Vortrag zum „Tag der Tourismuswirtschaft“ am 22.03.2011 in St. Johann im Pongau: Mag. Andreas Reiter, Zukunftsforscher, ZTB – Zukunftsbüro “Von der Zukunft lernen”
Weitere Informationen zum Tag der Tourismuswirtschaft 2011 finden Sie im Tourismusblog der Wirtschaftskammer Salzburg: http://www.tourismussalzburg.at/
Ride the Storm: Navigating Through Unstable Periods / Katerina Rudko (Belka G...
Mag. Andreas Reiter: “Von der Zukunft lernen”
1. Aus der Zukunft lernen Andreas Reiter
www.ztb-zukunft.com
Der Wettbewerbs- und Innovationsdruck im Tourismus nimmt zu. Destinationen und
touristische Unternehmen müssen sich stets erneuern, Trends vorwegnehmen und
überraschende Produkte entwickeln, die die (ungestillten) Sehnsüchte der Kunden treffen.
Die Entwicklung touristischer Produkte erfolgt vor dem Hintergrund folgender touristischer
Treiber:
• Internationalisierung
Die Quellmärkte werden auch für alpine Destinationen immer diversifizierter und
internationaler. Touristen aus zukunftsträchtigen Quellmärkten wie z.B. Indien, China,
aus dem arabischen Raum usf. haben ein anderes kulturelles Werteset mit anderen
Freizeit-Präferenzen. Für sie müssen die Berge erst – ihren Werten gemäß - attraktiviert
und neu bespielt werden. Interkulturelles Management wird zum entscheidenden
Erfolgsfaktor – bei der Produktgestaltung wie in Human Resources.
• Konzentration der Marken
Der Wettbewerb der Destinationen entwickelt sich zunehmend zum Wettbewerb der
Marken. Klare Profilierung/Differenzierung und stringentes Marken-Management sind für
den Erfolg einer Destination unerlässlich. Ganzheitliche Standort-Marken (Vernetzung
Tourismus, Wirtschaft etc.) sowie überregionale Dachmarken (z.B. The Alps) sind auf
wettbewerbsintensiven Märkten dringend erforderlich.
• Digitale Netzwerke
In einer digitalen Netzwerkgesellschaft verschiebt sich die Informations- und
Gestaltungshoheit zu den Kunden, die Konsumenten sind treibender Teil des
Wertschöpfungsnetzes. Lead User gestalten ihren Urlaub zunehmend selbst und
akzeptieren immer weniger vorgefertigte Packages. Peer-Marketing in den Communities
ist für die Touristiker ebenso entscheidend wie mobile geobasierte Dienste.
• Klimawandel & Eco Friendliness
Der Tourismus wird – nicht zuletzt wegen Klimaschutz, Ressourcenknappheit und
Wertewandel - grüner. Eine ganzheitliche Produkt-Entwicklung rund um die Kern-
Themen Natur, Regionale Netzwerke und E-Mobilität sorgt für regionale Differenzierung.
Nachhaltiger Tourismus minimiert die Energie-Kosten für touristische Unternehmen
ebenso wie er die Genuss- und Moral-Bilanz für die Gäste erhöht.
Die Aufmerksamkeits-Ökonomie verstärkt auch im Tourismus die Entwicklung zu Lifestyle-
Marken. Eine Champions-League der Alpen-Destinationen teilt sich den Markt der Premium-
Kunden auf. Kunden sind loyal gegenüber Themen, aber nicht mehr gegenüber
Destinationen. Die strategische Besetzung mit einem Lifestyle-Thema ist daher für den
Erfolg einer Destination entscheidend. Eine klare Segmentierung in Hot Spots und „Hidden
Places“ abseits des Mainstreams, in Ballermänner und Natur-Parks zerteilt in Zukunft die
touristische Landschaft. Hier die Masse der Touristen, dort hochwertige Nischenprodukte
rund um die Kern-Themen Genuss, Empowerment und Inspiration.
2. 2
Gäste sind süchtig nach tiefgreifenden Erlebnissen, wir haben es mit Emotions-Junkies zu
tun. Tourismus-Anbieter sind Glücks-Dealer – und sie müssen die Dosis ihrer Klientel
ständig erhöhen. Denn das Glück wird künftig nur noch im Extremen gesucht - dort, wo es
ganz laut ist und dort, wo es ganz still ist. Das Bedürfnis nach Kicks nimmt ebenso zu wie
seine Negation: die (sinnliche) Inszenierung der Lange-Weile (nicht zu verwechseln mit
Langeweile, der Todsünde im Tourismus).
Konsumenten sind „Trüffelschweine der Exzellenz“ (Umberto Eco), sie haben hohe
Ansprüche und wollen oftmals auch widersprüchliche Attribute verbinden - ihr Leitmotiv ist
nicht Entweder-Oder, sondern Sowohl als Auch.
Erfolgreiche Tourismus-Angebote sind stille Problemlöser, sie orientieren sich an den Werten
der Kunden und nehmen deren latente Sehnsüchte vorweg:
Easy Living
Wir haben es immer mehr mit Reise erfahrenen und zeitknappen Gästen zu tun.
Konsumenten sind Zeit-Rebellen – sie messen die Qualität ihrer Freizeit-Erlebnisse immer
stärker an ihrer investierten Zeit. Je weniger freie Zeit wir haben, desto mehr packen wir in
sie hinein (maximum emotion in minimum time).
Touristiker werden sich künftig noch stärker über individuelle Service-Leistungen
positionieren und dabei die Aufenthalts-Exzellenz der Gäste optimieren. Die
Tourismuslandschaft der Zukunft wird zur Convenience-Zone, alles muss alles möglichst
einfach sein, bequem: die Palette reicht hier von beheizten Skiliften und Rolltreppen zu den
Gondeln über Pisten-Kavaliere, von Fast Lines für Premium-Gäste bei der Seilbahnstation
bis zur Drive-In-Toilette an der Skipiste.
Community
Märkte sind Gespräche. Die Gesellschaft wird immer stärker atomisiert, 75 Prozent der
Städter in Europa leben heute in 1-2-Personen-Haushalten. Damit wächst der
Gemeinschafts-Markt exponentiell. Events und Kultur-Festivals, Sport-Events etc. werden
auch deswegen so stark nachgefragt, weil sie gemeinschaftliche Rituale anbieten…
Produkte/Dienstleistungen, die Gemeinschaft stiften, treffen auf verstärkte Nachfrage.
Eine neue Generation von modernen Performern sucht vermehrt den Kontakt mit
Einheimischen sowie ein „Live-like-a-Local“-Gefühl. Sie wollen „Einheimische auf Zeit“ sein
und eintauchen in die Alltagswelt vor Ort. Moderne Performer tauschen auch gerne die
Anonymität eines Hotels gegen die Privatheit eines Urlaubshauses, einer Hütte aus.
Holzhütten und Almdörfer wachsen im Alpenraum aus dem Boden. Dieser Trend zur Privacy
wird sich noch verstärken.
Soft Kicks
Die Alpen sind Spielplatz der Jungen und Ewig Jungen (Forever Young), die sich neu
entdecken, ihre Grenzen ausloten bzw. diese überwinden wollen. Der Berg wird künftig
stärker als heute als schräge Spielwiese inszeniert – mit Fun-Tools wie der Avalanche-
Bubble, einer inszenierten Lawine, in deren Inneren die Touristen zu Tal donnern. Höher,
gewaltiger, besser…
3. 3
Für den Berg der Zukunft heißt das: die inszenierte Gefahr wird zum Pflichtprogramm der
Tourismus-Dramaturgen, zu einem zentralen Pfeiler der Angebote.
Der Freizeit-Sport in den Bergen wird immer stärker an seinen Extremitäten, an den Polen
inszeniert. Einerseits wird er radikaler und härter. Andererseits wird er – und das angesichts
der zentralen Zielgruppen Frauen und Best Ager - weicher. Der Weg zum Glück geht
schließlich mitten durch die Natur – und hier vor allem beim Wandern. Traditionelle Berg-
Aktivitäten werden recycelt, vom Trekking, Nordic Cruising bis hin zum
Schneeschuhwandern und Schneeschuhpilgern… Wandern, Gehen als Weg zum Ich, zum
Glück ist ein anthropologisches Erbe, das wir immer wieder neu adaptieren und mit Lifestyle-
Elementen dramaturgisch aufladen müssen. Was zählt ist nicht Leistung, sondern der Feel-
Good-Faktor.
Inspiration
Der Hunger nach Inspiration wächst. Menschen wollen sich im Urlaub mit allen Sinnen neu
entdecken. Kultur-Genuss und Outdoor-Adventure dienen ebenso der Selbstentdeckung wie
spirituelle Reisen. Weltweit unternehmen 260 Millionen Gläubige eine Pilgerreise pro Jahr.
Freizeit-Angebote müssen nicht nur Fun und Genuss bieten, sondern immer stärker auch
Orientierung vermitteln. Wer bin ich, wohin gehe ich? Eine existentielle Frage, auf die
Menschen vor allem in ihrer freien Zeit eine Antwort suchen.
Narrative Erlebnisräume werden um die Aufmerksamkeit der Gäste buhlen. Inspirierende
(Hotel-)Architektur, interaktives Design sowie spannende Erlebnisräume sind gefragt – ob
Landart, multisensuelle Bühnenbilder wie Klangpisten etc. In Vorarlberg z.B. stehen hundert
mannshohe Eisenfiguren des britische Künstler Antony Gormley wundersam in der
Berglandschaft - get inspired!
Was kommt, was geht, was bleibt? Fact ist: das rein materielle Steigerungsspiel ist zu Ende,
das Betriebssystem der Tourismus-Wirtschaft wird neu konfiguriert. Die neuen Passwörter
für die Zukunft heißen: wertorientierte Innovation und nachhaltige Lebensqualität. Neue
Trends im Tourismus sowie ein gesellschaftlicher Wertewandel spielen dabei dem
hierzulande kleinteiligen und Ressourcen schonenden Tourismus in die Hände.
Ging es in den letzten Jahren beim Kampf um Aufmerksamkeit vordergründig um die
Inszenierung von Superlativen (höher, schneller, weiter), so positionieren sich nun immer
mehr Destinationen mit nachhaltigen Lebensqualitäts-Profilen. Die Erfolgsformel der Zukunft,
die morgen die Berge zum Glühen bringt, heißt: Innovation mal Tradition mal Green
Lifestyle.