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Die, die sollen, wollen nicht – die,
die wollen, sollen nicht.
Migranten in der Polizei: Teil der Lösung oder Teil
des Problems von Integration?
Prof. Dr. Rafael Behr
Hochschule der Polizei Hamburg
Was Sie erwartet
• Projekt MORS
• Assimilation vs. Integration
• Schlagwort „Interkulturelle Kompetenz“
• Herausforderungen der Zukunft:
Polizeiwissenschaft und Polizei
Hochschule der Polizei Hamburg
Rafael Behr
2
Geburt und Geburtswehen
von MORS
• VW-Stiftg: Migration und Integration:
• Studiengruppe aus Praktikern und
Wissenschaftlern
• Erste Reaktionen – „WIR WOLLEN KEINE
DISKRIMINIERUNG…“
• … und auch keine Studiengruppen.
• Tatsächliche Kooperationen –
„Wissenschaftler sucht temporären Anschluss an
willigen Praktiker“ – Schwierige Arbeitsbündnisse
und Partialausnutzungen (Praktikerkonferenzen)
Hochschule der Polizei Hamburg
Rafael Behr
3
Migranten-Begriff
• Als MH-Beamte/Beamtinnen wurden im
MORS Projekt Personen aufgenommen, die
sich durch eine erkennbar auf Hautfarbe,
Ethnie oder Sprache gerichtete Differenz von
einheimischen BeamtInnen unterscheiden
und die diese Unterscheidung selbst auch
treffen bzw. wahrnehmen, unabhängig von
der formalen Staatsangehörigkeit.
Hochschule der Polizei Hamburg
Rafael Behr
4
Polizeilich relevantes
Fremdheits-Kriterium
• Relatives, berufsrelevantes Anderssein, das
das Verstehen und ein erfolgreiches
Arbeitsbündnis erschwert
(Konstruktivistischer Fremdheitsbegriff)
• Fremdheit besteht, wenn Kategorien wie
Gender, Sozialer Status, Hautfarbe,
Nationalität etc. im Interaktionsverhältnis zur
handlungsrelevanten Zuschreibung (Master-
Frame) werden.
Ausgangsfrage:
Weshalb Migranten in der Polizei?
• Polizeitaktisch: MH-Beamte als allg. „Kultur-
Scouts“ und spezielle „Milieukenner“ (Vidoq-
These)
• Personalpolitisch: Sicherstellung des
Personalbedarfs der Zukunft
• Integrationspolitisch: MH-BeamtInnen einstellen,
weil sie Teil der Gesellschaft sind („Spiegelbild“-
These)
• Institutionstheoretisch: Hohe kulturelle Varianz
innerhalb der Inst. kann pos. Wirkung auf
Problemwahrnehmung und
Konfliktlösungskompetenz haben.
Hochschule der Polizei Hamburg
Rafael Behr
6
Beobachtungen I
• Hoher „Unauffälligkeits- und
Anpassungsdruck“ und „angestrengte
Normalität“ bei den MH-Beamten (so sein
wie alle). Integration über Leistung erschwert
„selbstverständliche Normalität“
• Keine nennenswerte Veränderung von
Strukturbedingungen feststellbar.
• Migrant als Verdichtungssymbol:
überfrachtet mit diffusen Erwartungen
(gleich und anders)
Hochschule der Polizei Hamburg
Rafael Behr
7
Beobachtungen II
• „Affirmative action“ wird von allen Befragten
abgelehnt.
• Konsens: Ungleiche Chancen bei MH-Bewerb.
müssen vor der Aufnahme in die Polizei
kompensiert werden.
• Dissens über die „Zuständigkeit“ bzw. Beitrag
der Polizei
Hochschule der Polizei Hamburg
Rafael Behr
8
Beobachtungen III
• MH-Beamte und Beamtinnen fühlen sich
mehrheitlich gut akzeptiert und integriert.
• Wenn Probleme berichtet werden, dann in erster
Linie solche mit dem Publikum aus dem eigenen
Kulturkreis und im „halbprivaten Raum“
• Fast alle interviewten MH-Beamte und –
beamtinnen berichten aber über eigene
Diskriminierungserfahrung vor oder während der
Polizeizugehörigkeit (verstärkte Kontrolle,
Schikanen, Witze etc.) Unterschiedliche Coping-
Strategien
Hochschule der Polizei Hamburg
Rafael Behr
9
Sollen und Sein oder:
Politik vs. Praxis
• Politische Forderung von 10 % (z.B. Körting, vgl.
Berliner Zeitung v. 18.8.05 ) MH-Beamte stößt auf
Grenzen der Umsetzung
• Praxisaussagen: 1.Wir wollen Migranten, finden
aber nicht die Richtigen
• 2. Ich habe nichts gegen Mig., wenn sie den
Dienst so machen wie Einheimische.
• Minimierung der Differenztoleranz führt zur
Einstellung weniger, aber „passender“
Migranten. Aber steigern sie die Interkulturelle
Komepetenz der Polizei?
Steigern MH-Beamte
die „Interkulturelle Kompetenz“?
• Kulturspezifische Kompetenz (erfahrungs- und
wissensbasiert, auf einen Kulturzusammenhang
ausgerichtet, additive Kompetenzen?)
• Kulturübergreifende K. (Universelle
Schlüsselkompetenz: Verarbeitung von Fremdheit,
reflexive Haltung ggü. Fremdheit: andere orientieren
sich ebenso an eigenen kult. Formvorlagen, wie man
selbst)
• Allg. Sozialkompetenz: Kultursensibilität als
Teilmenge sozialer Interaktionen
Anwendungen
• Kommunikation unter „Gleichen“
(Völkerverständigung, kollegiale Interaktionen, z.B.
bei internationalen Polizeieinsätzen)
• Polizeispezifisch: Milieuspezifische Kompetenz
(urbane Subkultur) , Lebensweltkompetenz,
Kommunikative Kompetenz (Bildung)
• IK als Kompetenz zwischen den Kulturen
Unterschiedliches
Kulturverständnis
• Kohärenzmodell: „Kultur“ als das Einende,
gemeinsamer Nenner, Erkennungsmerkmal einer
menschl. Gruppe
• Differenzmodell: In allen komplexen Gesellschaften
herrscht Heterogenität, Differenz, Diversität und
Konflikt (Klasse, Alter, Bildung, sozio-ök. Status,
Stadt-Land)
- Eigene Kultur: Bekanntheit von Differenz
- Fremde Kultur: Fremdheit von Differenz (der Türke
an sich)
Interkulturelle Kompetenz
(S. Rathje)
• Fähigkeit, „die in interkultureller Interaktion zunächst
fehlende Normalität zu stiften und damit Kohäsion
(Bindung, R.B.) zu erzeugen (Rathje 2006: 14)
• Aus unbekannten Differenzen werden bekannte
Differenzen
• Voraussetzung: Kultur als Eigenschaft und Bedingung
aller Arten von Kollektiven verstehen (nicht nur
Nationalstaaten)
Ergebnisse I
• Nicht-reziproke Anpassung (Assimilation)
• Politische Ziele von Integration bzw.
„struktureller Assimilation“ (Esser) werden in
„individuelle Assimilation” umgewandelt
• Polizei ist keine Integrationsmaschine
(10.000:300 in NRW?)
• Prinzip der “Kooptation” als Strategie
organisationaler Reproduktion.
• Auswahl von „Kontinuitätsakteuren“, nicht von
„Diskontinuitätsakteuren“ (Mintzberg)
Hochschule der Polizei Hamburg
Rafael Behr
15
Ergebnisse II
• Migranten in der Polizei sind kein Indikator für
Integrationsfähigkeit der Org., sondern eher
Ausdruck individueller Anpassungs- und
Karriereerfolge
• Im Vgl. zu „Gender“ ist die Kategorie „Ethnie“
weniger anpassungsfähig, weil negative
Zuschreibungen im „Skript“ der Polizisten bereits
vorhanden sind.
• Frauen mussten ihre Fachlichkeit unter Beweis
stellen, nicht aber die „innere Haltung“
(Loyalität). Bei MH-Beamten ist es umgekehrt.
Hochschule der Polizei Hamburg
Rafael Behr
16
Ergebnisse III
• Migranten sind nicht Lösung, aber ein nicht zu
unterschätzender Beitrag für die Frage nach
der Modernisierung und der
Integrationsfähigkeit der Polizei.
• Auch bei der Frage von Diversität und
Homogenität der Polizei spielen sie ein
wichtige, aber nicht die wichtigste Rolle.
• Migranten bringen nicht automatisch mehr
interkulturelle Kompetenz in die Polizei
Hochschule der Polizei Hamburg
Rafael Behr
17
Thesen
• Staatliches Verwaltungshandeln sucht nicht
den größten gemeinsamen kulturellen Nenner,
sondern setzt strukturelle Toleranzgrenzen.
• IK im Polizeidienst ist keine
„Verhandlungskompetenz“, sondern eine
Vermittlungskompetenz.
• Polizei ist eine kulturstarre, keine
kulturelastische Organisation (Org.Kult.
dominiert Gender und Ethnie)
Hochschule der Polizei Hamburg
Rafael Behr
18
Folgen für Forschung
• Wir wissen noch viel zu wenig von
Interkultureller Kompetenz und von
Interkulturellen Konflikten vs. anderen
Konflikten (z.B. zwischen Männlichkeiten,
sozialen Lagen)
• Wir nutzen die vorhandenen Ressourcen nicht
ausreichend, um anwendungsgeeignete
Forschung zu betreiben (z.B. Leene, Jacobsen,
Rathje)
Hochschule der Polizei Hamburg
Rafael Behr
19
Beispiel Rekrutierung
• Rekrutierungspolitik folgt der Erfahrung der
Praxis, nicht einer Theorie der Praxis
• Personalauswahl keine Teilmobilmachung,
sondern vom „Sein“ (z.B. jung, deutsch,
Frau/Mann, gesund) zum „Haben“ (z.B.
Ausbildungsabschlüsse, Sprachkenntnisse,
Computerkenntnisse etc.)
• Abkehr von der (prognostischen) Generaleignung,
Suche nach spezifischen Fähigkeiten/Talenten.
Hochschule der Polizei Hamburg
Rafael Behr
20
Beispiel PE
• Vertikale vs. horizontale Gratifikationen
(Aufstieg vs. Tätigkeit)
• Spezialisten müssen Spezialwissen behalten
und nutzen können (z.B. Kapitäne,
Brandermittler)
• Funktions-Hopping ist teuer (multiple
Berufspersönlichkeit)
• PE-Verfahren zu Beginn der Einstellung und
für alle
Hochschule der Polizei Hamburg
Rafael Behr
21
Paradigmenwechsel
• Erst wenn das „Problem“ /die Fragestellung
sich von den Akteuren zur Organisation hin
verschiebt, wird es einen spürbaren
Veränderungsfortschritt geben
• Die Polizei muss Auftraggeber, nicht
Genehmigungsinstanz für Polizeiforschung
werden, um „empirisch gesättigte“ Ergebnisse
zu erzielen.
Hochschule der Polizei Hamburg
Rafael Behr
22
Vielen Dank …
... für Ihre Aufmerksamkeit.
Hinweise, die uns weiterhelfen, bitte - wie
immer - an jede Polizeidienststelle oder an
rafael.behr@web.de
Hochschule der Polizei Hamburg
Rafael Behr
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Migranten in der polizei

  • 1. Die, die sollen, wollen nicht – die, die wollen, sollen nicht. Migranten in der Polizei: Teil der Lösung oder Teil des Problems von Integration? Prof. Dr. Rafael Behr Hochschule der Polizei Hamburg
  • 2. Was Sie erwartet • Projekt MORS • Assimilation vs. Integration • Schlagwort „Interkulturelle Kompetenz“ • Herausforderungen der Zukunft: Polizeiwissenschaft und Polizei Hochschule der Polizei Hamburg Rafael Behr 2
  • 3. Geburt und Geburtswehen von MORS • VW-Stiftg: Migration und Integration: • Studiengruppe aus Praktikern und Wissenschaftlern • Erste Reaktionen – „WIR WOLLEN KEINE DISKRIMINIERUNG…“ • … und auch keine Studiengruppen. • Tatsächliche Kooperationen – „Wissenschaftler sucht temporären Anschluss an willigen Praktiker“ – Schwierige Arbeitsbündnisse und Partialausnutzungen (Praktikerkonferenzen) Hochschule der Polizei Hamburg Rafael Behr 3
  • 4. Migranten-Begriff • Als MH-Beamte/Beamtinnen wurden im MORS Projekt Personen aufgenommen, die sich durch eine erkennbar auf Hautfarbe, Ethnie oder Sprache gerichtete Differenz von einheimischen BeamtInnen unterscheiden und die diese Unterscheidung selbst auch treffen bzw. wahrnehmen, unabhängig von der formalen Staatsangehörigkeit. Hochschule der Polizei Hamburg Rafael Behr 4
  • 5. Polizeilich relevantes Fremdheits-Kriterium • Relatives, berufsrelevantes Anderssein, das das Verstehen und ein erfolgreiches Arbeitsbündnis erschwert (Konstruktivistischer Fremdheitsbegriff) • Fremdheit besteht, wenn Kategorien wie Gender, Sozialer Status, Hautfarbe, Nationalität etc. im Interaktionsverhältnis zur handlungsrelevanten Zuschreibung (Master- Frame) werden.
  • 6. Ausgangsfrage: Weshalb Migranten in der Polizei? • Polizeitaktisch: MH-Beamte als allg. „Kultur- Scouts“ und spezielle „Milieukenner“ (Vidoq- These) • Personalpolitisch: Sicherstellung des Personalbedarfs der Zukunft • Integrationspolitisch: MH-BeamtInnen einstellen, weil sie Teil der Gesellschaft sind („Spiegelbild“- These) • Institutionstheoretisch: Hohe kulturelle Varianz innerhalb der Inst. kann pos. Wirkung auf Problemwahrnehmung und Konfliktlösungskompetenz haben. Hochschule der Polizei Hamburg Rafael Behr 6
  • 7. Beobachtungen I • Hoher „Unauffälligkeits- und Anpassungsdruck“ und „angestrengte Normalität“ bei den MH-Beamten (so sein wie alle). Integration über Leistung erschwert „selbstverständliche Normalität“ • Keine nennenswerte Veränderung von Strukturbedingungen feststellbar. • Migrant als Verdichtungssymbol: überfrachtet mit diffusen Erwartungen (gleich und anders) Hochschule der Polizei Hamburg Rafael Behr 7
  • 8. Beobachtungen II • „Affirmative action“ wird von allen Befragten abgelehnt. • Konsens: Ungleiche Chancen bei MH-Bewerb. müssen vor der Aufnahme in die Polizei kompensiert werden. • Dissens über die „Zuständigkeit“ bzw. Beitrag der Polizei Hochschule der Polizei Hamburg Rafael Behr 8
  • 9. Beobachtungen III • MH-Beamte und Beamtinnen fühlen sich mehrheitlich gut akzeptiert und integriert. • Wenn Probleme berichtet werden, dann in erster Linie solche mit dem Publikum aus dem eigenen Kulturkreis und im „halbprivaten Raum“ • Fast alle interviewten MH-Beamte und – beamtinnen berichten aber über eigene Diskriminierungserfahrung vor oder während der Polizeizugehörigkeit (verstärkte Kontrolle, Schikanen, Witze etc.) Unterschiedliche Coping- Strategien Hochschule der Polizei Hamburg Rafael Behr 9
  • 10. Sollen und Sein oder: Politik vs. Praxis • Politische Forderung von 10 % (z.B. Körting, vgl. Berliner Zeitung v. 18.8.05 ) MH-Beamte stößt auf Grenzen der Umsetzung • Praxisaussagen: 1.Wir wollen Migranten, finden aber nicht die Richtigen • 2. Ich habe nichts gegen Mig., wenn sie den Dienst so machen wie Einheimische. • Minimierung der Differenztoleranz führt zur Einstellung weniger, aber „passender“ Migranten. Aber steigern sie die Interkulturelle Komepetenz der Polizei?
  • 11. Steigern MH-Beamte die „Interkulturelle Kompetenz“? • Kulturspezifische Kompetenz (erfahrungs- und wissensbasiert, auf einen Kulturzusammenhang ausgerichtet, additive Kompetenzen?) • Kulturübergreifende K. (Universelle Schlüsselkompetenz: Verarbeitung von Fremdheit, reflexive Haltung ggü. Fremdheit: andere orientieren sich ebenso an eigenen kult. Formvorlagen, wie man selbst) • Allg. Sozialkompetenz: Kultursensibilität als Teilmenge sozialer Interaktionen
  • 12. Anwendungen • Kommunikation unter „Gleichen“ (Völkerverständigung, kollegiale Interaktionen, z.B. bei internationalen Polizeieinsätzen) • Polizeispezifisch: Milieuspezifische Kompetenz (urbane Subkultur) , Lebensweltkompetenz, Kommunikative Kompetenz (Bildung) • IK als Kompetenz zwischen den Kulturen
  • 13. Unterschiedliches Kulturverständnis • Kohärenzmodell: „Kultur“ als das Einende, gemeinsamer Nenner, Erkennungsmerkmal einer menschl. Gruppe • Differenzmodell: In allen komplexen Gesellschaften herrscht Heterogenität, Differenz, Diversität und Konflikt (Klasse, Alter, Bildung, sozio-ök. Status, Stadt-Land) - Eigene Kultur: Bekanntheit von Differenz - Fremde Kultur: Fremdheit von Differenz (der Türke an sich)
  • 14. Interkulturelle Kompetenz (S. Rathje) • Fähigkeit, „die in interkultureller Interaktion zunächst fehlende Normalität zu stiften und damit Kohäsion (Bindung, R.B.) zu erzeugen (Rathje 2006: 14) • Aus unbekannten Differenzen werden bekannte Differenzen • Voraussetzung: Kultur als Eigenschaft und Bedingung aller Arten von Kollektiven verstehen (nicht nur Nationalstaaten)
  • 15. Ergebnisse I • Nicht-reziproke Anpassung (Assimilation) • Politische Ziele von Integration bzw. „struktureller Assimilation“ (Esser) werden in „individuelle Assimilation” umgewandelt • Polizei ist keine Integrationsmaschine (10.000:300 in NRW?) • Prinzip der “Kooptation” als Strategie organisationaler Reproduktion. • Auswahl von „Kontinuitätsakteuren“, nicht von „Diskontinuitätsakteuren“ (Mintzberg) Hochschule der Polizei Hamburg Rafael Behr 15
  • 16. Ergebnisse II • Migranten in der Polizei sind kein Indikator für Integrationsfähigkeit der Org., sondern eher Ausdruck individueller Anpassungs- und Karriereerfolge • Im Vgl. zu „Gender“ ist die Kategorie „Ethnie“ weniger anpassungsfähig, weil negative Zuschreibungen im „Skript“ der Polizisten bereits vorhanden sind. • Frauen mussten ihre Fachlichkeit unter Beweis stellen, nicht aber die „innere Haltung“ (Loyalität). Bei MH-Beamten ist es umgekehrt. Hochschule der Polizei Hamburg Rafael Behr 16
  • 17. Ergebnisse III • Migranten sind nicht Lösung, aber ein nicht zu unterschätzender Beitrag für die Frage nach der Modernisierung und der Integrationsfähigkeit der Polizei. • Auch bei der Frage von Diversität und Homogenität der Polizei spielen sie ein wichtige, aber nicht die wichtigste Rolle. • Migranten bringen nicht automatisch mehr interkulturelle Kompetenz in die Polizei Hochschule der Polizei Hamburg Rafael Behr 17
  • 18. Thesen • Staatliches Verwaltungshandeln sucht nicht den größten gemeinsamen kulturellen Nenner, sondern setzt strukturelle Toleranzgrenzen. • IK im Polizeidienst ist keine „Verhandlungskompetenz“, sondern eine Vermittlungskompetenz. • Polizei ist eine kulturstarre, keine kulturelastische Organisation (Org.Kult. dominiert Gender und Ethnie) Hochschule der Polizei Hamburg Rafael Behr 18
  • 19. Folgen für Forschung • Wir wissen noch viel zu wenig von Interkultureller Kompetenz und von Interkulturellen Konflikten vs. anderen Konflikten (z.B. zwischen Männlichkeiten, sozialen Lagen) • Wir nutzen die vorhandenen Ressourcen nicht ausreichend, um anwendungsgeeignete Forschung zu betreiben (z.B. Leene, Jacobsen, Rathje) Hochschule der Polizei Hamburg Rafael Behr 19
  • 20. Beispiel Rekrutierung • Rekrutierungspolitik folgt der Erfahrung der Praxis, nicht einer Theorie der Praxis • Personalauswahl keine Teilmobilmachung, sondern vom „Sein“ (z.B. jung, deutsch, Frau/Mann, gesund) zum „Haben“ (z.B. Ausbildungsabschlüsse, Sprachkenntnisse, Computerkenntnisse etc.) • Abkehr von der (prognostischen) Generaleignung, Suche nach spezifischen Fähigkeiten/Talenten. Hochschule der Polizei Hamburg Rafael Behr 20
  • 21. Beispiel PE • Vertikale vs. horizontale Gratifikationen (Aufstieg vs. Tätigkeit) • Spezialisten müssen Spezialwissen behalten und nutzen können (z.B. Kapitäne, Brandermittler) • Funktions-Hopping ist teuer (multiple Berufspersönlichkeit) • PE-Verfahren zu Beginn der Einstellung und für alle Hochschule der Polizei Hamburg Rafael Behr 21
  • 22. Paradigmenwechsel • Erst wenn das „Problem“ /die Fragestellung sich von den Akteuren zur Organisation hin verschiebt, wird es einen spürbaren Veränderungsfortschritt geben • Die Polizei muss Auftraggeber, nicht Genehmigungsinstanz für Polizeiforschung werden, um „empirisch gesättigte“ Ergebnisse zu erzielen. Hochschule der Polizei Hamburg Rafael Behr 22
  • 23. Vielen Dank … ... für Ihre Aufmerksamkeit. Hinweise, die uns weiterhelfen, bitte - wie immer - an jede Polizeidienststelle oder an rafael.behr@web.de Hochschule der Polizei Hamburg Rafael Behr 23