui = - BL · lp · v
Ordnet man auf dem Rotor des Eisenkreises nach Abbildung 2.6 parallel zur Achse isolierte Stäbe
in Nuten an und sorgt dafür, dass in ihnen unter dem oberen Pol Ströme entgegengesetzt zu den
Strömen unter dem unteren Pol fließen, so wird ein Drehmoment auf den Rotor ausgeübt. Es gel-
ten die gleichen Überlegungen, die zu Gleichung 2.4 geführt haben. Die resultierenden Kräfte
greifen aber keinesfalls an den stromdurchflossenen Leitern an, sondern sie wirken zum großen
Teil auf das Eisen zwischen den Nuten.
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9. Vorlesung: „Elektrische Maschinen“ 10/11 Seite 9 von 108
Pol 2
r
F
Pol 1
Abbildung 2.6: Zur Drehmomentbildung in einer Gleichstrommaschine
Die in Abbildung 2.6 gezeigte Maschine hat eine Rotorwicklung mit N Windungen, bei der je
zwei (gegenüberliegende) Stäbe zu einer Windung zusammengefasst sind.
Bringt man auf den Rotor mehrere Windungen gleichmäßig verteilt an (Abbildung 2.7), so muss
man beachten, dass jede Windung einen „linken“ Stab (I; II; III;...) und einen „rechten“ Stab (1; 2;
3;...) hat. Aus Symmetriegründen müssen die linken Stäbe über den ganzen Umfang verteilt wer-
den und die rechten Stäbe müssen dann ebenfalls über den ganzen Umfang verteilt sein.
Man kann die Stäbe von je zwei Windungen in einer Nut übereinander anordnen. Dann sind ent-
weder alle linken Stäbe unten und alle rechten Stäbe oben in den Nuten oder umgekehrt. Verbin-
det man z. B. auf der Hinterseite des Rotors jeweils die zusammengehörigen Stäbe I1; II2; III3 zu
Windungen und schaltet auf der Vorderseite alle Windungen hintereinander durch jeweils eine
Verbindung I2; II3; III4, so entsteht eine symmetrische Wicklung, bei der alle Windungen hin-
tereinander geschaltet sind.
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10. Vorlesung: „Elektrische Maschinen“ 10/11 Seite 10 von 108
3
VII
4 2
VIII VI
5 I V 1
II IV
6
8
III
7
Abbildung 2.7: Schematische Darstellung der Ankerwicklung
Wickelt man den Umfang des Rotors ab, so ergibt sich Abbildung 2.8. Die Stäbe der Unterlage
sind der Übersichtlichkeit halber neben die Stäbe der Oberlage gezeichnet, die Verbindungen der
Stäbe auf der Rückseite und auf der Vorderseite des Rotors sind ebenfalls in zwei Lagen angeord-
net.
V 1 VI 2 VII 3 VIII 4 I 5 II 6 III 7 IV 8
7 8 1 2 3 4 5 6 7
A B
Abbildung 2.8: In die Ebene projizierte Ankerwicklung und dem Kommutator mit den Lamellen
1 – 8 und den Bürsten A und B
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11. Vorlesung: „Elektrische Maschinen“ 10/11 Seite 11 von 108
Bringt man an die Stabverbindungen auf der Vorderseite Kontakte 1; 2;... an, so entsteht ein mit
dem Rotor umlaufender Kommutator. Stillstehende, mit dem Stator der Maschine mechanisch fest
verbundene Kontakte für die Stromzuführung zum Rotor („Bürsten“) seien A und B. Sie sind um
180° gegeneinander versetzt.
Der über eine Bürste der Rotorwicklung zufließende Strom teilt sich in zwei gleich große Ströme
auf die beiden Wicklungshälften auf. Dadurch fließen in den beiden Sektoren zwischen den Bürs-
ten, also unter den beiden Polen der Maschine alle Ströme in gleicher Richtung (Abbildung 2.9).
Pol 1 Pol 2
7 8 1 2 3 4 5 6 7
i i
A B
Abbildung 2.9: Zur Wirkungsweise des Kommutators: Trotz Rotation des Ankers ist die Strom-
richtung unter den Polen konstant.
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12. Vorlesung: „Elektrische Maschinen“ 10/11 Seite 12 von 108
Man kann die einzelnen Windungen der Rotorwicklung als Teilwicklungen betrachten und ein
Schaltschema (Abbildung 2.10) zeichnen.
Es ergibt sich ein geschlossener Kreis aus den einzelnen Teilwicklungen, in diesem Kreis kann
kein umlaufender Strom fließen, da die Summe der induzierten Spannungen im Kreis null ist. Der
Strom i fließt über die Bürste A und teilt sich in zwei Ströme i/2 auf, einer fließt gleichsinnig, der
andere gegensinnig durch jeweils eine Gruppe von Teilwicklungen. Beide Ströme vereinigen sich
am gegenüberliegenden Punkt und fließen durch die Bürste B ab.
II 3
2 III
I i/2 4
1 IV
VIII 5
A B
8 i/2 V
VII 6
7 VI
i
u
A B
Abbildung 2.10: Stromaufteilung in der Wicklung durch den Kommutator
Die Rotorwicklung besteht also von den Klemmen A, B gesehen aus zwei parallelen Zweigen. Die
Einzelwicklungen werden in beiden Zweigen durch die Drehung des Rotors zyklisch weiterge-
schaltet. Dadurch kehrt sich die Stromrichtung in jeder Teilwicklung bei jeder halben Umdrehung
um.
Der Kommutator mit Bürsten wirkt also wie ein Wechselrichter, der den zufließenden Gleichstrom
in Wechselströme umwandelt und den Teilwicklungen zuführt.
Man erkennt aus den Abbildungen 2.6 und 2.9, dass eine räumliche feststehende Anordnung von
Strömen entsteht, obwohl die Leiter, in denen diese Ströme fließen, mit dem Rotor gedreht wer-
den.
Daher treten durch das Zusammenwirken von magnetischem Feld und Rotorströmen unter dem
Pol 1 Tangentialkräfte nach links und unter dem Pol 2 Tangentialkräfte nach rechts auf. Sie bilden
das Drehmoment der Maschine.
Die Kraft auf einen Stab, welcher den Strom I/2 führt, ist
I
F= · B · lp (2.5)
2
Die Zahl der Stäbe ist N, Kräfte treten jedoch nur an den Stäben unter den Polen auf, da nur hier
ein radiales Magnetfeld mit der magnetischen Induktion B auftritt. Die Breite eines Poles (am
Luftspalt) sei bp, dann ist der Ausdruck
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13. Vorlesung: „Elektrische Maschinen“ 10/11 Seite 13 von 108
bp
αp = (2.6)
π⋅r
die (relative) „Polbedeckung“. Sie soll so groß wie möglich sein, um einen großen Einfluss in der
Maschine zur Wirkung zu bringen, jedoch kann die Polbedeckung nicht gegen 1 gehen, da sonst
ein zu großer Polstreufluss (Abbildung 2.11) auftritt, der keine Wirkung auf den Rotor ausübt,
aber der durch das Eisen des magnetischen Joches fließt und es in die magnetische Sättigung trei-
ben kann. Übliche Werte für die Polbedeckung liegen zwischen 0,6 und 0,7.
Polstreufluss
Nutzfluss
Abbildung 2.11: Feldlinien, die den Anker nicht durchqueren, tragen nicht zum Drehmoment bei
Das Drehmoment der Gleichstrommaschine ergibt sich dann aus Gleichung (2.5) und (2.6):
M = N · αp · I · BL · lp · r
In dieser Gleichung ist N · αp die wirksame Leiterzahl und r der Radius des Rotors. Setzt man
Gleichung (2.6) ein, so ist:
N
M= · I · BL · lp · bp
π
Mit dem magnetischen Fluss aus Gleichung (2.2) wird das kürzer:
N
M= ·I·Φ (2.7)
π
Die Spannung der Gleichstrommaschine kann bei Vernachlässigung der Verluste in der Rotor-
wicklung durch Gleichsetzen der mechanischen und der elektrischen Leistung berechnet werden:
U·I=M·ω
(2.8)
N
U= ·ω·Φ
π
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14. Vorlesung: „Elektrische Maschinen“ 10/11 Seite 14 von 108
Es ist beachtenswert, dass die Gleichungen (2.7 und 2.8) für Strom und Spannung von Gleich-
strommaschinen unabhängig von den Abmessungen der Maschine sind und dass nur die Win-
dungszahl N als Faktor vorkommt. Die Abmessungen der Maschine sind natürlich indirekt rele-
vant für das größtmögliche Drehmoment, da der Maximalwert des Flusses vom Eisenquerschnitt
des Joches begrenzt ist. Auch der Maximalwert des Stromes ist über die erforderlichen Stabquer-
schnitte durch die Abmessungen des Rotors begrenzt.
2.4 Mechanische Abmessungen
Als Gedankenexperiment wird ausgehend von einer gegebenen Maschine eine größere Maschine
dadurch konstruiert, dass man alle Abmessungen um den Faktor x vergrößert. Dies wirkt sich auf
das Drehmoment der Maschine folgendermaßen aus:
Die magnetische Flussdichte ist durch die Materialeigenschaften des Eisens bestimmt, also ist der
Fluss nur durch die Fläche bestimmt:
Φ ~ x2
Der Ankerstrom ist hauptsächlich durch die abführbare Verlustleistung bestimmt. Da die maximal
zulässigen Temperaturen durch die Werkstoffe bestimmt sind, ist die an der Oberfläche der Ma-
schine abzugebende Wärme nur von der Oberfläche abhängig, also
PV ~ x2
Die Verluste im Anker machen einen großen Teil dieser Verluste aus, also
R · I2 ~ x2
Der Widerstand R nimmt mit der Länge zu und mit wachsendem Querschnitt ab, also
1
R~
x
Somit resultiert für den Ankerstrom
I2 ~ x3
und mit Gleichung (2.7) für das Moment
7
M ~ x2
Das Gewicht der Maschine ist proportional zum Volumen, also:
G ~ x3
6
G ~ M7
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15. Vorlesung: „Elektrische Maschinen“ 10/11 Seite 15 von 108
Es ist also zu erkennen, dass bei einer Baureihe von ähnlichen Maschinen das Gewicht etwa pro-
portional dem Nennmoment ist. Die Nenndrehzahl und somit die Nennleistung sind nicht die be-
stimmenden Größen.
⎢⎢Abmessungen und Gewicht einer Maschine sind durch Nennmoment bestimmt. ⎢⎢
2.5 Feldlinienbild, Ankerrückwirkung
Im Luftspalt der Maschine überlagert sich das Erregerfeld mit den von den stromdurchflossenen
Läuferstäben erzeugten Feldern (Abbildung 2.12). Die resultierende Feldkurve ergibt sich durch
die Überlagerung der einzelnen Feldkurven.
Feld ohne Ankerrückwirkung
Überlagerung von Erreger-
und Rotorfeld X
A B
Abbildung 2.12: Zur Feldverzerrung und Verschiebung der neutralen Zone durch Ankerrückwir-
kung
Man erkennt, dass durch den Ankerstrom eine Feldverzerrung auftritt. Die erhöhte magnetische
Flussdichte an den rechten Polkanten, an denen sich Erregerfeld und Ankerfeld addieren, führt zur
lokalen Eisensättigung und dadurch zu einer Verminderung des Erregerflusses, d. h. Drehmoment
und die induzierte Spannung sinken. Das ist die „Ankerrückwirkung“ der Gleichstrommaschine.
Bei einem Betrieb der Maschine an einer konstanten Spannungsversorgung würde nach Gleichung
(2.8) ein verminderter Fluss zu einer erhöhten Drehzahl führen müssen. Mit steigendem Drehmo-
ment würde deshalb auch die Drehzahl ansteigen.
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16. Vorlesung: „Elektrische Maschinen“ 10/11 Seite 16 von 108
2.6 Kompensations- und Wendepolwicklungen
Die Bürsten müssen so breit sein, dass sie immer mehr als ein Kommutatorsegment überbrücken
(üblich ist eine Überdeckung von 2 bis 4,5 Segmenten). Dadurch werden Stromunterbrechungen
vermieden, aber während des Kommutierungsvorganges sind mehrere Schleifen kurzgeschlossen.
In Abbildung 2.13 ist ein Zustand dargestellt, bei dem gerade der Übergang von 1 nach 2 erfolgt.
Die dick markierte Wicklung ist dabei kurzgeschlossen. Ohne die Ankerrückwirkung (Abbildung
2.12) ist in der Pollücke das Feld = 0, eine kleine Verschiebung der kurzgeschlossenen Schleife
erzeugt somit auch keine Flussänderung und induziert keine Spannung zwischen den kurzge-
schlossenen Kommutatorsegmenten 1 und 2.
Pol1
Pol1
7 8 1 2 3 4 5 6 7
B
Abbildung 2.13: Kurzschluss einer Windung während des Kommutierungsvorganges
Die Ankerrückwirkung verdreht nun das Feld etwas, sodass die Leiter der kurzgeschlossenen
Schleife nicht mehr in dem feldfreien Bereich liegen. Dadurch wird in der kurzgeschlossenen
Schleife eine Spannung induziert. Dies erzeugt einen Strom. Wenn die Bürste A die Lamelle 1
verlässt, wird dieser Strom abrupt unterbrochen. Dies führt zu starken Funken (Feuern) und damit
zu einer Abnutzung der Bürsten. Eine lastabhängige mechanische Verdrehung der Bürsten in der
Weise, dass die jeweils kurzgeschlossenen Windungen in der feldfreien Zone liegen, behebt die-
sen Mangel. Üblich ist jedoch heute folgende magnetische Korrektur:
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17. Vorlesung: „Elektrische Maschinen“ 10/11 Seite 17 von 108
Es werden zusätzliche „Wendepole“ in der Pollücke angeordnet, um die Wirkung der Rotorströme
zu kompensieren (Abbildung 2.14). Dazu muss ihre elektrische Durchflutung i · NW ebenso groß
sein, wie die Rotordurchflutung N · i/2.
Die Wendepole sind also für hohe Durchflutung (viel Kupfer) und nur für geringe Flüsse (kleiner
Eisenquerschnitt) auszulegen.
Der Ankerstrom erzeugt neben dem Feld entsprechend Abbildung 2.12 auch einen Streufluss in
den Nuten und um die Leiter außerhalb des Blechpaketes (Wickelköpfe). Dieser Streufluss bremst
den gleichmäßigen Übergang des Stromes während der Kommutierung und ist ebenfalls Ursache
für ein Feuern der Bürsten. Eine etwas stärkere Wendepolwicklung kann auch diesen Effekt weit-
gehend ausgleichen.
Pol 2
Nω Nω
2 2
A i
B
Pol 1
Abbildung 2.14: Die Wendepolwicklungen sind so geschaltet, dass ihr Feld dem Anker(quer)feld
entgegenwirkt
Die Feldschwächung durch Sättigung der Polkanten kann durch die Wendepole nur sehr unvoll-
kommen ausgeglichen werden. Bei großen Gleichstrommaschinen ist es deshalb wirtschaftlicher
und erfolgreicher, die Wendepolwicklung teilweise in den Hauptpolen unterzubringen (Abbildung
2.15), wodurch die Wirkung der Rotorströme am gegenüberliegenden Teil des Pols kompensiert
wird. Derartige Anordnungen werden als Kompensationswicklung bezeichnet. Auf den Wendepo-
len ist dann kein großer Wickelraum erforderlich.
Diese Maschinen werden kompensierte Gleichstrommaschinen genannt. Sie sind im Betrieb sehr
unempfindlich gegen Überlastungen und Kurzschlüsse.
Große Maschinen sind immer kompensiert, bei kleineren Maschinen wird auf die Kompensati-
onswicklung und gelegentlich auch auf eine Wendepolwicklung zu Gunsten eines niedrigen Prei-
ses verzichtet. Die Nachteile der Ankerrückwirkung können bei kleineren Maschinen leichter als
bei großen Maschinen in Kauf genommen und z. T. durch geeignete Auslegung vermindert wer-
den.
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i
i
B
i
Abbildung 2.15: Die Kompensationswicklung in den Polen und die Wendepolwicklung wirken
dem Anker(quer)feld entgegen
2.7 Betriebsverhalten und Kennlinien
2.7.1 Spannungsgleichung und Drehmomentgleichung
Die Gleichungen (2.7) und (2.8) können wie folgt dargestellt werden:
Ui = k1 · n · Φ (2.9)
k1
M= ·Φ·I (2.10)
2π
Ui ist die induzierte Spannung
In der Maschinenkonstante k1 sind alle Wicklungsdaten der Maschine zusammengefasst.
Aus Gleichungen (2.9) und (2.10) ist erkennbar, dass die Gleichstrommaschine sich sehr einfach
in Bezug auf Drehmoment und Drehzahl regeln lässt:
− Nach Gleichung (2.9) kann die Drehzahl sowohl über die Spannung als auch über den Fluss
beeinflusst werden.
− Nach Gleichung (2.10) ist bei gegebenem Fluss das Drehmoment proportional dem Anker-
strom.
Aus diesen Gründen wird die Gleichstrommaschine auch heute noch - trotz ihrer offensichtlichen
Nachteile in Bezug auf den Verschleiß von Bürsten und Kommutator - in einer Vielzahl von dreh-
zahl- und drehmomentgeregelten Antrieben eingesetzt.
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2.7.2 Fremderregung, Permanenterregung
I
U
Ie
Ue
Abbildung 2.16: Schaltung der fremderregten Gleichstrommaschine
RA
I
U Ui = k1·Φ·n
Abbildung 2.17: Ersatzschaltbild für den Ankerkreis
Alle Widerstände des Ankerkreises (Widerstände der Ankerwicklung und anderer Wicklungen
wie Wendepolwicklungen und Kompensationswicklungen (s. u.) sowie der Bürsten) sind im Er-
satzschaltbild Abbildung 2.17 im Ankerkreiswiderstand RA zusammengefasst. Im Anker wird die
Spannung Ui induziert. Die Feldwicklung wird unabhängig vom Ankerkreis mit einem Erreger-
strom Ie gespeist, der den Fluss Φ zur Folge hat. An den Ankerklemmen liegt die Spannung U.
Nach Abbildung 2.17 gilt:
U = I · RA + Ui
U = I · RA + k1 · Φ · n (2.11)
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Mit Gleichung (2.10) ist:
R A ⋅ 2π
U= · M + k1 · Φ · n
k1 ⋅ Φ
U R A ⋅ 2π
n= - ·M (2.12)
k 1 ⋅ Φ (k 1 ⋅ Φ ) 2
n Grenzen für
2 0
Feldschwächung
Feldstellbereich
1
φ = φ n ,U =U n
2
n0 φ =φ n ,U =U n
I
I 1
1 φ =φ n ,U = U n
n 2
2 0
Generator Mo-
II Mn M
I
Motor Generator Ankerstellbereich
Abbildung 2.18: Kennlinien der fremderregten Gleichstrommaschine
Index n: Nennwerte
no: Leerlaufdrehzahl
Aus Gleichung (2.12) ergibt sich, dass im Betriebsbereich mit vollem Feld die Drehzahl-
Drehmoment-Kennlinien parallele Geraden sind. Im Feldschwächbereich bei konstanter Anker-
spannung ändert sich die Neigung dieser Kennlinien, die Drehzahlverringerung der Maschine bei
Belastung wird größer, die Maschine wird „weicher“.
Un
Die Nennleerlaufdrehzahl ist no = (2.13)
k1 ⋅ Φ n
Diese Drehzahl wird auch als die natürliche Drehzahl bezeichnet.
Würde im Leerlauffall die Erregung abgeschaltet (Φ = 0), so würde die Drehzahl nur durch Rei-
bung begrenzt und unzulässig hohe Werte annehmen („Durchgehen“ der Gleichstrommaschine!).
Wie in Abbildung 2.18 ersichtlich, kann die Drehzahl durch „Feldschwächung“ (Verringerung
von Φ) über die Leerlaufdrehzahl hinaus auch unter Last angehoben werden. Im Dauerbetrieb darf
der Ankerstrom aus Erwärmungsgründen seinen Nennwert nicht überschreiten. Ersetzt man Φ in
Gleichung (2.12) mit Gleichung (2.10) durch
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21. Vorlesung: „Elektrische Maschinen“ 10/11 Seite 21 von 108
2π M
Φ=
k1 ⋅ I n
so erhält man die zulässige Drehzahl im Feldschwächbereich:
U N ⋅ In R A ⋅ In
2
nZul = − (2.14)
2π M 2π M
Die zulässige Drehzahl im Feldschwächbereich ist also umgekehrt proportional zum Drehmoment.
1
nZul ∼
M
Dieser Zusammenhang wird durch eine Hyperbel dargestellt. Sie ist in Abbildung 2.18 mit einge-
tragen.
Der zulässigen Drehzahlerhöhung ist außerdem, abhängig von der Auslegung der Maschine, eine
obere Grenze gesetzt (Fliehkräfte, Kommutierung).
Treibt man die Maschine an (M < 0), so wird Ui > U, die Stromflussrichtung kehrt sich um und die
Maschine wird zum Generator (II. Quadrant). Für den Betrieb mit umgekehrter Drehrichtung (III.
und IV. Quadrant) ist die Feldwicklung umzupolen.
Man unterscheidet bei der fremderregten Gleichstrommaschine also einen „Ankerstellbereich“, in
dem die Drehzahl durch Variation der Ankerkreisspannung U eingestellt wird und einen „Feld-
stellbereich“, in dem der Ankerkreis an der Nennspannung Un liegt und die Erregung Φ ge-
schwächt wird.
Die variable Ankerkreisspannung wird heute i. a. aus dem Drehstromnetz mit Hilfe von Strom-
richtern erzeugt.
Eine andere auch heute noch manchmal verwendete Methode der Drehzahlsteuerung z. B. von
Prüfständen besteht in der Erzeugung der variablen Ankerspannung durch einen Gleichstromgene-
rator, der von einem Drehstrom-Asynchronmotor mit etwa konstanter Drehzahl angetrieben wird
(Leonard-Satz):
3~
φG φM
ASM G M
Abbildung 2.19: Schaltung des Leonard-Satzes
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Die Ankerspannung des Motors wird über den variablen Fluss Φ G des Gleichstromgenerators
eingestellt. Durch entsprechende Beträge und Polaritäten der Flüsse sowie Feldschwächung des
Motors kann das Kennlinienfeld gemäß Abbildung 2.18 erzeugt werden.
Bei kleinen Motoren wird die Feldwicklung eingespart, stattdessen sind die Pole des Ständers aus
einem Permanentmagneten hergestellt. Das Betriebsverhalten entspricht einer fremderregten Ma-
schine, wobei ein Feldschwächbereich natürlich nicht möglich ist.
Bei Antrieben, die keine Drehzahlverstellung erfordern, kann die Erregerwicklung aus der glei-
chen Quelle wie der Anker versorgt werden. Die Erregerwicklung ist dann einfach parallel zum
Anker geschaltet. Diese Variante wird als Nebenschluss-Motor bezeichnet.
2.7.3 Reihenschlussverhalten
U Ui Φ
RF
RSh
Abbildung 2.20: Schaltung der Gleichstrom-Reihenschlussmaschine
Die Erregerwicklung ist hier in Reihe mit dem Anker geschaltet, RF bildet den ohmschen Wider-
stand der Wicklung ab.
Für die ungesättigte Maschine ist:
Φ∼I
Φ = k3 · I
Ui = k1 · k3 · n · I (2.15)
k1
M= · k3 · I2 (2.16)
2π
Unter Einbeziehung des Widerstandes RF der Erregerwicklung ergibt sich die Gleichung für die
Klemmenspannung:
U = (RA + RF) · I + k1 · k3 · n · I (2.17)
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Einsetzen der Gleichung (2.16) und weitere Umformung führt auf die Drehzahl-Drehmoment-
Gleichung der Reihenschlussmaschine:
1 U R + RF
n= · - A (2.18)
2 πk 1 k 3 M k1k 3
Abbildung 2.21 zeigt das Kennlinienfeld der Reihenschlussmaschine.
Eine Feldschwächung kann dadurch erreicht werden, dass man einen Nebenwiderstand (Shunt)
RSH parallel zur Erregerwicklung schaltet und dadurch nicht den vollen Ankerstrom zur Felderre-
gung nutzt.
n
U = Un
Feldschwächung durch RSh
U = Un
1
U= Un
2
M
Abbildung 2.21: Kennlinien des Reihenschlussmotors
Wegen ihrer besonderen Drehzahl-Drehmoment-Charakteristik (hohes Drehmoment bei niedriger
Drehzahl und niedriges Drehmoment bei hoher Drehzahl) ist die Gleichstrom-Reihenschlussma-
schine besonders für Antriebe von Fahrzeugen (U-Bahn, Straßenbahn, Hubstaplern) geeignet. Die
Spannung und damit die Drehzahl wird hierbei durch Vorwiderstände, Reihen-Parallelschaltungen
von Motoren oder elektronische Gleichstromsteller eingestellt. Heute wird in diesen Anwendun-
gen jedoch meistens ein Drehstrommotor mit einem elektronischen Wechselrichter eingesetzt.
Ein „Durchgehen“ bei vollständiger Entlastung ist gemäß Gleichung (2.18) beim Reihenschluss-
motor ebenfalls möglich; bei den oben genannten Hauptanwendungsgebieten des Reihenschluss-
motors tritt eine vollständige Entlastung allerdings in der Praxis nicht auf.
Das Drehmoment kann nach Gleichung (2.16) nur positiv sein. Ein Betrieb als Generator ist des-
halb nur für n < 0 möglich. Die aus Gleichungen (2.15 – 2.18) resultierenden Betriebskennlinien
sind aber nur für Sonderfälle brauchbar. Mit einer zusätzlichen fremderregten Wicklung entsteht
eine Mischform von Nebenschluss- und Reihenschlussmaschine, die auch als Generator gut ge-
eignet ist und früher viel eingesetzt wurde. Je nach Gewichtung der Reihenschlusswicklung und
fremderregten Wicklung können Betriebskennlinien als Überlagerung der Diagramme Abbildung
2.18 und Abbildung 2.21 erreicht werden.
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24. Vorlesung: „Elektrische Maschinen“ 10/11 Seite 24 von 108
2.7.4 Wechselstrommotoren
Der Reihenschlussmotor ändert seine Drehrichtung nicht, wenn sich die Stromrichtung umkehrt,
da sich Feld und Ankerstrom jeweils gleichsinnig ändern. Deshalb kann ein Reihenschlussmotor
prinzipiell auch mit Wechselstrom betrieben werden. (Es gibt sogar Bauarten für Drehstrom.) Der
Ständer muss dafür natürlich aus Blechen aufgebaut sein. Da bei Wechselstrom die Induktivitäten
aller Wicklungen eine wesentliche Rolle spielen, ist eine andere Dimensionierung als bei Gleich-
strom nötig. Antriebe in Haushaltsmaschinen und Heimwerker-Werkzeugen sind oft Motoren die-
ser Art.
Mit Kompromissen gelingt es, eine Auslegung zu finden, die sowohl für Gleichstrom als auch für
Wechselstrom ein brauchbares Betriebsverhalten ergibt (Universalmotoren).
Nebenschlussmotoren sind im Prinzip auch für Wechselspannung geeignet. Da in der Erreger-
wicklung der Strom jedoch um 90° phasenverschoben gegenüber der Spannung ist, der Anker-
strom jedoch auch einen Wirkstrom beinhaltet, sind Ankerstrom und Feld nicht in Phase und das
Drehmoment hat wechselnde Vorzeichen.
3 Drehfeldmaschinen
3.1 Drehfelder in elektrischen Maschinen, Drehmoment und Abmessungen
3.1.1 Zum Aufbau von Drehfeldmaschinen
Drehfelder sind die Basis für die Arbeitsweise verschiedener Drehstrommaschinen (Asynchron-
motoren, Synchrongeneratoren u. a.). Der feststehende Teil dieser Maschinen wird als Stator (bei
Asynchronmaschinen auch als Ständer) bezeichnet. Der Stator ist ein aus Eisenblechen aufgebau-
ter Ringzylinder. An der Innenfläche befinden sich Nuten, in denen eine Wicklung aus Kupfer-
draht oder –stäben untergebracht ist. Die Wicklung schließt sich an den Stirnseiten des Zylinders
(Wickelköpfe).
Der rotierende Teil (Rotor, Läufer) ist für die verschiedenartigen Maschinen unterschiedlich auf-
gebaut. Für die folgende Betrachtung der Entstehung des Drehfeldes wird am Einfachsten vom
Läufer einer Asynchronmaschine ausgegangen. Dieser ist ein aus Eisenblechen aufgebauter Zylin-
der, in dessen äußerem Mantel in Nuten eine Wicklung eingebracht ist, die aber im Folgenden
keine Rolle spielt. Zwischen dem rotierenden Teil und dem feststehenden Teil befindet sich der
Luftspalt, der je nach Maschinenart etwa 1 – 10 mm weit ist. In jedem Fall ist der Luftspalt so eng,
dass bei der Betrachtung der magnetischen Verhältnisse zwischen dem Innenradius des Stators
und dem Radius des Rotors nicht unterschieden werden muss; man rechnet ggf. mit einem mittle-
ren Radius. Abbildung 3.1 zeigt den gesamten Aufbau. Die Koordinate x sei der Winkel.
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iR
7 6
8 5
x
9 4
Stator Rotor
10 3
11 2
12 1
Stabverbindung iR
auf der Rückseite
Abbildung 3.1: Beispiel einer Drehfeldmaschine mit Drehstromwicklung in zwölf Statornuten
(nur die Stäbe des Stranges R sind gezeichnet).
3.1.2 Grundprinzip der Drehfeldbildung
Drehstromwicklung
x 2 /p
ic Schließt man die drei um räumlich 120° gegeneinander
versetzten Wicklungsstränge an ein symmetrisches Dreh-
ia stromsystem an, dann wandert das Maximum des Stromes
wie eine Welle dem Luftspalt entlang.
ib Nimmt die dargestellte Anordnung nur 180° des (räumli-
chen) Umfanges ein und wiederholt sich dann, dann legt
Drehfeld das Maximum während einer Netzperiode nur 180° zurück.
ia ib ic
Die Anzahl der Wiederholungen am Umfang wird als Pol-
t=0 paarzahl p bezeichnet. Man bezeichnet den Winkel γ = p ⋅ x
als elektrischen Winkel.
t = 1/6
t = 1/3
t = 1/2 Abbildung 3.2: Zur Bildung des Drehfeldes
t = 2/3
Feld = /p
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3.1.3 Beschreibung des Drehfeldes
Abbildung 3.3 zeigt eine Abwicklung des Luftspaltes der Anordnung in Abbildung 3.1.
Stator
4 5 6 7 8 9 10 11 12 1 2 3
δ H(0) H(x)
2π x
Rotor
H,B
Abbildung 3.3: Zur Ermittlung des Feldverlaufes
Die durch den Strom i erzeugte magnetische Feldstärke wird aus dem Durchflutungssatz ermittelt:
x
H(0) ⋅ δ - H(x) ⋅ δ = ∑i
x=o
(3.1)
und B = µo ⋅ H.
Berücksichtigt man als Randbedingung, dass H(x) den Mittelwert 0 haben muss, dann ergibt sich
der in Abbildung 3.3 dargestellte Feldverlauf. Charakteristisch sind die Sprungstellen an den
stromdurchflossenen (als schmal angenommenen) Nuten. Die Feldform hängt also stark davon ab,
wie viele Nuten es gibt und wie die Wicklung in den Nuten verteilt ist.
Für die weitere Betrachtung und die Überlagerung der Felder der Ströme in allen drei Wicklungs-
strängen ist die Fourier-Zerlegung gut geeignet. Die durch den Strom iR erzeugte Flussdichte in
Abbildung 3.3 kann also geschrieben werden:
∞
bR(γ) = B R ⋅ ∑ C i ⋅ sin(i ⋅ γ )
i =1
mit γ = p ⋅ x, um auch den Fall höherer Polpaarzahlen berücksichtigen zu können. (Eine mögliche
Phasenverschiebung spielt für das Folgende keine Rolle und ist deshalb weggelassen.) Ci kann nur
ungerade sein, das wird hier aber nicht berücksichtigt. Der (räumliche) Scheitelwert B R ist pro-
portional zum Strom iR, also bei willkürlicher Wahl des zeitlichen Bezugspunktes:
B R = B ⋅ sin(ω ⋅ t )
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Für die Wicklungsstränge S und T muss jeweils die räumliche und zeitliche Verschiebung um
± 120° (± 2/3 π) ergänzt werden und man erhält:
∞
bR(γ,t) = B ⋅ sin (ω ⋅ t) ⋅ ∑C
i =1
i ⋅ sin (i ⋅ γ)
∞
2 2
bS (γ, t) = B ⋅ sin (ω ⋅ t -
3
π) ⋅ ∑C
i =1
i ⋅ sin (i ⋅ γ -
3
π)
∞
2 2
bT (γ,t) = B ⋅ sin (ω ⋅ t +
3
π) ⋅ ∑C
i =1
i ⋅ sin (i ⋅ γ +
3
π)
1
Unter Nutzung der Gleichung (Additionstheorem) sin α ⋅ sin β = [cos (α - β) - cos (α + β)] und
2
von
4 2
cos (x - π) = cos (x + π) folgt:
3 3
∞
B
bR (γ, t) =
2
⋅ ∑C
i =1
i [cos (ωt – i ⋅ γ) - cos (ω ⋅ t + i ⋅ γ)]
∞
B 2
bS (γ, t) =
2
⋅ ∑C
i =1
i [cos (ωt – i ⋅ γ) – cos (ω ⋅ t + i ⋅ γ +
3
π)]
∞
B 2
bT (γ, t) =
2
⋅ ∑C
i =1
i [cos (ωt – i ⋅ γ) – cos (ω ⋅ t + i ⋅ γ -
3
π)]
Das gesamte Feld ist die Addition der drei einzelnen Felder. Da die Summe der zweiten cos-
Terme null ist, folgt schließlich:
∞
3
b (γ, t) =
2
B ⋅ ∑C i =1
i ⋅ cos (ω ⋅ t – i ⋅ γ)
∞
3
b (γ, t) =
2
B ⋅ ∑C i =1
i ⋅ cos (ω ⋅ t – i ⋅ p ⋅ x)
Das gesamte Feld besteht also aus :
1. Grundfeld (i = 1), das die Polpaarzahl p besitzt und mit der Winkelgeschwindigkeit
ωo = ω/p (synchrone Drehzahl) rotiert (s. auch Abbildung 3.9).
2. Oberfelder (i > 1), die die Polpaarzahl i ⋅ p besitzen und entsprechend mit
ωi = ωo/(i⋅p) rotieren.
Die Drehzahl des Rotors in einer Drehfeldmaschine ist durch das Grundfeld bestimmt (synchron
oder asynchron). Die Oberfelder würden eine Rotation mit 1/3, 1/5 ... Drehzahl erzeugen wollen
und würden so die eigentliche Funktion behindern.
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Die Oberfelder müssen also möglichst vermieden werden. (In Ergänzung wird auch die Wicklung
im Rotor möglichst so gestaltet, dass sie auf ggf. verbleibende Oberfelder möglichst nicht rea-
giert). Es ist also anzustreben, das Ci = 0 für i > 1 ist.
Jeder Strang muss also ein möglichst sinusförmiges Feld erzeugen. Entsprechend der Darstellung
in Abbildung 3.3 müssen die Windungen jeden Stranges deshalb auf mehrere Nuten verteilt wer-
den. Bereits mit der Aufteilung auf je zwei Nuten wie in Abbildung 3.1 und 3.3 ist einiges er-
reicht, wie Abbildung 3.4 zeigt.
Eine weitere Verbesserung lässt sich erzielen, wenn sich die Bereiche der einzelnen Wicklungs-
stränge überlappen, es also Nuten gibt, in der Wicklungen aus verschiedenen Strängen liegen. Die
Möglichkeit einer wirtschaftlichen Fertigung der Wicklung hat außerdem einen wesentlichen Ein-
fluss auf die Gestaltung.
B
t=0
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
T
t=
4
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Abbildung 3.4: Feldverlauf bei zwei Nuten pro Pol und Strang
Abbildung 3.5 zeigt die Wicklung und den resultierenden Feldverlauf für einen gebauten 510 kW-
Drehstromasynchronmotor für zwei verschiedene Zeitpunkte zusammen mit einer ideal sinusför-
migen Kurve. Die Wicklung liegt in zwei Schichten in den Nuten, sie wird deshalb als Zwei-
schichtwicklung bezeichnet. Dies ist heute eine übliche Bauart. Man erkennt, dass so die Sinus-
form schon sehr gut angenähert ist.
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Nutnr. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36
37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72
Strang m. +R +R +R +R +R +R -T -T -T -T -T -T +S +S +S +S +S +S -R -R -R -R -R -R +T +T +T +T +T +T -S -S -S -S -S -S
Richtung +R +R +R -T -T -T -T -T -T +S +S +S +S +S +S -R -R -R -R -R -R +T +T +T +T +T +T -S -S -S -S -S -S +R +R +R
Durchflutung 510 kW DASM
2,5
2
1,5
1
0,5
0
1 10 19 28 37 46 55 64
-0,5
-1
-1,5
-2
-2,5
Nutnr.
Abbildung 3.5: Wicklungsanordnung und Feldverlauf für zwei verschiedene Zeitpunkte
3.1.4 Drehmoment, Strombelag, Abmessungen
Nützlich ist ein Bezug des Stromes auf die Länge in Umfangsrichtung. Der Quotient
1 dΘ 1 dΣi
AS = ⋅ = ⋅
r dx r dx
wird als Strombelag bezeichnet. Bei üblichen Maschinen ist etwa AS = 1000 A/cm. Aus Gleichung
3.1 kann dann der Zusammenhang
dH(x) r
= − · AS(x)
dx δ
entnommen werden.
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30. Vorlesung: „Elektrische Maschinen“ 10/11 Seite 30 von 108
Setzt man in folgende Gleichung für die Kraft auf einen stromdurchflossenen Leiter
F=l·B·I
statt des Stromes den Strombelag ein, dann erhält man mit
σ = B · AS
die Kraft pro Fläche am Umfang, dies wird Drehschub genannt.
Die magnetische Flussdichte B ist bei Drehfeldmaschinen am Maschinenumfang annähernd sinus-
ˆ ˆ
förmig verteilt, sie liegt zwischen B und - B . Der Strombelag AS ist ebenfalls am Maschinenum-
ˆ ˆ
fang annähernd sinusförmig verteilt und nimmt Werte zwischen AS und - AS an. Wenn am Um-
fang Feldstärke und Strombelag ihr Maximum am gleichen Ort hätten, schwankt der Drehschub
am Umfang zwischen null und einem Maximalwert (die Maschine hätte einen Leistungsfaktor cos
ϕ = 1).
A,B,σ
σ
A
B
X
Abbildung 3.6: Feld, Strombelag und Schub in einer Drehfeldmaschine (cos ϕ = 1)
Der „mittlere Drehschub σ “ ist dafür
1 1 ˆ ˆ
σ= σ=
ˆ ⋅ AS ⋅ B
2 2
Bei den üblichen Werten B = 1 T und AS = 1.000 A/cm ist σ = 5 N/cm2.
ˆ ˆ
Es muss beachtet werden, dass die magnetische Feldstärke B meistens als Scheitelwert angegeben
wird, der Strom, aus dem AS berechnet wird, ist meistens als Effektivwert angegeben.
Zu den Abmessungen einer Maschine gelten sinngemäß die gleichen Überlegungen wie für die
Gleichstrommaschine in Kapitel 2.4 und führen zu dem gleichen Ergebnis:
Die Größe einer Maschine wird also eher durch das Drehmoment und weniger durch die
Leistung bestimmt!
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31. Vorlesung: „Elektrische Maschinen“ 10/11 Seite 31 von 108
Die folgenden Diagramme zeigen diesen Zusammenhang für eine handelsübliche Baureihe von
Asynchronmotoren.
2500
2000
Masse [kg]
1500
3600 1/min
1000
1800 1/min
1200 1/min
500
900 1/min
0
0 0,5 1 1,5 2 2,5 3
Drehmoment [kN]
2500
2000
Masse [kg]
1500
3600 1/min
1000 1800 1/min
1200 1/min
500 900 1/min
0
0 50 100 150 200 250 300 350 400 450
Leistung [kW]
Abbildung 3.7: Zusammenhang zwischen Baugröße (hier die Masse), Drehmoment und Leistung
für eine Baureihe von Drehstromasynchronmaschinen mit Käfigläufer
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3.2 Asynchronmaschinen
3.2.1 Besondere Formelzeichen und Begriffe
Strang:
Eine Wicklung der Maschine (ggf. aus mehreren Teilen bestehend), die zwischen zwei Leiter des
Netzes oder zwischen einem Leiter und einem Sternpunkt geschaltet ist.
Index:
0: Leerlauf
1: Stator, Ständer
2: Rotor, Läufer
3.2.2 Aufbau der Ständer- und Läuferwicklung, Begriffe
Asynchronmotoren sind die in der industriellen Antriebstechnik und in Bordnetzen von Schiffen
am häufigsten vorkommenden Maschinen. Der Stator eines Asynchronmotors (oft auch Ständer
genannt) ist aus Blechringen zu einem Ringzylinder zusammengeschichtet. Am inneren Umfang
befinden sich in Nuten der drei Drehstromwicklungen. Bei kleineren Maschinen besteht diese aus
isoliertem Kupferdraht, bei größeren Maschinen aus isolierten Kupferstäben. Die Stäbe sind an
den Stirnseiten durch Verbindungen zu geschlossenen Wicklungen zusammengeschaltet. Die drei
Wicklungsstränge sind in Sternschaltung oder in Dreieckschaltung mit dem speisenden Netz ver-
bunden.
V
U
V
W
U Φh
Φσ1
U
V
W
W
Abbildung 3.8: Alternative Schaltungen von Drehstromwicklungen
Die drei Stränge sind über den Umfang um je 120° versetzt angeordnet, die Rückleiter eines jeden
Stranges liegen also den zugehörigen Hinleitern genau gegenüber. Hin- und Rückleiter liegen also
um 180° auseinander.
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ω0 ω0/2
Abbildung 3.9: Drehfeld mit Polpaarzahl 1 (links) und 2 (rechts)
Beim Anschluss des Stators an ein Drehstromsystem entsteht im Luftspalt ein magnetisches Feld,
welches längs des Luftspaltumfanges annähernd sinusförmig verteilt ist. Diese Feldstärkewelle
läuft mit konstanter, nur von der Netzfrequenz abhängiger Geschwindigkeit um.
Macht man jeden Strang nur 180°/p (p = ganze Zahl) groß, versetzt die drei Stränge nur um 120°/p
gegeneinander und wiederholt diese Anordnung p-mal über den Umfang, dann wiederholt sich
auch das Feldbild p-mal. p wird als die Polpaarzahl bezeichnet. (In Abbildung 3.9 ist das Feldbild
für p = 1 und für p = 2 dargestellt).
In der Bohrung des Stators ist der Rotor angeordnet, der ebenfalls aus Einzelblechen zusammen-
geschichtet ist. Die Wicklungen des Rotors bestehen aus Stäben, die Stäbe sind an den Stirnseiten
durch Verbindungen zu geschlossenen Wicklungen zusammengeschaltet. Die Rotorwicklungen
einer Asynchronmaschine sind entweder kurzgeschlossen oder die Anschlüsse sind an drei
Schleifringe angeschlossen, über die sie über Kohlebürsten elektrisch zugänglich sind.
Die kurzgeschlossenen Wicklungen im Rotor versuchen den Fluss möglichst fest zu halten, des-
wegen wird der Rotor von dem umlaufenden Feld mitgenommen. Bei Asynchronmaschinen wird
der Rotor auch als Läufer bezeichnet.
Es werden zunächst die Verhältnisse untersucht für einen Rotor, der nur eine in sich kurzgeschlos-
sene Spule trägt.
3.2.3 Läuferspannungsgleichung
Die im Luftspalt umlaufende magnetische Feldwelle soll durch einen umlaufenden Vektor B dar-
gestellt werden (Abbildung 3.10). Dieser Vektor zeigt in die Richtung der positiven Feldstärke-
amplitude, seine Größe ist dem Scheitelwert der umlaufenden Feldwelle proportional.
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Zur besseren Übersicht sind alle Darstellungen für p = 1 gemacht, die Gleichungen enthalten im-
mer auch die Polpaarzahl p.
Bei der Netzfrequenz ωN dreht B sich wie die Feldwelle mit konstanter Winkelgeschwindigkeit.
B
X
β
α
Φσ
Abbildung 3.10: Geometrische Beziehungen zwischen Magnetfeld und Läuferspule
ωo=ωN/p
Diese Drehzahl wird als Leerlaufdrehzahl oder synchrone Drehzahl bezeichnet.
β = ω0 · t
Die Spule dreht sich mit der konstanten Winkelgeschwindigkeit ω, dann ist der mechanische Win-
kel
α=ω·t
Der Fluss durch die Spulenfläche ist
Φ = Φ · sin (β - α) ⋅ p
ˆ
Φ = Φ · sin (ωN - ω ⋅ p) ⋅ t
ˆ (3.2)
Der Maximalwert des Flusses Φ geht durch die Spulenfläche, wenn (β - α) ⋅ p = π/2 ist. Die Fre-
ˆ
quenz der Ströme im Rotor ist gleich der Differenz zwischen Drehfelddrehzahl ω0 und Rotordreh-
zahl ω. Diese Drehzahldifferenz - bezogen auf die synchrone Drehzahl ω0 - wird Schlupf genannt:
ωo − ω
s= (3.3)
ω0
s = 1 tritt bei ω = 0 auf: der Rotor steht (Anlauf)
s = 0 tritt bei ω = ω0 auf: der Rotor läuft ebenso schnell wie das Drehfeld, also mit Synchron-
drehzahl
Der Fluss durch die Spulenfläche kann damit abhängig vom Schlupf ausgedrückt werden:
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Φ = Φ · sin (s · ωN · t)
ˆ
Die in der Spule induzierte Spannung ist (ohne Berücksichtigung des Vorzeichens)
dΦ
ui2 = = s · ωN · Φ · cos (s · ωN · t)
ˆ (3.4)
dt
Da die Spule kurzgeschlossen ist, treibt die Spannung ui2 einen Strom i2 durch den Widerstand R2
und die Streuinduktivität Lσ2 der Spule. Die Streuinduktivität ergibt sich u. a. daraus, dass der
Strom i2 auch zusätzlich ein magnetisches Feld z. B. um die stirnseitigen Kurzschlussringe und in
den Läufernuten erzeugt. Diese Felder sind ja in Φ nicht berücksichtigt.
di
ui2 = i2 R2 + Lσ2 2 (3.5)
dt
Wendet man auf Gleichung (3.3) und (3.5) die komplexe Transformation an, so wird
Ui2 = j s ωN Φ
ˆ ˆ
oder in Effektivwerten statt der Scheitelwerte
Ui2 = I2 · R2 + j s ωN I2 · Lσ2 (3.6)
(Hierbei ist zu beachten, dass die Kreisfrequenz des Stromes I2 gleich s · ωN ist, denn die treiben-
de Spannung Ui2 hat nach Gleichung (3.4) die Kreisfrequenz s ⋅ ωN.)
Daraus ergibt sich der Strom in der kurzgeschlossenen Spule
j s ωN Φ
I2 =
R 2 + j s ωN L σ2
j ωN Φ
I2 = (3.7)
R 2 / s + j ωN L σ2
Betrachtet man die Reihenschaltung eines Widerstandes R und einer Induktivität L an einer Wech-
selspannungsquelle mit der Spannung u = U cos ωN t, so ist:
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L
I
R
U
Abbildung 3.11: Reihenschaltung L-R passt zu Gleichung (3.8)
di
u=L +R·i
dt
U = j ωN L I + R · I
U
I= (3.8)
R + j ωN L
Die Gleichung (3.7) wird also durch die Ersatzschaltung nach Abbildung 3.11 abgebildet, wenn
L = Lσ2; R = R2/s und U = j ωN Φ
ist.
Durch Vergleich von Gleichung (3.8) mit Gleichung (3.7) ergibt sich ein Ersatzschaltbild für die
im Drehfeld rotierende kurzgeschlossene Spule:
L σ2
i2E
R2
s
^
u2E=ωNφcosωNt
Abbildung 3.12: Ersatzschaltbild für den Läuferkreis
j ωN Φ
I2E = (E: Ersatzstrom, Ersatzspannung) (3.9)
R 2 / s + j ωN L σ2
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Der Strom I2E hat dabei Netzfrequenz, die Spannung U2E bzw. u2E hat ebenfalls Netzfrequenz!!
u2E = ωN Φ cos ωN t
ˆ (3.10)
U2E = j ωN Φ
In der Ersatzschaltung nach Abbildung 3.12 fließt ein Strom mit Netzfrequenz ωN, dessen Ampli-
tude und Phasenlage gegenüber der treibenden Spannung ebenso ist, wie Amplitude und Phasen-
lage des Stromes mit Schlupffrequenz sωN in der kurzgeschlossenen Rotorspule.
3.2.4 Ortskurve des Läuferstromes, Ersatzschaltbilder
Zeichnet man die Ströme I2 als komplexe Zahlen für verschiedene Werte des Schlupfes s auf, so
ergibt sich eine „Ortskurve“ nach Abbildung 3.13:
s= s=1 s=0 s=1
8
R2
ωNLσ + jωNLσ I 2E
s
s=0 s=
8
^
φ
Lσ
Abbildung 3.13: Ortskurve des Nenners von Gleichung (3.9), links,
Ortskurve des Stromes nach Gleichung (3.9), rechts
Die praktisch vorkommenden Betriebspunkte liegen zwischen s = 0 (Leerlauf) und s = 1 (Still-
stand des Rotors).
Das Drehfeld wird durch Ströme in Spulen des Stators erzeugt. Es ist zweckmäßig, davon auszu-
gehen, dass die drei Stränge der Maschine in Y geschaltet sind. Betrachtet man nun einen dieser
drei Stränge und teilt den gesamten magnetischen Fluss in einen Hauptfluss durch den Luftspalt
der Maschine und einen Streufluss in den Wickelköpfen und den Nuten auf, dann kann man diesen
Strang durch ein Ersatzschaltbild (Abbildung 3.14) nachbilden. Lh ist dabei die mit dem Haupt-
fluss verbundene Hauptinduktivität, Lσ1 ist die Streuinduktivität des Stators.
L σ1
I1
U1 Lh
Uind1 = U2E
Abbildung 3.14: Ersatzschaltbild für die Ständerwicklung
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Betrachtet man eine der Statorspulen, so ist die durch das Drehfeld in ihr induzierte Spannung
dΦ
ui1 = = ωN Φ cos ωNt
ˆ (3.11)
dt
Diese Spannung ist nach Gleichung (3.10) gerade gleich der Spannung U2E, die zur Speisung der
Ersatzschaltung nach Abbildung 3.12 nötig ist.
Man kann jetzt das Ersatzschaltbild der rotierenden Spule an das Ersatzschaltbild der Statorspule
anschließen, da am Ausgang von Abbildung 3.14 und am Eingang von Abbildung 3.12 Spannun-
gen gleicher Größe und gleicher Frequenz liegen und sich das gesamte magnetische Feld im Luft-
spalt aus der Summe aus Ständerstrom und Läuferstrom ergibt.
I1 L σ1 L σ2
Lh R2
s
U1
Abbildung 3.15: Mögliches einphasiges Ersatzschaltbild
Dieses Ersatzschaltbild kann weiter vereinfacht werden: Man kann mit Hilfe der Maschen- und
Knotengleichungen zeigen, dass es keine Möglichkeit gibt, durch Messungen von U1 und I1 bei
beliebigen Werten von I1 eine Schaltung nach Abbildung 3.15 von der von Abbildung 3.16 zu
unterscheiden (die Werte für R2 unterscheiden sich aber geringfügig).
Man kann also die Hauptinduktivität Lh durch die „Leerlaufinduktivität Lo“ ersetzen, welche an
die Eingangsklemmen angeschlossen wird. Zur Berücksichtigung unterschiedlicher Windungszah-
len (und ggf. anderer Faktoren) werden Strom, Widerstand und Streuinduktivität der Rotorwick-
lungen ähnlich wie beim Transformator auf die Statorseite transformiert, deshalb ist es üblich, die
Größen mit einem Strich zu markieren. Die Größe U1 ist die Spannung an einer der drei in Y ge-
schalteten Stränge, I1 ist der Strom in einer Zuleitung.
Für die gesamte Maschine aus drei Strängen gelten insgesamt die gleichen Überlegungen. Bei
stationären Zuständen sind die Größen in allen drei Strängen aber bis auf eine Phasenverschiebung
von 120° gleich, deshalb reicht die Betrachtung eines Stranges für ein einzelnes Ersatzschaltbild
aus. Für die Berechnung transienter Vorgänge ist das einphasige Ersatzschaltbild nicht geeignet.
Bei realen Maschinen hat auch die Statorwicklung einen ohmschen Widerstand und es entstehen
auch Verluste im Eisenkern. Auf die Stromaufnahme und das Drehmoment haben diese beiden
Effekte bei Maschinen ab wenigen kW Nennleistung keinen merklichen Einfluss. Sie werden des-
halb im Ersatzschaltbild üblicherweise nicht berücksichtigt.
Im Leerlauf, für s = 0 fließt wegen R’2/s → ∞ kein Strom über L’σ und die Stromaufnahme des
Asynchronmotors ist durch die Leerlaufinduktivität Lo gegeben.
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L'σ
I1 I'2
I0 L’σ ≈ Lσ1 + L’σ2
R'2
L0 s Lo = Lσ1 + Lh
U1
Abbildung 3.16: Übliches einphasiges Ersatzschaltbild, gesamte Streuung in den Läufer verlegt
Die Gleichungen zu Abbildung 3.16 sind:
U1 = j ωN Lσ` I2` + R’2/s` I2`
U1
I1 = I2` + Io = I2` +
j ωN L o
⎛ 1 1 ⎞
I1 = U1 ⎜
⎜ R ' / s + jω L ' + j ω L ⎟
⎟ (3.12)
⎝ 2 N σ N 0 ⎠
3.2.5 Stromortskurve der Asynchronmaschine (Heyland-Kreis)
Mit diesen Gleichungen kann man den Statorstrom und den Rotorstrom einer ASM für jeden
Schlupf (d. h. für jede Drehzahl) berechnen und als komplexe Zahl darstellen. Es ergibt sich eine
Ortskurve mit dem Schlupf als Parameter. Legt man den Spannungszeiger U1 so, dass er nach o-
ben zeigt, und mit der reellen Achse zusammenfällt, so entsteht das Kreisdiagramm der Asyn-
chronmaschine.
Gegenüber Abbildung 3.13 ist nur der induktive Strom I0 hinzugekommen.
PK
U1
Pn
PK
IK s=1
I1n
I2n s=2
IKP
s=∞
I0 P0 IKQ P∞
s=0
s<0
Abbildung 3.17: Ortskurve des Ständerstromes (Heyland-Kreis)
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Die Ortskurve ergibt immer einen Kreis, sofern die Streuinduktivität L’σ unabhängig vom Schlupf
s ist, und keine Sättigung der magnetischen Kreise vom Hauptfluss und Streuflüssen auftritt.
Im Kipppunkt gibt die Maschine das maximal mögliche Moment, das Kippmoment, ab.
Der Durchmesser des Ortskurvenkreises ist U1/(ωN · Lσ`).
Der vom Motor aufgenommene Wirkstrom I1P liegt in Phase mit der Spannung U1, er ist daher
proportional dem Abstand zwischen Kreis und Abszisse. Die vom Stator aus dem Netz entnom-
mene Wirkleistung P1 ist gleich:
P1 = 3 · U1 · I1P
Da die Verluste im Stator nicht berücksichtigt wurden, wird die Leistung P1 über den Luftspalt auf
den Rotor übertragen. Da sich das magnetische Feld mit der festen Drehzahl ω0 dreht und alle
Kraftwirkungen auf den Rotor durch das magnetische Feld ausgeübt werden, ist das vom Stator
auf den Rotor übertragene Drehmoment proportional der vom Stator aufgenommenen Wirkleis-
tung:
P1 3 3⋅ p
M12 = = · U1 · I1P = ⋅ U1 ⋅ I1P (3.13)
ω0 ω0 ωN
2
1 U1 3p U1 1
(Kipppunkt: I1PKipp = ⋅ → MKipp = ⋅ 2 ⋅ )
2 ωN ⋅ Lσ ' 2 ωN Lσ '
Vernachlässigt man die Luft- und Lagerreibung des Rotors und betrachtet nur stationäre Betriebs-
zustände - also konstante Rotordrehzahl - so wird dieses Moment über die Kupplung an die ange-
kuppelte Arbeitsmaschine abgegeben. Das Drehmoment einer ASM ist also proportional dem Ab-
stand zwischen Kreis und Abszisse.
Aus Abbildung 3.17 ist ersichtlich, dass im Kipppunkt der Läuferstrom I2 um 45° gegenüber U1
verschoben ist. Aus Gleichung 3.9 folgt somit für den Kippschlupf
R '2
sK =
ωn ⋅ Lσ
Der Wirkanteil des Stromes aus Gleichung 3.12 ist damit
R '2 / s sK / s U1
I1W = ⋅ U1 = ⋅
(R 2 / s) + (ωN ⋅ Lσ )
' 2 ' 2
(s K / s) + 1 ωN ⋅ Lσ
2
Mit Gleichung 3.13 folgt für das Drehmoment:
2 ⋅ s ⋅ sK
M = MK · (Kloß`sche Formel)
s2 + s2 K
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Für maßstäbliche Zeichnungen wählt man meist den Strommaßstab mi (z. B. in A/mm).
Die Maßstäbe für Leistung und Drehmoment folgen dann:
m P = 3 ⋅ U n ⋅ mi
mP 3 ⋅ Un
mM = = ⋅ mi
ωo ωo
3.2.6 Normierung der Stromortskurve
Bezieht man
- Ströme auf den Nennstrom: I* = I/In
P
- Leistungen auf die Nennscheinleistung: P* =
(3 ⋅ U 1n ⋅ I n )
- Drehmoment auf ein fiktives Moment, das sich aus Nennscheinleistung und synchroner Drehzahl
M
ergibt : M* =
(3 ⋅ U 1n ⋅ I n / ω0 )
so ergibt sich das Kreisdiagramm der ASM in normierter Darstellung, in der die Skalierung der
Ordinate des Kreisdiagramms für I*, P* und M* gleich ist.
i*P P*1 M*12
2
PK
M* K
PA
1 Pn
I *K
M* A
M *n
n
I*
ϕ
I*0 P0 1 2 3 4 5
I*Q
Abbildung 3.18: Stromortskurve des Ständerstromes mit normierten Größen
Das Drehmoment an der Welle ist bei Nennbetrieb immer kleiner als eins, da der Motor außer der
Wirkleistung auch Blindleistung aufnimmt und das Bezugsdrehmoment aus der Scheinleistung
berechnet wurde.
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Ferner wird oft auch die Drehzahl des Motors auf die synchrone Drehzahl bezogen, also nach
Gleichung (3.3):
n* = ω* = ω0* (1 - s)
sowie auch die Netzfrequenz auf die Nennnetzfrequenz.
Beim Schlupf s = 1 ist die Drehzahl null, hierzu gehört der Punkt Pk, der die Anlaufbedingungen
beschreibt (Kurzschlusspunkt). Der Motor nimmt beim Anlauf den Strom IK* auf und gibt an sei-
ner Welle das Drehmoment MK* ab. Bei Nenndrehzahl nimmt der Motor den Nennstrom In* = 1
auf, der Phasenwinkel ϕ zwischen Strom und Spannung ist maßgeblich für das Verhältnis von
aufgenommener Wirkleistung zu Scheinleistung
P
cos ϕ = (3.14)
S
Der Schlupf des Motors im Nennpunkt (sn) liegt bei 1 % bis 3 %, sodass n* = 0,99 bis 0,97 ist. Bei
Leerlauf des Motors (im Punkt Po) ist das Drehmoment null, der Rotor dreht sich mit der gleichen
Drehzahl wie das Drehfeld (mit synchroner Drehzahl), d. h. n* = 1 und er nimmt den Leerlauf-
strom Io* aus dem Netz auf. Der Leerlaufstrom liegt bei ca. 30 % des Nennstromes, er ist (bei ver-
nachlässigten Eisen- und Reibungsverlusten) ein Blindstrom. Bei negativem Schlupf (unterer Teil
des Kreises) läuft der Rotor schneller als das Drehfeld, das Drehmoment ist negativ. In diesem
Betriebszustand läuft der Motor als Asynchrongenerator, er gibt Wirkleistung in das Netz ab, und
er nimmt aus der angekuppelten Arbeitsmaschine Leistung auf (Hebezeug beim Lastsenken, Ge-
nerator in Windkraftanlagen). Im Gegensatz zu einem Synchrongenerator nimmt eine Asyn-
chronmaschine auch im Generatorbetrieb aus dem Netz induktive Blindleistung auf, der Leis-
tungsfaktor cos ϕ ist immer induktiv.
Arbeitspunkte mit s >> 1 stellen sich ein, wenn der Rotor gegen die Drehrichtung des Drehfeldes
gedreht wird (Gegenstrombremsen, kommt bei Winden vor). Beim Schlupf s = 2 hat der Motor
Nenndrehzahl, und er dreht sich entgegengesetzt zum Drehfeld. Größere Schlupfwerte gefährden
den Motor durch die Fliehkräfte.
3.2.7 Drehmoment-Drehzahl- und Strom-Drehzahl-Kennlinien
Aus der Abbildung 3.18 kann man die Betriebskennlinie M = f (n) und I1 = f (n) entnehmen. Sie
sind in Abbildung 3.19 eingetragen. Man erkennt, dass bei Belastung des Motors die Drehzahl von
der synchronen Drehzahl ausgehend sinkt und das Drehmoment zunächst ansteigt bis zum Kipp-
moment. Nach Erreichen des Kipppunktes sinkt das Drehmoment des Motors. Hat die angekup-
pelte Arbeitsmaschine ein Drehmoment, welches nur wenig mit sinkender Drehzahl abnimmt, so
wird die Motordrehzahl weiter sinken bis zum Stillstand. (Das kann beim Antrieb von Kolben-
pumpen auftreten. Wird der Motor in einem solchen Falle nicht abgeschaltet, so verbrennt er in-
folge des großen Stromes).
Da das Kippmoment nach Gleichung 3.13 quadratisch von der Netzspannung abhängt, bedeutet
eine kleine Abnahme der Netzspannung schon eine erhebliche Verminderung des Drehmomentes.
Um in jedem Fall genügend Reserve für die Beschleunigung des Motors zu haben, muss das
Kippmoment deutlich größer als das Nennmoment sein (Faktor 1,6 ist für die meisten Fälle vorge-
schrieben).
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43. Vorlesung: „Elektrische Maschinen“ 10/11 Seite 43 von 108
4
Strom I*
3
2
Drehmoment M*
M*, I*
1
0 n*
0 0,5 1 1,5
-1
-2
Abbildung 3.19: Ständerstrom und Drehmoment in Abhängigkeit von der Drehzahl
3.2.8 Aufteilung der Luftspaltleistung
Für den Schutz des Motors ist es wichtig, die Verluste im Rotor zu berücksichtigen. Die über den
Luftspalt zufließende Leistung teilt sich in die Nutzleistung und die Rotorverlustleistung PV2 auf.
PV2* = 3 · I`2*2 · R’2*
Im Stillstand wird die gesamte Luftspaltleistung im Rotor in Wärme umgesetzt.
Nach dem Lehrsatz des Euklid gilt in Abbildung 3.20:
I *2 = x ⋅ d
2
also ist PV2 ~ x. Im Punkt s = 1 ist PK die gesamte aufgenommene Leistung Verlustleistung. PV2
entspricht also der Strecke unterhalb der Linie Po PA . Die Differenz zur aufgenommenen Leistung
wird als mechanische Leistung abgegeben.
P*
2
P
M*
1
Pn
P*mech
I2
PA
I1
sgerade
L eistung
P*V2 Drehmomentgerade
P0 1 x 2 3 4 5 Q*
d
Abbildung 3.20: Heyland-Kreis mit Drehmoment und Leistungen
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