1. Von
Rudolf J. Gläser und H.-D. Wessels
Fachanwälte für Medizinrecht
Vortrag APO-Bank Bremen am 24.04.2013
Neue Perspektiven durch neue
Versorgungsstrukturen
Kooperationsmodelle auf dem Prüfstand
2. 2
Erfahrungen mit dem GKV-Strukturgesetz
insbesondere in Zusammenhang mit
•der Erweiterung von
Berufsausübungsgemeinschaften durch
angestellte oder Vertragsärzte
•Der Gründung und Fortführung von MVZ
•Kooperation oder Korruption in der
Zusammenarbeit mit anderen Leistungserbringern
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3. 3
Praxiserweiterung nach neuem Recht
Ein Beispielsfall
FA Dr. B in Bremen-Nord möchte seine Praxis möglichst
teuer verkaufen.
FA Dr. A in Gröpelingen sucht einen Sitz zur Erweiterung
der Praxis mit einem angestellten Arzt.
Der dort beschäftigte WBA steht vor seiner Prüfung und will
in Bremen weiter ärztlich tätig bleiben.
FA Dr. C in OHZ möchte in zwei Jahren aufhören und bis
dahin weniger arbeiten ohne weniger zu verdienen.
FA Dr. A – auch operativ tätig – möchte sein
„Zuweiserportal“ im Nordosten sichern.
Was tun?
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4. 4
Gewohntes Vorgehen
• Dr. B schreibt seine Praxis aus.
• ZA prüft Nachbesetzungsbedarf, KV schreibt aus, ZA wählt
Nachfolger aus (Kaufpreis=Verkehrswert), Nachfolger ungewiss.
• Dr. A bewirbt sich um Sitz (§ 103 Abs. 4b, S. 2 SGB V).
• Entscheidend ist Qualifikation des angestellten Arztes, schlecht für
„frischgebackenen“ Facharzt (ex WBA).
• WBA bewirbt sich um Sitz.
• „frische FA-Anerkennung“ ist nachteilig.
• Dr. C sucht Job-sharer.
• Job-sharer kostet Geld und ist nicht sicherer Nachfolger (§ 101 Abs.
3 S. 4 SGB V).
• Dr. A zahlt Entgelt für Zuweisung.
• Dr. A muss seine Praxis vorübergehend schließen (wegen Verstoß
gegen § 31 BO i. V. m § 128 Abs.5a SGB V).
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5. 5
Modifiziertes Vorgehen
„Win-Win-Strategie“
• B verzichtet auf Zulassung, um bei A angestellt zu
werden (§ 103 Abs. 4b SGB V) und kriegt dafür „seinen“
Preis.
• A beschäftigt B kurzzeitig und ersetzt B durch WBA nach
dessen FA Anerkennung (=dann W).
• W bleibt angestellter Arzt oder wird Partner oder durch
anderen angestellten Arzt ersetzt (A ist insoweit de facto
sein eigener ZA).
• A und C gründen überörtliche BAG für zwei/drei Jahre
(freie Gewinnverteilung und Privileg bei Nachbesetzung
für A / W, § 103 Abs. 4 Nr. 6 SGB V).
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6. 6
Zum angestellten Vertragsarzt
• Angestellter Arzt § 95 Abs. 9b SGB V
• Umwandlung in persönlichen Vertragsarztsitz
ist möglich
• jedoch nur für halbe oder ganze Zulassung
• auf Antrag des anstellenden Vertragsarztes.
• Dieser hat Wahlrecht, ob für Dritten
ausgeschrieben werden soll oder die Zulassung
auf angestellten Arzt übergeht.
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7. Cave: § 24 Abs. 7 Ärzte-ZV und § 103 Abs. 3a S.3
SGB V
Einschränkung der Praxisverlegung und
Nachfolge
•Bislang: ZA „hat zu genehmigen…“
•Neu: ZA „darf nur genehmigen… wenn dem Gründe der
vertragsärztlichen Versorgung nicht entgegenstehen“ (§ 24
Abs. 7 neu).
•Begründungserfordernis je nach Fachgruppe und
regionalen Verhältnissen.
•Der ZA kann den Antrag auf Nachbesetzung oder Verzicht
ablehnen, wenn eine Nachbesetzung aus
Versorgungsgründen nicht erforderlich ist (§ 103 Abs. 3a S.
3 SGB V – Ausnahmen: § 103 Abs. S. 5 Nrn. 5 und 6 SGB
V, Nachfolge-Bewerber ist Familienangehöriger, BAG-
Partner, angestellter Arzt).
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8. 8
Zweigpraxis
• FA Dr. O hat seine Praxis in Bremen Nord und möchte
seine Patienten in Bremen Mitte operieren. Auch die
Voruntersuchung und das Aufklärungsgespräch sollen
dort stattfinden.
• Deshalb nicht nur „ausgelagerte Praxisräumlichkeiten“.
• Zweigpraxis nur mit Genehmigung der KV, wenn die
Versorgung der Versicherten an dem weiteren Ort
verbessert wird
• und die Versorgung am Hauptsitz hierdurch nicht mehr
als nur geringfügig beeinträchtigt wird (§ 24 Abs. 3 ZV).
• Urteil BSG U. v. 28.10.2009 – B 6 Ka 42/08 R
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9. 9
Neue Zulassungsregelungen
MVZ
Betreiber neuer MVZ können gem. § 95 Abs. 1a
SGB V nur noch sein:
- Zugelassene Ärzte,
- Zugelassene Krankenhäuser,
- Gemeinnützige Träger, die an der
vertragsärztlichen Versorgung aufgrund von
Zulassung oder Ermächtigung teilnehmen.
- Nur noch als Personengesellschaft oder
GmbH.
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10. 10
MVZ
Ärztlicher Leiter
kann nur noch sein, wer in dem MVZ „selbst als
angestellter Arzt oder als Vertragsarzt tätig“
und in medizinischen Fragen weisungsfrei ist,
(§95, Abs.1, S.3 SGB V).
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Die Orthopäden A, B und C in Hannover sind jeweils mit 25% an der
Physiotherapie GmbH X beteiligt, die Räumlichkeiten im selben
Ärztehaus angemietet hat. Die Gewinne werden nach
Gesellschaftsanteilen/Verordnungsvolumen zugewiesen. Die Physio
GmbH erzielt 90% ihrer Umsätze durch ABC. Die Beteiligung endet
2011.
Schulungen der Praxismitarbeiter zur EDV-Kontrolle des Arzneimittel-
VO Volumens erfolgen durch die Pharmafirma Z.
Eine TZ-Helferin wird vom Tens-Geräte-Hersteller bezahlt.
Die Praxismiete (Vermieter = Apotheker im Haus)liegt 50% unter der
Vergleichsmiete.
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Kooperation oder Korruption?
Ein Beispielsfall
12. 12
Neue Regelungen zur
„Compliance“
• Bis auf weiteres keine Bestechlichkeit für Vertragsärzte
gemäß § 299 StGB (BGH B. v. 29.03.2012 GSSt 2/11),
aber
• Ausweitung des Korruptionstatbestandes des § 128
SGB V durch Absatz 2 Satz 3:
• „Unzulässige Zuwendungen im Sinne des Satzes 1 sind auch die
unentgeltliche oder verbilligte Überlassung von Geräten und
Materialien und Durchführung von Schulungsmaßnahmen,
• die Gestellung von Räumlichkeiten oder Personal oder die
Beteiligung an Kosten hierfür sowie
• Einkünfte aus Beteiligungen an Unternehmen von
Leistungserbringern, die Vertragsärzte durch ihr Verordnungs-
oder Zuweisungsverhalten selbst maßgeblich beeinflussen.
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13. 13
Folgerungen für den Beispielsfall
• Kapitalistische Beteiligung an Heil- und Hilfsmittel GmbH
seit 2012 nur noch zulässig, wenn keine maßgebliche
Beeinflussung durch Zuweisungsverhalten. Hier sind die
Ärzte also zu Recht aus der GmbH „ausgestiegen“.
• Gewinnbeteiligung nur nach Gesellschaftsanteil zulässig,
nicht nach VO-Quote.
• Kostenlose Schulung oder Bezahlung von
Mitarbeiterinnen ist unzulässig.
• Mietsubventionierung durch Apotheker unterhalb
niedrigster marktüblicher Miete ist unzulässig.
• § 128 Abs. 2 S. 3 SGB V in Kraft seit 1.1.2012
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14. Compliance im weiteren Sinn
„IGeL“
• Vertragsärzte, die „unzulässige Zuwendungen fordern
oder annehmen“ oder
• Patienten „beeinflussen“, IGeL zu wählen „an Stelle
der ihnen zustehenden Leistung der GKV“, verstoßen
gegen ihre vertragsärztlichen Pflichten (§ 128 Abs. 5a
SGB V).
• Dies dürfte zunehmend enger ausgelegt werden,
deshalb Vorsicht vor überzogener „Negativaufklärung“.
• Aber auch zunehmend im Focus:
• Die Korrektheit bei der Quartalsabrechnung selbst.
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