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12 | Unternehmen handelszeitung | Nr. 21 | 23. Mai 2013
keystone/tobiasfrieman
	 Silicon BahnhofSBB Die Bundesbahnen stellen Startups in Zürich kostenlos Büros zur Verfügung. Im Gegenzug
sollen die Jungunternehmer dem Staatsbetrieb digitale Geschäftsideen liefern.
Sven Millischer, Judith Wittwer
D
ie Zukunft der SBB beginnt an der
Kasernenstrasse 95 in Zürich. An
bester Lage, gleich neben dem
Hauptbahnhof, sind mehrere Internet-
Startups auf Einladung der Bundesbah-
nen einquartiert. Büros, Sitzungszimmer,
Kopier- und Kaffeeautomaten – alles ist
kostenlos für die Jungunternehmer im ers-
ten Stock des Sihlpost-Gebäudes, wo einst
die behäbige SBB-Kreisdirektion III walte-
te. Nun brütet die Generation Internet vor
ihren Laptops über den ferrovialen Ge-
schäftsmodellen der Zukunft.
Die Bahn braucht neue Ideen. Das Ge-
schäft mit dem Reisen lief auch mal bes-
ser. Wegen Wirtschaftsflaute und Fran-
kenstärke verlieren die SBB nicht nur Aus-
flügler und Touristen – auch der chronisch
defizitäre Güterverkehr leidet. Zu schaffen
machte dem Konzern zuletzt zudem eine
Serie von Zugunfällen. Und viele Bahnrei-
sende ärgerten sich über rigide Bussen für
falsch gelöste Tickets. Die Bundesbahnen
waren bei den Kunden schon beliebter.
Umso mehr wollen die SBB die Reisen-
den jetzt mit neuen Dienstleistungen an
sich binden. Dabei denkt die Bahn nicht
nur ans Zugfahren. Die Jungunternehmer
in der Sihlpost sollen auf Nebengleisen für
zusätzliche Erträge sorgen.
Auserwählte im Konzernschoss
Der Einzug in den sogenannten «Co-
Working-Space» der SBB ist auf Mitte Feb-
ruar erfolgt. Wenige Wochen zuvor muss-
ten sich rund 45 interessierte Jungunter-
nehmen dem Auswahlverfahren stellen,
umeinen der fünf begehrtenArbeitsplätze
im SBB-Büro zu ergattern. Zuständig für
die Selektion war unter anderem Manuel
Gerres. Der 29-jährige Deutsche ist seit
letztem Herbst bei den SBB
verantwortlich für die Bezie-
hungspflege zur Jungunter-
nehmer-Szene. Zuvor war
er Partner beim Berliner
Gründerzentrum seedlab.
«Ziel ist es, Synergien,
Know-how und Netzwerk-
expertise zwischen Grün-
dern und den SBB zu verstärken und zu-
sammen aufzubauen», erklärt Gerres ge-
genüber einer Schweizer Startups-Platt-
form. Dafür würden Jungunternehmen
aus den Geschäftsfeldern Neue Medien,
mobile und E-Commerce, digitale Zah-
lungssysteme sowie Big Data gesucht.
Zu den Auserwählten, die im Konzern-
schoss der SBB arbeiten dürfen, gehört die
Startup-Firma Park It. Gründerin ist Jas-
min Samsudeen. Die 26-jährige Juristin
hatte vor gut zwei Jahren die Idee zu einer
Parkplatz-App, mit der Autofahrer über
das Mobiltelefon ein Parkfeld finden und
buchen können. Sie zeigt sich vom Alltag
im Co-Working-Space begeistert: «Mit der
SBB als Partnerin im Rücken haben wir
mehr Beachtung gefunden.»
Die SBB sorgen aber nicht nur für die
nötige Glaubwürdigkeit und Resonanz.
Die Bahnmanager sind selbst an einer
Parkplatz-Lösung interessiert, die auf der
Park-It-Idee basiert. Denn für die SBB ist
die Bewirtschaftung der eigenen Park­
flächen ein attraktives Geschäftsfeld. An
580 der insgesamt 800 Bahnhöfen zählt
die SBB derzeit über 26 000 Parkfelder.
Tendenz steigend. Zum Vergleich: Der
Flughafen Zürich stellt seinen Passagieren
rund 10 000 Parkflächen zur
Verfügung.
Die SBB ist damit im Ge-
schäft mit den Parkplätzen
ein wichtiger Akteur. Anfang
Juni wird Park It zusammen
mit den SBB einen Pilot lan-
cieren. Vorgestellt werde die
mobile App an einer Veran-
staltung im Zürcher Co-Working-Space,
verrät ein Insider. Dabei handelt es sich of-
fenbar um eine mobile Park-and-Rail-
Anwendung. Mit der neu entwickelten
Smartphone-Applikation sollen die SBB
ihre eigenen Parkplätze effizienter bewirt-
schaften können. Gleichzeitig sollen die
Endkunden einfacher eine SBB-Parkflä-
che per Mobiltelefon reservieren können.
Nebst digitalen Lösungen für die Park-
flächen-Bewirtschaftung wollen die SBB
auch ihre Fahrgastinformationen künftig
gewinnbringend nutzbar machen. Ein
möglicher Puzzlestein hierzu soll die
­Microzahlungslösung des Zürcher Star-
tups Millipay bilden. Die SBB wissen
schliesslich, wohin ihre Kunden reisen, er-
klärt Geschäftsleitungsmitglied Andreas
Sprock. «Auf dieser Datenbasis lassen sich
Zusatzdienstleistungen entwickeln, die
sich dann über ein Micropayment-System
wie das unsrige abrechnen liessen.» Denk-
bar ist beispielsweise, dass die Bundes-
bahnen künftig Auswärtigen für wenige
Rappen Informationen ihrer Zieldestina­
tion aufs Mobiltelefon liefern: Einen digi-
talen Museumsführer, einen Restaurant-
tipp oder den aktuellen Pistenbericht fürs
Skigebiet, in das der Bahngast gerade un-
terwegs ist. Die Bezahlung der Kleinstbe-
träge würde dann über Millipay erfolgen.
Es gebe zwar erste Projektideen mit den
SBB, sagt Andreas Sprock: «Spruchreif ist
aber noch nichts.»
Der digitale Verkaufskanal ist für die
Bahn bereits heute ein stark wachsender.
Im letzten Jahr setzten die SBB fast 10 Pro-
zent der Tickets mobil oder übers Internet
ab. Dies entspricht einem Plus von knapp
30 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
SBB lassen Muskeln spielen
Ergänzen wollen die SBB den digitalen
Billettautomaten künftig auch um soge-
nanntes Social-Media-Shopping, bei dem
sich die Bahnkunden auf der Zugreise ge-
genseitig Produkte empfehlen. Produkte,
die sie später in den Bahnhofsshops kau-
fen oder sich an ein persönliches Schliess-
fach liefern lassen können.
Um die Social-Media-Idee umzuset-
zen, lud der Bahnkonzern auch den di­
gitalen Schweizer Pinnwand-Anbieter
thingle.com in den Zürcher Co-Working-
Space zur Kooperation. Doch rasch wurde
klar, dass man sich nicht einig würde. «An-
fang April haben wir uns entschieden,
nicht mit SBB Digital zusammenzuarbei-
ten», sagt Walter Buschta, Marketingchef
und Geschäftsleitungsmitglied von thing-
le.com. Man sei nun nicht mehr im Co-
Working-Space der Bundesbahnen zuge-
gen. «Die SBB wollten von uns, dass wir
praktisch gratis ein umfangreiches, indivi-
dualisiertes Projekt realisieren», erklärt
Buschta. «Die Positionen lagen sehr weit
auseinander, sodass die SBB ihre Social-
Shopping-Pläne nun mit anderen Part-
nern versuchen umzusetzen.»
Bei der Suche nach gemeinsamen Ge-
schäftsmodellen lässt der Bahnkonzern
also durchaus seine Muskeln spielen. Vor
IdeenklaumüsstendieStartupsaberkeine
Angst haben, betont Gerres auf startwerk.
ch, allein schon weil die SBB ihren Ruf
nicht aufs Spiel setzen könnten. Zudem
werde man den Jungunternehmen auch
rechtliche Sicherheit bieten. Absichtser-
klärungen und Geheimhaltungsvereinba-
rungen seien vorgesehen, erklärt Gerres.
Stella Schiefer, Gründerin des Ikea-
Mitbringservice bringbee.ch, berichtet in-
des von unterschiedlichen Interessenla-
gen zwischen Konzern und Kleinbetrieb:
Jedes Startup habe seine eigene Agenda.
Das müssten auch die SBB respektieren:
«Wir haben keine Zeit und kein Geld, in
ein Projekt zu investieren, das sich am
Ende doch nicht realisiert.» Dennoch hofft
Schieffer weiterhin darauf, dass sich eine
Zusammenarbeit mit den Bundesbahnen
ergibt.
Allerdings drängt die Zeit. Bald müssen
sich die Jungunternehmer eine neue Blei-
be suchen. Denn der Co-Working-Space
ist ein Provisorium, befristet bis Ende No-
vember. Dann sollen die Büroräumlich-
keiten in der denkmalgeschützen Sihlpost
saniert werden.
Halle des Zürcher Hauptbahnhofs: Die Bundesbahnen wollen mit neuen Social-Media-Dienstleistungen die Reisenden stärker an sich binden.
Schweizer Gründerszene
Auf diese Internet-Startups setzen die SBB
Millipay Das Zürcher Startup hat ein
­Java-basiertes Zahlungssystem entwi-
ckelt, mit dem im Internet Kleinstbeträge
nur mit einem Klick abgerechnet werden
können. Ein erster Schweizer Kunde für
Millipay ist der Internet-TV-Dienst swiss-
sport.tv, der seine Live-Übertragungen
von Randsportarten mit dem neuartigen
Zahlungssystem monetarisiert.
Thingle Das Jungunternehmen mit
15Mitarbeitenden ist in Zürich und New
York beheimatet und gilt als Mischung
zwischen der sozialen Bilderplattform
«Pinterest» und dem Online-Lexikon
­Wikipedia. Geht es nach den Gründern,
so sollen künftig Firmen auf Thingle ihre
Produkte präsentieren und gegen Be-
zahlung in Kontakt mit Kunden treten.
Park It Das fünfköpfige Team will über
eine Handy-Applikation Parkplatzbe­
sitzer, die ihr Parkfeld temporär nicht
­brauchen, mit platzsuchenden Fahr-
zeuglenkern zusammenbringen. Die
Höhe der Parkgebühr bestimmen die
Anbieter selber. Das Startup-Unterneh-
men hat über 5000 Mitglieder und finan-
ziert sich über Kommissionsgebühren.
Shortcut Bilderkennung ist die Speziali-
tät dieser Internet-Anwendung, welche
die reale mit der digitalen Welt verbin-
den möchte. Wer die Handy-Applikation
nutzt, kann damit Printartikel und Pla-
katwerbung abfotografieren und wird so
zur entsprechenden Digitalversion ver-
linkt. Shortcut finanziert sich mit Gebüh-
ren der Verlage und Anzeigenkunden.
Bringbee Auf der gleichnamigen Web­
site lässt sich ein reduziertes Sortiment
an kleinen Gegenständen des schwedi-
schen Möbelhauses Ikea bestellen. Der
Clou an der Sache ist, dass die Benutzer
die Artikel nicht selber abholen müssen,
sondern dass andere Ikea-Kunden dies
für sie übernehmen. Die Fahrer erhalten
hierfür eine Abgeltung.
Anfang Juni
wird Park It
zusammen mit
den SBB einen
Pilot lancieren.
© Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer Schweiz AG, - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.as-infopool.de/lizenzierung HANDELSZEITUNG-2013-05-23-tui- a37a9d2b8588000044820896c922184d

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Silicon Bahnhof - Co-Working Space der SBB im Portrait

  • 1. 12 | Unternehmen handelszeitung | Nr. 21 | 23. Mai 2013 keystone/tobiasfrieman Silicon BahnhofSBB Die Bundesbahnen stellen Startups in Zürich kostenlos Büros zur Verfügung. Im Gegenzug sollen die Jungunternehmer dem Staatsbetrieb digitale Geschäftsideen liefern. Sven Millischer, Judith Wittwer D ie Zukunft der SBB beginnt an der Kasernenstrasse 95 in Zürich. An bester Lage, gleich neben dem Hauptbahnhof, sind mehrere Internet- Startups auf Einladung der Bundesbah- nen einquartiert. Büros, Sitzungszimmer, Kopier- und Kaffeeautomaten – alles ist kostenlos für die Jungunternehmer im ers- ten Stock des Sihlpost-Gebäudes, wo einst die behäbige SBB-Kreisdirektion III walte- te. Nun brütet die Generation Internet vor ihren Laptops über den ferrovialen Ge- schäftsmodellen der Zukunft. Die Bahn braucht neue Ideen. Das Ge- schäft mit dem Reisen lief auch mal bes- ser. Wegen Wirtschaftsflaute und Fran- kenstärke verlieren die SBB nicht nur Aus- flügler und Touristen – auch der chronisch defizitäre Güterverkehr leidet. Zu schaffen machte dem Konzern zuletzt zudem eine Serie von Zugunfällen. Und viele Bahnrei- sende ärgerten sich über rigide Bussen für falsch gelöste Tickets. Die Bundesbahnen waren bei den Kunden schon beliebter. Umso mehr wollen die SBB die Reisen- den jetzt mit neuen Dienstleistungen an sich binden. Dabei denkt die Bahn nicht nur ans Zugfahren. Die Jungunternehmer in der Sihlpost sollen auf Nebengleisen für zusätzliche Erträge sorgen. Auserwählte im Konzernschoss Der Einzug in den sogenannten «Co- Working-Space» der SBB ist auf Mitte Feb- ruar erfolgt. Wenige Wochen zuvor muss- ten sich rund 45 interessierte Jungunter- nehmen dem Auswahlverfahren stellen, umeinen der fünf begehrtenArbeitsplätze im SBB-Büro zu ergattern. Zuständig für die Selektion war unter anderem Manuel Gerres. Der 29-jährige Deutsche ist seit letztem Herbst bei den SBB verantwortlich für die Bezie- hungspflege zur Jungunter- nehmer-Szene. Zuvor war er Partner beim Berliner Gründerzentrum seedlab. «Ziel ist es, Synergien, Know-how und Netzwerk- expertise zwischen Grün- dern und den SBB zu verstärken und zu- sammen aufzubauen», erklärt Gerres ge- genüber einer Schweizer Startups-Platt- form. Dafür würden Jungunternehmen aus den Geschäftsfeldern Neue Medien, mobile und E-Commerce, digitale Zah- lungssysteme sowie Big Data gesucht. Zu den Auserwählten, die im Konzern- schoss der SBB arbeiten dürfen, gehört die Startup-Firma Park It. Gründerin ist Jas- min Samsudeen. Die 26-jährige Juristin hatte vor gut zwei Jahren die Idee zu einer Parkplatz-App, mit der Autofahrer über das Mobiltelefon ein Parkfeld finden und buchen können. Sie zeigt sich vom Alltag im Co-Working-Space begeistert: «Mit der SBB als Partnerin im Rücken haben wir mehr Beachtung gefunden.» Die SBB sorgen aber nicht nur für die nötige Glaubwürdigkeit und Resonanz. Die Bahnmanager sind selbst an einer Parkplatz-Lösung interessiert, die auf der Park-It-Idee basiert. Denn für die SBB ist die Bewirtschaftung der eigenen Park­ flächen ein attraktives Geschäftsfeld. An 580 der insgesamt 800 Bahnhöfen zählt die SBB derzeit über 26 000 Parkfelder. Tendenz steigend. Zum Vergleich: Der Flughafen Zürich stellt seinen Passagieren rund 10 000 Parkflächen zur Verfügung. Die SBB ist damit im Ge- schäft mit den Parkplätzen ein wichtiger Akteur. Anfang Juni wird Park It zusammen mit den SBB einen Pilot lan- cieren. Vorgestellt werde die mobile App an einer Veran- staltung im Zürcher Co-Working-Space, verrät ein Insider. Dabei handelt es sich of- fenbar um eine mobile Park-and-Rail- Anwendung. Mit der neu entwickelten Smartphone-Applikation sollen die SBB ihre eigenen Parkplätze effizienter bewirt- schaften können. Gleichzeitig sollen die Endkunden einfacher eine SBB-Parkflä- che per Mobiltelefon reservieren können. Nebst digitalen Lösungen für die Park- flächen-Bewirtschaftung wollen die SBB auch ihre Fahrgastinformationen künftig gewinnbringend nutzbar machen. Ein möglicher Puzzlestein hierzu soll die ­Microzahlungslösung des Zürcher Star- tups Millipay bilden. Die SBB wissen schliesslich, wohin ihre Kunden reisen, er- klärt Geschäftsleitungsmitglied Andreas Sprock. «Auf dieser Datenbasis lassen sich Zusatzdienstleistungen entwickeln, die sich dann über ein Micropayment-System wie das unsrige abrechnen liessen.» Denk- bar ist beispielsweise, dass die Bundes- bahnen künftig Auswärtigen für wenige Rappen Informationen ihrer Zieldestina­ tion aufs Mobiltelefon liefern: Einen digi- talen Museumsführer, einen Restaurant- tipp oder den aktuellen Pistenbericht fürs Skigebiet, in das der Bahngast gerade un- terwegs ist. Die Bezahlung der Kleinstbe- träge würde dann über Millipay erfolgen. Es gebe zwar erste Projektideen mit den SBB, sagt Andreas Sprock: «Spruchreif ist aber noch nichts.» Der digitale Verkaufskanal ist für die Bahn bereits heute ein stark wachsender. Im letzten Jahr setzten die SBB fast 10 Pro- zent der Tickets mobil oder übers Internet ab. Dies entspricht einem Plus von knapp 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr. SBB lassen Muskeln spielen Ergänzen wollen die SBB den digitalen Billettautomaten künftig auch um soge- nanntes Social-Media-Shopping, bei dem sich die Bahnkunden auf der Zugreise ge- genseitig Produkte empfehlen. Produkte, die sie später in den Bahnhofsshops kau- fen oder sich an ein persönliches Schliess- fach liefern lassen können. Um die Social-Media-Idee umzuset- zen, lud der Bahnkonzern auch den di­ gitalen Schweizer Pinnwand-Anbieter thingle.com in den Zürcher Co-Working- Space zur Kooperation. Doch rasch wurde klar, dass man sich nicht einig würde. «An- fang April haben wir uns entschieden, nicht mit SBB Digital zusammenzuarbei- ten», sagt Walter Buschta, Marketingchef und Geschäftsleitungsmitglied von thing- le.com. Man sei nun nicht mehr im Co- Working-Space der Bundesbahnen zuge- gen. «Die SBB wollten von uns, dass wir praktisch gratis ein umfangreiches, indivi- dualisiertes Projekt realisieren», erklärt Buschta. «Die Positionen lagen sehr weit auseinander, sodass die SBB ihre Social- Shopping-Pläne nun mit anderen Part- nern versuchen umzusetzen.» Bei der Suche nach gemeinsamen Ge- schäftsmodellen lässt der Bahnkonzern also durchaus seine Muskeln spielen. Vor IdeenklaumüsstendieStartupsaberkeine Angst haben, betont Gerres auf startwerk. ch, allein schon weil die SBB ihren Ruf nicht aufs Spiel setzen könnten. Zudem werde man den Jungunternehmen auch rechtliche Sicherheit bieten. Absichtser- klärungen und Geheimhaltungsvereinba- rungen seien vorgesehen, erklärt Gerres. Stella Schiefer, Gründerin des Ikea- Mitbringservice bringbee.ch, berichtet in- des von unterschiedlichen Interessenla- gen zwischen Konzern und Kleinbetrieb: Jedes Startup habe seine eigene Agenda. Das müssten auch die SBB respektieren: «Wir haben keine Zeit und kein Geld, in ein Projekt zu investieren, das sich am Ende doch nicht realisiert.» Dennoch hofft Schieffer weiterhin darauf, dass sich eine Zusammenarbeit mit den Bundesbahnen ergibt. Allerdings drängt die Zeit. Bald müssen sich die Jungunternehmer eine neue Blei- be suchen. Denn der Co-Working-Space ist ein Provisorium, befristet bis Ende No- vember. Dann sollen die Büroräumlich- keiten in der denkmalgeschützen Sihlpost saniert werden. Halle des Zürcher Hauptbahnhofs: Die Bundesbahnen wollen mit neuen Social-Media-Dienstleistungen die Reisenden stärker an sich binden. Schweizer Gründerszene Auf diese Internet-Startups setzen die SBB Millipay Das Zürcher Startup hat ein ­Java-basiertes Zahlungssystem entwi- ckelt, mit dem im Internet Kleinstbeträge nur mit einem Klick abgerechnet werden können. 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