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24   Thema   I   I

                     Text: Hans   Geilinger




                      Dem Ort seine Eigenart
                      zurückgeben
                     Projekt für das Kulturzentrum Las Maretas auf Lanzarote, AMP Arquitectos


                     Fern von Europa und Amerika und nahe der            afrikanischen Küste
                     gelegen, bilden die Kanarischen Inseln mitten        im    Atlantik einen strate¬
                     gischen und kulturellen         Schnittpunkt dreier Kontinente.     Die   durch
                     einprivilegiertes Klima begünstigten Inseln sind von grossem land¬
                     schaftlichem Reichtum, der aber in den letzten Jahrzehnten durch
                     die massive Zunahme des Tourismus            drastisch bedroht wird.      In   dieser
                     von der Unendlichkeit des Atlantiks und durch die vulkanische

                     Morphologie geprägten Kultur realisieren die          in   Teneriffa ansässigen
                     AMP Arquitectos (Artengo-Menis-Pastrana) seit gut zwanzig Jahren
                     eine eigenständige, von Modeströmungen wenig beeinflusste Archi¬
                     tektur.      Ihr   Projekt für ein Kulturzentrum auf der Insel Lanzarote
                     geht mit Ort und Inhalt eine überzeugende Symbiose ein, ist zudem
                     Interpretation und Neuanfang.




                                                                                                      werk, bauen   +   wohnen   11   |
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                                                                                                                                                             |2




                                                                                                          n (b n
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 Im    nordwestlichen Entwicklungsgebiet der Inselhauptstadt                           verwirklichen. Zudem wurde von privater Seite eine bedeutende
 Arrecife (auf Deutsch: Riff) befindet sich das verlassene Areal                       Beuys-Sammlung gestiftet. Mit den notwendigen Service-
 einer ausgedehnten Sammelanlage für Regenwasser, Las Maretas                          und Besucherzonen ergänzt, könnte so das brachliegende Areal
 del Estado. Das ursprünglich ausserhalb der Besiedlung                                einer neuen architektonischen Interpretation zugeführt werden.
                                                           ge¬
 legene Areal wird heute uneinheitlich durch städtische Quartiere,                     Zum Wettbewerb eingeladen wurden UN Studio van Berkel
 eine   Abwasserreinigungsanlage           und einen   Autobahnknoten                  & Bos aus den   Niederlanden, Günter Zamp Kelp aus Berlin,
 begrenzt. Zudem ist es von der Stadtautobahn komplett durch¬                          Ingenhoven, Overdiek und Partner aus Düsseldorf, Enric
 schnitten. Zu sehen ist heute eine flache, harte, im Sommer                           Miralles und Benedetta Tagliabue aus Barcelona und AMP Arqui¬
 heiss glimmende Fläche, die vormals dem Sammeln von Regen¬                            tectos (Artengo-Menis-Pastrana) aus Teneriffa, die schliesslich
wasser gedient hatte. Verwitterte Betonplatten, die man                                als Sieger hervorgegangen sind. Die Realisierung des Projektes
gleichzeitig irritiert und fasziniert als seltsam nutzfreies Nie¬                      steht kurz bevor; Anfang nächstes Jahr soll mit der ersten
mandsland, als terrain vague, wahrnimmt. Die schon leicht                              Bauetappe, den eigentlichen Ausstellungsräumen, begonnen
brüchig gewordene Oberfläche wird durch darin eingelassene                             werden.
Rinnen strukturiert und in einzelne Flächen unterteilt. Seit
dem 18. Jahrhundert wurde hier eine enorme, gut 300x300m

grosse Regenwasser-Sammelanlage mit Zisternen geschaffen,
                                                                                       Präsenz der Fläche
die bei den seltenen, aber äusserst heftigen Regenfällen ihr                           Die  physischen und morphologischen Charakteristiken der
knappes, kostbares Gut in ein grosses, unterirdisch gelegenes                          Inseln bilden die Basis des architektonischen Schaffens von AMP.
Reservoir, die so genannten Maretas leitete. Heute, ersetzt                            Die besonderen Gegebenheiten des Ortes sind Ausgangspunkt
durch Meerwasserentsalzungsanlagen und inmitten der städti¬                            für den Entwurf Las Maretas: «Die vulkanische Landschaft, die
schen Immissionen gelegen, hat sie ihre Bestimmung verloren.                           elementaren Pflanzen, die kontinuierliche Präsenz des Meeres,
Trotzdem hat das vermeintliche Niemandsland auf einer Insel mit                        die das Gestein glatt   schleifenden Winde, die Helligkeit und
knappen Wasser-Ressourcen nach wie vor eine ausserordent¬                              essentielle Farbigkeit des Territoriums sind Werte, die bewusst
lichsymbolische Bedeutung und Wertschätzung.                                           oder unbewusst bei der täglichen Arbeit in unsere Architektur
     Mit der Idee, die obsolet gewordenen Zisternen als Ausstel¬                       einfliessen. Diese natürlichen Ressourcen spiegeln sich in der
lungsräume zu nutzen, wurde 1999 ein internationaler Projekt¬                          Materialität und Form unseres Werkes: so der Naturstein der
wettbewerb veranstaltet. Es sollte ein Kulturzentrum mit einem                         Insel, reichhaltig in Farbe und Typologie, der Sichtbeton, aus¬
Bereich für Lanzarotes Kulturgeschichte und einem Bereich                              drucksstark durch die Schalung, die verschiedene formale Ideen
für zeitgenössische Kunst entstehen. Weltweit renommierte
                                                                                       ermöglicht, die handwerkliche Verarbeitung des Holzes, die
Künstler sollen dereinst in den Zisternen Rauminstallationen                           Plastizität und Dynamik in der Verwendung des Eisens. All dies



werk, bauen   +   wohnen   11   |

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Thema                                          Dem Ort seine Eigenart             zurückgeben


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                                                                                                                 2    |

                                                                                                                          Querschnitt

                                                                                                                 31       Schnitt Vorzone der Ausstellungs¬
                                                                                                                          räume (ehemalige Zisternen)


                                           £                                                                     4        Modell: Gesamtanlage ohne Über¬
      r                                                                                                                   dachung des Kulturzentrums

                                                                                                                 51       Zugangsgeschoss

                                                                                                                 61       Untergeschoss

                                                                                                                 7|       Modell Kulturzentrum, überdacht

                                                                                                                 81       Zisternenanlage heute




                                                                                                                          Hans Geilinger, *1961
                                                                                                                          Architekt HTL/SWB. 1991-1994 Assistent               an

                                                                                                                          der ETH Zürich; 1994-1995 Mitarbeiter bei
                                                                                                                          Olga Terraso, Barcelona; seit 1995 eigenes
                                                                                                                          Architekturbüro     in   Barcelona; Agentur
                                                                                                                          «b.arch» für Architektur-Stadtführungen in
                                                                                                                          Barcelona. Seit 1997 Dozent für Architektur
                                                                                                                          an der      Hochschule Zürich HSZ.




                       4   /   M




                                                                                                                                                                          werk, bauen   +   wohnen   11   |
                                                                                                                                                                                                              2001
Kulturzentrum       Las     Maretas
Architekten: AMP Arquitectos
(Felipe Artengo Rufino, Fernando
M. Menis, Jose Ma Rodrfguez-

Pastrana Malagön), Santa Cruz de
Tenerife
Wettbewerb: 1999,      1.   Preis
Baubeginn: 2002




                                                                                                                                                                                27




                                        manifestiert sich letztlich   in   Ausdruck, Textur und Form, die   extravagant sind, dass sie sich in Lügen verwandeln, aber
                                        das Gebäude erhält.»                                                wahrere Lügen als die Wahrheit selbst.» Im Inneren dieser ar¬
                                             Der Komplex besteht aus einem Auditorium, einem Kongress¬      chaisch-plastischen Felsblock-Boxen, von der Rampe aus
                                        zentrum und einem Hotel sowie dem eigentlichen Kulturzent¬          zugänglich, wird die durch Vulkanerruptionen geprägte Geschichte
                                        rum mit den zugehörigen Parkierungsflächen. Um die dazwischen       Lanzarotes erzählt. Ort, Inhalt und architektonische Sprache
                                        liegende Leere der Wassersammeifläche zu steigern, werden           gehen so eine thematische Symbiose ein.
                                        diese Nutzungen aufgegliedert und an die Ränder des Terrains            Dieser vermeintlich vulkanische Tunnel mündet schliesslich
                                        gesetzt. Aus der phänomenologisch einmaligen Präsenz                in   den knapp   6   Meter unter der Oberfläche liegenden Vorraum
                                        dieser Fläche wird das Projekt entwickelt. Das Kulturzentrum        der Zisternen, dem Zentrum für Kunst und Natur. Die sechzehn
                                        erhebt sich aus dem Untergrund, löst sich wie eine weitere          Behälter können einzeln oder auch miteinander verbunden
                                        Laminatschicht vom Boden ab, wird gefaltet, geknickt, fragmen¬      genutzt werden. Über einen Spalt zwischen den Deckenplatten,
                                        tiert. Die vorgefunden Zeugnisse früherer Generationen - ein        die über die Zisternen gelegt sind, wird das Foyer belüftet
                                        zwar primär technischer, aber nicht minder architektonischer        und belichtet. Die verschiedenen Zisternen verfügen nur über
                                        Eingriff-werden aufgenommen, in einer zweiten gestalte¬             eine minimale Infrastruktur; der formale und konstruktive
                                        rischen Operation weiter transformiert und so einem neuen,          Charakter der Säle kann so respektiert werden. Der Weg endet
                                        aktuellen Sinn zugeführt.                                           in einem polivalent nutzbaren Ausstellungssaal, in dem künst¬

                                             Bei Regenfällen wird nach wie vor Wasser gesammelt und         lerische und sonstige Veranstaltungen zur Kultur Lanzarotes und
                                        in einer Bodenöffnung entlang dem Zisternen-Vorraum ab¬             Arrecifes stattfinden werden. Eine Rampe unter einer auf¬
                                        gefangen. Während der langen Trockenperioden soll zudem am          gespaltenen Deckenplatte führt schliesslich zurück ins Freie.
                                        nordöstlich gelegenen Punkt eine (ökologisch wohl etwas                   «Letztendliches Bestreben unserer Arbeit ist es, dem
                                        fragwürdige) künstliche Quelle in Betrieb gesetzt werden. Als       geografischen Umfeld des Eingriffes seine natürlichen landschaft¬
                                        grosse und kühlende Brunnenanlage kann so der ursprünglich          lichen Werte zurückzugeben. Die Architektur dient dabei als
                                        nutzungsbestimmte Charakter der Flächen weitgehend bei¬              Mittel, dem Ort neue Würde zu verleihen.» Diese Würde und der
                                        behalten werden.                                                     Respekt vor dem Ort, die in diesen Worten zum Ausdruck
                                                                                                            kommen, sind es, die die durch Plastizität, Dynamik und Mate¬
                                                                                                            rialität geprägten Arbeiten der geografisch abgeschiedenen
                                        Vulkanischer Untergrund und Zisternen                               kanarischen Architekten auszeichnen. Von der vorherrschenden,
                                        Künftig wird man von den begrünten Parkplätzen aus die enorme       immer globaler werdenden Architektursprache heben sie
                                        Freifläche übergueren und unter der hoch geführten vierspu¬         sich dadurch wohltuend ab. h.g.
                                        rigen Stadt-Autobahn zur Eingangszone des Museums gelangen.
                                        Sie ist ein offener Aussenraum, der nordöstlich von der
                                        Billettkasse, einer Informationsstelle, einer Cafeteria und dem
                                        Museumsshop begrenzt wird. An der gegenüber liegenden
                                        Eintrittskontrolle vorbei gelangt man zur Avenida de la Historia,
                                        der Strasse der Geschichte. Unter einer enormen Deckenplatte
                                        führt sie als lang gezogene Rampe ins Erdreich hinein, wo
                                        man zeichenhaft mit dem vulkanischen Untergrund konfrontiert
                                        wird. Dabei passiert der Besucher, als befände er sich in
                                        einem vulkanischen Schlund, einzelne halb ineinander verkeilte,
                                        künstliche Felsblöcke, die scheinbar auf den Ausgang zu
                                        gepresst werden. Man sieht sich an eine Aussage Van Goghs
                                        erinnert: «Ich möchte, dass meine Bilder so unperfekt und
                                                                                                                                 |8



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  • 1. 24 Thema I I Text: Hans Geilinger Dem Ort seine Eigenart zurückgeben Projekt für das Kulturzentrum Las Maretas auf Lanzarote, AMP Arquitectos Fern von Europa und Amerika und nahe der afrikanischen Küste gelegen, bilden die Kanarischen Inseln mitten im Atlantik einen strate¬ gischen und kulturellen Schnittpunkt dreier Kontinente. Die durch einprivilegiertes Klima begünstigten Inseln sind von grossem land¬ schaftlichem Reichtum, der aber in den letzten Jahrzehnten durch die massive Zunahme des Tourismus drastisch bedroht wird. In dieser von der Unendlichkeit des Atlantiks und durch die vulkanische Morphologie geprägten Kultur realisieren die in Teneriffa ansässigen AMP Arquitectos (Artengo-Menis-Pastrana) seit gut zwanzig Jahren eine eigenständige, von Modeströmungen wenig beeinflusste Archi¬ tektur. Ihr Projekt für ein Kulturzentrum auf der Insel Lanzarote geht mit Ort und Inhalt eine überzeugende Symbiose ein, ist zudem Interpretation und Neuanfang. werk, bauen + wohnen 11 | 2001
  • 2. + 'V ,A.=^,..^^«M»^ ^ffl J :=. 25 |2 n (b n I.. __ .1 : I r _J U ¦ i I1 .i Im nordwestlichen Entwicklungsgebiet der Inselhauptstadt verwirklichen. Zudem wurde von privater Seite eine bedeutende Arrecife (auf Deutsch: Riff) befindet sich das verlassene Areal Beuys-Sammlung gestiftet. Mit den notwendigen Service- einer ausgedehnten Sammelanlage für Regenwasser, Las Maretas und Besucherzonen ergänzt, könnte so das brachliegende Areal del Estado. Das ursprünglich ausserhalb der Besiedlung einer neuen architektonischen Interpretation zugeführt werden. ge¬ legene Areal wird heute uneinheitlich durch städtische Quartiere, Zum Wettbewerb eingeladen wurden UN Studio van Berkel eine Abwasserreinigungsanlage und einen Autobahnknoten & Bos aus den Niederlanden, Günter Zamp Kelp aus Berlin, begrenzt. Zudem ist es von der Stadtautobahn komplett durch¬ Ingenhoven, Overdiek und Partner aus Düsseldorf, Enric schnitten. Zu sehen ist heute eine flache, harte, im Sommer Miralles und Benedetta Tagliabue aus Barcelona und AMP Arqui¬ heiss glimmende Fläche, die vormals dem Sammeln von Regen¬ tectos (Artengo-Menis-Pastrana) aus Teneriffa, die schliesslich wasser gedient hatte. Verwitterte Betonplatten, die man als Sieger hervorgegangen sind. Die Realisierung des Projektes gleichzeitig irritiert und fasziniert als seltsam nutzfreies Nie¬ steht kurz bevor; Anfang nächstes Jahr soll mit der ersten mandsland, als terrain vague, wahrnimmt. Die schon leicht Bauetappe, den eigentlichen Ausstellungsräumen, begonnen brüchig gewordene Oberfläche wird durch darin eingelassene werden. Rinnen strukturiert und in einzelne Flächen unterteilt. Seit dem 18. Jahrhundert wurde hier eine enorme, gut 300x300m grosse Regenwasser-Sammelanlage mit Zisternen geschaffen, Präsenz der Fläche die bei den seltenen, aber äusserst heftigen Regenfällen ihr Die physischen und morphologischen Charakteristiken der knappes, kostbares Gut in ein grosses, unterirdisch gelegenes Inseln bilden die Basis des architektonischen Schaffens von AMP. Reservoir, die so genannten Maretas leitete. Heute, ersetzt Die besonderen Gegebenheiten des Ortes sind Ausgangspunkt durch Meerwasserentsalzungsanlagen und inmitten der städti¬ für den Entwurf Las Maretas: «Die vulkanische Landschaft, die schen Immissionen gelegen, hat sie ihre Bestimmung verloren. elementaren Pflanzen, die kontinuierliche Präsenz des Meeres, Trotzdem hat das vermeintliche Niemandsland auf einer Insel mit die das Gestein glatt schleifenden Winde, die Helligkeit und knappen Wasser-Ressourcen nach wie vor eine ausserordent¬ essentielle Farbigkeit des Territoriums sind Werte, die bewusst lichsymbolische Bedeutung und Wertschätzung. oder unbewusst bei der täglichen Arbeit in unsere Architektur Mit der Idee, die obsolet gewordenen Zisternen als Ausstel¬ einfliessen. Diese natürlichen Ressourcen spiegeln sich in der lungsräume zu nutzen, wurde 1999 ein internationaler Projekt¬ Materialität und Form unseres Werkes: so der Naturstein der wettbewerb veranstaltet. Es sollte ein Kulturzentrum mit einem Insel, reichhaltig in Farbe und Typologie, der Sichtbeton, aus¬ Bereich für Lanzarotes Kulturgeschichte und einem Bereich drucksstark durch die Schalung, die verschiedene formale Ideen für zeitgenössische Kunst entstehen. Weltweit renommierte ermöglicht, die handwerkliche Verarbeitung des Holzes, die Künstler sollen dereinst in den Zisternen Rauminstallationen Plastizität und Dynamik in der Verwendung des Eisens. All dies werk, bauen + wohnen 11 | 2001
  • 3. Thema Dem Ort seine Eigenart zurückgeben =Äf i -*m / ^ f^rjfr" - / rn--.. :¦¦¦¦¦*¦ ¦'¦¦'¦ V »* < ^V PtIm^S' yy 7- ____ mW A ^J^^ 26 ^ * m^*wl 7 toi V J üf» *V "-^ i. |4 11 Längsschnitt 2 | Querschnitt 31 Schnitt Vorzone der Ausstellungs¬ räume (ehemalige Zisternen) £ 4 Modell: Gesamtanlage ohne Über¬ r dachung des Kulturzentrums 51 Zugangsgeschoss 61 Untergeschoss 7| Modell Kulturzentrum, überdacht 81 Zisternenanlage heute Hans Geilinger, *1961 Architekt HTL/SWB. 1991-1994 Assistent an der ETH Zürich; 1994-1995 Mitarbeiter bei Olga Terraso, Barcelona; seit 1995 eigenes Architekturbüro in Barcelona; Agentur «b.arch» für Architektur-Stadtführungen in Barcelona. Seit 1997 Dozent für Architektur an der Hochschule Zürich HSZ. 4 / M werk, bauen + wohnen 11 | 2001
  • 4. Kulturzentrum Las Maretas Architekten: AMP Arquitectos (Felipe Artengo Rufino, Fernando M. Menis, Jose Ma Rodrfguez- Pastrana Malagön), Santa Cruz de Tenerife Wettbewerb: 1999, 1. Preis Baubeginn: 2002 27 manifestiert sich letztlich in Ausdruck, Textur und Form, die extravagant sind, dass sie sich in Lügen verwandeln, aber das Gebäude erhält.» wahrere Lügen als die Wahrheit selbst.» Im Inneren dieser ar¬ Der Komplex besteht aus einem Auditorium, einem Kongress¬ chaisch-plastischen Felsblock-Boxen, von der Rampe aus zentrum und einem Hotel sowie dem eigentlichen Kulturzent¬ zugänglich, wird die durch Vulkanerruptionen geprägte Geschichte rum mit den zugehörigen Parkierungsflächen. Um die dazwischen Lanzarotes erzählt. Ort, Inhalt und architektonische Sprache liegende Leere der Wassersammeifläche zu steigern, werden gehen so eine thematische Symbiose ein. diese Nutzungen aufgegliedert und an die Ränder des Terrains Dieser vermeintlich vulkanische Tunnel mündet schliesslich gesetzt. Aus der phänomenologisch einmaligen Präsenz in den knapp 6 Meter unter der Oberfläche liegenden Vorraum dieser Fläche wird das Projekt entwickelt. Das Kulturzentrum der Zisternen, dem Zentrum für Kunst und Natur. Die sechzehn erhebt sich aus dem Untergrund, löst sich wie eine weitere Behälter können einzeln oder auch miteinander verbunden Laminatschicht vom Boden ab, wird gefaltet, geknickt, fragmen¬ genutzt werden. Über einen Spalt zwischen den Deckenplatten, tiert. Die vorgefunden Zeugnisse früherer Generationen - ein die über die Zisternen gelegt sind, wird das Foyer belüftet zwar primär technischer, aber nicht minder architektonischer und belichtet. Die verschiedenen Zisternen verfügen nur über Eingriff-werden aufgenommen, in einer zweiten gestalte¬ eine minimale Infrastruktur; der formale und konstruktive rischen Operation weiter transformiert und so einem neuen, Charakter der Säle kann so respektiert werden. Der Weg endet aktuellen Sinn zugeführt. in einem polivalent nutzbaren Ausstellungssaal, in dem künst¬ Bei Regenfällen wird nach wie vor Wasser gesammelt und lerische und sonstige Veranstaltungen zur Kultur Lanzarotes und in einer Bodenöffnung entlang dem Zisternen-Vorraum ab¬ Arrecifes stattfinden werden. Eine Rampe unter einer auf¬ gefangen. Während der langen Trockenperioden soll zudem am gespaltenen Deckenplatte führt schliesslich zurück ins Freie. nordöstlich gelegenen Punkt eine (ökologisch wohl etwas «Letztendliches Bestreben unserer Arbeit ist es, dem fragwürdige) künstliche Quelle in Betrieb gesetzt werden. Als geografischen Umfeld des Eingriffes seine natürlichen landschaft¬ grosse und kühlende Brunnenanlage kann so der ursprünglich lichen Werte zurückzugeben. Die Architektur dient dabei als nutzungsbestimmte Charakter der Flächen weitgehend bei¬ Mittel, dem Ort neue Würde zu verleihen.» Diese Würde und der behalten werden. Respekt vor dem Ort, die in diesen Worten zum Ausdruck kommen, sind es, die die durch Plastizität, Dynamik und Mate¬ rialität geprägten Arbeiten der geografisch abgeschiedenen Vulkanischer Untergrund und Zisternen kanarischen Architekten auszeichnen. Von der vorherrschenden, Künftig wird man von den begrünten Parkplätzen aus die enorme immer globaler werdenden Architektursprache heben sie Freifläche übergueren und unter der hoch geführten vierspu¬ sich dadurch wohltuend ab. h.g. rigen Stadt-Autobahn zur Eingangszone des Museums gelangen. Sie ist ein offener Aussenraum, der nordöstlich von der Billettkasse, einer Informationsstelle, einer Cafeteria und dem Museumsshop begrenzt wird. An der gegenüber liegenden Eintrittskontrolle vorbei gelangt man zur Avenida de la Historia, der Strasse der Geschichte. Unter einer enormen Deckenplatte führt sie als lang gezogene Rampe ins Erdreich hinein, wo man zeichenhaft mit dem vulkanischen Untergrund konfrontiert wird. Dabei passiert der Besucher, als befände er sich in einem vulkanischen Schlund, einzelne halb ineinander verkeilte, künstliche Felsblöcke, die scheinbar auf den Ausgang zu gepresst werden. Man sieht sich an eine Aussage Van Goghs erinnert: «Ich möchte, dass meine Bilder so unperfekt und |8 werk, bauen + wohnen 11 | 2001