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LEGISLATIVES THEATER
          zur
         DEMOKRATISIERUNG DER POLITIK
        DURCH THEATER“

                      [Theater der UnterdrĂĽckten] - [Augusto Boal] - [Das Legislative
                       Theater in Rio] - [Legislatives Theater in Deutschland?] - [Das
                      CTO Rio:] - [Wie geht's weiter?] - [Grundlagen des Theater der
                                            UnterdrĂĽckten] - [Literatur] EinfĂĽhrung
                                                                        http://fritz-letsch.de
Fritz Letsch:
                                               und aktuelles auf http://fritz-letsch.blog.de
Erfahrungen mit
                   In englisch ist legislative theatre, using performance to make politics, 1998
dem Einsatz in     bei Routledge London/ New York mit einem Kapitel: Symbolism in Munich erschienen.
der Bildungsarbeit
Center for Theatre of the Oppressed
Rio de Janeiro




           Die Arbeitsgruppe in Rio mit Boal ->
   „


„ Das CTO Rio,
  mit dem Augusto Boal das
  quot;Teatro Legislativoquot;
  entwickelte, baute er nach
  seinem Exil in Europa
  ab 1986 dort wieder auf.


20/06/06                          Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   2
Theater der UnterdrĂĽckten

„
  Das TDU ist
  eine Sammlung von Ăśbungen,
  Spielen und Theatertechniken,
  die eine neue, aktive
  Dimension des Theaters fĂĽr
  alle Beteiligten eröffnen.
„ Es ist weltweit in mehr als 70
  Ländern verbreitet.




20/06/06           Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   3
Spiele, Ăśbungen und Theatertechniken 1

„ sind in die folgenden
  Kategorien eingeteilt:
1. quot;fühlen, was wir berühren“
   zur Erforschung der
   Fähigkeiten in Bewegung,
   Balance und BerĂĽhrung
2. quot;Horchen, was wir hörenquot;
   zur Verbesserung der
   Wahrnehmung von Klang
   und Rhythmus
                  Julian Boal in Linz 2004


20/06/06           Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   4
Spiele, Ăśbungen und Theatertechniken 2

3. quot;Dynamisierung verschiedener Sinnequot;
   zur Anregung und Entwicklung der Sinne
   ohne die Hilfe der Augen

4. quot;wahrnehmen,
was wir sehenquot;
zur
Kommunikation
durch Bilder
in nicht-verbaler
Sprache


20/06/06            Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   5
Die Sprache des Körpers ist international

„ Hier entsteht ein wichtiger Übergang zur interkulturellen
  Kommunikation: Uns in der gemeinsamen be-Deutung
  der Gesten wiederfinden: Was heisst das fĂĽr dich?
„ Nachfragen, statt bei Projektionen hängen zu bleiben!




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Bilder-Theater

„ Fragen, Probleme und Gefühle in konkrete Bilder
  ĂĽbertragen: Haltungen und Spannungen zeigen
„ Das Lesen der Sprache des Körpers bringt ein
  tieferes Verständnis der Fakten und Situationen
„ Bilder-Arbeit schult den Blick für die
  nächste gewünschte und mögliche Veränderung.
„ Statuen können auch zu öffentlichen Galerien werden,
  Bilder werden gemeinsam „gelesen“: Kodierung
  und Dekodierung* fĂĽhrt zu gemeinsamer Bildsprache
„ *die bewusste und gemeinsame Be-Deutung wird
     Gruppensprache
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Zeitungs-Theater

„ Die Nachrichten einer Zeitung in verschiedene
  Formen theatralischer Präsentation bringen:
„ Wer schreibt dort was, in welchem Zusammenhang, was
  steht dort nicht, wer bezahlt für die Veröffentlichung?
„ Wie werden wir informiert, mobilisiert, manipuliert?
„ Wo liegen unsere Auswege und Alternativen?
  Wie kann der Stil interaktiv verbessert werden?
„ Wann macht uns Information müde und resigniert,
  wann motiviert sie uns? Wann lesen wir? Worin?

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Unsichtbares Theater

„ Die Inszenierung einer alltäglichen Szene der
  Unterdrückung zur Präsentation an einem Platz,
  an dem sie wirklich stattfinden könnte.
„ Die ZuschauerInnen nehmen wirklich an dem Ereignis
  teil und reagieren so spontan in der Vorstellung, als
  wäre es ein normaler Vorfall.
„ Die SchauspielerInnen bleiben in ihrer Rolle präsent, bis
  sie sich an einem anderen Ort wieder treffen.
„ Die Szene wird für das Publikum nicht aufgelöst,
  die Vorbereitung braucht ein klares gemeinsames Ziel.

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Forum-Theater

„ In Forum-Theater-Stücken ist die Zentralfigur eine
  unterdrĂĽckte Person, die ihre WĂĽnsche nicht
  verwirklichen kann, weil sie durch eine Figur der
  UnterdrĂĽckung daran gehindert wird.
„ Im ersten Durchlauf soll das Publikum nur
  zusehen,
„ dann beginnt die Szene (mehrmals) von vorne und der
  Joker / die Spielleiterin regt die ZuschauerInnen an,
  in die Szene zu gehen und die Zentralfigur zu ersetzen,
  um je einen anderen Ausgang der Situation zu probieren
  und so viele mögliche Alternativen zu erproben.
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Der Regenbogen der WĂĽnsche


„ holt einzelne „Farben der Emotionen“ auf die
  BĂĽhne
„ Die quot;Boal-Methoden für Theater und Therapiequot; sind eine
  Sammlung therapeutischer und theatraler Techniken zur
  Untersuchung zwischenmenschlicher und persönlicher
  Themen und Anliegen.
„ Die ausführliche Arbeit damit braucht Zeit und Rahmen
     einer vertrauensvollen Gruppe.
„ Der Regenbogen macht die verschiedenen Anteile
  unserer Motive sichtbar und unser Handeln verstehbar.
20/06/06              Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   11
Legislatives Theater

„ setzt den Aufbau von örtlichen Theatergruppen voraus,
  die in Forum-Theater-StĂĽcken ihr Thema vorstellen und
  fĂĽr ein eingeladenes Publikum spielen.
„ Die Änderungsversuche des Publikums werden in
  Berichten festgehalten, die dann mit ExpertInnen auf
  Möglichkeiten für politische, gesetzgebende oder
  rechtliche Aktionen untersucht werden.
„ Ein gemeinsamer Klärungsprozess formuliert und
  diskutiert die neuen Gesetzesvorschläge
„ Das Publikums-Parlament reagiert auf die Eingaben:
  Diskussion und Abstimmung als Meinungsbild
20/06/06           Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   12
Augusto Boal




„ Augusto Boal begann seine Laufbahn als Theaterleiter 1956 und
  entwickelte seitdem seine innovativen, kreativen und erfinderischen
  Fähigkeiten in Zusammenarbeit mit vielen Gruppen und Personen.
„ Seine gegenwärtigen Projekte sind aus der gleichen imaginativen
  und inspirativen Energie geboren, mit der er auch das Teatro de
  Arena in Sao Paulo leitete.
„ Dort baute er ein Seminar für Dramaturgie und ein Laboratorium
  der Interpretation auf, die neue Theater-Talente zum Vorschein
  brachten und die Konzepte des brasilianischen Theaters dieser Zeit
  transformierten. (cto rio)
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1971 Exil     ”für seine Herausforderungen der Militärdiktatur
                                durch sein revolutionäres Theater“


„ Er arbeitet in Peru in einem Alfabetisierungprojekt, das
  die Pädagogik der Unterdrückten von Paulo Freire nutzt
„ In Argentinien schreibt er Bücher, gibt Unterricht,
  produziert StĂĽcke und setzt die Entwicklung des Theater
  der UnterdrĂĽckten fort.
„ Während der 70er Jahre arbeitete er in den meisten
  lateinamerikanischen Ländern, aber die Diktaturen, die
  sich ĂĽber den Kontinent ausbreiteten, zwangen ihn, sich
  nach demokratischen Ländern umzusehen.


20/06/06            Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   14
Er geht 1976 nach Europa,
                                 zuerst nach Portugal, dann nach Frankreich,



„ wo er 1979 in Paris, unterstützt durch das
  Kulturministerium, sein erstes CTO, das Zentrum des
  Theater der UnterdrĂĽckten grĂĽndet. Er lehrt an der
  Sorbonne und anderen europäischen Universitäten.
„ Inzwischen wird das Theater der Unterdrückten in vielen
  Ländern der Welt praktiziert, was seinen Namen
  weltweit bekannt macht.
„ 1980 besucht das Pariser “Zentrum des Theater der
  Unterdrückten” Rio de Janeiro, was langfristig zu Boals
  RĂĽckkehr nach Brasilien fĂĽhrt. 1986 grĂĽndet er das CTO
  Rio und siedelt sich wieder fest in Brasilien an.

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Von der Volkstheaterfabrik zum Vereador

„ Volkstheaterfabrik: Ein Projekt, das eine Gruppe von
     dreissig Kultur-Animatoren mit der Aufgabe der Weitergabe der
     Techniken und der Organisation von Gemeinde-/Community-
     Theatergruppen ausbildet (1986-1987)
„ Gewerkschafts-Workshops: Das CTO Rio hilft diversen
     Gewerkschaften (öffentliche Erziehung / Metallarbeiter / Banken /
     Versicherungen) beim Aufbau von Theatergruppen und bei der
     Vorbereitung öffentlicher Aktionen.
„ Aufbau von Volkstheaterzentren in Zusammenarbeit mit
     progressiven Stadtparlamenten in verschiedenen Städten
     einschlieĂźlich Ipatinga, Betim, Belo Horizonte (MG), Sao Bernado de
     Campo e Campias (SP). Gruppen vor Ort werden zur Förderung und
     Diskussion lokaler Themen organisiert.

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Es begann ganz einfach ...

„ mit dem Angebot der Gruppe um
  Augusto Boal an die Arbeiterpartei PT
  in Rio de Janeiro, 1991 den Rathaus-
  Wahlkampf zu gestalten, wenn diese
  im Gegenzug später für Räume und
  Finanzierung der Grundlagen der
  Theaterarbeit eintreten wĂĽrde.
„ Der Zustimmung folgte die Bitte, auch
  einen Kandidaten fĂĽr die Wahl zum
  Parlament zu benennen,
„ die zuerst nicht so realistisch wirkte,
  da Wahlkampf in Rio auch etwas dem
  Karneval verwandt ist und etwa 1200
  Bewerber für 42 Plätze kandidierten.
                                                                          Ermutigt euch, glĂĽcklich zu sein!
20/06/06                Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio                              17
Ermutigt euch, glĂĽcklich zu sein!

„ Die Presse reagiert auf die neuen politischen Formen positiv,
  das Motto wirkt motivierend, Augusto hat Chancen fĂĽr das
  Amt eines Vereador und es wird klar, daĂź er als Senator seine
  Theater-Gruppe als Mitarbeitende einstellen kann.
„ Der Stab wird mit einigen Fachfrauen zur Verwaltung,
  zu Recht und Organisation erweitert,
„ und bald spielen mehr als zwanzig thematische und regionale
  Gruppen in der 7-Millionenstadt nicht nur ihre eigenen
  Themen und die der aktuellen Rathauspolitik,
„ sondern auch die Anliegen ihrer Umgebung und des
  Publikums auf den Strassen und Plätzen der Stadt.
„ Die Reaktionen und Vorschläge werden aufgezeichnet und
  ausgewertet ...
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Fiestas und die Verwaltung

„ Nach der Einbeziehung der interessierten Mitspielenden kommt eine
  Auseinandersetzung in Gang, die zwischen den Gruppen in Fiestas
  besprochen und vertieft wird und dann fachlich alle Ebenen der
  Verwaltung ergreifen kann:
„ Nach dem behindertengerechten Umbau der vorher für Blinde
  gefährlichen Telefonzellen
„ wird ein Gesetz zum Zeugenschutz auf den Weg gebracht, um
  überhaupt Verbrechen verfolgen zu können, auf den verschiedenen
  Ebenen Initiativen zum Umweltschutz entwickelt und in Kliniken
  Altenmedizin eingerichtet.
„ Die Legislaturperiode endet Dezember 1996, die Gruppe um
  Augusto arbeitet jetzt, mit dem Forum-Theater in den Stadtvierteln
  weiter und mit dem Legislativen Theater auch in andern Ländern.

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Land und Demokratie


„ Arbeit mit den Landlosenprojekten und gegen die
  Ăśbermacht der Gutsbesitzenden, Bodenreformen
„ Austauschprogramme zwischen Brasilien und
  Deutschland, organisiert durch Internationale Dritte-
  Welt- Organisationen seit 1992, weitergefĂĽhrt mit einem
  bundesweiten Curinga-Projekt der PFG 2000 u.a.
„ Die UNESCO würdigt 1994 seine Arbeit mit der quot;Pablo
  Picasso-Medaillequot;, neben vielen anderen Ehrungen
  bekommen er und Paulo Freire 1996 bei einer grossen
  Tagung die Ehrendoktorwürde der Universität Nebraska.

20/06/06           Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   20
Das Legislative Theater entsteht im Parlament

„ Als Theaterleiter verwandelt Augusto Boal die Zuschauer
  in Schauspielende, als Stadtrat oder Senator verwandelt
  er die Wähler zu Gesetzgebenden.
„ Seine Art der Amtsführung eröffnet eine neue Bühne
  des Theater der UnterdrĂĽckten: Das Legislative Theater.
„ Die Ziele seines Mandats sind die Demokratisierung der
  Politik durch Theater und die Entwicklung einer neuen
  Beziehung zwischen Gesetzgebenden und BĂĽrgern.
„ Die Gestaltung der Politik durch Theater ist gleichzeitig
  Ziel, Thema und ErfĂĽllung des Projekts.


20/06/06            Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   21
Das Team ...

„ Während der vier Jahre seines Mandats ist das Team
  der quot;curingasquot; - Joker - Spielleiterinnen - TrainerInnen in
  vielen Teilen der Stadt präsent und organisiert Gruppen
  nach Stadtteil-Identität und ihren besonderen Themen.
„ Es entwickelt Stücke über alle drückenden Themen, die
  dann auf öffentlichen Plätzen, Strassen, in Schulen,
  Krankenhäusern, Gemeindezentren gespielt werden.
„ Wann immer ein Stück vorgestellt wird, ist das Publikum
  eingeladen, auf die BĂĽhne zu kommen,die Hauptfigur zu
  ersetzen, um Lösungen für ihr Problem zu finden.

20/06/06            Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   22
... notiert die Vorschläge:
Die Versuche werden aufgeschrieben und in Berichte verwandelt,
   die von Boals politisch-legislativem Team ausgewertet werden.
  Nach der Analyse werden die möglichen Lösungen
  in Projekte zur Erarbeitung eines neuen Gesetzes,
  in Ă„nderungen existierender Vorschriften, zu Initiativen
  oder auch zur Anregung politischer Aktionen verwandelt.




20/06/06               Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   23
Dialoge auch zwischen den Gruppen

„ Das Mandat regt Dialoge zwischen den Gruppen an, indem es
  “Fiestas” organisiert, die gegenseitiges Verständnis erwecken und
  die quot;Knoten der Solidaritätquot; festigen.
„ Alle zwei Monate bringen Festivals des Theater der Unterdrückten
  die aktuellen Szenen: Theater und Gesetze auf die Plätze der Stadt.




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Chamber in the Street

„ Das Projekt bringt nicht nur die Probleme
  der Bewohnerkreise ins Rathaus, sondern
  auch das Geschehen in der quot;Kammerquot; in
  die Aussenwelt. Experten Asyl MĂĽnchen Marienplatz 1998
„ Parlaments-Sitzungen werden in gediegener Form als
  quot;Der Stadtrat auf den Plätzenquot; organisiert.
„ Legislative Diskussionen über Projekte, die im Stadtrat /
  Senat beginnen und auf den öffentlichen Plätzen
  weitergehen, bekommen dadurch Niveau und Tiefe.
„ Auf diesem Weg kann jeder Vorschlag zur Meinungs-
  bildung und Entscheidung des Parlaments beitragen.
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Legislatives Theater in Deutschland?

„ Zuerst noch schwer vorstellbar, weil hierzulande eher alles
  zu sehr geregelt ist und wir uns sehr daran gewöhnt haben,
  uns von quot;Herrschaftenquot; PolitikerInnen regieren zu lassen.
„ Einerseits muß im Rahmen der Deregulierung auch für
  eine neue Abstimmung unter den BĂĽrgern gesorgt werden,
  unser Konsens mit Gesetz und Steuern und auch
  europäischer Politik und Verfassung neu erzeugt werden,
„ andererseits schwindet das Vertrauen in die
  Parteienpolitik mit deren Unfähigkeit zu direkter
  Kommunikation und ihrer Vermischung struktureller und
  privater Eigeninteressen.
 20/06/06           Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   26
unser Staat? unser Europa?
„ Im Abbau des Sozialstaates und des allgemeinen Gemeinsinns durch
  die reichen und einflußreichen kurz-geschäftsorientierten Schichten
  wird es immer mehr notwendig, daĂź die BĂĽrger sich selbst
  organisieren und fĂĽr neue Sozialstrukturen sorgen, die auch bis in
  internationale Partnerschaften und solidarisches Handeln reichen.




  20/06/06              Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   27
Eine Welt in der MĂĽnchner Agenda 21

„ Das Fachforum entwickelt in Kontakten und Zusammenarbeit dafür
  Projekte, die vom solidarischen Lebensstil fĂĽr Fairen Handel und
  gegen Kinderarbeit bis zur CO2-Reduzierung fĂĽr Zukunft sorgen:
„ Dunkle Geschäfte wie Aktien, Minenproduktion und Waffenhandel,
  MĂĽllexporte und Altkleider-Vermarktung geben sich in unserer Stadt
  zwar oft ehrbares Ansehen, sind aber zentral an den Armuts- und
  FluchtgrĂĽnden beteiligt, die MigrantInnen in ihrer regionalen Armut
  nur noch auf eine Zukunft in unserem reichen Land hoffen lassen.
„ “Ethisch-ökologisch Geld anlegen” thematisiert Zins-Verbrechen, die
  Kampagne gegen ausbeuterische Kinderarbeit, wie z.B. „unfaire
  Arbeitsbedingungen“ in der Herstellung von Fußbällen, Spielzeug,
  Sportkleidung, und auch gegen den Import von Grabsteinen aus
  billiger Kinderarbeit in Indien

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Internationale Festivals des Theater der UnterdrĂĽckten

 „ 7. Internationales Festival des Theater der Unterdrückten in
   Rio
 „ 8. Internationales Festival des Theater der Unterdrückten
    quot;The Ripple Effectquot; Mai / Juni 1997 in Toronto / Canada
 „ 1997 Europäische Konferenz zum Legislativen Theater
 „ 1999 Europa-Treffen Rotterdam + Boal in Wien
 „ 2000 Tour der Curingas quer durch Deutschland
 „ 2004 Augusto und Julian Boal in Wien und Linz
 „ 2005 Projekt in Köln bei ConAction:
 „ www.theatreoftheoppressed.org Link auch auf fritz-letsch.de
 „ Festival in Barcelona April 2007                Forn de teatre Pa'tothom pa_tothom@yahoo.es



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Legislatives Theater

„ Arbeitsweisen
„ Das Projekt in München 1997 in Boals Rückblick:
     SYMBOLISM IN MUNICH




20/06/06               Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   30
Dabei wird immer nach dem gleichen Muster gearbeitet:
FĂĽr FORUM -THEATER


„ bereiten wir mit den Teilnehmenden eine kurze
  Spielszene vor, in der ein quot;Heldquot; exemplarisch scheitert:
  Dem Publikum bleibt vorbehalten, Lösungen für das
  Problem durch Ăśbernahme der Hauptrolle zu finden.

     Auf dieser brechtischen Grundlage, nach der Theater
     immer der Veränderung dient, werden die Versuche und
     Vorschläge des Publikums protokolliert und ins Rathaus
     zur Auswertung und Aufbereitung gegeben, zu Eingaben
     verarbeitet und weiter diskutiert.



20/06/06             Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   31
Vom Theater der UnterdrĂĽckten zum Legislativen Theater



„ Statuen-Arbeit
kann den Blick
schärfen:
Wo haben wir
Druck, woher
kommt er, wo
gebe ich nach?
Der Blick fĂĽr
den Körper löst
ein Tabu
unserer Kultur.
Hier in der Pflege
20/06/06             Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   32
Vom Theater der UnterdrĂĽckten zum Legislativen Theater




1. Europäische Konferenz
Im Oktober 1997 trafen sich gut 30 Theater-KollegInnen aus Brasilien,
   Finnland, Frankreich, den Niederlanden, Schweden, Ă–sterreich und
   Deutschland an der Fachhochschule MĂĽnchen, um die neue
   Anwendung im Feld der Politik für ihre eigenen Länder zu entwickeln.
In vielen Workshops unterrichten sie Interessierte und sich gegenseitig
   zu ihren Arbeitsweisen, im Workshop mit Augusto Boal arbeiten wir
   gemeinsam an möglichen Themen Legislativen Theaters hierzulande.




20/06/06                Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   33
Projekte, die wir dann im Rathaus präsentierten:
•    Gewalt in einer binationalen Ehe bringt die moderne Sklavenhaltung durch
     unser aktuelles Ausländerrecht zutage

•    Eine verdeckte schwul-lesbische Doppel-Hochzeit sollte die Situation einer
     Ausländerin und die Liebe von zwei Paaren schützen und legalisieren

•    Der Stadion-Neubau auf den begrenzten Flächen der Bürger macht
     Geschäfts- Interessen sichtbar - und auch Kultur-Verhältnisse überbezahlter
     Dirigenten?

•    Kann ein garantiertes Grundeinkommen die Situation belasteter Familien
     verbessern?

•    Wer hat wieviel Platz zum Leben und wie gestaltet es sich gemeinsam?

•    Unsere unbewältigte Vergangenheit rülpst ausgerechnet zur Reichs-
     PogromNacht wieder in der quot;Hauptstadt der Bewegungquot;? (nicht vorgestellt)

20/06/06                     Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio      34
Nach öffentlicher Probe und Begrüssung

„ durch Bürgermeister Hep Monatzeder konnten die Gäste mit Joker
  Augusto Boal nach kurzem Aufwärmen aus fünf Szenen wählen, was
  sie am dringendsten verändern wollen.
„ Drei Szenen werden ausführlich bearbeitet,
„ die abschliessend der Stadträtin Jutta Koller überreichten
  quot;Gesetzesvorschlägequot; sind nun natürlich noch nicht genügend mit der
  Bevölkerung diskutiert,
„ sollen aber als Signal dienen, diese neue Möglichkeit der
  BĂĽrgerInnenbeteiligung selbst zu erproben und Initiativen behilflich
  zu sein, entsprechende dialogische Elemente einzusetzen.




20/06/06                Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   35
SYMBOLISM IN MUNICH von Augusto BOAL, ĂĽbersetzt von Fritz Letsch

Der Artikel ist in etwa der AbschluĂź des Buches quot;Legislative Theaterquot; im Routledge Verlag London / New York 1999
     die englische Ăśbersetzung und Erweiterung der quot;Beta-Versionquot; quot;Teatro Legislativoquot;, CIVILIZACAO BRASILEIRA; Rio de Janeiro 1996




Die Paulo-Freire-Gesellschaft, nach dem groĂźen
  brasilianischen Pädagogen benannt, lud mich ein, einige
  Beispiele des Legislativen Theaters in der Stadt MĂĽnchen
  vorzustellen.
Ich erklärte, daß es in Rio ganze vier Jahre gebraucht
  hatte, 13 neue Gesetze zu entwickeln, und daĂź wir in
  nur vier Tagen höchstens eine blasse und symbolische
  Vorstellung davon bringen können, was diese
  Theaterform in der Zukunft in der Stadt MĂĽnchen oder
  an anderen Orten bedeuten könnte.
20/06/06                                      Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio                                         36
Wir begannen unsere Arbeit und bereiteten in vier Tagen
  fĂĽnf kleine Szenen zu UnterdrĂĽckungs-Situationen vor,
  die fĂĽr die 35 Workshop-TeilnehmerInnen
  aufschluĂźreich waren und sie, zumindest indirekt, selbst
  angingen.

Wenn der Hochzeiter seine Frau ausgesucht hat, wird sie
 von der Agentur importiert, die ihr die Hochzeit und ein
 wunderbares, prinzessinenhaftes europäisches Leben
 verspricht. NatĂĽrlich sind diese jungen Frauen sehr arm
 und voller Hoffnung, auch sehr naiv.

20/06/06           Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   37
Wenn sie das Land erreichen ist das Versprechen der
  Agentur erfĂĽllt: Sie heiraten. Einmal verheiratet,
  benimmt sich der Ehemann - in den meisten Fällen,
  nicht immer! - als hätte er eine Sklavin gekauft, und
  behandelt sie entsprechend in der KĂĽche und auch im
  Bett.
Meistens sprechen diese Frauen kein Wort Deutsch und
  haben Schwierigkeiten, diese Sprache zu lernen. Sie
  haben keine FreundInnen und manchmal ist es ihnen
  verboten, ohne ihren Mann auszugehen. Diese
  Ehemänner haben strikte Kontrolle über sie.
Meister und Sklavin.
20/06/06           Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   38
Wenn sich die Frau entscheidet, ihren Mann zu verlassen -
 es ist nicht leicht, aber möglich - ist das einzige
 Problem, daĂź sie automatisch ihre deutsche
 StaatsbĂĽrgerschaft verliert und von der Polizei in ihr
 Land zurĂĽckgeschickt wird. Sie wird bestraft: nicht er!

Während des Forum-Theaters, das wir innerhalb der
 Gruppe dazu machten, bildeten die Teilnehmenden ihre
 Meinung: Wenn ein Vergehen vorliegt - durch eine
 Heirat mit dem Vorteil, die deutsche Nationalität für die
 Frau und eine Sklavin fĂĽr den Mann - sind beide fĂĽr das
 Vergehen verantwortlich, nicht alleine die Frau.
20/06/06           Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   39
Der Vorschlag fĂĽr ein Gesetzesprojekt wurde klar: Die Frau
  sollte mit dem Verlust ihrer Nationalität bestraft werden,
  aber nicht mit der Ausweisung aus Deutschland: Viele
  dieser Frauen haben nicht nur wirtschaftliche Probleme,
  nach Hause zu kommen, sondern auch politische - in
  einigen Fällen kann die Ausweisung ihr Leben
  gefährden.
Der Ehemann, angenommen, daĂź er ebenso verantwortlich
  war, die Heirat zu quot;fälschen / erschleichen ...quot; sollte mit
  einer kurzen Gefängniszeit bestraft werden, um ihn von
  weiteren Heiraten mit ausländischen Frauen zur
  AusnĂĽtzung ihrer Notlage abzuschrecken.
20/06/06            Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   40
Andere kurze Szenen wurden zu Sozialer Sicherheit /
  Mindesteinkommen, schwul-lesbischer Ehe, der
  Nutzung öffentlichen Raumes für private Aktivitäten
  etc. entwickelt.
FĂĽr den fĂĽnften Tag hatte Fritz Letsch von der Paulo-
  Freire-Gesellschaft die Gelegenheit vorbereitet, die
  Forum-Theater-Szenen im Sitzungssaal des
  Rathauses zu zeigen und lud dazu viele
  PolitikerInnen, einschlieĂźlich den BĂĽrgermeistern,
  ein.

20/06/06          Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   41
Der OB konnte nicht kommen, er hatte an diesem Tag 50. Geburtstag.


„ Einige Leute kamen um 11 Uhr morgens ins
  Rathaus, als wir für die Präsentation um 13.30 Uhr
  probten.
„ Darunter war eine alte Dame mit ganz weissen
  Haaren und Stock. Sie war bei der öffentlichen
  Vorstellung der Methoden am ersten Workshop-Tag,
  an dem ich die Funktion des Legislativen Theater
  erklärte.



20/06/06              Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   42
Die alte Dame ...


„ Ich erinnere mich daran, weil während des
  Gesprächs nach meinen Ausführungen eine andere
  Frau sagte, daĂź dieser ProzeĂź wohl in Brasilien gut
  funktionierte, weil wir in Brasilien Brasilianer sind
  (womit sie wohl meinte, daĂź wir tanzen und singen,
  was nicht unbedingt auf alle von uns zutrifft ...) und
  daĂź wir extrovertierte Leute sind.
„ Aber - so meinte sie - das geht nicht in einem Land
  wie Deutschland, wo die Leute mehr introvertiert,
  weniger nach auĂźen gehend sind. Sie dachte dabei
  nicht an's Oktoberfest!

20/06/06           Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   43
„ Ich antwortete, daß ich regelmäßig die gleiche
  Vorhersage hörte, als ich das Theater der
  UnterdrĂĽckten in Europa vorstellte - und doch:
„ Heute wird das Theater der Unterdrückten in fast
  allen europäischen Ländern angewandt, und auch
  immer mehr.
„ Natürlich müssen die Leute in jedem Land die
  Methoden auf ihre eigene Kultur, Sprache, WĂĽnsche
  und Notwendigkeiten ĂĽbertragen.
„ TO ist keine Bibel, kein Rezeptbuch, es ist eine
  Methode zum Gebrauch durch die Menschen, und
  diese sind wichtiger als die Methoden.
20/06/06         Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   44
„ Das gleiche kann mit dem Legislativen Theater
  geschehen:
„ In jedem Land muß es seine eigene Anwendung auf
  die realen Situationen finden.
„ Aber die Frau blieb in jener Nacht bei ihrer Meinung
  und die alte Dame mit den weissen Haaren und
  ihrem schönen Stock an ihrer Seite sagte nichts.




20/06/06          Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   45
Als wir die Vorstellung im Rathaus begannen, erklärte
  ich, daĂź wir nur einen symbolischen AnlaĂź haben,
  wir hatten nicht den ganzen Vorgang des
  Legislativen Theaters durchlaufen, wir hatten nicht
  viele Vorstellungen vor verschiedenen Arten von
  Publikum, wir hatten keine quot;Sitzung auf den
  Strassenquot; ĂĽber die Probleme, die in den Szenen
  gezeigt wurden, wir hatten keine quot;interaktive
  Mailing-Listquot;, um Menschen zu befragen, die
  hilfreich sein könnten, ein Gesetz vorzubereiten und
  deren Fachwissen uns quot;erleuchtenquot; könnte.

20/06/06          Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   46
Dagegen schrieben wir die Gesetzesprojekte selbst,
   was wirklich nicht der richtige Weg wäre.
So konnte unsere Präsentation im Rathaus nur
   symbolischen Wert haben. -
- Und natĂĽrlich den Lerneffekt des Workshops, das
   Hauptziel der Europäischen Fachtagung zur
   Theaterpädagogik und dem Legislativen Theater.




20/06/06          Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   47
Nach meiner Einleitung spielten wir die Szenen, das
  Publikum entschied sich fĂĽr drei von ihnen,
  einschlieĂźlich der Sklavinnen-Szene, und wir
  arbeiteten mit Forum-Methoden daran.
Viele Teilnehmende griffen ein, sogar die Mitarbeiterin
  des BĂĽrgermeisters.
Die meisten Veränderungen in der Sklaven-Szene
  waren unseren eigenen ähnlich.




20/06/06          Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   48
Zum AbschluĂź der Veranstaltung ĂĽberreichten wir
  unsere Gesetzesprojekte - jemand hatte wunderbare
  Buchstaben auf feines Papier geschrieben, um die
  Stadträte zu beeindrucken.
Jutta Koller von den GrĂĽnen / BĂĽndnis 90 / Rosa Liste
  war sehr freundlich zu uns und meinte, daĂź sie den
  symbolischen Charakter des Anlasses verstĂĽnde, aber
  trotzdem würde sie die Gesetzesvorschläge den
  grünen Stadträten zur Berücksichtigung vorschlagen.



20/06/06          Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   49
„ Wir waren sehr glücklich. Auf ihrem Weg zum
  Ausgang kam die alte Dame mit dem Stock und den
  weissen Haaren zu mir: Sie war eine der Ersten, die
  kamen, und eine der Letzten, zu Gehen.
„ Sie rief mich und meinte:
„ Es ist sehr unterhaltsam, was sie gemacht haben.
„ Ich stimme Ihnen zu und ich weiß, daß es nur eine
  symbolische Aktion ist.
„ Aber es war sehr wichtig für mich: Sie haben
  gezeigt, daß es möglich ist.
20/06/06          Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   50
„ Und ich hätte mir nie träumen lassen, daß Leute,
  gewöhnliche Menschen, Leute wie wir, zusammen
  kommen könnten, Theater über ihre Probleme zu
  machen, sie auf der BĂĽhne diskutieren, und sich
  dann hinsetzen, ein neues Gesetz zu schreiben ...
„ Ich stimme mit Ihnen überein: Wir müssen unsere
  WĂĽnsche Gesetz werden lassen!
„ Ich muß sagen, daß ich glücklich war.




20/06/06          Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   51
Von den Grundlagen des Theater der UnterdrĂĽckten ...

sind hierzulande nur die ersten Methoden bekannt,
   wie sie auch im suhrkamp-BĂĽchlein beschrieben
   sind:
Das STATUEN-THEATER
das FORUM-THEATER
das UNSICHTBARE THEATER
(oft als “verstecktes Theater” wie damals “versteckte Kamera”
   eher gegen ein Publikum verwendet, als Bewusstsein fĂĽr die
   Situationen unserer tabuisierten Verhältnisse zu schaffen ...)



20/06/06              Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   52
FORUM-THEATER


„ holt die Antwort für eine Problematik aus dem Publikum: Es kann
  eine Szene, die von einer Gruppe mit schlechtem Ausgang
  vorgestellt wird, anders zu Ende zu spielen, indem jemand in die
  Rolle der UnterdrĂĽckten einsteigt. CTO-Mitarbeiter bei Bert Brecht in Berlin 2000




20/06/06                     Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio          53
Das UNSICHTBARE THEATER


„ stammt aus der Zeit der Zensur: Was ist bei uns so verboten und
  tabu, daß wir es mit einer öffentlichen Szene erproben sollten, von
  der niemand erfährt, daß es Theater war? In der Aktionsforschung
  findet es heute adäquate Anwendung.

„ ... bis zu psychologischen Methoden ...
„ Die Arbeit am Tabu: fünf Finger
„ Faustregel als Orientierung:
           Sexualität
      Ć’
           Geld
      Ć’
           Philosophie
      Ć’
           Beziehungen
      Ć’
           Anders sein
      Ć’

20/06/06                 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   54
Der POLIZIST IM KOPF und der REGENBOGEN DER WĂśNSCHE


„ sind hilfreiche Techniken, unsere Gedanken zu ordnen und den
  Blick auf die Wirklichkeit mit den Augen der Anderen zu ĂĽben.

„ ... und zur politischen Umsetzung
  reicht die Palette der Anwendungen auch hierzulande: Vor allem in
  der politischen Bildung, aber auch in der Aus- und Fortbildung bei
  SozialpädagogInnen sind die Methoden an vielen Hochschulen
  bereits Standard, wogegen die direkte Anwendung in politischen
  Aktionsgruppen mangels konzentrierter längerer Entwicklungsarbeit
  zurĂĽckgegangen ist.




20/06/06               Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   55
Wie geht's weiter?


„ In diesen 25 Jahren, in denen sich das Theater der Unterdrückten
  in der Welt verbreitete, wurde es in allen seinen Dimensionen
  genutzt: Pädagogisch, Sozial und Therapeutisch. Aber ohne jeden
  Zweifel wurde 1993 -96 in Brasilien am klarsten seine politischer
  Kontext mit dem Legislativen Theater entwickelt.
„ Neue Bedeutung könnte den bewußtseinsbildenden Faktoren
  zukommen, wenn Grundlagen für längerfristig arbeitende
  Theatergruppen auch auf beruflicher Ebene geschaffen werden
  könnten, die Auftragsarbeiten wie Aids-, Gewalt- und
  Suchtprävention, Konfliktbearbeitung und Bürgerbeteiligung
  professionell ĂĽbernehmen.
„ Bislang sind die innovationsbereiten Einrichtungen meist nicht mit
  den Finanzen gesegnet ... und umgekehrt.

20/06/06               Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio   56
Literatur:                   reichhaltige Materialien auf http://fritz-letsch.de



    Augusto Boal: Games for Actors and Non-Actors, Legislative Theater ...
„
    Daniel Feldhendler: Psychodrama und Theater der UnterdrĂĽckten, erweitert, ffm 92 und: Das
„
    Leben in Szene setzen! Ansätze für eine fremdsprachliche Dramaturgie, in: Die Neueren
    Sprachen, Bd. 90 Heft 2,April 1991 Diesterweg ffm und: Einsatz von Dramaturgischen und
    Psychodramatischen Lehr- und Lernformen in der Fremdsprachenausbildung, in: Praktische
    Handreichungen fĂĽr den Fremdsprachenlehrer, Hg: Jung, Udo O.H.

    Videofilm: quot;Theater, wie im richtigen Leben!quot; interkulturelles schul - theaterprojekt quot;miteinander
„
    reden lernenquot;, Verleih und Bezug ĂĽber das Inkomm, INKOMM Projektzentrum interkulturelle
    Kommunikation, Rupprechtstr. 25-27, 80636 MĂĽnchen,tel. 089-121643-06,fax 089-121643-07
    Euro20.- fĂĽr Einrichtungen (mit AuffĂĽhrungsrecht) und Euro12,50- fĂĽr Privat.

    Fritz Letsch, Theater macht Politik, Die Methoden des Teotro Oprimido in der
„
    Jugendbildungsarbeit, Werkstattbuch in der Reihe quot;Gautinger Protokollequot;,
    www.institutgauting.de
    erhältlich im Institut für Jugendarbeit des Bayrischen Jugendrings, Germeringerstr. 30, 82131
    Gauting fĂĽr ca. Euro 8.- + Porto & Verpackung
    Helmut Wiegand (Hg): Theater im Dialog: heiter, aufmĂĽpfig und demokratisch: Deutsche und
„
    europäische Anwendungen des Theaters der Unterdrückten. Mit einem Beitrag von Augusto Boal.

     als   Buch bei mir oder im ibidem-Verlag Legislatives Theater beim CTO Rio
                                     Fritz Letsch: zu haben: http://www.theaterderunterdrueckten.de
20/06/06                                                                                              57

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Legislativ2

  • 1. LEGISLATIVES THEATER zur DEMOKRATISIERUNG DER POLITIK DURCH THEATER“ [Theater der UnterdrĂĽckten] - [Augusto Boal] - [Das Legislative Theater in Rio] - [Legislatives Theater in Deutschland?] - [Das CTO Rio:] - [Wie geht's weiter?] - [Grundlagen des Theater der UnterdrĂĽckten] - [Literatur] EinfĂĽhrung http://fritz-letsch.de Fritz Letsch: und aktuelles auf http://fritz-letsch.blog.de Erfahrungen mit In englisch ist legislative theatre, using performance to make politics, 1998 dem Einsatz in bei Routledge London/ New York mit einem Kapitel: Symbolism in Munich erschienen. der Bildungsarbeit
  • 2. Center for Theatre of the Oppressed Rio de Janeiro Die Arbeitsgruppe in Rio mit Boal -> „ „ Das CTO Rio, mit dem Augusto Boal das quot;Teatro Legislativoquot; entwickelte, baute er nach seinem Exil in Europa ab 1986 dort wieder auf. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 2
  • 3. Theater der UnterdrĂĽckten „ Das TDU ist eine Sammlung von Ăśbungen, Spielen und Theatertechniken, die eine neue, aktive Dimension des Theaters fĂĽr alle Beteiligten eröffnen. „ Es ist weltweit in mehr als 70 Ländern verbreitet. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 3
  • 4. Spiele, Ăśbungen und Theatertechniken 1 „ sind in die folgenden Kategorien eingeteilt: 1. quot;fĂĽhlen, was wir berĂĽhren“ zur Erforschung der Fähigkeiten in Bewegung, Balance und BerĂĽhrung 2. quot;Horchen, was wir hörenquot; zur Verbesserung der Wahrnehmung von Klang und Rhythmus Julian Boal in Linz 2004 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 4
  • 5. Spiele, Ăśbungen und Theatertechniken 2 3. quot;Dynamisierung verschiedener Sinnequot; zur Anregung und Entwicklung der Sinne ohne die Hilfe der Augen 4. quot;wahrnehmen, was wir sehenquot; zur Kommunikation durch Bilder in nicht-verbaler Sprache 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 5
  • 6. Die Sprache des Körpers ist international „ Hier entsteht ein wichtiger Ăśbergang zur interkulturellen Kommunikation: Uns in der gemeinsamen be-Deutung der Gesten wiederfinden: Was heisst das fĂĽr dich? „ Nachfragen, statt bei Projektionen hängen zu bleiben! 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 6
  • 7. Bilder-Theater „ Fragen, Probleme und GefĂĽhle in konkrete Bilder ĂĽbertragen: Haltungen und Spannungen zeigen „ Das Lesen der Sprache des Körpers bringt ein tieferes Verständnis der Fakten und Situationen „ Bilder-Arbeit schult den Blick fĂĽr die nächste gewĂĽnschte und mögliche Veränderung. „ Statuen können auch zu öffentlichen Galerien werden, Bilder werden gemeinsam „gelesen“: Kodierung und Dekodierung* fĂĽhrt zu gemeinsamer Bildsprache „ *die bewusste und gemeinsame Be-Deutung wird Gruppensprache 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 7
  • 8. Zeitungs-Theater „ Die Nachrichten einer Zeitung in verschiedene Formen theatralischer Präsentation bringen: „ Wer schreibt dort was, in welchem Zusammenhang, was steht dort nicht, wer bezahlt fĂĽr die Veröffentlichung? „ Wie werden wir informiert, mobilisiert, manipuliert? „ Wo liegen unsere Auswege und Alternativen? Wie kann der Stil interaktiv verbessert werden? „ Wann macht uns Information mĂĽde und resigniert, wann motiviert sie uns? Wann lesen wir? Worin? 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 8
  • 9. Unsichtbares Theater „ Die Inszenierung einer alltäglichen Szene der UnterdrĂĽckung zur Präsentation an einem Platz, an dem sie wirklich stattfinden könnte. „ Die ZuschauerInnen nehmen wirklich an dem Ereignis teil und reagieren so spontan in der Vorstellung, als wäre es ein normaler Vorfall. „ Die SchauspielerInnen bleiben in ihrer Rolle präsent, bis sie sich an einem anderen Ort wieder treffen. „ Die Szene wird fĂĽr das Publikum nicht aufgelöst, die Vorbereitung braucht ein klares gemeinsames Ziel. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 9
  • 10. Forum-Theater „ In Forum-Theater-StĂĽcken ist die Zentralfigur eine unterdrĂĽckte Person, die ihre WĂĽnsche nicht verwirklichen kann, weil sie durch eine Figur der UnterdrĂĽckung daran gehindert wird. „ Im ersten Durchlauf soll das Publikum nur zusehen, „ dann beginnt die Szene (mehrmals) von vorne und der Joker / die Spielleiterin regt die ZuschauerInnen an, in die Szene zu gehen und die Zentralfigur zu ersetzen, um je einen anderen Ausgang der Situation zu probieren und so viele mögliche Alternativen zu erproben. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 10
  • 11. Der Regenbogen der WĂĽnsche „ holt einzelne „Farben der Emotionen“ auf die BĂĽhne „ Die quot;Boal-Methoden fĂĽr Theater und Therapiequot; sind eine Sammlung therapeutischer und theatraler Techniken zur Untersuchung zwischenmenschlicher und persönlicher Themen und Anliegen. „ Die ausfĂĽhrliche Arbeit damit braucht Zeit und Rahmen einer vertrauensvollen Gruppe. „ Der Regenbogen macht die verschiedenen Anteile unserer Motive sichtbar und unser Handeln verstehbar. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 11
  • 12. Legislatives Theater „ setzt den Aufbau von örtlichen Theatergruppen voraus, die in Forum-Theater-StĂĽcken ihr Thema vorstellen und fĂĽr ein eingeladenes Publikum spielen. „ Die Ă„nderungsversuche des Publikums werden in Berichten festgehalten, die dann mit ExpertInnen auf Möglichkeiten fĂĽr politische, gesetzgebende oder rechtliche Aktionen untersucht werden. „ Ein gemeinsamer Klärungsprozess formuliert und diskutiert die neuen Gesetzesvorschläge „ Das Publikums-Parlament reagiert auf die Eingaben: Diskussion und Abstimmung als Meinungsbild 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 12
  • 13. Augusto Boal „ Augusto Boal begann seine Laufbahn als Theaterleiter 1956 und entwickelte seitdem seine innovativen, kreativen und erfinderischen Fähigkeiten in Zusammenarbeit mit vielen Gruppen und Personen. „ Seine gegenwärtigen Projekte sind aus der gleichen imaginativen und inspirativen Energie geboren, mit der er auch das Teatro de Arena in Sao Paulo leitete. „ Dort baute er ein Seminar fĂĽr Dramaturgie und ein Laboratorium der Interpretation auf, die neue Theater-Talente zum Vorschein brachten und die Konzepte des brasilianischen Theaters dieser Zeit transformierten. (cto rio) 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 13
  • 14. 1971 Exil ”fĂĽr seine Herausforderungen der Militärdiktatur durch sein revolutionäres Theater“ „ Er arbeitet in Peru in einem Alfabetisierungprojekt, das die Pädagogik der UnterdrĂĽckten von Paulo Freire nutzt „ In Argentinien schreibt er BĂĽcher, gibt Unterricht, produziert StĂĽcke und setzt die Entwicklung des Theater der UnterdrĂĽckten fort. „ Während der 70er Jahre arbeitete er in den meisten lateinamerikanischen Ländern, aber die Diktaturen, die sich ĂĽber den Kontinent ausbreiteten, zwangen ihn, sich nach demokratischen Ländern umzusehen. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 14
  • 15. Er geht 1976 nach Europa, zuerst nach Portugal, dann nach Frankreich, „ wo er 1979 in Paris, unterstĂĽtzt durch das Kulturministerium, sein erstes CTO, das Zentrum des Theater der UnterdrĂĽckten grĂĽndet. Er lehrt an der Sorbonne und anderen europäischen Universitäten. „ Inzwischen wird das Theater der UnterdrĂĽckten in vielen Ländern der Welt praktiziert, was seinen Namen weltweit bekannt macht. „ 1980 besucht das Pariser “Zentrum des Theater der UnterdrĂĽckten” Rio de Janeiro, was langfristig zu Boals RĂĽckkehr nach Brasilien fĂĽhrt. 1986 grĂĽndet er das CTO Rio und siedelt sich wieder fest in Brasilien an. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 15
  • 16. Von der Volkstheaterfabrik zum Vereador „ Volkstheaterfabrik: Ein Projekt, das eine Gruppe von dreissig Kultur-Animatoren mit der Aufgabe der Weitergabe der Techniken und der Organisation von Gemeinde-/Community- Theatergruppen ausbildet (1986-1987) „ Gewerkschafts-Workshops: Das CTO Rio hilft diversen Gewerkschaften (öffentliche Erziehung / Metallarbeiter / Banken / Versicherungen) beim Aufbau von Theatergruppen und bei der Vorbereitung öffentlicher Aktionen. „ Aufbau von Volkstheaterzentren in Zusammenarbeit mit progressiven Stadtparlamenten in verschiedenen Städten einschlieĂźlich Ipatinga, Betim, Belo Horizonte (MG), Sao Bernado de Campo e Campias (SP). Gruppen vor Ort werden zur Förderung und Diskussion lokaler Themen organisiert. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 16
  • 17. Es begann ganz einfach ... „ mit dem Angebot der Gruppe um Augusto Boal an die Arbeiterpartei PT in Rio de Janeiro, 1991 den Rathaus- Wahlkampf zu gestalten, wenn diese im Gegenzug später fĂĽr Räume und Finanzierung der Grundlagen der Theaterarbeit eintreten wĂĽrde. „ Der Zustimmung folgte die Bitte, auch einen Kandidaten fĂĽr die Wahl zum Parlament zu benennen, „ die zuerst nicht so realistisch wirkte, da Wahlkampf in Rio auch etwas dem Karneval verwandt ist und etwa 1200 Bewerber fĂĽr 42 Plätze kandidierten. Ermutigt euch, glĂĽcklich zu sein! 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 17
  • 18. Ermutigt euch, glĂĽcklich zu sein! „ Die Presse reagiert auf die neuen politischen Formen positiv, das Motto wirkt motivierend, Augusto hat Chancen fĂĽr das Amt eines Vereador und es wird klar, daĂź er als Senator seine Theater-Gruppe als Mitarbeitende einstellen kann. „ Der Stab wird mit einigen Fachfrauen zur Verwaltung, zu Recht und Organisation erweitert, „ und bald spielen mehr als zwanzig thematische und regionale Gruppen in der 7-Millionenstadt nicht nur ihre eigenen Themen und die der aktuellen Rathauspolitik, „ sondern auch die Anliegen ihrer Umgebung und des Publikums auf den Strassen und Plätzen der Stadt. „ Die Reaktionen und Vorschläge werden aufgezeichnet und ausgewertet ... 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 18
  • 19. Fiestas und die Verwaltung „ Nach der Einbeziehung der interessierten Mitspielenden kommt eine Auseinandersetzung in Gang, die zwischen den Gruppen in Fiestas besprochen und vertieft wird und dann fachlich alle Ebenen der Verwaltung ergreifen kann: „ Nach dem behindertengerechten Umbau der vorher fĂĽr Blinde gefährlichen Telefonzellen „ wird ein Gesetz zum Zeugenschutz auf den Weg gebracht, um ĂĽberhaupt Verbrechen verfolgen zu können, auf den verschiedenen Ebenen Initiativen zum Umweltschutz entwickelt und in Kliniken Altenmedizin eingerichtet. „ Die Legislaturperiode endet Dezember 1996, die Gruppe um Augusto arbeitet jetzt, mit dem Forum-Theater in den Stadtvierteln weiter und mit dem Legislativen Theater auch in andern Ländern. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 19
  • 20. Land und Demokratie „ Arbeit mit den Landlosenprojekten und gegen die Ăśbermacht der Gutsbesitzenden, Bodenreformen „ Austauschprogramme zwischen Brasilien und Deutschland, organisiert durch Internationale Dritte- Welt- Organisationen seit 1992, weitergefĂĽhrt mit einem bundesweiten Curinga-Projekt der PFG 2000 u.a. „ Die UNESCO wĂĽrdigt 1994 seine Arbeit mit der quot;Pablo Picasso-Medaillequot;, neben vielen anderen Ehrungen bekommen er und Paulo Freire 1996 bei einer grossen Tagung die EhrendoktorwĂĽrde der Universität Nebraska. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 20
  • 21. Das Legislative Theater entsteht im Parlament „ Als Theaterleiter verwandelt Augusto Boal die Zuschauer in Schauspielende, als Stadtrat oder Senator verwandelt er die Wähler zu Gesetzgebenden. „ Seine Art der AmtsfĂĽhrung eröffnet eine neue BĂĽhne des Theater der UnterdrĂĽckten: Das Legislative Theater. „ Die Ziele seines Mandats sind die Demokratisierung der Politik durch Theater und die Entwicklung einer neuen Beziehung zwischen Gesetzgebenden und BĂĽrgern. „ Die Gestaltung der Politik durch Theater ist gleichzeitig Ziel, Thema und ErfĂĽllung des Projekts. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 21
  • 22. Das Team ... „ Während der vier Jahre seines Mandats ist das Team der quot;curingasquot; - Joker - Spielleiterinnen - TrainerInnen in vielen Teilen der Stadt präsent und organisiert Gruppen nach Stadtteil-Identität und ihren besonderen Themen. „ Es entwickelt StĂĽcke ĂĽber alle drĂĽckenden Themen, die dann auf öffentlichen Plätzen, Strassen, in Schulen, Krankenhäusern, Gemeindezentren gespielt werden. „ Wann immer ein StĂĽck vorgestellt wird, ist das Publikum eingeladen, auf die BĂĽhne zu kommen,die Hauptfigur zu ersetzen, um Lösungen fĂĽr ihr Problem zu finden. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 22
  • 23. ... notiert die Vorschläge: Die Versuche werden aufgeschrieben und in Berichte verwandelt, die von Boals politisch-legislativem Team ausgewertet werden. Nach der Analyse werden die möglichen Lösungen in Projekte zur Erarbeitung eines neuen Gesetzes, in Ă„nderungen existierender Vorschriften, zu Initiativen oder auch zur Anregung politischer Aktionen verwandelt. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 23
  • 24. Dialoge auch zwischen den Gruppen „ Das Mandat regt Dialoge zwischen den Gruppen an, indem es “Fiestas” organisiert, die gegenseitiges Verständnis erwecken und die quot;Knoten der Solidaritätquot; festigen. „ Alle zwei Monate bringen Festivals des Theater der UnterdrĂĽckten die aktuellen Szenen: Theater und Gesetze auf die Plätze der Stadt. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 24
  • 25. Chamber in the Street „ Das Projekt bringt nicht nur die Probleme der Bewohnerkreise ins Rathaus, sondern auch das Geschehen in der quot;Kammerquot; in die Aussenwelt. Experten Asyl MĂĽnchen Marienplatz 1998 „ Parlaments-Sitzungen werden in gediegener Form als quot;Der Stadtrat auf den Plätzenquot; organisiert. „ Legislative Diskussionen ĂĽber Projekte, die im Stadtrat / Senat beginnen und auf den öffentlichen Plätzen weitergehen, bekommen dadurch Niveau und Tiefe. „ Auf diesem Weg kann jeder Vorschlag zur Meinungs- bildung und Entscheidung des Parlaments beitragen. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 25
  • 26. Legislatives Theater in Deutschland? „ Zuerst noch schwer vorstellbar, weil hierzulande eher alles zu sehr geregelt ist und wir uns sehr daran gewöhnt haben, uns von quot;Herrschaftenquot; PolitikerInnen regieren zu lassen. „ Einerseits muĂź im Rahmen der Deregulierung auch fĂĽr eine neue Abstimmung unter den BĂĽrgern gesorgt werden, unser Konsens mit Gesetz und Steuern und auch europäischer Politik und Verfassung neu erzeugt werden, „ andererseits schwindet das Vertrauen in die Parteienpolitik mit deren Unfähigkeit zu direkter Kommunikation und ihrer Vermischung struktureller und privater Eigeninteressen. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 26
  • 27. unser Staat? unser Europa? „ Im Abbau des Sozialstaates und des allgemeinen Gemeinsinns durch die reichen und einfluĂźreichen kurz-geschäftsorientierten Schichten wird es immer mehr notwendig, daĂź die BĂĽrger sich selbst organisieren und fĂĽr neue Sozialstrukturen sorgen, die auch bis in internationale Partnerschaften und solidarisches Handeln reichen. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 27
  • 28. Eine Welt in der MĂĽnchner Agenda 21 „ Das Fachforum entwickelt in Kontakten und Zusammenarbeit dafĂĽr Projekte, die vom solidarischen Lebensstil fĂĽr Fairen Handel und gegen Kinderarbeit bis zur CO2-Reduzierung fĂĽr Zukunft sorgen: „ Dunkle Geschäfte wie Aktien, Minenproduktion und Waffenhandel, MĂĽllexporte und Altkleider-Vermarktung geben sich in unserer Stadt zwar oft ehrbares Ansehen, sind aber zentral an den Armuts- und FluchtgrĂĽnden beteiligt, die MigrantInnen in ihrer regionalen Armut nur noch auf eine Zukunft in unserem reichen Land hoffen lassen. „ “Ethisch-ökologisch Geld anlegen” thematisiert Zins-Verbrechen, die Kampagne gegen ausbeuterische Kinderarbeit, wie z.B. „unfaire Arbeitsbedingungen“ in der Herstellung von FuĂźbällen, Spielzeug, Sportkleidung, und auch gegen den Import von Grabsteinen aus billiger Kinderarbeit in Indien 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 28
  • 29. Internationale Festivals des Theater der UnterdrĂĽckten „ 7. Internationales Festival des Theater der UnterdrĂĽckten in Rio „ 8. Internationales Festival des Theater der UnterdrĂĽckten quot;The Ripple Effectquot; Mai / Juni 1997 in Toronto / Canada „ 1997 Europäische Konferenz zum Legislativen Theater „ 1999 Europa-Treffen Rotterdam + Boal in Wien „ 2000 Tour der Curingas quer durch Deutschland „ 2004 Augusto und Julian Boal in Wien und Linz „ 2005 Projekt in Köln bei ConAction: „ www.theatreoftheoppressed.org Link auch auf fritz-letsch.de „ Festival in Barcelona April 2007 Forn de teatre Pa'tothom pa_tothom@yahoo.es 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 29
  • 30. Legislatives Theater „ Arbeitsweisen „ Das Projekt in MĂĽnchen 1997 in Boals RĂĽckblick: SYMBOLISM IN MUNICH 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 30
  • 31. Dabei wird immer nach dem gleichen Muster gearbeitet: FĂĽr FORUM -THEATER „ bereiten wir mit den Teilnehmenden eine kurze Spielszene vor, in der ein quot;Heldquot; exemplarisch scheitert: Dem Publikum bleibt vorbehalten, Lösungen fĂĽr das Problem durch Ăśbernahme der Hauptrolle zu finden. Auf dieser brechtischen Grundlage, nach der Theater immer der Veränderung dient, werden die Versuche und Vorschläge des Publikums protokolliert und ins Rathaus zur Auswertung und Aufbereitung gegeben, zu Eingaben verarbeitet und weiter diskutiert. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 31
  • 32. Vom Theater der UnterdrĂĽckten zum Legislativen Theater „ Statuen-Arbeit kann den Blick schärfen: Wo haben wir Druck, woher kommt er, wo gebe ich nach? Der Blick fĂĽr den Körper löst ein Tabu unserer Kultur. Hier in der Pflege 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 32
  • 33. Vom Theater der UnterdrĂĽckten zum Legislativen Theater 1. Europäische Konferenz Im Oktober 1997 trafen sich gut 30 Theater-KollegInnen aus Brasilien, Finnland, Frankreich, den Niederlanden, Schweden, Ă–sterreich und Deutschland an der Fachhochschule MĂĽnchen, um die neue Anwendung im Feld der Politik fĂĽr ihre eigenen Länder zu entwickeln. In vielen Workshops unterrichten sie Interessierte und sich gegenseitig zu ihren Arbeitsweisen, im Workshop mit Augusto Boal arbeiten wir gemeinsam an möglichen Themen Legislativen Theaters hierzulande. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 33
  • 34. Projekte, die wir dann im Rathaus präsentierten: • Gewalt in einer binationalen Ehe bringt die moderne Sklavenhaltung durch unser aktuelles Ausländerrecht zutage • Eine verdeckte schwul-lesbische Doppel-Hochzeit sollte die Situation einer Ausländerin und die Liebe von zwei Paaren schĂĽtzen und legalisieren • Der Stadion-Neubau auf den begrenzten Flächen der BĂĽrger macht Geschäfts- Interessen sichtbar - und auch Kultur-Verhältnisse ĂĽberbezahlter Dirigenten? • Kann ein garantiertes Grundeinkommen die Situation belasteter Familien verbessern? • Wer hat wieviel Platz zum Leben und wie gestaltet es sich gemeinsam? • Unsere unbewältigte Vergangenheit rĂĽlpst ausgerechnet zur Reichs- PogromNacht wieder in der quot;Hauptstadt der Bewegungquot;? (nicht vorgestellt) 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 34
  • 35. Nach öffentlicher Probe und BegrĂĽssung „ durch BĂĽrgermeister Hep Monatzeder konnten die Gäste mit Joker Augusto Boal nach kurzem Aufwärmen aus fĂĽnf Szenen wählen, was sie am dringendsten verändern wollen. „ Drei Szenen werden ausfĂĽhrlich bearbeitet, „ die abschliessend der Stadträtin Jutta Koller ĂĽberreichten quot;Gesetzesvorschlägequot; sind nun natĂĽrlich noch nicht genĂĽgend mit der Bevölkerung diskutiert, „ sollen aber als Signal dienen, diese neue Möglichkeit der BĂĽrgerInnenbeteiligung selbst zu erproben und Initiativen behilflich zu sein, entsprechende dialogische Elemente einzusetzen. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 35
  • 36. SYMBOLISM IN MUNICH von Augusto BOAL, ĂĽbersetzt von Fritz Letsch Der Artikel ist in etwa der AbschluĂź des Buches quot;Legislative Theaterquot; im Routledge Verlag London / New York 1999 die englische Ăśbersetzung und Erweiterung der quot;Beta-Versionquot; quot;Teatro Legislativoquot;, CIVILIZACAO BRASILEIRA; Rio de Janeiro 1996 Die Paulo-Freire-Gesellschaft, nach dem groĂźen brasilianischen Pädagogen benannt, lud mich ein, einige Beispiele des Legislativen Theaters in der Stadt MĂĽnchen vorzustellen. Ich erklärte, daĂź es in Rio ganze vier Jahre gebraucht hatte, 13 neue Gesetze zu entwickeln, und daĂź wir in nur vier Tagen höchstens eine blasse und symbolische Vorstellung davon bringen können, was diese Theaterform in der Zukunft in der Stadt MĂĽnchen oder an anderen Orten bedeuten könnte. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 36
  • 37. Wir begannen unsere Arbeit und bereiteten in vier Tagen fĂĽnf kleine Szenen zu UnterdrĂĽckungs-Situationen vor, die fĂĽr die 35 Workshop-TeilnehmerInnen aufschluĂźreich waren und sie, zumindest indirekt, selbst angingen. Wenn der Hochzeiter seine Frau ausgesucht hat, wird sie von der Agentur importiert, die ihr die Hochzeit und ein wunderbares, prinzessinenhaftes europäisches Leben verspricht. NatĂĽrlich sind diese jungen Frauen sehr arm und voller Hoffnung, auch sehr naiv. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 37
  • 38. Wenn sie das Land erreichen ist das Versprechen der Agentur erfĂĽllt: Sie heiraten. Einmal verheiratet, benimmt sich der Ehemann - in den meisten Fällen, nicht immer! - als hätte er eine Sklavin gekauft, und behandelt sie entsprechend in der KĂĽche und auch im Bett. Meistens sprechen diese Frauen kein Wort Deutsch und haben Schwierigkeiten, diese Sprache zu lernen. Sie haben keine FreundInnen und manchmal ist es ihnen verboten, ohne ihren Mann auszugehen. Diese Ehemänner haben strikte Kontrolle ĂĽber sie. Meister und Sklavin. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 38
  • 39. Wenn sich die Frau entscheidet, ihren Mann zu verlassen - es ist nicht leicht, aber möglich - ist das einzige Problem, daĂź sie automatisch ihre deutsche StaatsbĂĽrgerschaft verliert und von der Polizei in ihr Land zurĂĽckgeschickt wird. Sie wird bestraft: nicht er! Während des Forum-Theaters, das wir innerhalb der Gruppe dazu machten, bildeten die Teilnehmenden ihre Meinung: Wenn ein Vergehen vorliegt - durch eine Heirat mit dem Vorteil, die deutsche Nationalität fĂĽr die Frau und eine Sklavin fĂĽr den Mann - sind beide fĂĽr das Vergehen verantwortlich, nicht alleine die Frau. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 39
  • 40. Der Vorschlag fĂĽr ein Gesetzesprojekt wurde klar: Die Frau sollte mit dem Verlust ihrer Nationalität bestraft werden, aber nicht mit der Ausweisung aus Deutschland: Viele dieser Frauen haben nicht nur wirtschaftliche Probleme, nach Hause zu kommen, sondern auch politische - in einigen Fällen kann die Ausweisung ihr Leben gefährden. Der Ehemann, angenommen, daĂź er ebenso verantwortlich war, die Heirat zu quot;fälschen / erschleichen ...quot; sollte mit einer kurzen Gefängniszeit bestraft werden, um ihn von weiteren Heiraten mit ausländischen Frauen zur AusnĂĽtzung ihrer Notlage abzuschrecken. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 40
  • 41. Andere kurze Szenen wurden zu Sozialer Sicherheit / Mindesteinkommen, schwul-lesbischer Ehe, der Nutzung öffentlichen Raumes fĂĽr private Aktivitäten etc. entwickelt. FĂĽr den fĂĽnften Tag hatte Fritz Letsch von der Paulo- Freire-Gesellschaft die Gelegenheit vorbereitet, die Forum-Theater-Szenen im Sitzungssaal des Rathauses zu zeigen und lud dazu viele PolitikerInnen, einschlieĂźlich den BĂĽrgermeistern, ein. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 41
  • 42. Der OB konnte nicht kommen, er hatte an diesem Tag 50. Geburtstag. „ Einige Leute kamen um 11 Uhr morgens ins Rathaus, als wir fĂĽr die Präsentation um 13.30 Uhr probten. „ Darunter war eine alte Dame mit ganz weissen Haaren und Stock. Sie war bei der öffentlichen Vorstellung der Methoden am ersten Workshop-Tag, an dem ich die Funktion des Legislativen Theater erklärte. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 42
  • 43. Die alte Dame ... „ Ich erinnere mich daran, weil während des Gesprächs nach meinen AusfĂĽhrungen eine andere Frau sagte, daĂź dieser ProzeĂź wohl in Brasilien gut funktionierte, weil wir in Brasilien Brasilianer sind (womit sie wohl meinte, daĂź wir tanzen und singen, was nicht unbedingt auf alle von uns zutrifft ...) und daĂź wir extrovertierte Leute sind. „ Aber - so meinte sie - das geht nicht in einem Land wie Deutschland, wo die Leute mehr introvertiert, weniger nach auĂźen gehend sind. Sie dachte dabei nicht an's Oktoberfest! 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 43
  • 44. „ Ich antwortete, daĂź ich regelmäßig die gleiche Vorhersage hörte, als ich das Theater der UnterdrĂĽckten in Europa vorstellte - und doch: „ Heute wird das Theater der UnterdrĂĽckten in fast allen europäischen Ländern angewandt, und auch immer mehr. „ NatĂĽrlich mĂĽssen die Leute in jedem Land die Methoden auf ihre eigene Kultur, Sprache, WĂĽnsche und Notwendigkeiten ĂĽbertragen. „ TO ist keine Bibel, kein Rezeptbuch, es ist eine Methode zum Gebrauch durch die Menschen, und diese sind wichtiger als die Methoden. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 44
  • 45. „ Das gleiche kann mit dem Legislativen Theater geschehen: „ In jedem Land muĂź es seine eigene Anwendung auf die realen Situationen finden. „ Aber die Frau blieb in jener Nacht bei ihrer Meinung und die alte Dame mit den weissen Haaren und ihrem schönen Stock an ihrer Seite sagte nichts. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 45
  • 46. Als wir die Vorstellung im Rathaus begannen, erklärte ich, daĂź wir nur einen symbolischen AnlaĂź haben, wir hatten nicht den ganzen Vorgang des Legislativen Theaters durchlaufen, wir hatten nicht viele Vorstellungen vor verschiedenen Arten von Publikum, wir hatten keine quot;Sitzung auf den Strassenquot; ĂĽber die Probleme, die in den Szenen gezeigt wurden, wir hatten keine quot;interaktive Mailing-Listquot;, um Menschen zu befragen, die hilfreich sein könnten, ein Gesetz vorzubereiten und deren Fachwissen uns quot;erleuchtenquot; könnte. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 46
  • 47. Dagegen schrieben wir die Gesetzesprojekte selbst, was wirklich nicht der richtige Weg wäre. So konnte unsere Präsentation im Rathaus nur symbolischen Wert haben. - - Und natĂĽrlich den Lerneffekt des Workshops, das Hauptziel der Europäischen Fachtagung zur Theaterpädagogik und dem Legislativen Theater. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 47
  • 48. Nach meiner Einleitung spielten wir die Szenen, das Publikum entschied sich fĂĽr drei von ihnen, einschlieĂźlich der Sklavinnen-Szene, und wir arbeiteten mit Forum-Methoden daran. Viele Teilnehmende griffen ein, sogar die Mitarbeiterin des BĂĽrgermeisters. Die meisten Veränderungen in der Sklaven-Szene waren unseren eigenen ähnlich. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 48
  • 49. Zum AbschluĂź der Veranstaltung ĂĽberreichten wir unsere Gesetzesprojekte - jemand hatte wunderbare Buchstaben auf feines Papier geschrieben, um die Stadträte zu beeindrucken. Jutta Koller von den GrĂĽnen / BĂĽndnis 90 / Rosa Liste war sehr freundlich zu uns und meinte, daĂź sie den symbolischen Charakter des Anlasses verstĂĽnde, aber trotzdem wĂĽrde sie die Gesetzesvorschläge den grĂĽnen Stadträten zur BerĂĽcksichtigung vorschlagen. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 49
  • 50. „ Wir waren sehr glĂĽcklich. Auf ihrem Weg zum Ausgang kam die alte Dame mit dem Stock und den weissen Haaren zu mir: Sie war eine der Ersten, die kamen, und eine der Letzten, zu Gehen. „ Sie rief mich und meinte: „ Es ist sehr unterhaltsam, was sie gemacht haben. „ Ich stimme Ihnen zu und ich weiĂź, daĂź es nur eine symbolische Aktion ist. „ Aber es war sehr wichtig fĂĽr mich: Sie haben gezeigt, daĂź es möglich ist. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 50
  • 51. „ Und ich hätte mir nie träumen lassen, daĂź Leute, gewöhnliche Menschen, Leute wie wir, zusammen kommen könnten, Theater ĂĽber ihre Probleme zu machen, sie auf der BĂĽhne diskutieren, und sich dann hinsetzen, ein neues Gesetz zu schreiben ... „ Ich stimme mit Ihnen ĂĽberein: Wir mĂĽssen unsere WĂĽnsche Gesetz werden lassen! „ Ich muĂź sagen, daĂź ich glĂĽcklich war. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 51
  • 52. Von den Grundlagen des Theater der UnterdrĂĽckten ... sind hierzulande nur die ersten Methoden bekannt, wie sie auch im suhrkamp-BĂĽchlein beschrieben sind: Das STATUEN-THEATER das FORUM-THEATER das UNSICHTBARE THEATER (oft als “verstecktes Theater” wie damals “versteckte Kamera” eher gegen ein Publikum verwendet, als Bewusstsein fĂĽr die Situationen unserer tabuisierten Verhältnisse zu schaffen ...) 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 52
  • 53. FORUM-THEATER „ holt die Antwort fĂĽr eine Problematik aus dem Publikum: Es kann eine Szene, die von einer Gruppe mit schlechtem Ausgang vorgestellt wird, anders zu Ende zu spielen, indem jemand in die Rolle der UnterdrĂĽckten einsteigt. CTO-Mitarbeiter bei Bert Brecht in Berlin 2000 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 53
  • 54. Das UNSICHTBARE THEATER „ stammt aus der Zeit der Zensur: Was ist bei uns so verboten und tabu, daĂź wir es mit einer öffentlichen Szene erproben sollten, von der niemand erfährt, daĂź es Theater war? In der Aktionsforschung findet es heute adäquate Anwendung. „ ... bis zu psychologischen Methoden ... „ Die Arbeit am Tabu: fĂĽnf Finger „ Faustregel als Orientierung: Sexualität Ć’ Geld Ć’ Philosophie Ć’ Beziehungen Ć’ Anders sein Ć’ 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 54
  • 55. Der POLIZIST IM KOPF und der REGENBOGEN DER WĂśNSCHE „ sind hilfreiche Techniken, unsere Gedanken zu ordnen und den Blick auf die Wirklichkeit mit den Augen der Anderen zu ĂĽben. „ ... und zur politischen Umsetzung reicht die Palette der Anwendungen auch hierzulande: Vor allem in der politischen Bildung, aber auch in der Aus- und Fortbildung bei SozialpädagogInnen sind die Methoden an vielen Hochschulen bereits Standard, wogegen die direkte Anwendung in politischen Aktionsgruppen mangels konzentrierter längerer Entwicklungsarbeit zurĂĽckgegangen ist. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 55
  • 56. Wie geht's weiter? „ In diesen 25 Jahren, in denen sich das Theater der UnterdrĂĽckten in der Welt verbreitete, wurde es in allen seinen Dimensionen genutzt: Pädagogisch, Sozial und Therapeutisch. Aber ohne jeden Zweifel wurde 1993 -96 in Brasilien am klarsten seine politischer Kontext mit dem Legislativen Theater entwickelt. „ Neue Bedeutung könnte den bewuĂźtseinsbildenden Faktoren zukommen, wenn Grundlagen fĂĽr längerfristig arbeitende Theatergruppen auch auf beruflicher Ebene geschaffen werden könnten, die Auftragsarbeiten wie Aids-, Gewalt- und Suchtprävention, Konfliktbearbeitung und BĂĽrgerbeteiligung professionell ĂĽbernehmen. „ Bislang sind die innovationsbereiten Einrichtungen meist nicht mit den Finanzen gesegnet ... und umgekehrt. 20/06/06 Fritz Letsch: Legislatives Theater beim CTO Rio 56
  • 57. Literatur: reichhaltige Materialien auf http://fritz-letsch.de Augusto Boal: Games for Actors and Non-Actors, Legislative Theater ... „ Daniel Feldhendler: Psychodrama und Theater der UnterdrĂĽckten, erweitert, ffm 92 und: Das „ Leben in Szene setzen! Ansätze fĂĽr eine fremdsprachliche Dramaturgie, in: Die Neueren Sprachen, Bd. 90 Heft 2,April 1991 Diesterweg ffm und: Einsatz von Dramaturgischen und Psychodramatischen Lehr- und Lernformen in der Fremdsprachenausbildung, in: Praktische Handreichungen fĂĽr den Fremdsprachenlehrer, Hg: Jung, Udo O.H. Videofilm: quot;Theater, wie im richtigen Leben!quot; interkulturelles schul - theaterprojekt quot;miteinander „ reden lernenquot;, Verleih und Bezug ĂĽber das Inkomm, INKOMM Projektzentrum interkulturelle Kommunikation, Rupprechtstr. 25-27, 80636 MĂĽnchen,tel. 089-121643-06,fax 089-121643-07 Euro20.- fĂĽr Einrichtungen (mit AuffĂĽhrungsrecht) und Euro12,50- fĂĽr Privat. Fritz Letsch, Theater macht Politik, Die Methoden des Teotro Oprimido in der „ Jugendbildungsarbeit, Werkstattbuch in der Reihe quot;Gautinger Protokollequot;, www.institutgauting.de erhältlich im Institut fĂĽr Jugendarbeit des Bayrischen Jugendrings, Germeringerstr. 30, 82131 Gauting fĂĽr ca. Euro 8.- + Porto & Verpackung Helmut Wiegand (Hg): Theater im Dialog: heiter, aufmĂĽpfig und demokratisch: Deutsche und „ europäische Anwendungen des Theaters der UnterdrĂĽckten. Mit einem Beitrag von Augusto Boal. als Buch bei mir oder im ibidem-Verlag Legislatives Theater beim CTO Rio Fritz Letsch: zu haben: http://www.theaterderunterdrueckten.de 20/06/06 57