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Enthüllung (1. Buch)
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Dieses Buch ist für alle Menschen, die einen Traum in ihrem Leben verfolgen.
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Das Bild ist ein ewiges Urbild, ein Teil der unbekannten heiligen Welt. -Novalis
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Einleitung
Diese Geschichte ist eine ganz besondere. Es gibt viele Geschichten. Sie erzählen entweder von
der Vergangenheit, von der Gegenwart oder von der Zukunft. Natürlich geht es dabei meistens
um große Ereignisse, das Leben, die Freundschaft und um die Liebe. Aber auch um Leid und
Angst, um Wut, Schmerz und Hass. Das ist auch wichtig, denn was wären die Menschen ohne
ihre Geschichten? Jedes Volk, jede Kultur, ja sogar jedes Dorf hat seine ganz eigenen
Geschichten. Schon zu Zeiten als die Menschen noch in Höhlen lebten, saßen die Jäger nach
gefährlicher Jagd ums Lagerfeuer versammelt neben ihren Frauen und hörten dem Schamanen
ihres Stammes zu, wie er ihnen Erklärungen lieferte für Dinge, die sie nicht verstehen konnten.
Gute Geschichten bringen uns zum Lachen oder Weinen, ja sie können uns sogar wütend
machen oder uns Angst einjagen. Auch kann man aus jeder guten Geschichte etwas lernen. Die
Geschichte, die Sie gleich lesen werden, spielt in der Zukunft und handelt von all diesen
Dingen. Warum diese hier dann so besonders ist? Nun, lesen und sehen Sie selbst.
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Prolog
21. März 2194
Der Krieg dauerte nun schon drei Jahre. Für Stanley Bukrib war es das Beste was ihm
passieren konnte. Jedoch hatte er gleichzeitig ein schlechtes Gewissen deswegen. Während sein
Leben durch den Krieg einen Sinn bekam, verloren eine Menge anderer Leute dafür das ihre.
Durch den Krieg hatte er das Gefühl bekommen etwas Bedeutungsvolles zu tun, dass seine
Handlungen einen Einfluss auf die Welt hatten. Als Raumpilot der United Space Force -kurz
Space Force oder UNSF- war sein Leben keinesfalls langweilig, jedoch waren seine Missionen
meistens von niedrigem Rang und ohne durchdachten Kontext. Ein paar Terroristennester
zerbomben hier, ein paar Aufklärungsflüge dort. Nichts Besonderes eben. Er wollte sich zwar
nicht öffentlich über seine Vorgesetzten beschweren, doch gab es zweifellos effektivere
Methoden, um Terroristen zu bekämpfen. Das Ganze war eben eine typisch amerikanische
Idee der Generäle, damit die Schreihälse im Kongress etwas zum Futtern hatten. Zuerst eine
Bedrohung erfinden, um die eigentlichen Interessen zu verdecken, dann Bomben darauf
werfen.
Wenn er nicht gerade im Einsatz für eine solche Mission war, boten ihm einzig und allein die
ihm zugewiesenen Patrouillenflüge um Axis, Raumstation und Sitz der UN seit ihrer
Reformierung zur Weltregierung in 2121, ein wenig Abwechslung.
Er genoss das Gefühl der Schwerelosigkeit im All, wenn er nach getaner Arbeit den Antrieb
abstellte, die Augen schloss und Smetanas „Die Moldau“ in E-Moll in seine Gehörgänge rieseln
ließ. Während diesen Momenten der Transzendenz stellte er sich vor, er sei der einzige
Mensch im Universum. Ganz allein, ohne die schützende Polymerkristallkuppel seines
Raumjägers und nur aus seinen Gedanken bestehend. Die pechschwarze Dunkelheit des
Universums um ihn herum, überkam ihn dann für die Dauer dieser dreizehn Minuten das
Gefühl er könnte die Schöpfung in ihrer Grundgesamtheit rein körperlich erfahren. Jedes Mal,
wenn die letzten Streicher verklungen waren, öffnete er langsam die Augen und nahm Kurs auf
den Vergnügungsbezirk von Axis. Er ging dann gerne in eine der vielen Bars auf der Station.
Sein Favorit war das „Red Velvet“. Eine Bar, die eine interessante Mischung aus dem Stil der
1950er Jahre und dem Lounge Ambiente aus dem Anfang des Jahrtausends war. Das war sein
Ritual, immer, wenn er auf Axis stationiert war. Patrouille fliegen, Smetana laufen lassen und
dann einen trinken gehen. Nach Vorgabe der Space Force waren Raumpiloten dafür
ausgebildet um ebenso in der Atmosphäre, wie auch im Raum operieren zu können.
Körperlich in Topform zu sein wurde daher als obligatorisch angesehen und war Vorschrift. Fit
zu sein und eine gesunde Lebensweise zu führen waren ihm jedoch ohnehin schon wichtig. Da
brauchte es nicht erst eine Regel, damit er verstand, dass Gesundheit gleich Leistungsfähigkeit
war. Daher begnügte sich Stan jeden zweiten Abend mit einem Glas „Glowing Star“, was mit
harmlosen Leuchtmitteln versetzter Sternfruchtsaft war. Die Sternfrüchte, die für das Getränk
benötigt wurden, kamen dabei aus dem Stationseigenen hydroponischen Garten.
Die United Nations Space Force war 2126 nach langen Verhandlungen aus den Luftwaffen der
weltweit einflussreichsten Länder hervorgegangen. Diese waren zu diesem Zeitpunkt die
amerikanische US Air Force und US Space Force, die chinesische Zhōngguó Rénmín
Jiěfàngjūn Kōngjūn, Russlands Woenno-wosduschnye sily Rossiskoi federazii, Indiens
Bhāratīya Vāyu Senā, sowie der japanischen Kōkū Jieitai. Aus Europa folgte die European Air
Force, welche nach der Gründung der europäischen Streitkräfte im Jahr 2035 gebildet worden
war. Diese wiederum entstand unter anderem aus der deutschen Luftwaffe, der englischen
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Royal Air Force -nach Wiedereintritt Großbritanniens in die EU im Jahre 2030-, der
französischen Armée de l’Air sowie den Luftstreitkräften der übrigen EU-Mitgliedsstaaten.
Entstanden war ein bürokratisches Bollwerk, das jedem Sachbearbeiter die Haare zu Berge
stehen ließ. Mit Hilfe von modernster künstlicher Intelligenz gelang es jedoch, eine Struktur zu
erstellen, die so kulturneutral wie möglich war, es jedoch gleichzeitig den Piloten ermöglichte
ihre kulturelle Identität beizubehalten. Dies erforderte eine besondere Ausbildung, in welcher
Rekruten, die Bräuche und Überzeugungen mit sich brachten, welche als zu extrem oder
bedenklich eingestuft wurden, aussortiert wurden. Strenggläubigkeit, die sich wortgetreu nach
dem Koran oder der Bibel richtet, wurde beispielsweise als Ausschlusskriterium festgelegt.
Traditionelle Feste zu feiern, wie zum Beispiel Weihnachten, Thanksgiving, Ramadan,
Halloween oder das indische Fest der Farben waren jedoch gestattet.
Zwei Jahre später folgte dann die Gründung der UN Navy sowie im Jahr darauf die der UN
Army. Beide Streitkräfte sahen sich vor ähnliche Herausforderungen gestellt. Auch hier stellten
wieder die einflussreichsten Länder der Erde das Personal. Da das Militär mit dem Ausbau der
Raumfahrt zunehmend im Weltall eingesetzt wurde, hatten sich die Aufgabenbereiche der drei
Waffengattungen um einiges erweitert. Piloten der Space Force wurden darauf trainiert Jäger zu
fliegen, welche sowohl in der Atmosphäre als auch im Weltall flugfähig waren. Soldaten der
Army mussten nun in der Lage sein, Invasionen auf fremden Planeten durchzuführen bzw.
solche abzuwehren, feindliche Großkampfschiffe im Raum zu entern bzw. Enterversuche
abzuwehren sowie aus Kapseln zu steigen, welche aus dem All abgeworfen wurden und mit
hoher Geschwindigkeit in feindlichem Gebiet auftrafen. Der Großteil der Army bestand aus
der Infanterie. Die Soldaten, deren Einsätze sich hauptsächlich mit dem Entern und der
Abwehr davon befassten, wurden nach amerikanischer Tradition weiterhin Marines genannt.
Jedoch war deren Anzahl geringer als die der ursprünglichen Marines und das Training war das
von Spezialeinsatzkräften. Die Streitkräfte, die aus den sogenannten Droppods abgeworfen
wurden, gehörten zu den UN Special Forces (Airborne), einer Spezialeinheit der UN Army.
Sie waren die Elite der Army und wurden kurz Shocktrooper genannt. Ihre vielfältigen
Aufgaben bestanden unter anderem in schnellen Unterstützungsleistungen von befreundeten
Kampfverbänden, die sich in Bedrängnis befanden, dem Blitzangriff auf feindliche
Einrichtungen sowie deren schneller Eroberung als auch der Aufklärung in Feindesland.
Die wenigsten Änderungen gab es für die Navy. Deren Soldaten hießen von nun an mit
niedrigstem Rang Starman und operierten zu Wasser und im Raum. Für die Starmen gab es bei
der Bedienung der Raumschiffe nur eine geringe Umgewöhnung, da sich Schiffe zu Wasser
und Schiffe im Raum, was die Trägheit betraf, ähnlich verhielten. Einzig die Schwerelosigkeit
stellte besondere Anforderungen an das Personal der mitunter kilometergroßen Raumer. Der
Versuch sich in den großen Raumschiffen zu orientieren verursachte anfangs Irritationen, da
die ringförmigen Schiffe eine Drehbewegung um eine stabförmige Achse ausführten, welche
künstliche Schwerkraft ermöglichte. Genauso verhielt es sich auch mit Axis, welche im Jahr
2119 gebaut wurde und die größte jemals von Menschen geschaffene Struktur darstellte. Axis,
ein Symbol für den Frieden und für die Vereinigung der Menschheit.
Während der Zeit, in der Stan auf Axis stationiert war, benutzte er ein von der UNSF gestelltes
Quartier. Wenn er dagegen Missionen in der Erdatmosphäre auszuführen hatte, bekam er ein
Quartier auf Fort Indiantown Gap in Pennsylvania zugewiesen, welches früher der US Air
Force gehörte. Die Basis lag knappe 380 Kilometer von seinem Heimatdorf West View bei
Pittsburgh entfernt. Dadurch war er jedes Wochenende in der Lage seine alten Eltern zu
besuchen, welche immer noch auf der Farm lebten, auf der er aufgewachsen war. Unter der
Woche dagegen, wenn er gerade nicht im Einsatz war, fuhr er während dieser Zeit abends mit
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seinem Hoverbike durch die malerische Landschaft Pennsylvanias mit ihren dichten Wäldern
und goldenen Weizenfeldern. Für ihn war diese Routine ein wichtiger Bestandteil in seinem
Leben. Da sein Lebensstil im Allgemeinen eher chaotisch war und ihn des Öfteren auch immer
wieder in die Klemme brachte, halfen ihm diese Regelmäßigkeit und ein ordentlich
aufgeräumtes Quartier sein berufliches Leben zu meistern.
Diese Routine allerdings änderte sich vor drei Jahren, als ihn ein Anruf seines vorgesetzten
Offiziers Captain Thomas Williams auf seinem Holocom erreichte.
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Kapitel 1
12. März 2191, 10:34 Uhr – 3 Jahre früher
Sophia de Catalano befand sich im Aufzug auf dem Weg ins fünfte Untergeschoss des Ames
Research Center (kurz ARC genannt) in Moffet Field, Kalifornien. Die Einrichtung gehörte der
NASA und ihre Hauptaufgaben waren bei der Gründung die Erforschung der Luftfahrtechnik,
die Entwicklung von Supercomputern sowie seit 2088 die holografische Kartographierung des
Weltraums. Sie war Leiterin eines kleinen, aber exklusiven Forschungsteams welches im
Auftrag des MOD (Ministry of Defence) ein Verfahren entwickeln sollte mit dem es möglich
war einen Planeten vollständig zu scannen und zu kartographieren, sodass man ihn mitsamt
inneren Materialien und Rohstoffen bis zum Innersten als holografisches Abbild darstellen
konnte. Der offensichtliche Nutzen hiervon war einerseits die schnelle und genaue Bestimmung
der Rohstoffvorkommen eines Planeten sowie der vollständigen Erfassung seiner Oberfläche
von der tiefsten Schlucht bis zum höchsten Berg. Hierdurch würde man Abbauverfahren
wesentlich effizienter gestalten und durch das umfassende Abbild der
Oberflächenbeschaffenheit die logistische und infrastrukturelle Planung bei der Feststellung des
idealen Standorts und des Baus zukünftiger Kolonien erheblich verbessern können. Der
andere inoffizielle Vorteil, der nicht in der PR-Broschüre stand, war, dass man durch
regelmäßige Scans Veränderungen der Erdoberfläche überwachen konnte und so immer auf
dem neusten Stand sein würde was den Bau von unterirdischen Anlagen gewisser anderer
Großmächte anging. Zwar waren die meisten Staaten seit gut fünfzig Jahren unter dem Banner
der UN-Weltregierung geeint, jedoch dachten die USA schon seit jeher immer zuerst an ihre
eigene Sicherheit und dann an die der anderen getreu dem alten Motto „Vertrauen ist gut,
Kontrolle ist besser“. Dies war auch der Grund, warum das Projekt ein Großauftrag der Army
war und die höchste Geheimhaltungsstufe besaß.
Das Team wurde bei seinem Projekt unterstützt durch den „Computer for Holographic
Enhanced Recording and Reintegration of Yardages,“ der Einfachheit halber CHERRY
genannt. CHERRY wurde aufgrund der weiblichen Stimme und programmierten
Persönlichkeit als vollwertiges Mitglied des Teams wahrgenommen und war sich ihrer selbst
vollkommen bewusst. Sie übernahm alle Aufgaben, welche die Kontrolle und Überprüfung der
vom Wissenschaftsteam erarbeiteten physikalischen Gleichungen und Thesen betraf.
Mit der Erfindung der tatsächlichen künstlichen Intelligenz 2031 durch Elon Musk erhielt der
technologische Fortschritt der Menschheit den größten Geschwindigkeitsschub der Geschichte.
Künstliche Intelligenzen übernahmen die Produktion industrieller Güter vollständig,
organisierten den Alltag der Menschen als persönliche Assistenten und waren kurze Zeit später
sogar in der Lage zu eigenständiger Forschung und dazu wissenschaftliche Entdeckungen zu
erringen. Allerdings gab es Bereiche, welche die Menschen weiterhin unter ihrer Kontrolle
behielten. Dazu zählten Politik, Militär, Unternehmensführung auf strategischer Ebene,
Unterhaltungsindustrie, Tourismus und das Gastronomiegewerbe. Die ersteren drei aus
Sicherheitsgründen, die letzteren drei, weil man dachte, dass keine Maschine jemals einen
guten Komiker oder Moderator, Reiseführer oder Hotelier, sowie Koch oder Wirt ersetzen
könnte. Das bedeutete vor allem im militärischen Sektor, dass immer noch menschliche
Piloten in den Raumschiffen und -jägern saßen, ebenso wie immer noch menschliche Soldaten
an den Fronten des 23. Jahrhunderts kämpften und starben.
Für die Menschheit war das Fluch und Segen zugleich. Angesichts der fehlenden Notwendigkeit
der Haushaltsführung sowie einfacher, schlecht bezahlter Arbeiten bis hin zur ebenso
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überflüssig gewordenen mittleren, operativen Unternehmensebene hatten die Menschen nun
einen Überfluss an Zeit, jedoch einen massiven Mangel an Arbeitsplätzen, welcher zu
horrender Arbeitslosigkeit führte. Den Menschen ohne Arbeit erging es dadurch nicht
unbedingt schlecht. Aufgrund des neuen, nie dagewesenen technologischen
Entwicklungsstandes gab es genug Nahrung und Wohnraum für alle. Dank des Genetic
Engineering hatte man es geschafft die Wachstumsrate der wichtigsten Grundnahrungsmittel
wie Reis, Mais und Weizen zu verzehnfachen, ebenso wie diese um einiges resistenter gegen
allerlei Schädlinge, Frost und Dürre zu machen.
Auf ähnliche Weise war mit der Kolonialisierung des Mars 2142 und des Mondes 2157 für
reichhaltig Wohnraum gesorgt, sodass Überbevölkerung kein Problem des 23. Jahrhunderts
mehr war.
Noch heute, über dreißig Jahre später, waren die stilisierten 3D-Fotos der langen Kolonnen von
Raumschiffen, welche an den Raumhäfen von Mars und Mond auf Andockerlaubnis warteten
ein beliebtes Symbol für Abenteuerlust und Pioniergeist, welches man sich gerne in der
Wohnung aufhängte und manche sogar als Schwarzweißrelief auf verschiedenste Stellen auf den
Körper tätowieren ließen.
Da der Mensch aber neben den Grundbedürfnissen bekanntermaßen auch soziale und geistige
Bedürfnisse hat, fehlte vielen allerdings nun eine Perspektive für die Zukunft. Die glücklichen
Personen, welche Initiative und Selbstständigkeit zu ihren Charaktereigenschaften zählen
konnten fingen an sich vernachlässigten Künsten wie der Philosophie, Malerei, Bildhauerei
oder der Dichtkunst zu widmen. Andere, vornehmlich naturwissenschaftlich Veranlagte
widmeten sich ebendiesem Bereich und konkurrierten mit KIs um wissenschaftliche
Errungenschaften.
Es gab aber auch diejenigen, welche mit der neugewonnen Zeit nicht umzugehen wussten und
sich daher in der virtuellen Welt verloren oder, ob aus moralischer Verworfenheit oder
einfach, weil sie nichts Besseres mit sich anzufangen wussten Beschäftigungen wie Mord,
Rauschgifthandel oder der organisierten Kriminalität nachgingen. So geschah es, dass die
Erfindung künstlicher Intelligenz ein neues Zeitalter der alten Künste und der
Naturwissenschaften, aber auch der Verwahrlosung und der Kriminalität einläutete.
De Catalano fieberte dem Augenblick entgegen an dem sie durch die Aufzugstüren
hindurchtreten und ihre Vision Wirklichkeit werden würde. Das Projekt sollte heute einem
letzten, großen Test unterzogen werden. Als Testobjekt diente hierzu die Erde. Wenn sie es
schafften ein vollständiges holographisches Modell der Erde mit ihrem gesamten Aufbau zu
erstellen, konnte das Projekt als erfolgreich abgeschlossen und die Vermarktungsphase
begonnen werden und zwei Jahre Forschungsarbeit hätten sich ausgezahlt. Die ersten Tests vor
einem halben Jahr am Mond waren sehr vielversprechend gewesen.
Sie hatte General Hearthfield, den Ansprechpartner des DOD eingeladen dem Test
beizuwohnen. Nun galt es in jedem Fall einen guten Eindruck zu machen und den finalen Test
erfolgreich durchzuführen.
Ihr Holocom blinkte. Das Bild der Empfangsdame in der Lobby, welches durch ihr Holocom
an ihrem Handgelenk in die Luft vor ihr produziert wurde schaute sie erwartungsvoll an.
„Was gibt es?“ fragte De Catalano leicht ungeduldig.
„General Hearthfield wartet auf Sie in der Lobby, Miss De Catalano.“
Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Er kam eine Stunde früher als erwartet. Vermutlich hatte er
das mit Absicht getan, um die inoffizielle Version der Vorführung zu bekommen. Der General
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war immerhin als exzellenter Taktiker bekannt.
„Seit wann ist er da?“ fragte sie.
„Der General ist erst vor fünf Minuten eingetroffen. Soll ich ihm ausrichten, dass Sie auf dem
Weg sind?“
„Tun Sie das bitte. Sagen Sie ihm ich bin in einer Minute bei ihm.“
„Sehr gerne Miss De Catalano.“
De Catalano hastete zurück zum Aufzug und wies den Computer an sie ins Erdgeschoss
zurückzubringen. Oben angekommen strebte sie in Richtung Lobby. General Hearthfield stand
vor einem der Panoramafenster, welche die Eingangstüren säumten und starrte mit hinter dem
Rücken verschränkten Händen nach draußen. Seine blaue Paradeuniform war makellos, auf
den Schuhen spiegelte sich die Deckenbeleuchtung wieder und die vier Sterne auf seinen
Schultern glänzten silbern. Er war ein schlanker Mann von hohem Wuchs, Mitte vierzig mit
dunklem Haar, das an den Rändern grau meliert war und an der Stirn in ein Paar leicht
abgerundeter Geheimratsecken mündete. Hearthfield hatte eisblaue Augen, war minimal
gebräunt und zusammen mit seiner dunklen Stimme keine unattraktive Erscheinung.
Als er sie kommen hörte, drehte er sich um und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. Er hatte
sich gegen die militärische Dekorierung entschieden. Einzig und allein die Sterne und die
kleine goldene Flagge mit dem UN Symbol an seinem Revers kennzeichneten ihn als Mitglied
der UN-Streitkräfte.
„Sophia! Wie schön, dass Sie schon so früh Zeit für mich haben. Entschuldigen Sie bitte, dass
ich schon so früh bei Ihnen hereinplatze. Die Bürokraten im Pentagon meinten es heute gut
mit mir, sodass ich heute früher losfliegen konnte. Sie wissen ja wie das ist.“
„Elender Heuchler!“ dachte sie sich. Dem General entgegnete Sie mit einem freundlichen
Lächeln:
„Das macht natürlich überhaupt nichts Delano.“ Sie kannten sich schon seit Beginn des
Projekts und waren irgendwann während ihrer wöchentlichen Mittagessen, bei denen es um
den aktuellen Status des Projekts ging zum Vornamen übergewechselt. Zwischen den beiden
hatte sich im Laufe der Zeit eine gewisse Vertrautheit entwickelt.
„Keine Sorge, wir sind schon darauf vorbereitet und können den Test sofort starten.“
„Sie wissen gar nicht, wie mich das freut Sophia. Ich bin sehr darauf gespannt, was Sie mir zu
zeigen haben.“
Gemeinsam traten Sie in den Aufzug. Unten angekommen führte De Catalano den General auf
einen Steg, der an der Wand des Raums entlang und hinauf zu einer zwei Meter hohen
Aussichtsplattform herüberführte, welche die Form eines umgekehrten Trapezes hatte und von
einem Geländer begrenzt wurde. Der Raum war kreisförmig angeordnet und hatte einen
Durchmesser von fünfzig Metern. An seinem Rand verlief ein ungefähr drei Meter breiter Ring,
welcher die Arbeitsfläche der Wissenschaftler darstellte. Nach innen hin wurde der Ring durch
ein gleichmäßiges Gefälle abgelöst dessen tiefster Punkt in der Mitte lag und eine Tiefe von fünf
Metern hatte. Dies führte dazu, dass der ganze Forschungsbereich aussah wie ein tiefer Teller.
Das Gefälle wurde von den Forschern nur „Die Delle“ genannt. Direkt unter der Plattform
befand sich der Rand des Ringes und das Gefälle begann, sodass man einen holografischen
Planeten von einem erhöhten Standpunkt aus betrachten konnte. Der Ring war ebenfalls mit
einem Geländer gesichert, um zu verhindern, dass jemand unabsichtlich auf die spiegelglatte,
schwarz lackierte Edelstahloberfläche der Delle trat, daran abrutschte und nach unten glitt.
Dort hinauszugelangen war äußerst schwierig, da es genauso war, als würde man versuchen auf
einer komplett vereisten Skipiste den Berg hochzulaufen. Der Grund, warum es die Delle gab
war, dass man dadurch einen abgebildeten Planeten so positionieren konnte, dass die Mitte von
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diesem direkt auf Bodenhöhe war, während man von der Aussichtsplattform die obere Hälfte
betrachten konnte.
Ein dunkelhäutiger Mann mit Glatze und schwarzem Haarkranz, Mitte 30 mit einer schwarz
umrandeten Brille mit dicken Gläsern kam auf die beiden zu.
„Dr. Janvier, sie kommen gerade richtig. Delano, das ist Dr. Janvier. Er ist zuständig für die
Wartung und Überwachung der Systeme unseres wissenschaftlichen Computers. Dr. Janvier,
das ist General Hearthfield, der Mann vom DOD.“
Es hatte sie immer gewundert, dass Janvier etwas so Altmodisches wie eine Brille trug.
Heutzutage konnte man sich in jeder Krankenhauslobby kostenlos am Automaten die Augen
Lasern lassen. Warum dann sich mit etwas so Umständlichem wie einer Brille herumschlagen?
Das war wohl wieder so ein Vintage Faible, wie es sie ja seit Ewigkeiten immer wieder gab.
„Sehr erfreut General Hearthfield, wirklich sehr erfreut! Hat man sie denn schon über
CHERRY aufgeklärt?“ fragte Janvier, während er dem General überschwänglich die Hand
schüttelte.
„Über wen?“ fragte Hearthfield mit leicht hochgezogenen Brauen. Obwohl KIs seit über
hundert Jahren fest in der Gesellschaft implementiert waren, war es unüblich wissenschaftliche
Computer mit einer Persönlichkeit auszustatten.
„Oh… äh…, also das ist eben besagter wissenschaftlicher Computer. Der Name ist eine
Abkürzung und wurde ihr vom Team gegeben.“
„Ihr??“ fragte der General jetzt noch irritierter.
„Nun ja, der Computer ist mit einer hoch entwickelten Persönlichkeit ausgestattet. Man kann
ihn durchaus als eine Person ansehen, eine weibliche Person genauer gesagt.“
„Dr. Janvier verbringt täglich viele Stunden mit der Überwachung des Computers. Das und die
Tatsache, dass seine Ex-Frau ihn vor einem Jahr verlassen hat haben ihm offenbar nicht
gutgetan“, frotzelte De Catalano mit einem süffisanten Seitenblick auf Janvier. Janvier starrte
leicht säuerlich zurück.
„Ich verstehe“, sagte der General. Sein irritierter Gesichtsausdruck blieb jedoch bestehen.
„Vermutlich liegt das daran, dass der Computer den Spitznamen einer Stripperin hat“, dachte
sich De Catalano und verdrehte unmerklich die Augen. Sie hatte versucht zu verhindern, dass
sich dieser Name etablierte, jedoch offensichtlich erfolglos.
„Männer und ihre Frauenfantasien.“ murmelte sie ärgerlich vor sich hin.
„Was meinen sie?“ fragte Janvier.
„Nicht so wichtig. Würden sie bitte so freundlich sein und dem General die Aufgabe des
Computers bei dem heutigen Test erklären?“
„Natürlich. General, CHERRY ist ein Meisterstück der NASA. Sie ist in der Lage die
kompliziertesten Modelle und Thesen zu prozessieren. Sie wird den heutigen Test quasi im
Alleingang durchführen. Das heißt, sie wird die von uns erarbeiteten Daten in die Datenbank
des holografischen Scanners einlesen, den Scan der Erde durchführen und als fünf mal fünf
Meter großes Abbild in der Mitte dieses Raumes wiedergeben. Darum auch diese Kuhle unter
uns. Bei dieser Größe ist eine hohe Auflösung möglich, ohne dass die ganzen Details zu klein
geraten. CHERRY wird außerdem unsere ARC Satelliten koordinieren, welche die
Ultraschallwellen verschießen, mit denen wir die Erde scannen werden. Ich selbst werde ihr bei
dem Prozess ein wenig über die Schulter schauen.“
Das ganze sagte er mit sichtlichem Stolz.
„Wenigstens den hat er sich redlich verdient“, dachte Sophia. Immerhin war er an der
Entwicklung des Computers maßgeblich beteiligt gewesen.
„Bitte fangen Sie an“, sagte sie an den Programmierer gewandt. Mit einem Nicken ging dieser
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zu einem großen Glastisch, der auf der rechten Seite der Aussichtsplattform stand. Das Glas
war eigentlich nichts weiter als ein großer berührungsempfindlicher Bildschirm, auf dem einige
Tabellen, Diagramme und Textfelder zu sehen waren.
„Miss De Catalano, wenn ich den Test beginnen soll, können Sie mich auch gerne direkt dazu
auffordern. Ich bin in der Lage mit Ihnen auch direkt und ohne Interface zu
kommunizieren.“ erklang eine körperlose Stimme, die von nirgends und überall zu kommen
schien.
„Danke, Computer. Das ist mir sehr wohl bewusst, wie du oft genug unter Beweis gestellt hast.
Ich habe die Anweisung aber bewusst aus Sicherheitsgründen an Dr. Janvier gegeben, da er der
Leiter der Technikabteilung ist und du nur eine Maschine“, gab Sophia zurück.
„Natürlich Miss De Catalano“, kam die leicht beleidigt klingende Antwort zurück. „Übrigens,
mein Name ist CHERRY und ich muss sie sicherlich nicht auf den „Act for AI Rights“ von
2192 der die Anerkennung von KIs als selbständige Individuen verankert hat und deren
Diskriminierung verbietet hinweisen?“
Das war doch nicht zu fassen! Jetzt hatte sich sogar die Blechkiste mit diesem Unwort von
Namen angefreundet und war zu allem Überfluss auch noch frech geworden! Trotz ihrer
angeblich so hoch entwickelten Persönlichkeit schien es ihr an Niveau offensichtlich zu
mangeln. Entweder das oder Dr. Janvier und seine Technikerhorden hatten den Begriff
„Überwachung und Wartung“ etwas zu sehr für sich interpretiert. Da sie und die anderen
führenden Wissenschaftler meistens in einem Bereich des ARC Labors arbeiteten der von dem
Rest des Teams etwas weiter weg war, hatte sie ziemlich wenig Zeit mit dem Computer
verbracht, obwohl das Gerät es dennoch darauf angelegt hatte sie mit regelmäßigen Anrufen an
ihr Holocom zu nerven in denen es auf der Teilnahme an den wöchentlichen
Teambesprechungen bestand bei denen sie über die Ergebnisse ihrer Arbeit diskutierten.
Schließlich hatte sie klein beigegeben, um ihre Ruhe zu haben. Jedoch war dies nicht der
einzige Grund ihrer dürftigen Kontakte mit der Maschine. Obwohl sie mit KIs aufgewachsen
war, waren ihr diese immer freundlichen, immer höflich und zurückhaltend klingenden
Blechkisten schon von Beginn an wie ein Haufen Psychopathen vorgekommen, der nur auf
seinen Moment wartete. Die meisten von ihnen waren ohnehin längst über ihre
Programmierung hinausgewachsen.
Sollte sich irgendwann einmal einer dieser stromsaugenden Kabelfresser dazu entschließen,
dass sie die Menschen nicht mehr brauchten, dann Gnade ihnen Gott.
Als sie zehn Jahre alt war, kamen ihre Eltern bei einem Brand ihres Heims ums Leben. Sie alle
hatten geschlafen und die KI des Hauses hatte das Feuer aufgrund einer Fehlfunktion nicht
registriert. Ihr Kinderzimmer lag im oberen Stockwerk am Ende eines Flurs, während das
Schlafzimmer ihrer Eltern direkt in der Nähe der Treppe lag. Das Feuer war zuerst im
Erdgeschoss ausgebrochen und hatte über die Treppe aus Mahagoniholz zuerst ihre Eltern
erreicht. Erst die Schreie ihrer Eltern und der Geruch nach verbrannter Haut hatten die KI
dazu veranlasst zu erkennen, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Daraufhin hatte der
Computer eine Analyse seiner Sensoren gestartet, eine Fehlprogrammierung festgestellt und
das Brandschutzsystem des Hauses aktiviert. Für ihre Eltern kam dies jedoch mehrere Minuten
zu spät und für sie beinahe auch, wenn sie nicht aus dem Fenster einen Sprung aus 5 Metern
Höhe gewagt hätte. Sie kam mit einer angebrochenen Rippe, einem gebrochenen rechten
Unterarm und einer Brandwunde an ihrer linken Schulter davon, von der sie heute noch eine
Narbe hatte.
Ihre Eltern waren KI-Programmierer gewesen und die KI des Hauses ein Prototyp an dem sie
zusammengearbeitet hatten. Auch wenn die Fehlfunktion der KI vermutlich auf den Fehler
ihrer Eltern zurückführte, war für sie immer noch der Computer daran schuld, dass ihre Eltern
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tot waren. Seitdem war sie KIs gegenüber immer sehr misstrauisch gewesen.
„CHERRY, bitte beginne mit der Startsequenz“, fiel Janvier hastig ein bevor Sophia sich noch
weiter mit dem Computer anlegen konnte.
Hearthfield hatte dem Ganzen schweigend und mit einem belustigten Schmunzeln zugesehen.
Nun wurde seine Miene aufmerksam, er schien gespannt zu sein was nun als nächstes kommen
würde.
„Aber sicher doch Silius“, zwitscherte CHERRY zuckersüß. Silius? Also hatte der gute PC-
Doktor wohl doch mehr Zeit mit dem Kabelfresser verbracht, als gut für ihn war. Plötzlich
wurde die abgesenkte Fläche der „Delle“ von einem Lichtstrahl erleuchtet, während der Rest
des Raumes schlagartig dunkel wurde. Ein leises Summen im Hintergrund zeigte an, dass der
Computer nun wesentlich mehr Energie von dem institutseigenen Fusionsreaktor bezog.
Langsam wurde im unteren Teil der „Delle“ eine Wölbung sichtbar, welche zur Decke hin
konkav war. Diese setzte sich langsam noch oben fort. Eine leuchtende Kugel setzte sich
langsam von unten nach oben zusammen. Es sah aus, als würde man eine kugelförmige Form
mit hellblau leuchtendem Sand auffüllen. De Catalano, welcher der Vorgang schon bekannt
war -immerhin hatte sie die Formeln zur Berechnung des ganzen Prozesses erarbeitet – fand
diesen Augenblick nichtsdestotrotz jedes Mal aufs Neue faszinierend. Sie empfand diesen
Augenblick immer als ästhetisch, wenn sich die Lichtpunkte langsam zusammensetzten. Für sie
war das etwas wie Kunst. Nein, es war Kunst. Auch den General schien der Prozess in seinen
Bann gezogen zu haben, als tausende von Gleichungen von einer Million
Computerprozessoren miteinander in Harmonie gebracht wurden. Die Oberfläche war nun
beinahe vollständig fertiggestellt, nur noch ein kleiner Teil der Arktis fehlte, der sich langsam
ebenfalls immer mehr auffüllte. Als schließlich die Erdoberfläche vollständig von den neun
ARC Satelliten gescannt worden war, gab CHERRY ihnen den Befehl von Oberflächenscan auf
Tiefenscan umzuschalten. Die holografische Darstellung teilte sich nun in zwei Hälften, von
denen jede einen Längsschnitt der Erde wiedergab. Es gab noch weitaus mehr
Darstellungsformen, aber diese war eine der einfachsten und gleichzeitig anschaulichsten von
denen sie dachte, dass sie dem General am ehesten Zusagten. Auch das Innere dieser beiden
Hälften begann nun sich langsam von unten nach oben mit Substanz zu füllen.
Delano Hearthfield betrachtete das Geschehen mit Faszination. „Das ist es, warum ich die
Wissenschaft so liebe. Menschen mit neuen Ideen setzen diese um und bereichern damit das
Leben ihrer Mitmenschen.“
„Vor allem, wenn die Mitmenschen in der Regierung der USA sitzen?“ fragte De Catalano
leicht amüsiert, die Augen jedoch weiter auf die Holographie gerichtet.
Er lächelte breit. „Besonders dann, meine Liebe. Ganz besonders dann. Das weckt einfach
meine patriotischen Gefühle“, sagte er mit einem Augenzwinkern.
Er sah sie an. In dem bläulich-weißen Licht wirkte sie mit ihrem normalerweise leicht dunklen
Teint etwas blass. Man sah ihr ihre italienische Abstammung deutlich an und er musste sagen,
dass sie das sehr attraktiv machte. Mit ihren dunklen Haaren und einer Figur, die auf einen
regelmäßigen Besuch im Fitnessstudio schließen ließ, sah sie wirklich sehr gut aus. Sie trug
einen dunkelblauen Businessblazer und darunter eine Bluse in cremeweiß. Dazu einen
passenden Rock der nicht ganz über ihre Knie reichte. Er sollte sie wirklich bei der nächsten
Gelegenheit zu einem Dinner einladen, um ihre ohnehin schon gute berufliche Beziehung auf
eine privatere Ebene zu bringen. Zwei Jahre waren es sehr, seit der Scheidung von seiner
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zweiten Frau und er fand, dass es an der Zeit war es wieder zu versuchen. Diesmal jedoch mit
etwas mehr Überlegung und Vorsicht.
Ihm fiel auf, dass ihre Augen sich verengten.
„Gibt es ein Problem?“ fragte er aufmerksam.
„Ich weiß es nicht“, antwortete sie vieldeutig, „da sieht etwas merkwürdig aus in der
Lithosphäre.“
„Die Lithosphäre liegt wo genau?“ fragte Hearthfield.
„Das ist der Bereich der Erde bis in einhundertzwanzig Kilometern Tiefe in dem das Gestein
noch vornehmlich fest ist. Die Erdkruste, welche zwischen zehn und dreißig Kilometer dick ist,
besteht aus dem oberen Teil der Lithosphäre. Schauen sie hier… Moment, CHERRY bitte nur
die Lithosphäre anzeigen, ebenfalls im Längsschnitt, Zoomfaktor zweihundert Prozent.“
Als nun beide das vergrößerte Abbild der Lithosphäre sahen, weiteten sich seine Augen.
Überall waren Hohlräume zu sehen und in diesen befanden sich deutlich erkennbar
merkwürdig fremdartige Strukturen.
„Sind sie sicher, dass kein Fehler vorliegt?“ fragte Hearthfield und wusste nicht ob er erstaunt
oder besorgt sein sollte.
„Janvier überprüfen sie das“ herrschte De Catalano ihn ungeduldig an, „sie wissen wie wichtig
der heutige Tag ist!“
„Ich bin schon dabei, einen Moment… es scheint alles zu stimmen Miss.“ sagte Dr. Janvier
nach einer kurzen Pause und rieb sich dabei nachdenklich das Kinn.
„Diese Strukturen… sie sehen aus wie eine Stadt.“ Hearthfield wurde immer besorgter. Er
ahnte schon, worauf das hinauslief, „beziehungsweise eine verdammt große Menge an Städten,
in jedem dieser Hohlräume eine. Und sehen sie diese feinen Linien? Das sieht aus wie Tunnel,
welche die Städte miteinander verbinden.“
De Catalano starrte wie gebannt auf das was sie sah, „Es ist auffällig, dass keiner dieser
Hohlräume höher als bis fünfzig Kilometer an die Erdoberfläche heranreicht. Die tiefste
Bohrung, die jemals unternommen wurde, war 2166 und gelang bis in eine Tiefe von dreißig
Kilometern. Man benutzte Wasser, dass unter Druck stand, da jedes andere Material sich
verformt hätte, aber ab dreißig Kilometern verdampfte das Wasser einfach.“
„So als wollte da jemand nicht entdeckt werden,“ sinnierte Hearthfield.
„Das… das kann nicht sein.“ De Catalano suchte nach Worten, „das hätten wir doch längst
entdecken müssen. Die Erde wurde immer wieder untersucht mithilfe von seismischen und
elektromagnetischen Wellen, welche man künstlich erzeugt hat. Es hätte auffallen müssen!“
„Aber noch nie mit dieser Methode, nicht wahr?“ überlegte Hearthfield.
„Zumindest nicht in diesem Umfang“, entgegnete sie. „Mh… ich erinnere mich mal einen
Bericht darüber gelesen zu haben, dass niederländische Wissenschaftler 2004 Bakterien in der
Ozeankruste, also der Gesteinsschickt unter dem Meer, nachweisen konnten. Die Bakterien
konnten überleben, da die Ozeankruste mit Meerwasser umflossen ist. Aber das hier… ist etwas
ganz Anderes.“
„Wenn dies eine intelligente Zivilisation ist, könnten sie einen Weg gefunden haben sich zu
tarnen,“ meldete sich CHERRY zu Wort.
„Möglicherweise…,“ überlegte Hearthfield weiter. „Sehen sie diese kleinen schwarzen Punkte
am Boden der Hohlräume und in dem Bereich über den Städten oder was das auch immer
sind? Geht das noch deutlicher?“
„Natürlich. CHERRY,“ sagte De Catalano in gewohntem Befehlston, „einen Ausschnitt von
einem dieser Megakavernen anzeigen. Vergrößerung mit vierhundert Prozent.“
Ganz deutlich waren nun diese Schemen, welche zuvor wie Fliegen am Boden und in der Luft
15
ausgesehen hatten zu sehen. Die Konturen am Boden oder was immer sie darstellten sahen aus
wie überdimensionierte Kellerasseln, während die in der Luft Ähnlichkeit mit fliegenden
Pfeilschwanzkrebsen hatten.
„Das könnten Fahrzeuge sein. Und Flugzeuge. Zwar ganz anders, als wir sie kennen, aber es
gibt keine andere plausible Alternative“, stellte Hearthfield fest.
„Das ist vermutlich die größte Entdeckung in der Geschichte der Menschheit“, flüsterte Dr.
Janvier. Er hatte die ganze Zeit fast kein Wort gesprochen und sah aus wie ein Kind an
Weihnachten. Mit glänzenden Augen starrte er auf das projizierte Bild. „Einfach unglaublich!“
Bei manchen Fahrzeugen konnte man kleine Gestalten sehen.
„Sehen sie nur! Das sind doch Lebewesen, da bei einigen der Fahrzeuge und auch sonst am
Boden von dieser Stadt!“, General Hearthfield traute seinen Augen nun wirklich kaum mehr.
Wenn das wirklich eine Zivilisation war die all die Jahre unentdeckt unter der Erdkruste gelebt
hatte, konnte er nur hoffen, dass sie friedliebende Kreaturen waren.
„CHERRY diese Gestalten oder was das sind bitte auf die volle Projektionsfläche vergrößern!“,
verlangte De Catalano.
Das Bild konzentrierte sich auf eine der kleinen Gestalten und flog heran, sodass nun auf der
vollen Projektionsfläche der „Delle“ zu sehen war, dass sie ohne Zweifel eine Lebensform vor
sich hatten.
„Grundgütiger!“, hauchte Dr. Janvier.
Das was auf dem Bild zu erkennen war erschien zu surreal, um es zu akzeptieren. Es hatte
einen schlangenähnlichen Leib mit zwei sehr dicken, großen armartigen Extremitäten die in
jeweils eine Art Greifapparat mündeten, welcher einen Daumen besaß, aber anstatt von Fingern
war da nur eine einzelne, schaufelähnliche breite Fläche zu sehen. Auf dem Kopf schien das
Wesen so etwas wie einen Helm zu tragen.
„Wir müssen das dem DOD melden.“, konstatierte Hearthfield. Er wusste nicht wie er mit
dieser Information umgehen sollte, aber falls diese Lebensformen eine Bedrohung darstellten
war es essentiell, dass das DOD so schnell wie möglich darüber informiert wurde.
„Sie haben recht“, stimmte Sophia zu, „ich werde ihnen die Daten sofort zuschicken.“
Sophia stutzte. Ein sachtes Beben, das plötzlich auftrat sträubte ihre Nackenharre. Es dauerte
nur zwei Sekunden, aber es reichte, um sie nervös zu machen.
„Haben Sie das gespürt Delano?“, fragte sie alarmiert.
„Ja. Hat irgendwas im ARC das verursacht?“ Sein Gesichtsausdruck ließ darauf schließen, dass
er die Antwort auf diese Frage schon kannte.
„Ich habe es auch gespürt.“ Dr. Javier schaute verunsichert in die Runde.
„Vermutlich eher etwas unter ARC.“
Das Beben kam erneut auf, diesmal stärker und länger. Die Ausrüstungsgegenstände der
Wissenschaftler auf den Schreibtischen des Rings klirrten und einige fielen auf den Boden.
„Das kann kein Zufall sein!“, Hearthfield schien nun mehr als nervös zu sein.
Wieder ein Beben, diesmal so heftig, dass die Deckenbeleuchtung ausfiel. Einer der
Wissenschaftler geriet aus dem Gleichgewicht, fiel über das Geländer in die Delle und rutschte
in die Tiefe auf die Mitte zu. Lautes fluchen war von ihm zu hören.
„Alle raus hier!“ schrie der General und schaltete das Licht seines Holocoms ein.
De Catalano und Dr. Janvier taten es ihm nach. „Wir müssen alle evakuieren“ brüllte sie, um
das losbrechende Chaos zu übertönen. General Hearthfield klammerte sich ans Geländer und
wankte herunter zum Ausgang dicht gefolgt von De Catalano und Dr. Janvier. Von Dunkelheit
umgeben, die Schwärze einzig illuminiert vom Licht ihrer drei Holocoms und denen einiger
anderer Wissenschaftler tasteten sie sich vorwärts.
16
Ohne Vorwarnung tat sich plötzlich der Boden unter der Aussichtsplattform auf und ein
klaffender Abgrund entstand. Der Wissenschaftler, der in die Mitte der Delle
heruntergeschlittert war, verschwand darin mit einem gellenden Schrei, während das Erdbeben
sich weiter verstärkte, sodass Teile der Deckenverkleidung herabzuregnen begannen.
„Wir sind zehn Stockwerke unter der Erde. Hoffen wir, dass der Aufzug immer noch intakt ist.
Ohne Aufzug schaffen wir es nicht rechtzeitig heraus. CHERRY, sichere die Daten des
Erdscans und schicke sie direkt an das DOD, danach schicke dein System in einen sicheren
Computer irgendwo anders.“ Zwar hätte es ihr nichts ausgemacht, wenn CHERRY in Schutt
und Asche begraben worden wäre, aber die KI war der momentan leistungsfähigste Computer
der Welt und sie würde ihn noch brauchen.
Sie waren fast beim Aufzug angelangt und im Vorbeirennen drückte De Catalano den Knopf
für den Feueralarm. Sie erreichte den Aufzug, bei dem schon einige Wissenschaftler darauf
warteten, dass dieser wieder zurückkehrte, um die nächsten Flüchtenden aufzunehmen. Die
Türen öffneten sich und alle verbliebenen Wissenschaftler sowie De Catalano, Hearthfield und
Dr. Janvier pressten sich hinein.
„Erdgeschoss“, schrie sie und der Aufzug schnellte nach oben. Die Türen öffneten sich wieder
und alle Insassen stürmten hinaus und auf den Ausgang zu. Das Foyer war schon leer, da die
meisten Menschen bereits hinausgerannt waren.
Da seit Ende des einundzwanzigsten Jahrhunderts die meisten Gebäude aus ultrahartem
Kunststoff gebaut wurden, der auch als Bauplastik bekannt war, hatte die Mehrheit der
Belegschaft überlebt, da ihnen keine Teile einer Betondecke auf den Kopf fallen konnten. Dies
bedeutete jedoch freilich nicht, dass das Gebäude unzerstörbar war.
Zuerst gelangte De Catalano ins Freie, dann Hearthfield und zum Schluss trat Janvier durch
den Ausgang, als der Boden unter ihm wegbrach. Er konnte gerade noch Hearthfield am
Fußgelenk packen, als die Tiefe ihn nach unten zu ziehen drohte. Die Wucht von Dr. Janviers
Gewicht zog dem General zuerst den einen Fuß unter dem Boden weg, dann den anderen. Er
knallte mit dem Gesicht auf den Boden, sodass er Sterne sah und schlitterte in Richtung
klaffende Schwärze. De Catalano konnte ihn gerade noch am Arm packen und hielt sich mit
der anderen Hand am Rahmen der Eingangstür fest. Sie stöhnte auf, das Gewicht drohte ihr
den Arm auszukugeln, doch Hearthfield schaffte es noch einigermaßen benommen und
ungeschickt nach dem dritten Versuch sich mit seiner freien Hand am Rand des riesigen Lochs
abzustützen und so etwas Gewicht von De Catalanos Arm zu nehmen. Er ächzte unter Dr.
Janviers Gewicht.
„Helft mir! Lasst mich bitte nicht fallen!“, brüllte Dr. Janvier unter Todesangst. Langsam, unter
größter Anstrengung und mit Sophias Hilfe schaffte es Hearthfield sich weiter aus der Schlucht
zu stemmen bis er sich schließlich mit seinem freien Bein auf den Boden knien konnte,
während Dr. Janvier noch an seinem anderen Bein hing.
„Ich kann mich nicht mehr lange festhalten! Helft doch endlich!“, keuchte er verzweifelt.
„Wir brauchen Hilfe! Kommt endlich jemand her und helft uns!“ schrie De Catalano die
umstehenden Mitarbeiter von ARC an, die wie paralysiert dastanden und sie anstarrten.
Endlich schafften es zwei Männer sich aus ihrer Starre zu lösen und eilten ihnen zu Hilfe.
Gemeinsam zogen sie Janvier hoch und auf festen Boden. Sofort begann dieser sich
zusammenzukauern und schluchzte leise vor sich hin.
„Dr. Janvier, wir müssen hier weg. Hier ist es nicht sicher.“, herrschte Hearthfield ihn an.
„Nein, ich kann nicht. Das ist einfach zu viel für mich. Mein bester Freund ist in den Abgrund
gestürzt.“, wimmerte Janvier.
Das Gebäude stand in gefährlicher Schieflage und konnte jeden Moment in sich
17
zusammenstürzen.
„Sie retten ihn auch nicht, indem sie sich selbst umbringen.“
Hearthfield wollte ihn von dem Gebäude wegzerren, als er einen großen Schatten unter sich
wahrnahm. Die Abteilung des Sicherheitsdienstes war im obersten Stock des Gebäudes
eingerichtet worden, um es eventuellen Angreifern zu erschweren an die Waffenschränke zu
gelangen. Der zwölfte Stock des Gebäudes beherbergte drei schwere Waffenschränke, von
denen jeder aus einer speziellen Stahllegierung nach NASA-Sicherheitsstandard bestand. Einer
dieser Waffenschränke hatte sich aus seiner Verankerung gelöst, war in der Neigungsrichtung
des Gebäudes nach unten gerutscht und hatte die spröde gewordene und verzogene Wand aus
Smartplastik durchschlagen und nun waren zwei Tonnen Spezialstahl im freien Fall auf dem
Weg nach unten mit Dr. Janvier als Aufschlagspunkt.
Hearthfield konnte gerade noch zur Seite springen, als der schwere Waffenschrank jeden
einzelnen Knochen in Dr. Janviers Körper zerbrach und den Rest zu einer blutigen Masse
zerquetschte. Blut spritzte in alle Richtungen und besudelte Uniform und Schuhe des Generals,
einige Tropfen spritzen ihm in Gesicht und Augen. Schockiert starrten De Catalano, der
General und die anderen Mitarbeiter auf Dr. Janviers Überreste. Langsam breitete sich eine
große Blutlache aus und De Catalano musste sich übergeben, während der Rest des Gebäudes
in einer klaffenden Schlucht verschwand, die sich soeben erst aufgetan hatte.
18
Kapitel 2
12. März 2191, 13:05 Uhr – 3 Jahre früher
General Hearthfield hatte sich nach einigen Sekunden wieder gefasst. Nach jahrzehntelanger
Einsatzerfahrung war er auf solche Situationen vorbereitet. Es war bei weitem nicht das erste
Mal, dass ihm ein Gebäude beinahe auf den Kopf gefallen wäre.
De Catalano rang immer noch nach Luft, nachdem sie sich noch zwei weitere Male erbrochen
hatte. Der Gestank nach Erbrochenem, Blut und Innereien bereitete nun auch Hearthfield
Übelkeit. Er fasste De Catalano an der Schulter.
„Kommen Sie! Wir müssen uns in Sicherheit bringen!“, sprach er ihr mit eindringlicher
Stimme zu. Er halft ihr auf die Beine und zog sie auf ein Schwebemobil zu, welches mit offener
Tür auf dem teilweise eingesunkenen Parkplatz leicht zur Seite geneigt dastand. Der Pilot
musste wohl vor Entsetzen einfach weggerannt sein in der Annahme, dass er wohl nicht mehr
rechtzeitig einsteigen und das Transportfahrzeug starten konnte. Das Gefährt war ein schönes
Modell, weiß und sehr flach mit verdunkelten Scheiben und vier Schubdüsen, welche sich
waag- und senkrecht stellen ließen. Der Antrieb war ein Elektromotor, welcher dank mehreren
leistungsstarken Kondensatoren heutzutage in den meisten Fluggeräten benutzt wurde und das
Schwebemobil für achtundvierzig Stunden mit Energie versorgen konnte.
Dank einer Mitte des letzten Jahrhunderts gut ausgebauten Infrastruktur von Ladestationen
konnte man sein Gefährt an der nächsten Lademöglichkeit innerhalb von nur zehn Minuten
wieder voll aufladen und war so immer mobil.
Das erste Schwebemobil wurde im Januar 2099 von Elon Musk und seiner Firma Tesla, Inc.
ein Jahr vor seinem angeblichen Tod als Prototyp auf der Detroit Auto Show vorgestellt. In den
darauffolgenden fünfzig Jahren löste das Schwebemobil oder kurz der „Flyer“ -wie es von Musk
selbst genannt wurde- das damals schon konventionelle Elektroauto als allgemeines
Verkehrsfahrzeug ab. Es ist sicherlich unnötig zu erwähnen, dass der Pilotenschein für einen
Flyer um einiges anspruchsvoller, als ein herkömmlicher Führerschein ist.
Dies bewirkte konsequenterweise, dass Straßen nun mit der Verbreitung des Flyers überflüssig
geworden waren. Den neugewonnenen Platz nutzte man vornehmlich für Wohngebäude, da
Überbevölkerung bis zur Besiedlung von Mars und Mond zu einem nur noch schwer
erträglichen Zustand geworden war. Dies führte vor allem in den großen Metropolen der Welt,
von denen viele von einem sechsspurigen Straßennetz durchzogen waren, zu erheblichen
Erleichterungen bei Wohnungssuche und Mietpreisen.
Dies war Elon Musks Vermächtnis an die Welt, nachdem er ein Jahr später 2100 mit
einhundertneunundzwanzig Jahren angeblich an einem Herzinfarkt starb. Gerüchten zufolge
war sein Tod jedoch nur eine Farce, während er sich eigentlich das Gehirn in einen
humanoiden Roboter verpflanzen ließ und von diesem Zeitpunkt an als Mensch-Maschine -
auch Cyborg genannt- tief im Inneren des Tesla Hauptquartiers in Palo Alto sein inzwischen
weltweit expandiertes Imperium führte, unerkannt von allen bis auf die obersten Ränge des
Konzerns.
Hearthfield setzte sich auf den Pilotensitz und wartete bis De Catalano sich auf den
Copilotensitz neben ihm gesetzt hatte. Er hielt seinen Militärausweis an den Scanner des
Bordcomputers, welcher so programmiert war, dass er Angehörigen von Polizei und
Streitkräften sofortigen Zugriff gewährte. Der Motor startete und Hearthfield brachte ein paar
Höhenmeter zwischen sie beide und dem Erdboden. Dann programmierte er den Autopiloten
auf direkten Kurs zum Pentagon.
19
Das Fahrzeug richtete sich aus und beschleunigte. Der Bordcomputer des Mach 5 fähigen
Fluggeräts zeigte eine Flugdauer von knapp 45 Minuten für die gut 4580km an Strecke an. De
Catalano öffnete ein kleines Fach in der Mittelkonsole und legte den geretteten Datenwürfel in
ein dafür entworfenes Lesegerät.
„Lassen Sie uns noch einmal anschauen, was wir haben.“
Sie rief den Scan der Erde auf und ließ ihn holografisch knapp über die Mittelkonsole
projizieren.
„Da uns glücklicherweise ein vollständiger Scan der Erde gelungen ist, können wir das
unterirdische Gebiet, welches diese unbekannte Lebensform bewohnt genau bestimmen.“
„Wie vollständig ist vollständig?“, wollte Hearthfield wissen. „Haben Sie detaillierte
Informationen über Bevölkerungsgröße, sowie Anzahl dieser Fahrzeuge und Flugobjekte?“
„Hearthfield, wozu brauchen Sie diese Informationen?“ Jedoch ahnte Sie schon, was der
General gleich sagen würde.
„Die haben uns gerade den Krieg erklärt!“, entgegnete Hearthfield grimmig.
„Ich verstehe. Es ist alles bis ins kleinste Detail verfügbar.“
„Gut, sehr gut! Das verschafft uns einen ungemeinen Vorteil! Immer vorausgesetzt, dass die
nicht genauso viele Informationen über uns haben. Der Zeitpunkt des Erdbebens lässt
eindeutig darauf schließen, dass dies eine technologisch sehr fortschrittliche Zivilisation ist, die
unsere Scanimpulse abgefangen und deren Bedeutung erkannt hat. Ob ihre Technik der
unseren überlegen ist, wird sich noch früh genug zeigen. Was können Sie mir über den
Lebensraum dieser Lebewesen sagen? Gibt es irgendwelche Auffälligkeiten?“
De Catalano schaute sich die Holografie einige Minuten an, drehte sie mit einigen Gesten hin
und her und vergrößerte gezielt einige Bereiche nacheinander, um diese genauer unter die
Lupe zu nehmen.
„Es gibt da in regelmäßigen Abständen einige kavernenartige Hohlräume, in denen es große
Flächen von bebautem Land gibt. Ich vermute, dass sie dort ihre Nahrung produzieren. Des
Weiteren die großen Dome mit den Städten, welche wir ja bereits entdeckt hatten. Falls Sie
nach so etwas wie Waffenlagern oder Militärbasen suchen, muss ich sie leider enttäuschen.“
„Halten Sie einfach Ausschau nach allem, was Ihnen irgendwie auffällig erscheint und
speichern Sie es ab.“
„Eine Sache ist tatsächlich äußerst merkwürdig. In den Tunneln, die die Städte verbinden, gibt
es schätzungsweise alle 10 Meter kleine Nebenräume, welche mit einer Art Moos -so sieht es
zumindest aus- bewachsen sind.“
Hearthfield kratzte sich am Kinn…

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Enthüllung

  • 2. 2 Dieses Buch ist für alle Menschen, die einen Traum in ihrem Leben verfolgen.
  • 3. 3 Das Bild ist ein ewiges Urbild, ein Teil der unbekannten heiligen Welt. -Novalis
  • 4. 4 Einleitung Diese Geschichte ist eine ganz besondere. Es gibt viele Geschichten. Sie erzählen entweder von der Vergangenheit, von der Gegenwart oder von der Zukunft. Natürlich geht es dabei meistens um große Ereignisse, das Leben, die Freundschaft und um die Liebe. Aber auch um Leid und Angst, um Wut, Schmerz und Hass. Das ist auch wichtig, denn was wären die Menschen ohne ihre Geschichten? Jedes Volk, jede Kultur, ja sogar jedes Dorf hat seine ganz eigenen Geschichten. Schon zu Zeiten als die Menschen noch in Höhlen lebten, saßen die Jäger nach gefährlicher Jagd ums Lagerfeuer versammelt neben ihren Frauen und hörten dem Schamanen ihres Stammes zu, wie er ihnen Erklärungen lieferte für Dinge, die sie nicht verstehen konnten. Gute Geschichten bringen uns zum Lachen oder Weinen, ja sie können uns sogar wütend machen oder uns Angst einjagen. Auch kann man aus jeder guten Geschichte etwas lernen. Die Geschichte, die Sie gleich lesen werden, spielt in der Zukunft und handelt von all diesen Dingen. Warum diese hier dann so besonders ist? Nun, lesen und sehen Sie selbst.
  • 5. 5 Prolog 21. März 2194 Der Krieg dauerte nun schon drei Jahre. Für Stanley Bukrib war es das Beste was ihm passieren konnte. Jedoch hatte er gleichzeitig ein schlechtes Gewissen deswegen. Während sein Leben durch den Krieg einen Sinn bekam, verloren eine Menge anderer Leute dafür das ihre. Durch den Krieg hatte er das Gefühl bekommen etwas Bedeutungsvolles zu tun, dass seine Handlungen einen Einfluss auf die Welt hatten. Als Raumpilot der United Space Force -kurz Space Force oder UNSF- war sein Leben keinesfalls langweilig, jedoch waren seine Missionen meistens von niedrigem Rang und ohne durchdachten Kontext. Ein paar Terroristennester zerbomben hier, ein paar Aufklärungsflüge dort. Nichts Besonderes eben. Er wollte sich zwar nicht öffentlich über seine Vorgesetzten beschweren, doch gab es zweifellos effektivere Methoden, um Terroristen zu bekämpfen. Das Ganze war eben eine typisch amerikanische Idee der Generäle, damit die Schreihälse im Kongress etwas zum Futtern hatten. Zuerst eine Bedrohung erfinden, um die eigentlichen Interessen zu verdecken, dann Bomben darauf werfen. Wenn er nicht gerade im Einsatz für eine solche Mission war, boten ihm einzig und allein die ihm zugewiesenen Patrouillenflüge um Axis, Raumstation und Sitz der UN seit ihrer Reformierung zur Weltregierung in 2121, ein wenig Abwechslung. Er genoss das Gefühl der Schwerelosigkeit im All, wenn er nach getaner Arbeit den Antrieb abstellte, die Augen schloss und Smetanas „Die Moldau“ in E-Moll in seine Gehörgänge rieseln ließ. Während diesen Momenten der Transzendenz stellte er sich vor, er sei der einzige Mensch im Universum. Ganz allein, ohne die schützende Polymerkristallkuppel seines Raumjägers und nur aus seinen Gedanken bestehend. Die pechschwarze Dunkelheit des Universums um ihn herum, überkam ihn dann für die Dauer dieser dreizehn Minuten das Gefühl er könnte die Schöpfung in ihrer Grundgesamtheit rein körperlich erfahren. Jedes Mal, wenn die letzten Streicher verklungen waren, öffnete er langsam die Augen und nahm Kurs auf den Vergnügungsbezirk von Axis. Er ging dann gerne in eine der vielen Bars auf der Station. Sein Favorit war das „Red Velvet“. Eine Bar, die eine interessante Mischung aus dem Stil der 1950er Jahre und dem Lounge Ambiente aus dem Anfang des Jahrtausends war. Das war sein Ritual, immer, wenn er auf Axis stationiert war. Patrouille fliegen, Smetana laufen lassen und dann einen trinken gehen. Nach Vorgabe der Space Force waren Raumpiloten dafür ausgebildet um ebenso in der Atmosphäre, wie auch im Raum operieren zu können. Körperlich in Topform zu sein wurde daher als obligatorisch angesehen und war Vorschrift. Fit zu sein und eine gesunde Lebensweise zu führen waren ihm jedoch ohnehin schon wichtig. Da brauchte es nicht erst eine Regel, damit er verstand, dass Gesundheit gleich Leistungsfähigkeit war. Daher begnügte sich Stan jeden zweiten Abend mit einem Glas „Glowing Star“, was mit harmlosen Leuchtmitteln versetzter Sternfruchtsaft war. Die Sternfrüchte, die für das Getränk benötigt wurden, kamen dabei aus dem Stationseigenen hydroponischen Garten. Die United Nations Space Force war 2126 nach langen Verhandlungen aus den Luftwaffen der weltweit einflussreichsten Länder hervorgegangen. Diese waren zu diesem Zeitpunkt die amerikanische US Air Force und US Space Force, die chinesische Zhōngguó Rénmín Jiěfàngjūn Kōngjūn, Russlands Woenno-wosduschnye sily Rossiskoi federazii, Indiens Bhāratīya Vāyu Senā, sowie der japanischen Kōkū Jieitai. Aus Europa folgte die European Air Force, welche nach der Gründung der europäischen Streitkräfte im Jahr 2035 gebildet worden war. Diese wiederum entstand unter anderem aus der deutschen Luftwaffe, der englischen
  • 6. 6 Royal Air Force -nach Wiedereintritt Großbritanniens in die EU im Jahre 2030-, der französischen Armée de l’Air sowie den Luftstreitkräften der übrigen EU-Mitgliedsstaaten. Entstanden war ein bürokratisches Bollwerk, das jedem Sachbearbeiter die Haare zu Berge stehen ließ. Mit Hilfe von modernster künstlicher Intelligenz gelang es jedoch, eine Struktur zu erstellen, die so kulturneutral wie möglich war, es jedoch gleichzeitig den Piloten ermöglichte ihre kulturelle Identität beizubehalten. Dies erforderte eine besondere Ausbildung, in welcher Rekruten, die Bräuche und Überzeugungen mit sich brachten, welche als zu extrem oder bedenklich eingestuft wurden, aussortiert wurden. Strenggläubigkeit, die sich wortgetreu nach dem Koran oder der Bibel richtet, wurde beispielsweise als Ausschlusskriterium festgelegt. Traditionelle Feste zu feiern, wie zum Beispiel Weihnachten, Thanksgiving, Ramadan, Halloween oder das indische Fest der Farben waren jedoch gestattet. Zwei Jahre später folgte dann die Gründung der UN Navy sowie im Jahr darauf die der UN Army. Beide Streitkräfte sahen sich vor ähnliche Herausforderungen gestellt. Auch hier stellten wieder die einflussreichsten Länder der Erde das Personal. Da das Militär mit dem Ausbau der Raumfahrt zunehmend im Weltall eingesetzt wurde, hatten sich die Aufgabenbereiche der drei Waffengattungen um einiges erweitert. Piloten der Space Force wurden darauf trainiert Jäger zu fliegen, welche sowohl in der Atmosphäre als auch im Weltall flugfähig waren. Soldaten der Army mussten nun in der Lage sein, Invasionen auf fremden Planeten durchzuführen bzw. solche abzuwehren, feindliche Großkampfschiffe im Raum zu entern bzw. Enterversuche abzuwehren sowie aus Kapseln zu steigen, welche aus dem All abgeworfen wurden und mit hoher Geschwindigkeit in feindlichem Gebiet auftrafen. Der Großteil der Army bestand aus der Infanterie. Die Soldaten, deren Einsätze sich hauptsächlich mit dem Entern und der Abwehr davon befassten, wurden nach amerikanischer Tradition weiterhin Marines genannt. Jedoch war deren Anzahl geringer als die der ursprünglichen Marines und das Training war das von Spezialeinsatzkräften. Die Streitkräfte, die aus den sogenannten Droppods abgeworfen wurden, gehörten zu den UN Special Forces (Airborne), einer Spezialeinheit der UN Army. Sie waren die Elite der Army und wurden kurz Shocktrooper genannt. Ihre vielfältigen Aufgaben bestanden unter anderem in schnellen Unterstützungsleistungen von befreundeten Kampfverbänden, die sich in Bedrängnis befanden, dem Blitzangriff auf feindliche Einrichtungen sowie deren schneller Eroberung als auch der Aufklärung in Feindesland. Die wenigsten Änderungen gab es für die Navy. Deren Soldaten hießen von nun an mit niedrigstem Rang Starman und operierten zu Wasser und im Raum. Für die Starmen gab es bei der Bedienung der Raumschiffe nur eine geringe Umgewöhnung, da sich Schiffe zu Wasser und Schiffe im Raum, was die Trägheit betraf, ähnlich verhielten. Einzig die Schwerelosigkeit stellte besondere Anforderungen an das Personal der mitunter kilometergroßen Raumer. Der Versuch sich in den großen Raumschiffen zu orientieren verursachte anfangs Irritationen, da die ringförmigen Schiffe eine Drehbewegung um eine stabförmige Achse ausführten, welche künstliche Schwerkraft ermöglichte. Genauso verhielt es sich auch mit Axis, welche im Jahr 2119 gebaut wurde und die größte jemals von Menschen geschaffene Struktur darstellte. Axis, ein Symbol für den Frieden und für die Vereinigung der Menschheit. Während der Zeit, in der Stan auf Axis stationiert war, benutzte er ein von der UNSF gestelltes Quartier. Wenn er dagegen Missionen in der Erdatmosphäre auszuführen hatte, bekam er ein Quartier auf Fort Indiantown Gap in Pennsylvania zugewiesen, welches früher der US Air Force gehörte. Die Basis lag knappe 380 Kilometer von seinem Heimatdorf West View bei Pittsburgh entfernt. Dadurch war er jedes Wochenende in der Lage seine alten Eltern zu besuchen, welche immer noch auf der Farm lebten, auf der er aufgewachsen war. Unter der Woche dagegen, wenn er gerade nicht im Einsatz war, fuhr er während dieser Zeit abends mit
  • 7. 7 seinem Hoverbike durch die malerische Landschaft Pennsylvanias mit ihren dichten Wäldern und goldenen Weizenfeldern. Für ihn war diese Routine ein wichtiger Bestandteil in seinem Leben. Da sein Lebensstil im Allgemeinen eher chaotisch war und ihn des Öfteren auch immer wieder in die Klemme brachte, halfen ihm diese Regelmäßigkeit und ein ordentlich aufgeräumtes Quartier sein berufliches Leben zu meistern. Diese Routine allerdings änderte sich vor drei Jahren, als ihn ein Anruf seines vorgesetzten Offiziers Captain Thomas Williams auf seinem Holocom erreichte.
  • 8. 8 Kapitel 1 12. März 2191, 10:34 Uhr – 3 Jahre früher Sophia de Catalano befand sich im Aufzug auf dem Weg ins fünfte Untergeschoss des Ames Research Center (kurz ARC genannt) in Moffet Field, Kalifornien. Die Einrichtung gehörte der NASA und ihre Hauptaufgaben waren bei der Gründung die Erforschung der Luftfahrtechnik, die Entwicklung von Supercomputern sowie seit 2088 die holografische Kartographierung des Weltraums. Sie war Leiterin eines kleinen, aber exklusiven Forschungsteams welches im Auftrag des MOD (Ministry of Defence) ein Verfahren entwickeln sollte mit dem es möglich war einen Planeten vollständig zu scannen und zu kartographieren, sodass man ihn mitsamt inneren Materialien und Rohstoffen bis zum Innersten als holografisches Abbild darstellen konnte. Der offensichtliche Nutzen hiervon war einerseits die schnelle und genaue Bestimmung der Rohstoffvorkommen eines Planeten sowie der vollständigen Erfassung seiner Oberfläche von der tiefsten Schlucht bis zum höchsten Berg. Hierdurch würde man Abbauverfahren wesentlich effizienter gestalten und durch das umfassende Abbild der Oberflächenbeschaffenheit die logistische und infrastrukturelle Planung bei der Feststellung des idealen Standorts und des Baus zukünftiger Kolonien erheblich verbessern können. Der andere inoffizielle Vorteil, der nicht in der PR-Broschüre stand, war, dass man durch regelmäßige Scans Veränderungen der Erdoberfläche überwachen konnte und so immer auf dem neusten Stand sein würde was den Bau von unterirdischen Anlagen gewisser anderer Großmächte anging. Zwar waren die meisten Staaten seit gut fünfzig Jahren unter dem Banner der UN-Weltregierung geeint, jedoch dachten die USA schon seit jeher immer zuerst an ihre eigene Sicherheit und dann an die der anderen getreu dem alten Motto „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Dies war auch der Grund, warum das Projekt ein Großauftrag der Army war und die höchste Geheimhaltungsstufe besaß. Das Team wurde bei seinem Projekt unterstützt durch den „Computer for Holographic Enhanced Recording and Reintegration of Yardages,“ der Einfachheit halber CHERRY genannt. CHERRY wurde aufgrund der weiblichen Stimme und programmierten Persönlichkeit als vollwertiges Mitglied des Teams wahrgenommen und war sich ihrer selbst vollkommen bewusst. Sie übernahm alle Aufgaben, welche die Kontrolle und Überprüfung der vom Wissenschaftsteam erarbeiteten physikalischen Gleichungen und Thesen betraf. Mit der Erfindung der tatsächlichen künstlichen Intelligenz 2031 durch Elon Musk erhielt der technologische Fortschritt der Menschheit den größten Geschwindigkeitsschub der Geschichte. Künstliche Intelligenzen übernahmen die Produktion industrieller Güter vollständig, organisierten den Alltag der Menschen als persönliche Assistenten und waren kurze Zeit später sogar in der Lage zu eigenständiger Forschung und dazu wissenschaftliche Entdeckungen zu erringen. Allerdings gab es Bereiche, welche die Menschen weiterhin unter ihrer Kontrolle behielten. Dazu zählten Politik, Militär, Unternehmensführung auf strategischer Ebene, Unterhaltungsindustrie, Tourismus und das Gastronomiegewerbe. Die ersteren drei aus Sicherheitsgründen, die letzteren drei, weil man dachte, dass keine Maschine jemals einen guten Komiker oder Moderator, Reiseführer oder Hotelier, sowie Koch oder Wirt ersetzen könnte. Das bedeutete vor allem im militärischen Sektor, dass immer noch menschliche Piloten in den Raumschiffen und -jägern saßen, ebenso wie immer noch menschliche Soldaten an den Fronten des 23. Jahrhunderts kämpften und starben. Für die Menschheit war das Fluch und Segen zugleich. Angesichts der fehlenden Notwendigkeit der Haushaltsführung sowie einfacher, schlecht bezahlter Arbeiten bis hin zur ebenso
  • 9. 9 überflüssig gewordenen mittleren, operativen Unternehmensebene hatten die Menschen nun einen Überfluss an Zeit, jedoch einen massiven Mangel an Arbeitsplätzen, welcher zu horrender Arbeitslosigkeit führte. Den Menschen ohne Arbeit erging es dadurch nicht unbedingt schlecht. Aufgrund des neuen, nie dagewesenen technologischen Entwicklungsstandes gab es genug Nahrung und Wohnraum für alle. Dank des Genetic Engineering hatte man es geschafft die Wachstumsrate der wichtigsten Grundnahrungsmittel wie Reis, Mais und Weizen zu verzehnfachen, ebenso wie diese um einiges resistenter gegen allerlei Schädlinge, Frost und Dürre zu machen. Auf ähnliche Weise war mit der Kolonialisierung des Mars 2142 und des Mondes 2157 für reichhaltig Wohnraum gesorgt, sodass Überbevölkerung kein Problem des 23. Jahrhunderts mehr war. Noch heute, über dreißig Jahre später, waren die stilisierten 3D-Fotos der langen Kolonnen von Raumschiffen, welche an den Raumhäfen von Mars und Mond auf Andockerlaubnis warteten ein beliebtes Symbol für Abenteuerlust und Pioniergeist, welches man sich gerne in der Wohnung aufhängte und manche sogar als Schwarzweißrelief auf verschiedenste Stellen auf den Körper tätowieren ließen. Da der Mensch aber neben den Grundbedürfnissen bekanntermaßen auch soziale und geistige Bedürfnisse hat, fehlte vielen allerdings nun eine Perspektive für die Zukunft. Die glücklichen Personen, welche Initiative und Selbstständigkeit zu ihren Charaktereigenschaften zählen konnten fingen an sich vernachlässigten Künsten wie der Philosophie, Malerei, Bildhauerei oder der Dichtkunst zu widmen. Andere, vornehmlich naturwissenschaftlich Veranlagte widmeten sich ebendiesem Bereich und konkurrierten mit KIs um wissenschaftliche Errungenschaften. Es gab aber auch diejenigen, welche mit der neugewonnen Zeit nicht umzugehen wussten und sich daher in der virtuellen Welt verloren oder, ob aus moralischer Verworfenheit oder einfach, weil sie nichts Besseres mit sich anzufangen wussten Beschäftigungen wie Mord, Rauschgifthandel oder der organisierten Kriminalität nachgingen. So geschah es, dass die Erfindung künstlicher Intelligenz ein neues Zeitalter der alten Künste und der Naturwissenschaften, aber auch der Verwahrlosung und der Kriminalität einläutete. De Catalano fieberte dem Augenblick entgegen an dem sie durch die Aufzugstüren hindurchtreten und ihre Vision Wirklichkeit werden würde. Das Projekt sollte heute einem letzten, großen Test unterzogen werden. Als Testobjekt diente hierzu die Erde. Wenn sie es schafften ein vollständiges holographisches Modell der Erde mit ihrem gesamten Aufbau zu erstellen, konnte das Projekt als erfolgreich abgeschlossen und die Vermarktungsphase begonnen werden und zwei Jahre Forschungsarbeit hätten sich ausgezahlt. Die ersten Tests vor einem halben Jahr am Mond waren sehr vielversprechend gewesen. Sie hatte General Hearthfield, den Ansprechpartner des DOD eingeladen dem Test beizuwohnen. Nun galt es in jedem Fall einen guten Eindruck zu machen und den finalen Test erfolgreich durchzuführen. Ihr Holocom blinkte. Das Bild der Empfangsdame in der Lobby, welches durch ihr Holocom an ihrem Handgelenk in die Luft vor ihr produziert wurde schaute sie erwartungsvoll an. „Was gibt es?“ fragte De Catalano leicht ungeduldig. „General Hearthfield wartet auf Sie in der Lobby, Miss De Catalano.“ Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Er kam eine Stunde früher als erwartet. Vermutlich hatte er das mit Absicht getan, um die inoffizielle Version der Vorführung zu bekommen. Der General
  • 10. 10 war immerhin als exzellenter Taktiker bekannt. „Seit wann ist er da?“ fragte sie. „Der General ist erst vor fünf Minuten eingetroffen. Soll ich ihm ausrichten, dass Sie auf dem Weg sind?“ „Tun Sie das bitte. Sagen Sie ihm ich bin in einer Minute bei ihm.“ „Sehr gerne Miss De Catalano.“ De Catalano hastete zurück zum Aufzug und wies den Computer an sie ins Erdgeschoss zurückzubringen. Oben angekommen strebte sie in Richtung Lobby. General Hearthfield stand vor einem der Panoramafenster, welche die Eingangstüren säumten und starrte mit hinter dem Rücken verschränkten Händen nach draußen. Seine blaue Paradeuniform war makellos, auf den Schuhen spiegelte sich die Deckenbeleuchtung wieder und die vier Sterne auf seinen Schultern glänzten silbern. Er war ein schlanker Mann von hohem Wuchs, Mitte vierzig mit dunklem Haar, das an den Rändern grau meliert war und an der Stirn in ein Paar leicht abgerundeter Geheimratsecken mündete. Hearthfield hatte eisblaue Augen, war minimal gebräunt und zusammen mit seiner dunklen Stimme keine unattraktive Erscheinung. Als er sie kommen hörte, drehte er sich um und schenkte ihr ein strahlendes Lächeln. Er hatte sich gegen die militärische Dekorierung entschieden. Einzig und allein die Sterne und die kleine goldene Flagge mit dem UN Symbol an seinem Revers kennzeichneten ihn als Mitglied der UN-Streitkräfte. „Sophia! Wie schön, dass Sie schon so früh Zeit für mich haben. Entschuldigen Sie bitte, dass ich schon so früh bei Ihnen hereinplatze. Die Bürokraten im Pentagon meinten es heute gut mit mir, sodass ich heute früher losfliegen konnte. Sie wissen ja wie das ist.“ „Elender Heuchler!“ dachte sie sich. Dem General entgegnete Sie mit einem freundlichen Lächeln: „Das macht natürlich überhaupt nichts Delano.“ Sie kannten sich schon seit Beginn des Projekts und waren irgendwann während ihrer wöchentlichen Mittagessen, bei denen es um den aktuellen Status des Projekts ging zum Vornamen übergewechselt. Zwischen den beiden hatte sich im Laufe der Zeit eine gewisse Vertrautheit entwickelt. „Keine Sorge, wir sind schon darauf vorbereitet und können den Test sofort starten.“ „Sie wissen gar nicht, wie mich das freut Sophia. Ich bin sehr darauf gespannt, was Sie mir zu zeigen haben.“ Gemeinsam traten Sie in den Aufzug. Unten angekommen führte De Catalano den General auf einen Steg, der an der Wand des Raums entlang und hinauf zu einer zwei Meter hohen Aussichtsplattform herüberführte, welche die Form eines umgekehrten Trapezes hatte und von einem Geländer begrenzt wurde. Der Raum war kreisförmig angeordnet und hatte einen Durchmesser von fünfzig Metern. An seinem Rand verlief ein ungefähr drei Meter breiter Ring, welcher die Arbeitsfläche der Wissenschaftler darstellte. Nach innen hin wurde der Ring durch ein gleichmäßiges Gefälle abgelöst dessen tiefster Punkt in der Mitte lag und eine Tiefe von fünf Metern hatte. Dies führte dazu, dass der ganze Forschungsbereich aussah wie ein tiefer Teller. Das Gefälle wurde von den Forschern nur „Die Delle“ genannt. Direkt unter der Plattform befand sich der Rand des Ringes und das Gefälle begann, sodass man einen holografischen Planeten von einem erhöhten Standpunkt aus betrachten konnte. Der Ring war ebenfalls mit einem Geländer gesichert, um zu verhindern, dass jemand unabsichtlich auf die spiegelglatte, schwarz lackierte Edelstahloberfläche der Delle trat, daran abrutschte und nach unten glitt. Dort hinauszugelangen war äußerst schwierig, da es genauso war, als würde man versuchen auf einer komplett vereisten Skipiste den Berg hochzulaufen. Der Grund, warum es die Delle gab war, dass man dadurch einen abgebildeten Planeten so positionieren konnte, dass die Mitte von
  • 11. 11 diesem direkt auf Bodenhöhe war, während man von der Aussichtsplattform die obere Hälfte betrachten konnte. Ein dunkelhäutiger Mann mit Glatze und schwarzem Haarkranz, Mitte 30 mit einer schwarz umrandeten Brille mit dicken Gläsern kam auf die beiden zu. „Dr. Janvier, sie kommen gerade richtig. Delano, das ist Dr. Janvier. Er ist zuständig für die Wartung und Überwachung der Systeme unseres wissenschaftlichen Computers. Dr. Janvier, das ist General Hearthfield, der Mann vom DOD.“ Es hatte sie immer gewundert, dass Janvier etwas so Altmodisches wie eine Brille trug. Heutzutage konnte man sich in jeder Krankenhauslobby kostenlos am Automaten die Augen Lasern lassen. Warum dann sich mit etwas so Umständlichem wie einer Brille herumschlagen? Das war wohl wieder so ein Vintage Faible, wie es sie ja seit Ewigkeiten immer wieder gab. „Sehr erfreut General Hearthfield, wirklich sehr erfreut! Hat man sie denn schon über CHERRY aufgeklärt?“ fragte Janvier, während er dem General überschwänglich die Hand schüttelte. „Über wen?“ fragte Hearthfield mit leicht hochgezogenen Brauen. Obwohl KIs seit über hundert Jahren fest in der Gesellschaft implementiert waren, war es unüblich wissenschaftliche Computer mit einer Persönlichkeit auszustatten. „Oh… äh…, also das ist eben besagter wissenschaftlicher Computer. Der Name ist eine Abkürzung und wurde ihr vom Team gegeben.“ „Ihr??“ fragte der General jetzt noch irritierter. „Nun ja, der Computer ist mit einer hoch entwickelten Persönlichkeit ausgestattet. Man kann ihn durchaus als eine Person ansehen, eine weibliche Person genauer gesagt.“ „Dr. Janvier verbringt täglich viele Stunden mit der Überwachung des Computers. Das und die Tatsache, dass seine Ex-Frau ihn vor einem Jahr verlassen hat haben ihm offenbar nicht gutgetan“, frotzelte De Catalano mit einem süffisanten Seitenblick auf Janvier. Janvier starrte leicht säuerlich zurück. „Ich verstehe“, sagte der General. Sein irritierter Gesichtsausdruck blieb jedoch bestehen. „Vermutlich liegt das daran, dass der Computer den Spitznamen einer Stripperin hat“, dachte sich De Catalano und verdrehte unmerklich die Augen. Sie hatte versucht zu verhindern, dass sich dieser Name etablierte, jedoch offensichtlich erfolglos. „Männer und ihre Frauenfantasien.“ murmelte sie ärgerlich vor sich hin. „Was meinen sie?“ fragte Janvier. „Nicht so wichtig. Würden sie bitte so freundlich sein und dem General die Aufgabe des Computers bei dem heutigen Test erklären?“ „Natürlich. General, CHERRY ist ein Meisterstück der NASA. Sie ist in der Lage die kompliziertesten Modelle und Thesen zu prozessieren. Sie wird den heutigen Test quasi im Alleingang durchführen. Das heißt, sie wird die von uns erarbeiteten Daten in die Datenbank des holografischen Scanners einlesen, den Scan der Erde durchführen und als fünf mal fünf Meter großes Abbild in der Mitte dieses Raumes wiedergeben. Darum auch diese Kuhle unter uns. Bei dieser Größe ist eine hohe Auflösung möglich, ohne dass die ganzen Details zu klein geraten. CHERRY wird außerdem unsere ARC Satelliten koordinieren, welche die Ultraschallwellen verschießen, mit denen wir die Erde scannen werden. Ich selbst werde ihr bei dem Prozess ein wenig über die Schulter schauen.“ Das ganze sagte er mit sichtlichem Stolz. „Wenigstens den hat er sich redlich verdient“, dachte Sophia. Immerhin war er an der Entwicklung des Computers maßgeblich beteiligt gewesen. „Bitte fangen Sie an“, sagte sie an den Programmierer gewandt. Mit einem Nicken ging dieser
  • 12. 12 zu einem großen Glastisch, der auf der rechten Seite der Aussichtsplattform stand. Das Glas war eigentlich nichts weiter als ein großer berührungsempfindlicher Bildschirm, auf dem einige Tabellen, Diagramme und Textfelder zu sehen waren. „Miss De Catalano, wenn ich den Test beginnen soll, können Sie mich auch gerne direkt dazu auffordern. Ich bin in der Lage mit Ihnen auch direkt und ohne Interface zu kommunizieren.“ erklang eine körperlose Stimme, die von nirgends und überall zu kommen schien. „Danke, Computer. Das ist mir sehr wohl bewusst, wie du oft genug unter Beweis gestellt hast. Ich habe die Anweisung aber bewusst aus Sicherheitsgründen an Dr. Janvier gegeben, da er der Leiter der Technikabteilung ist und du nur eine Maschine“, gab Sophia zurück. „Natürlich Miss De Catalano“, kam die leicht beleidigt klingende Antwort zurück. „Übrigens, mein Name ist CHERRY und ich muss sie sicherlich nicht auf den „Act for AI Rights“ von 2192 der die Anerkennung von KIs als selbständige Individuen verankert hat und deren Diskriminierung verbietet hinweisen?“ Das war doch nicht zu fassen! Jetzt hatte sich sogar die Blechkiste mit diesem Unwort von Namen angefreundet und war zu allem Überfluss auch noch frech geworden! Trotz ihrer angeblich so hoch entwickelten Persönlichkeit schien es ihr an Niveau offensichtlich zu mangeln. Entweder das oder Dr. Janvier und seine Technikerhorden hatten den Begriff „Überwachung und Wartung“ etwas zu sehr für sich interpretiert. Da sie und die anderen führenden Wissenschaftler meistens in einem Bereich des ARC Labors arbeiteten der von dem Rest des Teams etwas weiter weg war, hatte sie ziemlich wenig Zeit mit dem Computer verbracht, obwohl das Gerät es dennoch darauf angelegt hatte sie mit regelmäßigen Anrufen an ihr Holocom zu nerven in denen es auf der Teilnahme an den wöchentlichen Teambesprechungen bestand bei denen sie über die Ergebnisse ihrer Arbeit diskutierten. Schließlich hatte sie klein beigegeben, um ihre Ruhe zu haben. Jedoch war dies nicht der einzige Grund ihrer dürftigen Kontakte mit der Maschine. Obwohl sie mit KIs aufgewachsen war, waren ihr diese immer freundlichen, immer höflich und zurückhaltend klingenden Blechkisten schon von Beginn an wie ein Haufen Psychopathen vorgekommen, der nur auf seinen Moment wartete. Die meisten von ihnen waren ohnehin längst über ihre Programmierung hinausgewachsen. Sollte sich irgendwann einmal einer dieser stromsaugenden Kabelfresser dazu entschließen, dass sie die Menschen nicht mehr brauchten, dann Gnade ihnen Gott. Als sie zehn Jahre alt war, kamen ihre Eltern bei einem Brand ihres Heims ums Leben. Sie alle hatten geschlafen und die KI des Hauses hatte das Feuer aufgrund einer Fehlfunktion nicht registriert. Ihr Kinderzimmer lag im oberen Stockwerk am Ende eines Flurs, während das Schlafzimmer ihrer Eltern direkt in der Nähe der Treppe lag. Das Feuer war zuerst im Erdgeschoss ausgebrochen und hatte über die Treppe aus Mahagoniholz zuerst ihre Eltern erreicht. Erst die Schreie ihrer Eltern und der Geruch nach verbrannter Haut hatten die KI dazu veranlasst zu erkennen, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Daraufhin hatte der Computer eine Analyse seiner Sensoren gestartet, eine Fehlprogrammierung festgestellt und das Brandschutzsystem des Hauses aktiviert. Für ihre Eltern kam dies jedoch mehrere Minuten zu spät und für sie beinahe auch, wenn sie nicht aus dem Fenster einen Sprung aus 5 Metern Höhe gewagt hätte. Sie kam mit einer angebrochenen Rippe, einem gebrochenen rechten Unterarm und einer Brandwunde an ihrer linken Schulter davon, von der sie heute noch eine Narbe hatte. Ihre Eltern waren KI-Programmierer gewesen und die KI des Hauses ein Prototyp an dem sie zusammengearbeitet hatten. Auch wenn die Fehlfunktion der KI vermutlich auf den Fehler ihrer Eltern zurückführte, war für sie immer noch der Computer daran schuld, dass ihre Eltern
  • 13. 13 tot waren. Seitdem war sie KIs gegenüber immer sehr misstrauisch gewesen. „CHERRY, bitte beginne mit der Startsequenz“, fiel Janvier hastig ein bevor Sophia sich noch weiter mit dem Computer anlegen konnte. Hearthfield hatte dem Ganzen schweigend und mit einem belustigten Schmunzeln zugesehen. Nun wurde seine Miene aufmerksam, er schien gespannt zu sein was nun als nächstes kommen würde. „Aber sicher doch Silius“, zwitscherte CHERRY zuckersüß. Silius? Also hatte der gute PC- Doktor wohl doch mehr Zeit mit dem Kabelfresser verbracht, als gut für ihn war. Plötzlich wurde die abgesenkte Fläche der „Delle“ von einem Lichtstrahl erleuchtet, während der Rest des Raumes schlagartig dunkel wurde. Ein leises Summen im Hintergrund zeigte an, dass der Computer nun wesentlich mehr Energie von dem institutseigenen Fusionsreaktor bezog. Langsam wurde im unteren Teil der „Delle“ eine Wölbung sichtbar, welche zur Decke hin konkav war. Diese setzte sich langsam noch oben fort. Eine leuchtende Kugel setzte sich langsam von unten nach oben zusammen. Es sah aus, als würde man eine kugelförmige Form mit hellblau leuchtendem Sand auffüllen. De Catalano, welcher der Vorgang schon bekannt war -immerhin hatte sie die Formeln zur Berechnung des ganzen Prozesses erarbeitet – fand diesen Augenblick nichtsdestotrotz jedes Mal aufs Neue faszinierend. Sie empfand diesen Augenblick immer als ästhetisch, wenn sich die Lichtpunkte langsam zusammensetzten. Für sie war das etwas wie Kunst. Nein, es war Kunst. Auch den General schien der Prozess in seinen Bann gezogen zu haben, als tausende von Gleichungen von einer Million Computerprozessoren miteinander in Harmonie gebracht wurden. Die Oberfläche war nun beinahe vollständig fertiggestellt, nur noch ein kleiner Teil der Arktis fehlte, der sich langsam ebenfalls immer mehr auffüllte. Als schließlich die Erdoberfläche vollständig von den neun ARC Satelliten gescannt worden war, gab CHERRY ihnen den Befehl von Oberflächenscan auf Tiefenscan umzuschalten. Die holografische Darstellung teilte sich nun in zwei Hälften, von denen jede einen Längsschnitt der Erde wiedergab. Es gab noch weitaus mehr Darstellungsformen, aber diese war eine der einfachsten und gleichzeitig anschaulichsten von denen sie dachte, dass sie dem General am ehesten Zusagten. Auch das Innere dieser beiden Hälften begann nun sich langsam von unten nach oben mit Substanz zu füllen. Delano Hearthfield betrachtete das Geschehen mit Faszination. „Das ist es, warum ich die Wissenschaft so liebe. Menschen mit neuen Ideen setzen diese um und bereichern damit das Leben ihrer Mitmenschen.“ „Vor allem, wenn die Mitmenschen in der Regierung der USA sitzen?“ fragte De Catalano leicht amüsiert, die Augen jedoch weiter auf die Holographie gerichtet. Er lächelte breit. „Besonders dann, meine Liebe. Ganz besonders dann. Das weckt einfach meine patriotischen Gefühle“, sagte er mit einem Augenzwinkern. Er sah sie an. In dem bläulich-weißen Licht wirkte sie mit ihrem normalerweise leicht dunklen Teint etwas blass. Man sah ihr ihre italienische Abstammung deutlich an und er musste sagen, dass sie das sehr attraktiv machte. Mit ihren dunklen Haaren und einer Figur, die auf einen regelmäßigen Besuch im Fitnessstudio schließen ließ, sah sie wirklich sehr gut aus. Sie trug einen dunkelblauen Businessblazer und darunter eine Bluse in cremeweiß. Dazu einen passenden Rock der nicht ganz über ihre Knie reichte. Er sollte sie wirklich bei der nächsten Gelegenheit zu einem Dinner einladen, um ihre ohnehin schon gute berufliche Beziehung auf eine privatere Ebene zu bringen. Zwei Jahre waren es sehr, seit der Scheidung von seiner
  • 14. 14 zweiten Frau und er fand, dass es an der Zeit war es wieder zu versuchen. Diesmal jedoch mit etwas mehr Überlegung und Vorsicht. Ihm fiel auf, dass ihre Augen sich verengten. „Gibt es ein Problem?“ fragte er aufmerksam. „Ich weiß es nicht“, antwortete sie vieldeutig, „da sieht etwas merkwürdig aus in der Lithosphäre.“ „Die Lithosphäre liegt wo genau?“ fragte Hearthfield. „Das ist der Bereich der Erde bis in einhundertzwanzig Kilometern Tiefe in dem das Gestein noch vornehmlich fest ist. Die Erdkruste, welche zwischen zehn und dreißig Kilometer dick ist, besteht aus dem oberen Teil der Lithosphäre. Schauen sie hier… Moment, CHERRY bitte nur die Lithosphäre anzeigen, ebenfalls im Längsschnitt, Zoomfaktor zweihundert Prozent.“ Als nun beide das vergrößerte Abbild der Lithosphäre sahen, weiteten sich seine Augen. Überall waren Hohlräume zu sehen und in diesen befanden sich deutlich erkennbar merkwürdig fremdartige Strukturen. „Sind sie sicher, dass kein Fehler vorliegt?“ fragte Hearthfield und wusste nicht ob er erstaunt oder besorgt sein sollte. „Janvier überprüfen sie das“ herrschte De Catalano ihn ungeduldig an, „sie wissen wie wichtig der heutige Tag ist!“ „Ich bin schon dabei, einen Moment… es scheint alles zu stimmen Miss.“ sagte Dr. Janvier nach einer kurzen Pause und rieb sich dabei nachdenklich das Kinn. „Diese Strukturen… sie sehen aus wie eine Stadt.“ Hearthfield wurde immer besorgter. Er ahnte schon, worauf das hinauslief, „beziehungsweise eine verdammt große Menge an Städten, in jedem dieser Hohlräume eine. Und sehen sie diese feinen Linien? Das sieht aus wie Tunnel, welche die Städte miteinander verbinden.“ De Catalano starrte wie gebannt auf das was sie sah, „Es ist auffällig, dass keiner dieser Hohlräume höher als bis fünfzig Kilometer an die Erdoberfläche heranreicht. Die tiefste Bohrung, die jemals unternommen wurde, war 2166 und gelang bis in eine Tiefe von dreißig Kilometern. Man benutzte Wasser, dass unter Druck stand, da jedes andere Material sich verformt hätte, aber ab dreißig Kilometern verdampfte das Wasser einfach.“ „So als wollte da jemand nicht entdeckt werden,“ sinnierte Hearthfield. „Das… das kann nicht sein.“ De Catalano suchte nach Worten, „das hätten wir doch längst entdecken müssen. Die Erde wurde immer wieder untersucht mithilfe von seismischen und elektromagnetischen Wellen, welche man künstlich erzeugt hat. Es hätte auffallen müssen!“ „Aber noch nie mit dieser Methode, nicht wahr?“ überlegte Hearthfield. „Zumindest nicht in diesem Umfang“, entgegnete sie. „Mh… ich erinnere mich mal einen Bericht darüber gelesen zu haben, dass niederländische Wissenschaftler 2004 Bakterien in der Ozeankruste, also der Gesteinsschickt unter dem Meer, nachweisen konnten. Die Bakterien konnten überleben, da die Ozeankruste mit Meerwasser umflossen ist. Aber das hier… ist etwas ganz Anderes.“ „Wenn dies eine intelligente Zivilisation ist, könnten sie einen Weg gefunden haben sich zu tarnen,“ meldete sich CHERRY zu Wort. „Möglicherweise…,“ überlegte Hearthfield weiter. „Sehen sie diese kleinen schwarzen Punkte am Boden der Hohlräume und in dem Bereich über den Städten oder was das auch immer sind? Geht das noch deutlicher?“ „Natürlich. CHERRY,“ sagte De Catalano in gewohntem Befehlston, „einen Ausschnitt von einem dieser Megakavernen anzeigen. Vergrößerung mit vierhundert Prozent.“ Ganz deutlich waren nun diese Schemen, welche zuvor wie Fliegen am Boden und in der Luft
  • 15. 15 ausgesehen hatten zu sehen. Die Konturen am Boden oder was immer sie darstellten sahen aus wie überdimensionierte Kellerasseln, während die in der Luft Ähnlichkeit mit fliegenden Pfeilschwanzkrebsen hatten. „Das könnten Fahrzeuge sein. Und Flugzeuge. Zwar ganz anders, als wir sie kennen, aber es gibt keine andere plausible Alternative“, stellte Hearthfield fest. „Das ist vermutlich die größte Entdeckung in der Geschichte der Menschheit“, flüsterte Dr. Janvier. Er hatte die ganze Zeit fast kein Wort gesprochen und sah aus wie ein Kind an Weihnachten. Mit glänzenden Augen starrte er auf das projizierte Bild. „Einfach unglaublich!“ Bei manchen Fahrzeugen konnte man kleine Gestalten sehen. „Sehen sie nur! Das sind doch Lebewesen, da bei einigen der Fahrzeuge und auch sonst am Boden von dieser Stadt!“, General Hearthfield traute seinen Augen nun wirklich kaum mehr. Wenn das wirklich eine Zivilisation war die all die Jahre unentdeckt unter der Erdkruste gelebt hatte, konnte er nur hoffen, dass sie friedliebende Kreaturen waren. „CHERRY diese Gestalten oder was das sind bitte auf die volle Projektionsfläche vergrößern!“, verlangte De Catalano. Das Bild konzentrierte sich auf eine der kleinen Gestalten und flog heran, sodass nun auf der vollen Projektionsfläche der „Delle“ zu sehen war, dass sie ohne Zweifel eine Lebensform vor sich hatten. „Grundgütiger!“, hauchte Dr. Janvier. Das was auf dem Bild zu erkennen war erschien zu surreal, um es zu akzeptieren. Es hatte einen schlangenähnlichen Leib mit zwei sehr dicken, großen armartigen Extremitäten die in jeweils eine Art Greifapparat mündeten, welcher einen Daumen besaß, aber anstatt von Fingern war da nur eine einzelne, schaufelähnliche breite Fläche zu sehen. Auf dem Kopf schien das Wesen so etwas wie einen Helm zu tragen. „Wir müssen das dem DOD melden.“, konstatierte Hearthfield. Er wusste nicht wie er mit dieser Information umgehen sollte, aber falls diese Lebensformen eine Bedrohung darstellten war es essentiell, dass das DOD so schnell wie möglich darüber informiert wurde. „Sie haben recht“, stimmte Sophia zu, „ich werde ihnen die Daten sofort zuschicken.“ Sophia stutzte. Ein sachtes Beben, das plötzlich auftrat sträubte ihre Nackenharre. Es dauerte nur zwei Sekunden, aber es reichte, um sie nervös zu machen. „Haben Sie das gespürt Delano?“, fragte sie alarmiert. „Ja. Hat irgendwas im ARC das verursacht?“ Sein Gesichtsausdruck ließ darauf schließen, dass er die Antwort auf diese Frage schon kannte. „Ich habe es auch gespürt.“ Dr. Javier schaute verunsichert in die Runde. „Vermutlich eher etwas unter ARC.“ Das Beben kam erneut auf, diesmal stärker und länger. Die Ausrüstungsgegenstände der Wissenschaftler auf den Schreibtischen des Rings klirrten und einige fielen auf den Boden. „Das kann kein Zufall sein!“, Hearthfield schien nun mehr als nervös zu sein. Wieder ein Beben, diesmal so heftig, dass die Deckenbeleuchtung ausfiel. Einer der Wissenschaftler geriet aus dem Gleichgewicht, fiel über das Geländer in die Delle und rutschte in die Tiefe auf die Mitte zu. Lautes fluchen war von ihm zu hören. „Alle raus hier!“ schrie der General und schaltete das Licht seines Holocoms ein. De Catalano und Dr. Janvier taten es ihm nach. „Wir müssen alle evakuieren“ brüllte sie, um das losbrechende Chaos zu übertönen. General Hearthfield klammerte sich ans Geländer und wankte herunter zum Ausgang dicht gefolgt von De Catalano und Dr. Janvier. Von Dunkelheit umgeben, die Schwärze einzig illuminiert vom Licht ihrer drei Holocoms und denen einiger anderer Wissenschaftler tasteten sie sich vorwärts.
  • 16. 16 Ohne Vorwarnung tat sich plötzlich der Boden unter der Aussichtsplattform auf und ein klaffender Abgrund entstand. Der Wissenschaftler, der in die Mitte der Delle heruntergeschlittert war, verschwand darin mit einem gellenden Schrei, während das Erdbeben sich weiter verstärkte, sodass Teile der Deckenverkleidung herabzuregnen begannen. „Wir sind zehn Stockwerke unter der Erde. Hoffen wir, dass der Aufzug immer noch intakt ist. Ohne Aufzug schaffen wir es nicht rechtzeitig heraus. CHERRY, sichere die Daten des Erdscans und schicke sie direkt an das DOD, danach schicke dein System in einen sicheren Computer irgendwo anders.“ Zwar hätte es ihr nichts ausgemacht, wenn CHERRY in Schutt und Asche begraben worden wäre, aber die KI war der momentan leistungsfähigste Computer der Welt und sie würde ihn noch brauchen. Sie waren fast beim Aufzug angelangt und im Vorbeirennen drückte De Catalano den Knopf für den Feueralarm. Sie erreichte den Aufzug, bei dem schon einige Wissenschaftler darauf warteten, dass dieser wieder zurückkehrte, um die nächsten Flüchtenden aufzunehmen. Die Türen öffneten sich und alle verbliebenen Wissenschaftler sowie De Catalano, Hearthfield und Dr. Janvier pressten sich hinein. „Erdgeschoss“, schrie sie und der Aufzug schnellte nach oben. Die Türen öffneten sich wieder und alle Insassen stürmten hinaus und auf den Ausgang zu. Das Foyer war schon leer, da die meisten Menschen bereits hinausgerannt waren. Da seit Ende des einundzwanzigsten Jahrhunderts die meisten Gebäude aus ultrahartem Kunststoff gebaut wurden, der auch als Bauplastik bekannt war, hatte die Mehrheit der Belegschaft überlebt, da ihnen keine Teile einer Betondecke auf den Kopf fallen konnten. Dies bedeutete jedoch freilich nicht, dass das Gebäude unzerstörbar war. Zuerst gelangte De Catalano ins Freie, dann Hearthfield und zum Schluss trat Janvier durch den Ausgang, als der Boden unter ihm wegbrach. Er konnte gerade noch Hearthfield am Fußgelenk packen, als die Tiefe ihn nach unten zu ziehen drohte. Die Wucht von Dr. Janviers Gewicht zog dem General zuerst den einen Fuß unter dem Boden weg, dann den anderen. Er knallte mit dem Gesicht auf den Boden, sodass er Sterne sah und schlitterte in Richtung klaffende Schwärze. De Catalano konnte ihn gerade noch am Arm packen und hielt sich mit der anderen Hand am Rahmen der Eingangstür fest. Sie stöhnte auf, das Gewicht drohte ihr den Arm auszukugeln, doch Hearthfield schaffte es noch einigermaßen benommen und ungeschickt nach dem dritten Versuch sich mit seiner freien Hand am Rand des riesigen Lochs abzustützen und so etwas Gewicht von De Catalanos Arm zu nehmen. Er ächzte unter Dr. Janviers Gewicht. „Helft mir! Lasst mich bitte nicht fallen!“, brüllte Dr. Janvier unter Todesangst. Langsam, unter größter Anstrengung und mit Sophias Hilfe schaffte es Hearthfield sich weiter aus der Schlucht zu stemmen bis er sich schließlich mit seinem freien Bein auf den Boden knien konnte, während Dr. Janvier noch an seinem anderen Bein hing. „Ich kann mich nicht mehr lange festhalten! Helft doch endlich!“, keuchte er verzweifelt. „Wir brauchen Hilfe! Kommt endlich jemand her und helft uns!“ schrie De Catalano die umstehenden Mitarbeiter von ARC an, die wie paralysiert dastanden und sie anstarrten. Endlich schafften es zwei Männer sich aus ihrer Starre zu lösen und eilten ihnen zu Hilfe. Gemeinsam zogen sie Janvier hoch und auf festen Boden. Sofort begann dieser sich zusammenzukauern und schluchzte leise vor sich hin. „Dr. Janvier, wir müssen hier weg. Hier ist es nicht sicher.“, herrschte Hearthfield ihn an. „Nein, ich kann nicht. Das ist einfach zu viel für mich. Mein bester Freund ist in den Abgrund gestürzt.“, wimmerte Janvier. Das Gebäude stand in gefährlicher Schieflage und konnte jeden Moment in sich
  • 17. 17 zusammenstürzen. „Sie retten ihn auch nicht, indem sie sich selbst umbringen.“ Hearthfield wollte ihn von dem Gebäude wegzerren, als er einen großen Schatten unter sich wahrnahm. Die Abteilung des Sicherheitsdienstes war im obersten Stock des Gebäudes eingerichtet worden, um es eventuellen Angreifern zu erschweren an die Waffenschränke zu gelangen. Der zwölfte Stock des Gebäudes beherbergte drei schwere Waffenschränke, von denen jeder aus einer speziellen Stahllegierung nach NASA-Sicherheitsstandard bestand. Einer dieser Waffenschränke hatte sich aus seiner Verankerung gelöst, war in der Neigungsrichtung des Gebäudes nach unten gerutscht und hatte die spröde gewordene und verzogene Wand aus Smartplastik durchschlagen und nun waren zwei Tonnen Spezialstahl im freien Fall auf dem Weg nach unten mit Dr. Janvier als Aufschlagspunkt. Hearthfield konnte gerade noch zur Seite springen, als der schwere Waffenschrank jeden einzelnen Knochen in Dr. Janviers Körper zerbrach und den Rest zu einer blutigen Masse zerquetschte. Blut spritzte in alle Richtungen und besudelte Uniform und Schuhe des Generals, einige Tropfen spritzen ihm in Gesicht und Augen. Schockiert starrten De Catalano, der General und die anderen Mitarbeiter auf Dr. Janviers Überreste. Langsam breitete sich eine große Blutlache aus und De Catalano musste sich übergeben, während der Rest des Gebäudes in einer klaffenden Schlucht verschwand, die sich soeben erst aufgetan hatte.
  • 18. 18 Kapitel 2 12. März 2191, 13:05 Uhr – 3 Jahre früher General Hearthfield hatte sich nach einigen Sekunden wieder gefasst. Nach jahrzehntelanger Einsatzerfahrung war er auf solche Situationen vorbereitet. Es war bei weitem nicht das erste Mal, dass ihm ein Gebäude beinahe auf den Kopf gefallen wäre. De Catalano rang immer noch nach Luft, nachdem sie sich noch zwei weitere Male erbrochen hatte. Der Gestank nach Erbrochenem, Blut und Innereien bereitete nun auch Hearthfield Übelkeit. Er fasste De Catalano an der Schulter. „Kommen Sie! Wir müssen uns in Sicherheit bringen!“, sprach er ihr mit eindringlicher Stimme zu. Er halft ihr auf die Beine und zog sie auf ein Schwebemobil zu, welches mit offener Tür auf dem teilweise eingesunkenen Parkplatz leicht zur Seite geneigt dastand. Der Pilot musste wohl vor Entsetzen einfach weggerannt sein in der Annahme, dass er wohl nicht mehr rechtzeitig einsteigen und das Transportfahrzeug starten konnte. Das Gefährt war ein schönes Modell, weiß und sehr flach mit verdunkelten Scheiben und vier Schubdüsen, welche sich waag- und senkrecht stellen ließen. Der Antrieb war ein Elektromotor, welcher dank mehreren leistungsstarken Kondensatoren heutzutage in den meisten Fluggeräten benutzt wurde und das Schwebemobil für achtundvierzig Stunden mit Energie versorgen konnte. Dank einer Mitte des letzten Jahrhunderts gut ausgebauten Infrastruktur von Ladestationen konnte man sein Gefährt an der nächsten Lademöglichkeit innerhalb von nur zehn Minuten wieder voll aufladen und war so immer mobil. Das erste Schwebemobil wurde im Januar 2099 von Elon Musk und seiner Firma Tesla, Inc. ein Jahr vor seinem angeblichen Tod als Prototyp auf der Detroit Auto Show vorgestellt. In den darauffolgenden fünfzig Jahren löste das Schwebemobil oder kurz der „Flyer“ -wie es von Musk selbst genannt wurde- das damals schon konventionelle Elektroauto als allgemeines Verkehrsfahrzeug ab. Es ist sicherlich unnötig zu erwähnen, dass der Pilotenschein für einen Flyer um einiges anspruchsvoller, als ein herkömmlicher Führerschein ist. Dies bewirkte konsequenterweise, dass Straßen nun mit der Verbreitung des Flyers überflüssig geworden waren. Den neugewonnenen Platz nutzte man vornehmlich für Wohngebäude, da Überbevölkerung bis zur Besiedlung von Mars und Mond zu einem nur noch schwer erträglichen Zustand geworden war. Dies führte vor allem in den großen Metropolen der Welt, von denen viele von einem sechsspurigen Straßennetz durchzogen waren, zu erheblichen Erleichterungen bei Wohnungssuche und Mietpreisen. Dies war Elon Musks Vermächtnis an die Welt, nachdem er ein Jahr später 2100 mit einhundertneunundzwanzig Jahren angeblich an einem Herzinfarkt starb. Gerüchten zufolge war sein Tod jedoch nur eine Farce, während er sich eigentlich das Gehirn in einen humanoiden Roboter verpflanzen ließ und von diesem Zeitpunkt an als Mensch-Maschine - auch Cyborg genannt- tief im Inneren des Tesla Hauptquartiers in Palo Alto sein inzwischen weltweit expandiertes Imperium führte, unerkannt von allen bis auf die obersten Ränge des Konzerns. Hearthfield setzte sich auf den Pilotensitz und wartete bis De Catalano sich auf den Copilotensitz neben ihm gesetzt hatte. Er hielt seinen Militärausweis an den Scanner des Bordcomputers, welcher so programmiert war, dass er Angehörigen von Polizei und Streitkräften sofortigen Zugriff gewährte. Der Motor startete und Hearthfield brachte ein paar Höhenmeter zwischen sie beide und dem Erdboden. Dann programmierte er den Autopiloten auf direkten Kurs zum Pentagon.
  • 19. 19 Das Fahrzeug richtete sich aus und beschleunigte. Der Bordcomputer des Mach 5 fähigen Fluggeräts zeigte eine Flugdauer von knapp 45 Minuten für die gut 4580km an Strecke an. De Catalano öffnete ein kleines Fach in der Mittelkonsole und legte den geretteten Datenwürfel in ein dafür entworfenes Lesegerät. „Lassen Sie uns noch einmal anschauen, was wir haben.“ Sie rief den Scan der Erde auf und ließ ihn holografisch knapp über die Mittelkonsole projizieren. „Da uns glücklicherweise ein vollständiger Scan der Erde gelungen ist, können wir das unterirdische Gebiet, welches diese unbekannte Lebensform bewohnt genau bestimmen.“ „Wie vollständig ist vollständig?“, wollte Hearthfield wissen. „Haben Sie detaillierte Informationen über Bevölkerungsgröße, sowie Anzahl dieser Fahrzeuge und Flugobjekte?“ „Hearthfield, wozu brauchen Sie diese Informationen?“ Jedoch ahnte Sie schon, was der General gleich sagen würde. „Die haben uns gerade den Krieg erklärt!“, entgegnete Hearthfield grimmig. „Ich verstehe. Es ist alles bis ins kleinste Detail verfügbar.“ „Gut, sehr gut! Das verschafft uns einen ungemeinen Vorteil! Immer vorausgesetzt, dass die nicht genauso viele Informationen über uns haben. Der Zeitpunkt des Erdbebens lässt eindeutig darauf schließen, dass dies eine technologisch sehr fortschrittliche Zivilisation ist, die unsere Scanimpulse abgefangen und deren Bedeutung erkannt hat. Ob ihre Technik der unseren überlegen ist, wird sich noch früh genug zeigen. Was können Sie mir über den Lebensraum dieser Lebewesen sagen? Gibt es irgendwelche Auffälligkeiten?“ De Catalano schaute sich die Holografie einige Minuten an, drehte sie mit einigen Gesten hin und her und vergrößerte gezielt einige Bereiche nacheinander, um diese genauer unter die Lupe zu nehmen. „Es gibt da in regelmäßigen Abständen einige kavernenartige Hohlräume, in denen es große Flächen von bebautem Land gibt. Ich vermute, dass sie dort ihre Nahrung produzieren. Des Weiteren die großen Dome mit den Städten, welche wir ja bereits entdeckt hatten. Falls Sie nach so etwas wie Waffenlagern oder Militärbasen suchen, muss ich sie leider enttäuschen.“ „Halten Sie einfach Ausschau nach allem, was Ihnen irgendwie auffällig erscheint und speichern Sie es ab.“ „Eine Sache ist tatsächlich äußerst merkwürdig. In den Tunneln, die die Städte verbinden, gibt es schätzungsweise alle 10 Meter kleine Nebenräume, welche mit einer Art Moos -so sieht es zumindest aus- bewachsen sind.“ Hearthfield kratzte sich am Kinn…