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in Einkauf ohne Plastik, Folie oder Pappe? Klingt
zunächst einmal utopisch, stimmt’s? Aber dieses
Prinzip findet in Europa immer mehr Anhänger.
Kleine Läden und Ketten verzichten auf Verpackung,
die allein in Deutschland jedes Jahr für 600 Kilo Müll
pro Haushalt sorgt. Dazu wirft jeder Bundesbürger im
Schnitt etwa 80 Kilo Lebensmittel weg. Weltweit landen
laut WWF jeden Tag sechs Millionen Müll-Teile aus Plas-
tik in den Ozeanen, während 1,3 Milliarden Tonnen Le-
bensmittel jährlich verderben. Das soll sich ändern. Wie?
Durch Shopping nur nach Bedarf und in mitgebrachten
Behältern. Precycling heißt diese Idee: Die Verpackung
wird nicht verwertet, sondern ganz vermieden. Mittler-
weile bauen in urbanen Zentren immer mehr Super-
märkte darauf.
Original unverpackt
Vor dem Laden Original Unverpackt in Berlin steht eine
Gruppe Schüler, die angeregt diskutiert. Es geht um
Kostenfragen, Präsentation von Waren und schließlich
den Service. Die Teenager sind keine angehenden BWL-
Studenten, sondern auf Exkursion mit dem Geografie-
kurs, um Ressourcenschonung in der Praxis zu erleben.
Gerade erst haben sie Cornflakes in Papiertüten abge-
füllt, sich ihren eigenen Gummibärchen-Mix zusammen-
gestellt und Äpfel gleich in die Hand hinein gekauft.
Tüten oder Verpackungen aus Plastik gibt es keine in
dem Berliner Geschäft, das von Aufbau und Größe an
einen Tante-Emma-Laden erinnert. Stattdessen finden
sich sogenannte Trockenwaren wie Nüsse, Haferflocken,
Mehl, Gewürze, Reis und Superfoods wie Quinoa in
langen Röhren, aus denen Stammkunden ihre mitge-
brachten Behälter wieder füllen.
Abgerechnet wird per Kilo, Gramm oder Liter, denn
das Sortiment geht über Körner oder andere Waren, die
sich leicht zur Nachfüllung eignen, hinaus. Milena Glim-
bovski, Chefin im Berliner Original Unverpackt, muss
das Gespräch wiederholt unterbrechen, um Kunden
etwas zu erklären. Was Zahnpasta-Tabletten sind, bei-
spielsweise. Die kleinen runden Pillen zerkaut man mit
den Schneidezähnen und schäumt die Krümel direkt mit
Supermarkt
der Zukunft
Recycling ist gut, eine Zukunft
ohne Abfall noch besser. In Euro-
pa ermöglichen unterschiedliche
Ladenkonzepte, ohne Verpackung
einzukaufen. Das Versprechen der
Macher: ein Leben fast ohne Müll,
dafür mit wesentlich mehr Qualität.
Text: Nora Manthey Fotos: Horst Friedrichs
„Supermärkte müssen
grün denken und handeln,
wenn sie in Zukunft
Bestand haben wollen“
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Das mitgebrachte Gefäß samt
Deckel leer wiegen, Label drucken
und aufkleben
Die gewünschte Ware in den Be-
hälter einfüllen
Produktcode und Leergewicht
eingeben und die Ware wiegen
Preisschild drucken und auf den
Container kleben
Die abgefüllte Ware kann an jeder
Kasse bezahlt werden
Kunden füllen
eigens mitge-
brachte Gefäße
mit Trocken-
waren wie zum
Beispiel Reis,
Nüsse oder
Haferflocken
Wiegen und
nachfüllen sind
das A und O
beim Shoppen
ohne Verpa-
ckung und einem
Lifestyle ohne
Müll
Unpackaged,
2008 gegründet,
findet sich als
Store-in-Store-
Konzept bei
Planet Organic,
einer erfolgrei-
chen Bio-Super-
marktkette mit-
ten in London,
die expandiert
1. Tarieren
2. Auffüllen
3. Wiegen
4. Drucken
5. Zahlen
einer weichen Bürste im Mund auf. Der saubere Neben-
effekt: nie wieder Plastiktube. Auch Shampoo von der
Berliner Creme Kampagne können die Berliner und
zahlreichen Touristen zapfen. Zudem finden sich Brot,
Obst und Gemüse, Kaffee aus einer Berliner Rösterei und
Tofu, der aus in Bayern angebauten Sojabohnen gemacht
ist, in der Auslage. Produkte aus der Region anzubieten
gehört ebenso zur Natur des Konzepts wie die Vermei-
dung von Verpackung. Um aber über die Grenzen der
eigenen Nachbarschaft hinaus zu wirken, eröffnet im
Herbst eine neue Filiale in der Hauptstadt und der On-
lineshop steht auch.
Original aus London
Das eigentliche Original kommt aus London. In der bri-
tischen Hauptstadt gründete Catherine Conway bereits
2008 Unpackaged. Unverpackt sollten die Waren sein,
die Catherine erst auf Märkten und später dann in ihrem
eigenen Laden anbot. Heute macht die junge Mutter
Politik hinter den Kulissen und versucht, die verschie-
denen Konzepte in Europa in einer Interessengemein-
schaft zu vereinen. Sie will so die Idee der Müllvermei-
dung über den kleinen Eckladen hinaus und in die
mächtige Lebensmittelindustrie tragen. 76 Prozent der
britischen Lebensmittel werden von großen Ketten um-
gesetzt, und so sieht Catherine die Verantwortung vor
allem bei den Anbietern, die es für Kunden einfach und
attraktiv machen sollten, Verpackung zu sparen. Ihre
These ist, dass die meisten Menschen grundsätzlich grü-
ne Optionen bevorzugen, aber zu selten vor diese Wahl
gestellt werden. Zudem müsste Nachfüllung in das In-
ventar-System des Supermarktes selbst integriert und
das Personal involviert werden. Technologien wie eine
Waage, die anzeigt, wenn eine Röhre fast leer ist, könn-
ten da helfen. Ihr eigenes Unpackaged-Konzept hat Ca-
therine bereits an den Bio-Supermarkt Planet Organic
ausgelagert und arbeitet mit Hochdruck an deren Ex-
pansion.
Lokal kaufen, in ganz Europa
Bei Granel aus Spanien hat man die Idee selbst groß
gemacht. Die Gründerin Judit Vidal steht mittlerweile
einer Kette aus elf Läden vor, 15 sollen es noch in diesem
Jahr werden. Dabei beruht das Konzept auf zentralisier-
tem Franchise. Angefangen hat Granel mit klassischen
Massengütern, doch bald soll es auch Obst und Gemüse
in den Shops geben. Judit sieht sich dabei auf aufkläre-
rischer Mission. Sie will Konsumenten bewusst machen,
was sie kaufen und woher es kommt. Im warmen Spa-
nien ist es natürlich besonders einfach, frische Ware re-
gional einzukaufen. ▷
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Die Idee ist dabei nicht neu. Früher war es normal,
auf dem Wochenmarkt vom Bauern zu kaufen, selbst in
der Stadt. In Ländern wie Frankreich ist diese Tradition
immer noch erlebbar, und so will der Deutsch-Franzose
Frédéric Herberger sie auch in seiner Wahlheimat Ko-
penhagen wiederbeleben. Dort eröffnet in diesem Som-
mer der Løs Market, der erste Supermarkt ohne Verpa-
ckung in Dänemark. Seine Motivation ist die
Müllvermeidung, doch will der ehemalige Angestellte
der Milchindustrie vor allem eine positive Botschaft an-
bieten. Statt gegen Plastik zu protestieren und nur Nein
zu rufen, will Frédéric Menschen zeigen, wie es besser
gehen kann, ohne gleich auf alles zu verzichten.
Erste Schritte zu null Müll
Dennoch, um wirklich allen Müll zu vermeiden oder
einen nachhaltigen Lebensstil zu führen, ist Verzicht
unverzichtbar. Catherine aus London empfiehlt bei den
ersten Schritten in das Leben mit „Zero Waste“, sich
zunächst zu verdeutlichen, wie viel Müll im eigenen
Leben anfällt, um sich dann zu entscheiden, wo man
zuerst ansetzt. Bei der Milch beispielsweise, denn diese
gibt es auch in regulären Läden oft in Flaschen zu kaufen.
Gerade in Deutschland ist Wiederverwertung durch das
Pfandsystem bereits weit verbreitet.
Auch Milena betont, dass es kein Original Unverpackt
nebenan geben muss, um beim Einkauf weniger Müll
zu machen. Stattdessen kann man auf dem Markt ein-
kaufen und eigene Beutel mitbringen. Sie hat grundsätz-
lich drei Säckchen in der Tasche und trägt unterwegs
eine Brotbox und Besteck mit sich, um selbst bei Food-
to-go ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern.
Catherine hat noch einen Trick für die Praxis parat:
statt Schokoriegel einfach eine Banane essen und ansons-
ten vorkochen. Jenen, die keine Zeit zum Kochen finden,
empfiehlt die Londonerin ein besseres Zeitmanagement.
Statt auf Facebook zu posten, lieber Hummus aus pü-
rierten Kichererbsen selber machen oder sich Müsli aus
den Supermarkt-Röhren ziehen, statt zu Hause einfach
nur Fernsehen zu schauen.
Selbst wenn das Einkaufen ohne Verpackung erst
aufwendiger erscheint, kann es eine willkommene Ent-
schleunigung des sonst so hektischen Alttags liefern.
Statt auf die Schnelle irgendetwas zu besorgen, kauft
man geplanter ein und weiß, woher es kommt. Sehen
und anfassen, manchmal auch schon schmecken oder
fühlen – das spricht die Sinne ganz anders an als Power­
shopping in einer gesichtslosen Supermarktkette. 
Milena Glimbov-
ski hat Original
Unverpackt
gegründet.
Schon zwei Jahre
später ist sie auf
Expansionskurs:
Es folgen ein
Online-Shop
und eine weitere
Filiale
Schon Schüler
begeistern sich
für das nachhal-
tige Shopping,
und die vielen
unterschied-
lichen Snacks
sind auch gleich
gesünder
„Man braucht keinen
Unverpackt-Laden um die
Ecke, wenn man verpa-
ckungsfrei leben möchte“
STADT GESTALTEN

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Central_2016_02_Supermartk_der_Zukunft

  • 1. Central 2• 2016 110 111 E in Einkauf ohne Plastik, Folie oder Pappe? Klingt zunächst einmal utopisch, stimmt’s? Aber dieses Prinzip findet in Europa immer mehr Anhänger. Kleine Läden und Ketten verzichten auf Verpackung, die allein in Deutschland jedes Jahr für 600 Kilo Müll pro Haushalt sorgt. Dazu wirft jeder Bundesbürger im Schnitt etwa 80 Kilo Lebensmittel weg. Weltweit landen laut WWF jeden Tag sechs Millionen Müll-Teile aus Plas- tik in den Ozeanen, während 1,3 Milliarden Tonnen Le- bensmittel jährlich verderben. Das soll sich ändern. Wie? Durch Shopping nur nach Bedarf und in mitgebrachten Behältern. Precycling heißt diese Idee: Die Verpackung wird nicht verwertet, sondern ganz vermieden. Mittler- weile bauen in urbanen Zentren immer mehr Super- märkte darauf. Original unverpackt Vor dem Laden Original Unverpackt in Berlin steht eine Gruppe Schüler, die angeregt diskutiert. Es geht um Kostenfragen, Präsentation von Waren und schließlich den Service. Die Teenager sind keine angehenden BWL- Studenten, sondern auf Exkursion mit dem Geografie- kurs, um Ressourcenschonung in der Praxis zu erleben. Gerade erst haben sie Cornflakes in Papiertüten abge- füllt, sich ihren eigenen Gummibärchen-Mix zusammen- gestellt und Äpfel gleich in die Hand hinein gekauft. Tüten oder Verpackungen aus Plastik gibt es keine in dem Berliner Geschäft, das von Aufbau und Größe an einen Tante-Emma-Laden erinnert. Stattdessen finden sich sogenannte Trockenwaren wie Nüsse, Haferflocken, Mehl, Gewürze, Reis und Superfoods wie Quinoa in langen Röhren, aus denen Stammkunden ihre mitge- brachten Behälter wieder füllen. Abgerechnet wird per Kilo, Gramm oder Liter, denn das Sortiment geht über Körner oder andere Waren, die sich leicht zur Nachfüllung eignen, hinaus. Milena Glim- bovski, Chefin im Berliner Original Unverpackt, muss das Gespräch wiederholt unterbrechen, um Kunden etwas zu erklären. Was Zahnpasta-Tabletten sind, bei- spielsweise. Die kleinen runden Pillen zerkaut man mit den Schneidezähnen und schäumt die Krümel direkt mit Supermarkt der Zukunft Recycling ist gut, eine Zukunft ohne Abfall noch besser. In Euro- pa ermöglichen unterschiedliche Ladenkonzepte, ohne Verpackung einzukaufen. Das Versprechen der Macher: ein Leben fast ohne Müll, dafür mit wesentlich mehr Qualität. Text: Nora Manthey Fotos: Horst Friedrichs „Supermärkte müssen grün denken und handeln, wenn sie in Zukunft Bestand haben wollen“ Central 2• 2016 110 STADT GESTALTEN
  • 2. Central 2• 2016 112 113 Das mitgebrachte Gefäß samt Deckel leer wiegen, Label drucken und aufkleben Die gewünschte Ware in den Be- hälter einfüllen Produktcode und Leergewicht eingeben und die Ware wiegen Preisschild drucken und auf den Container kleben Die abgefüllte Ware kann an jeder Kasse bezahlt werden Kunden füllen eigens mitge- brachte Gefäße mit Trocken- waren wie zum Beispiel Reis, Nüsse oder Haferflocken Wiegen und nachfüllen sind das A und O beim Shoppen ohne Verpa- ckung und einem Lifestyle ohne Müll Unpackaged, 2008 gegründet, findet sich als Store-in-Store- Konzept bei Planet Organic, einer erfolgrei- chen Bio-Super- marktkette mit- ten in London, die expandiert 1. Tarieren 2. Auffüllen 3. Wiegen 4. Drucken 5. Zahlen einer weichen Bürste im Mund auf. Der saubere Neben- effekt: nie wieder Plastiktube. Auch Shampoo von der Berliner Creme Kampagne können die Berliner und zahlreichen Touristen zapfen. Zudem finden sich Brot, Obst und Gemüse, Kaffee aus einer Berliner Rösterei und Tofu, der aus in Bayern angebauten Sojabohnen gemacht ist, in der Auslage. Produkte aus der Region anzubieten gehört ebenso zur Natur des Konzepts wie die Vermei- dung von Verpackung. Um aber über die Grenzen der eigenen Nachbarschaft hinaus zu wirken, eröffnet im Herbst eine neue Filiale in der Hauptstadt und der On- lineshop steht auch. Original aus London Das eigentliche Original kommt aus London. In der bri- tischen Hauptstadt gründete Catherine Conway bereits 2008 Unpackaged. Unverpackt sollten die Waren sein, die Catherine erst auf Märkten und später dann in ihrem eigenen Laden anbot. Heute macht die junge Mutter Politik hinter den Kulissen und versucht, die verschie- denen Konzepte in Europa in einer Interessengemein- schaft zu vereinen. Sie will so die Idee der Müllvermei- dung über den kleinen Eckladen hinaus und in die mächtige Lebensmittelindustrie tragen. 76 Prozent der britischen Lebensmittel werden von großen Ketten um- gesetzt, und so sieht Catherine die Verantwortung vor allem bei den Anbietern, die es für Kunden einfach und attraktiv machen sollten, Verpackung zu sparen. Ihre These ist, dass die meisten Menschen grundsätzlich grü- ne Optionen bevorzugen, aber zu selten vor diese Wahl gestellt werden. Zudem müsste Nachfüllung in das In- ventar-System des Supermarktes selbst integriert und das Personal involviert werden. Technologien wie eine Waage, die anzeigt, wenn eine Röhre fast leer ist, könn- ten da helfen. Ihr eigenes Unpackaged-Konzept hat Ca- therine bereits an den Bio-Supermarkt Planet Organic ausgelagert und arbeitet mit Hochdruck an deren Ex- pansion. Lokal kaufen, in ganz Europa Bei Granel aus Spanien hat man die Idee selbst groß gemacht. Die Gründerin Judit Vidal steht mittlerweile einer Kette aus elf Läden vor, 15 sollen es noch in diesem Jahr werden. Dabei beruht das Konzept auf zentralisier- tem Franchise. Angefangen hat Granel mit klassischen Massengütern, doch bald soll es auch Obst und Gemüse in den Shops geben. Judit sieht sich dabei auf aufkläre- rischer Mission. Sie will Konsumenten bewusst machen, was sie kaufen und woher es kommt. Im warmen Spa- nien ist es natürlich besonders einfach, frische Ware re- gional einzukaufen. ▷ STADT GESTALTEN
  • 3. Central 2• 2016 114 115 Die Idee ist dabei nicht neu. Früher war es normal, auf dem Wochenmarkt vom Bauern zu kaufen, selbst in der Stadt. In Ländern wie Frankreich ist diese Tradition immer noch erlebbar, und so will der Deutsch-Franzose Frédéric Herberger sie auch in seiner Wahlheimat Ko- penhagen wiederbeleben. Dort eröffnet in diesem Som- mer der Løs Market, der erste Supermarkt ohne Verpa- ckung in Dänemark. Seine Motivation ist die Müllvermeidung, doch will der ehemalige Angestellte der Milchindustrie vor allem eine positive Botschaft an- bieten. Statt gegen Plastik zu protestieren und nur Nein zu rufen, will Frédéric Menschen zeigen, wie es besser gehen kann, ohne gleich auf alles zu verzichten. Erste Schritte zu null Müll Dennoch, um wirklich allen Müll zu vermeiden oder einen nachhaltigen Lebensstil zu führen, ist Verzicht unverzichtbar. Catherine aus London empfiehlt bei den ersten Schritten in das Leben mit „Zero Waste“, sich zunächst zu verdeutlichen, wie viel Müll im eigenen Leben anfällt, um sich dann zu entscheiden, wo man zuerst ansetzt. Bei der Milch beispielsweise, denn diese gibt es auch in regulären Läden oft in Flaschen zu kaufen. Gerade in Deutschland ist Wiederverwertung durch das Pfandsystem bereits weit verbreitet. Auch Milena betont, dass es kein Original Unverpackt nebenan geben muss, um beim Einkauf weniger Müll zu machen. Stattdessen kann man auf dem Markt ein- kaufen und eigene Beutel mitbringen. Sie hat grundsätz- lich drei Säckchen in der Tasche und trägt unterwegs eine Brotbox und Besteck mit sich, um selbst bei Food- to-go ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern. Catherine hat noch einen Trick für die Praxis parat: statt Schokoriegel einfach eine Banane essen und ansons- ten vorkochen. Jenen, die keine Zeit zum Kochen finden, empfiehlt die Londonerin ein besseres Zeitmanagement. Statt auf Facebook zu posten, lieber Hummus aus pü- rierten Kichererbsen selber machen oder sich Müsli aus den Supermarkt-Röhren ziehen, statt zu Hause einfach nur Fernsehen zu schauen. Selbst wenn das Einkaufen ohne Verpackung erst aufwendiger erscheint, kann es eine willkommene Ent- schleunigung des sonst so hektischen Alttags liefern. Statt auf die Schnelle irgendetwas zu besorgen, kauft man geplanter ein und weiß, woher es kommt. Sehen und anfassen, manchmal auch schon schmecken oder fühlen – das spricht die Sinne ganz anders an als Power­ shopping in einer gesichtslosen Supermarktkette. Milena Glimbov- ski hat Original Unverpackt gegründet. Schon zwei Jahre später ist sie auf Expansionskurs: Es folgen ein Online-Shop und eine weitere Filiale Schon Schüler begeistern sich für das nachhal- tige Shopping, und die vielen unterschied- lichen Snacks sind auch gleich gesünder „Man braucht keinen Unverpackt-Laden um die Ecke, wenn man verpa- ckungsfrei leben möchte“ STADT GESTALTEN