Im Rahmen einer Gemeindeserie entstand das Interview, welches in der Basler Zeitung erschienen ist. Hier kann ich sagen, das ist mein O-Ton - auch wenn ich mir möglicherweise noch andere Fragen gestellt hätte.
1. Gemeinde.Therwil. | Dienstag, 18. Oktober 2016 | Seite 29
«Unser Dorftheater hat regionale Ausstrahlung»
Gemeindepräsident Reto Wolf über persönliche Tiefschläge, die Handschlag-Affäre und Therwils Öffnung
Als nächste Gemeinde folgt
Arlesheim
Dienstag, 22. November 2016
Anzeigenschluss Dienstag, 15.11.2016.
Von Daniel Aenishänslin
BaZ: Reto Wolf, Sie sagen, der Dorfplatz
sei Ihr liebster Platz in Therwil. Was hat
es damit auf sich?
Reto Wolf: Unser Dorfplatz ist vor
allem ein sehr symbolträchtiger Ort.
Er steht für ein neues Therwil, für
eine Öffnung von Therwil. Bevor wir
ihn 2014 neu gestalteten, war er
überhaupt keine Visitenkarte. Alles
war kleinräumig angelegt, zum
Schluss sogar schmuddelig. Jetzt
zeigt unser Dorfplatz eine gewisse
Grosszügigkeit. Modernität schwingt
mit. Er ist ein Treffpunkt geworden,
an dem wir schon ein paar Feste
feiern durften.
Was zeichnet Ihr Therwil aus?
Therwil hat es verstanden, den
Sprung vom beschaulichen Bau-
erndorf in eine moderne Agglo-
Gemeinde zu machen. Wir sind über
die letzten 40 Jahre stark gewachsen,
haben uns aber den Dorfcharakter
erhalten. Das beweist unser Ver-
einsleben. 1500 Therwilerinnen und
Therwiler sind in Vereinen engagiert.
Die Übrigen können an deren Festen
auch am Vereinsleben teilhaben. Das
ergibt eine schöne Mischung.
Wohin soll sich Therwil entwickeln?
Es soll den eingeschlagenen Weg
weitergehen, ohne sprunghaft zu
wachsen. Das ganze Baselbiet wächst.
Dieses Wachstum muss qualitativ und
nicht quantitativ stattfinden, nicht
wie in den 1960er-Jahren, als die
Agglo-Gemeinden eher unkontrol-
liert zu wachsen begannen. Gleich-
zeitig muss das Wachstum kanalisiert
werden. Wir haben gerade einen
kommunalen Richtplan verabschie-
det, der innere Verdichtung ermögli-
chen soll. Durch die Nähe zur Stadt
Basel ist Therwil wie ein paar andere
Gemeinden prädestiniert, dieses
Wachstum aufzunehmen.
Sie sind Gemeindepräsident und
gleichzeitig Geschäftsführer des Alters-
und Pflegeheims Obesunne in Arles-
heim. Sie sind ein ambitionierter
Mensch.
Das hat eine gewisse Zufälligkeit,
hängt aber miteinander zusammen.
Als Präsident von Volleyball Therwil
hatte ich oft Kontakt mit Vertretern
der Gemeinde. Ich wurde animiert,
mich für den Gemeinderat aufstellen
zu lassen. Dass ich später Geschäfts-
führer der Obesunne wurde, steht in
direkter Verbindung mit meinem
Amt. Ich behandelte in meinem Res-
sort zu dieser Zeit das Dossier Alter.
Konnte mich so ins Thema einarbei-
ten. Ich bin ein Quereinsteiger, der
zuvor im Bankgeschäft tätig war. Mit
der Thematik habe ich mich erst als
Gemeinderat auseinandergesetzt.
Wie schaffen Sie es, mit diesem Pensum
Kontakt zur Bevölkerung zu halten?
Man muss sich im Dorf bewegen.
Ich versuche, viele Veranstaltungen
zu besuchen. Ich geniesse das. So
entstehen viele Möglichkeiten, sich
auszutauschen und ein Ohr voll
davon zu nehmen, was die Bevölke-
rung von einem hält. Seit ich
Gemeindepräsident bin, laden wir
die Bevölkerung immer wieder ein
zu Informationsveranstaltungen, tau-
schen uns also aus, noch bevor das
Geschäft vor die Gemeindeversamm-
lung kommt.
Vergangenen Frühling blickte die Welt
nach Therwil. Es wurde bekannt, dass
zwei syrische Schüler ihrer Lehrerin aus
religiösen Gründen den Handschlag
verweigerten. Wie erlebten Sie diese
turbulente Zeit?
Das war nicht die angenehmste Zeit
für uns – vor allem weil wir gar nicht
involviert waren. Die beiden Schüler
kommen aus Ettingen und besuchen
in Therwil eine Schule des Kantons.
Aber viele haben das gar nicht ver-
standen. Eine der Schwierigkeiten
war es, dem Journalisten von der BBC
genau das zu erklären. Wir haben
mehrfach diskutiert. Auch für viele
andere Journalisten war es selbstver-
ständlich, dass die Gemeinde zustän-
dig ist, in der sich etwas abspielt.
Dazu wurden wir eingedeckt mit
Schmähbriefen und -Mails. Wirklich
unterste Schublade. Darüber habe ich
schon gestaunt. Auch dass die Briefe
tiert. Die BaZ nimmt es ja sehr ernst
damit, sehr kritisch gegenüber öffent-
lichen Institutionen aufzutreten. Ich
kann damit aber besser umgehen –
auch wenn es teilweise ärgerlich ist –
als mit dem Entscheid des Regie-
rungsrates.
Was kritisieren Sie?
Das war ein Tiefschlag. Der Regie-
rungsrat hob einen Entscheid der
Gemeindeversammlung auf, spielte
auf den Mann. Ich hätte Aussagen
gemacht, die geeignet seien, das
Abstimmungsverhalten zu beein-
flussen. Das hatte ich in dieser Form
nicht erwartet. Die Begründung des
Urteils traf mich sehr. In diesem
Moment hat es mir etwas den Tep-
pich unter den Füssen weggezogen.
Von diesen Geschichten brauche ich
nicht drei oder vier. Erfreulicher-
weise hat das Kantonsgericht inzwi-
schen zu unseren Gunsten entschie-
den und den Regierungsrat zurück-
gebunden.
Vielleicht regeneriert man in solchen
Fällen mit einer Portion Kultur. Gibt es
die in Therwil?
Sehr viel sogar. Die Vereinskultur ist
sehr hoch. Ich schätze die Sportver-
eine genauso wie die Kultur- und
Musikvereine. Zudem haben wir ein
bekanntes Dorftheater, das regionale
Ausstrahlung besitzt.
Kennen Sie die legendäre Titelmusik der
ARD-Krimireihe «Tatort»?
Sicher.
Sie stammt aus der Feder des Jazz-
Musikers Klaus Doldinger. Sie kennen
bestimmt den Therwiler Saxofonisten,
der mit ihm schon auf der Bühne stand.
Sie werden mir gleich verraten, wie er
heisst.
Cédric Gschwind. Was hilft Ihnen besser
abzuschalten: ein Jazzkonzert oder zu
Hause auf dem Sofa den Nervenkitzel
eines Krimis zu geniessen?
Das Jazzkonzert. Privat höre ich
jedoch eher die Songs meiner jungen
Jahre aus den 80er- und 90er-Jahren.
Krimis zog ich mir früher viele rein.
Aber während ich mich entwickelt
habe, sehe ich in den Krimis keine
Entwicklung. Ich greife eher auf eine
Schmonzette oder eine Arztserie
zurück, um abzuschalten.
Zum Schluss – was wünscht sich der
Therwiler Kommunal- vom Kantons-
politiker?
Ein offenes Ohr und auf Augenhöhe
gehört und akzeptiert zu werden.
Als Gemeindepolitiker und als Vorsit-
zender der Plattform Leimental spüre
ich nur wenige Zeichen aus Liestal,
dass wir Gemeinden wirklich ernst
genommen würden. Das sind für
mich verpasste Chancen. Während
Kosten auf die Gemeinden abgescho-
ben werden, bleiben Entscheidungs-
kompetenzen in Liestal. Die Gemein-
den sollten in möglichst viele Pro-
zesse eingebunden werden. Ein
Kulturwandel, der in Liestal noch
nicht angekommen ist.
und Mails aus der ganzen Welt
kamen. Wir haben einen nationalen
und internationalen Aufschrei
gespürt. Aus Therwil selbst kamen
praktisch keine Reaktionen.
Aus den Medien kam viel Kritik, Bundes-
rätin Simonetta Sommaruga äusserte
unmissverständlich, «so stelle ich mir
Integration nicht vor», gleichzeitig kam
von der zuständigen Regierungsrätin
Monica Gschwind wenig Konkretes.
In dieser Frage kann man nur verlie-
ren, egal was man tut. Soll man
jemanden hinter die beiden Schüler
stellen, der sie in Handschellen legt,
wenn sie den Handschlag verwei-
gern? Das geht ja alles nicht. Als die
Welle losgetreten wurde, war ich vor
allem über deren Vehemenz bestürzt.
Noch vor 20 Jahren wäre so etwas
undenkbar gewesen. Digitalisierung
und Globalisierung machen es inzwi-
schen möglich, dass alles in Windes-
eile um den Globus geht. Ich habe
Zitate von mir in kanadischen und
australischen Zeitungen gelesen.
Wie beurteilen Sie das Vorgehen von
Medien, Bundes- und Regierungsrätin?
Das Asylwesen ist ein heikler Bereich,
das Thema verzwickt. Klar war das
für die Medien ein Thema. Da kann
man ihnen ja kaum böse sein. Ich
glaube aber, es wäre nicht so viel dar-
über geschrieben worden, hätte sich
zum Beispiel in Italien gleichzeitig ein
Erdbeben ereignet. Das Thema hatte
einfach zu diesem Zeitpunkt viel
Platz. Wirklich glücklich war weder
die zögerliche Reaktion aus Liestal
noch die unmittelbare, kategorische
Ablehnung aus Bern. Auch wir haben
dann noch mit einer Medienmit-
teilung reagiert. Unter dem Strich
müssen sich die drei Staatsebenen
besser absprechen und nicht aufein-
ander schiessen. Ich nehme uns da
nicht aus.
Sie standen schon selbst im Mittelpunkt
kontroverser Berichterstattung. In der
Geschichte um den Provider der Inter-
GGA wurde Ihnen sogar ein Verstoss
gegen die Bundesverfassung vorgewor-
fen. Wie geht der Mensch hinter dem
Gemeindepräsidenten damit um?
Obwohl ich mir mittlerweile eine
dickere Haut zugelegt habe, kommt
da nicht die grosse Freude auf. Die
Work-Life-Balance bestand nicht
mehr. Ich habe in jenen Tagen sicher
weniger gut geschlafen. So etwas
prallt nicht einfach an mir ab. Das
geht schon tiefer. Die Medienbericht-
erstattung habe ich zwar nicht gou-
«Ich habe Zitate von mir
in kanadischen und
australischen Zeitungen
gelesen.»
«Ein symbolträchtiger Ort». Gemeindepräsident Reto Wolf mag die moderne
Ausstrahlung des Therwiler Dorfplatzes. Foto Dominik Plüss
Biogemüse im Abo
irsmattehof.ch
senschaft für
i h L db
Von unserem Hof liefern wir
wöchentlich frisches Gemüse aus der
Region in eine Depotstelle in Ihrem
Quartier oder direkt nach Hause.
birsmattehof.ch
B I O
theres eberle
akupunktur +
chinesische medizin
falkenstr. 119
4106 therwil
078 675 33 70
www.emindex.ch/
theres.eberle
Teichstr.15 4106Therwil 061721 89 80
www.san-gschwend.ch
Sanitär Heizung Schwimmbad Solar Planung
Therwil
Wappen: Das
schwarze Freiviertel
auf gelbem Schild
geht zurück auf den
Adel, der im Mittelal-
ter das Wasser-
schloss auf dem
Areal der heutigen
Weihermatten
bewohnte. Es zierte den Schild der
Ritter.
Höhe: 306 Meter über Meer
Fläche: 7,63 km2
Einwohner: 10107
(Stand 30. Juni 2016)
Bevölkerungsdichte: 1325 Einwohner
pro km2
(zum Vergleich: Basel 7698,
Schweiz 201)
1223 wird Therwil erstmals erwähnt,
besiedelt wurde es aber schon in der
Steinzeit. Aus dem grössten Bauerndorf
des mittleren Leimentals ist eine Agglo-
merationsgemeinde geworden.
Der grosse Wandel setzte in den
1960er-Jahren ein, in denen die Bevöl-
kerungszahl von 1946 auf 5412 Ein-
wohner wuchs. Seither hat sie sich
nochmals fast verdoppelt. Therwil ist
aber eine Wohngemeinde geblieben.
Obwohl Therwil über eine sehr gut aus-
gebaute Infrastruktur verfügt, ist es
nicht zu einem Anziehungspunkt für
Gewerbe und Industrie geworden. da