1. Nahverkehrs-praxis – Ausgabe 5-2012
Verkehrsverbünde 17Fahrgastzählung
Die Basler Verkehrs-Betriebe (BVB) sind
im Dreiländereck Schweiz - Deutsch-
land - Frankreich seit 1895 mit Bussen
und Straßenbahnen tätig. Der hohe
Stellenwert des Öffentlichen Verkehrs
in der Schweiz zeigt sich besonders
in Basel. Im Jahr verzeichnet die BVB
als größter Key-Player in der Region
Nordwestschweiz mehr als 130 Mio
Einsteiger. Jeder Einwohner der Stadt
Basel fährt rechnerisch zweimal täglich
mit der BVB.
Zum Netz der BVB gehören neun Stra-
ßenbahn- und 13 Buslinien, darunter
drei grenzüberschreitende Buslinien
nach Deutschland und Frankreich. Diese
werden in Kooperation mit den Nach-
barn betrieben. Beispielsweise wird
die 2009 in Betrieb genommene Linie
38 zwischen Allschwil und Grenzach-
Wyhlen im Auftrag des Kantons Basel-
Stadt zusammen mit der SüdbadenBus
GmbH erfolgreich betrieben.
Erhebung der Fahrgastzahlen
bei den Basler Verkehrs-Betrieben
Zur optimalen Erfüllung der Kunden-
bedürfnisse und Anforderungen benö-
tigt die BVB aktuelle und zuverlässige
Informationen über die Nachfrage in
ihrem Netz. Zur Erfassung der Fahr-
gastzahlen sowie deren Hochrechnung
setzt sie seit über 20 Jahren das System
FadaPlus der UVT Unternehmensbera-
tung für Verkehr und Technik GmbH
aus Mainz ein.
Bedarf an Nachfragedaten
Die Fahrgastzahlen finden bei der
BVB in vielen Bereichen von der Ver-
kehrsplanung bis zur Abrechnung Ver-
wendung. Einige Anwendungen werden
nachfolgend skizziert.
Einnahmenverteilung
Die BVB gehört dem 1987 gegrün-
deten Tarifverbund Nordwestschweiz
(TNW) an, der den Fahrgästen in den
Kantonen Basel Stadt und Baselland seit
1988 einen integrierten Tarif anbietet.
Die verbundweiten Einnahmen aus Fahr-
ausweisen belaufen sich pro Jahr auf
238 Mio Schweizer Franken, von denen
über 49% auf die BVB entfallen.
Die Einnahmenverteilung basiert auf
einem nachfrageorientierten Schlüssel
mit den maßgebenden Größen Ein-
steiger und Personenkilometer. Der
Abrechnungszeitraum ist das Fahrplan-
jahr. Jede fahrplanmäßige Fahrt ist im
Mindestumfang von 8% zu erheben.
Die Stichproben werden von den Un-
ternehmen für das Fahrplanjahr hoch-
gerechnet. Die Ergebnisse müssen dem
TNW bereits Mitte Januar des Folgejah-
res zur Genehmigung durch die fest ein-
gerichtete Prüfgruppe vorgelegt werden.
Unternehmensstatistik
Die für das Fahrplanjahr hochge-
rechneten Einsteiger und Personenki-
lometer werden auf das Kalenderjahr
umgerechnet und im Geschäftsbericht
veröffentlicht. Dieser enthält auch die
Nachfragewerte der einzelnen Linien.
Das Bild links zeigt die Entwicklung
der Einsteiger von 1996 bis 2011. Die
Langzeitstatistik zeigt auch den Rück-
Dr. Michael Fahlbusch,
Basler Verkehrs-Betriebe
(BVB)
Dipl.-Ing. Andreas Schmidt,
UVT Unternehmensbera-
tung für Verkehr und
Technik GmbH (Mainz)
2. Nahverkehrs-praxis – Ausgabe 5-2012
18
gang der Nachfrage 2001/02 infolge
der Einführung der Vorortlinien des
Partnerunternehmens BLT via Bahnhof
SBB. Während sich die Einsteiger der
Straßenbahnlinien seitdem nur leicht
erhöhten, legten die Buslinien nach der
Busnetz-Optimierung 2004 um knapp
ein Drittel zu.
Ergebnisse für Bestellerkantone
und Gemeinden
Die BVB ist verpflichtet, den Bestel-
lern des ÖV-Angebotes, den Kantonen
Basel-Stadt und Baselland, detaillierte
Nachfragedaten zur Verfügung zu stel-
len. Verlangt werden die Daten pro
Fahrplanfahrt und Tagesart Montag bis
Freitag, Samstag und Sonntag.
Die Gemeinden erhalten für das
jeweilige Gebiet die Jahressummen der
Einsteiger und der Personenkilometer.
Controlling
Im Rahmen des BVB-internen Con-
trollings werden quartalsweise Hoch-
rechnungen durchgeführt. Diese die-
nen dem Zweck, Veränderungen der
Nachfrage frühzeitig zu erkennen und
die Erfüllung der Erhebungsvorgabe zu
überwachen. Zur regelmäßigen Erfolgs-
kontrolle werden Detailanalysen der
einzelnen Linien durchgeführt.
Betriebs- und Verkehrsplanung
Für die Planung der einzusetzenden
Kapazitäten werden Engpässe ermittelt
sowie Entlastungsfahrten oder Taktver-
dichtungen überprüft, die wiederum in
die nächste Leistungsvereinbarung mit
dem Besteller einfließen.
Beim Ausbau der Haltestelleninfra-
struktur mit Wartehallen oder dyna-
mischer Fahrgastinformation wird ein
ausgewogener Kosten-Nutzen-Aufwand
angestrebt. Die Frequentierung der
Haltestellen bietet dabei einen nützli-
chen Indikator. Die Bilder rechts zeigen
beispielhaft weitere für die Planung
relevante Sachverhalte.
Automatische Zählung seit 20 Jahren
Nach der Gründung des TNW hatte
sich die BVB für die Einführung eines
Montag bis Freitag: Die Tagesganglinie der Besetzungen in den Straßenbahnen der BVB
zeigt einen Verlauf, der für urbane Bereiche zunehmend typisch ist. Die Tagesspitze wird
am Nachmittag erreicht!
Samstag: Die höchste Nachfrage besteht zwischen 13:30 und17:30 Uhr. Die Ladenöffnungs-
zeit endet in Basel gegen 18:00 Uhr. Am Vormittag ist die Nachfrage kurzzeitig etwas hö-
her als zur gleichen Zeit montags bis freitags. Ab 21:00 Uhr ist die Nachfrage deutlich höher
als an anderen Tagen. Das zeigt die Bedeutung des ÖV-Angebotes für den Freizeitverkehr.
Sonntag: Die Nachfrage ist erwartungsgemäß geringer. Wie am Samstag besteht die höhere
Nachfrage nach dem Mittag. Der Rückgang setzt eine Stunde später ein (Bilder: BVB/UVT).
3. Nahverkehrs-praxis – Ausgabe 5-2012
19Fahrgastzählung
automatischen Fahrgastzählsystems
entschieden. Damit konnten die Kosten
für die Erhebung der Fahrgastzahlen
deutlich gesenkt werden. Zuvor waren
bis zu 30 Mitarbeiter erforderlich, um
die benötigten Zählungen durchzu-
führen.
Der Beschaffung gingen eine Evalua-
tion der am Markt erhältlichen Systeme
sowie ein Test voraus. Das System der
UVT wurde ausgewählt, weil es bereits
eine automatische Datenübertragung
integrierte, eine Lösung für die Straßen-
bahnzüge bot und auf einer korrekten
und nachvollziehbaren Systematik
basierte.
Die Realisierung des Zählsystems
war nicht frei von Herausforderungen:
Vermutlich erstmalig im ÖV gelangte
ein Verfahren zum Einsatz, mit dem
größere Datenmengen automatisch
aus Fahrzeugen übertragen wurden. Im
Bereich der Hochrechnung wurde ein
neues Schichtungsverfahren entwickelt,
das auf den Planfahrten basierte. Dieses
gewährleistet bis heute konsistente
Ergebnisse mit dem für die Verkehrspla-
nung notwendigen Detaillierungsgrad.
15 Jahre Dauereinsatz hinterließen
ihre Spuren. Das Zählsystem wur-
de daher ab 2008 teilerneuert. Die
wichtigsten Anforderungen waren die
Sicherung der Kompatibilität und die
Durchführung der Arbeiten im „laufen-
den“ Zählbetrieb. Für die automatische
Datenübertragung wurde eine beson-
ders effiziente Lösung gefunden: Die
vorhandene Infrastruktur der Telefon-
anlagen (VoIP) in den Betriebshöfen
und in der Zentralwerkstatt bot eine
gute funktechnische Abdeckung. Für
deren Nutzung waren in den Fahrzeugen
lediglich WLAN-Bridges nachzurüsten.
Gegenwärtig sind 18 Busse und 20
Straßenbahnkompositionen mit dem
Zählsystem ausgestattet (ca. 20% des
Fahrzeugparks der BVB). Im Jahr 2011
wurde damit eine Erhebungsquote von
knapp 20% erreicht, d.h. fast jede
fünfte Planfahrt erfasst. Die konstante
Nutzung eines Systems und die trans-
parente Methodik bei Auswertung und
Hochrechnung sichern die Vergleich-
barkeit der Ergebnisse über einen sehr
langen Zeitraum.
Ausblick
Die BVB steht in den nächsten Jahren
vor Herausforderungen, bei denen die
Fahrgastzahlen von großer Bedeutung
sind.
Das Straßenbahnnetz wird erweitert.
Im Bau ist die Verlängerung der Linie 8
nach Weil am Rhein in Deutschland.
Die Betriebsaufnahme wird im Jahr
2014 erfolgen. Neben dem immer noch
verhältnismäßig niedrigen Modal-Split
im grenzüberschreitenden Verkehr soll
die verlängerte Linie 8 auch Binnenver-
kehr in Weil aufnehmen. Die erwarteten
Querschnittsbelastungen werden mit
dem automatischen Fahrgastzählsystem
überprüft. Die beachtliche Entwicklung
der 2009 eingerichteten Buslinie 38
nach Grenzach-Wyhlen setzt dabei den
Maßstab.
2011 wurden weitreichende Entschei-
dungen über die Weiterentwicklung des
Straßenbahn-Fahrzeugparks getroffen.
In den nächsten Jahren werden in
größerem Umfang ältere Kompositio-
nen aus Motorwagen und Anhängern
ersetzt. Vorab wurden mit den Zähldaten
vorhandener Niederflurbahnen umfang-
reiche Detailanalysen durchgeführt,
um die Türen und die Innenräume der
neuen Bahnen möglichst optimal auf
die Bedingungen beim Fahrgastwechsel
auszulegen. Zu untersuchen ist, in wel-
chem Umfang sich die Attraktivität des
neuen ÖV-Angebotes auf die Nachfrage
auswirkt.
Die UVT arbeitet an der Fortentwick-
lung des Hochrechnungsverfahrens.
Die Gültigkeitszeiträume der Fahrpläne
verkürzen sich aus unterschiedlichen
Gründen immer mehr. Baustellen und
Umleitungen werden tagesscharf ge-
pflegt. Ereignisse führen zu eigenstän-
digen Fahrplänen. Mit der Entwicklung
wird eine optimale Ausnutzung der
Stichproben auch bei tagesscharfen
Fahrplänen ermöglicht.
e-mail:
info@bvb.ch
info@uvt.de
Die UVT GmbH
Die UVT Unternehmensberatung für
Verkehr und Technik GmbH aus Mainz
wurde 1990 gegründet.
FadaPlus ist das System der UVT
zur automatischen Fahrgastzählung
sowie zur Fahr- und Verlustzeitmes-
sung. Als Systemanbieter deckt die
UVT die Entwicklung, Produktion und
Inbetriebnahme der Hardware zur Da-
tenerfassung und Datenübertragung,
die Entwicklung der Software sowie
die Unterstützung der Anwender ab.
Das System wird zudem im Rahmen
von Dienstleistungs- und Beratungs-
aufträgen eingesetzt. Schwerpunkte
sind neben allen Aspekten der Fahr-
gastzählung die Untersuchung der
Pünktlichkeit sowie die Vorbereitung
und Kontrolle von Beschleunigungs-
maßnahmen.
Die UVT ist mit 13 Mitarbeitern euro-
paweit tätig.
Die BVB in Zahlen
Linienlänge Straßenbahn
(neun Linien) 65 km
Linienlänge Bus
(13 Linien) 107 km
Beförderte Personen (2011): 130 Mio
- Veränderung zu 2006: + 8.6%
Personenkilometer (2011): 284 Mio
- Veränderung zu 2006: + 9.0%
Mitarbeiter: 1 025