Krisenkommunikation oder Krisen-PR (von engl. Public Relations) bezeichnet die Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen, Behörden und anderen Organisationen im Kontext von Krisen-Situationen.
Autorin: Carmellina Castellino, Eidg. dipl. PR-Beraterin,
Geschäftsführerin visoparents schweiz
Partnerin sharcom R. Furrer Kommunikation
1. Kommunikation in der Krise
«Krisenkommunikation ist wie ein Zahnarztbesuch: Sie
ist stressig, kann schmerzvoll sein und ist naturgemäss
unangenehm für die Betroffenen.»
Prof. Dr. Christian Hoffmann am Krisenkommunikationsgipfel 2013
an der Universität St. Gallen
2. Was ist überhaupt eine Krise?
Definition gemäss Wikipedia: «Schwierige Situation, die den Höhe- und
Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt“.
Dass es sich hierbei um einen Wendepunkt handelt, kann jedoch oft erst
konstatiert werden, nachdem die Krise abgewendet oder beendet wurde.
Nimmt die Entwicklung einen dauerhaft negativen Verlauf, so spricht man
von einer Katastrophe.
Eine Krise kann sich auf eine Person oder auf eine Organisation
beziehen.
Jede Person/Organisation muss für sich selbst definieren, was überhaupt
eine Krise ist bzw. sein kann.
3. Was versteht man unter Krisenkommunikation?
Krisenkommunikation oder Krisen-PR (von engl. Public Relations)
bezeichnet die Öffentlichkeitsarbeit von Unternehmen, Behörden und
anderen Organisationen im Kontext von Krisen-Situationen.
Krisenkommunikation sollte konzeptionell angegangen werden, sprich, eine
Organisation sollte sich – nicht in Krisenzeiten – Gedanken zur
Kommunikation in der Krise machen und ein Konzept erstellen.
Krisenkommunikation wird heute immer professioneller angegangen. Es ist
ein bedeutendes Fach in der Aus- und Weiterbildung von
Kommunikationsprofis.
Es gibt auch einen Verband für Krisenkommunikation, der sich einen
Verhaltenskodex gegeben hat: www.verbandkrisenkommunikation.ch/kodex
4. Leitfaden Krisenkommunikation - Grundsätze
Gefahr von Krisen durch geeignete Präventionsmassnahmen eindämmen.
Restrisiken bestehen immer.
Krise ist mit Kommunikation allein nicht zu beheben. Ursachen müssen
konsequent analysiert und behoben werden.
Betroffene und Beteiligte eines Krisenereignisses müssen geschützt werden.
Immer intern vor extern kommunizieren.
Medien sind in der Krise potenzielle Alliierte, keine Feinde. Sie sollten also aktiv
einbezogen werden.
Es geht in der Krisenkommunikation nicht darum, wer Recht hat, sondern was
als Wirklichkeit wahrgenommen wird.
Jede Krise ist eine Vertrauenskrise. Vertrauen muss vorher im Alltag aufgebaut
werden.
5. Do’s und Dont’s in der Krise (1 - Do)
Schutz der Betroffenen und Beteiligten.
Intern vor extern informieren, oder mindestens gleichzeitig.
Krisenkommunikation ist Chefsache.
Nur Fakten kommunizieren, die klar und gesichert sind.
Diese können sich im Zeitverlauf ändern.
Aktiv kommunizieren.
Offen, transparent und wahrhaftig kommunizieren.
Schnell kommunizieren, auch wenn Informationen unvollständig sind.
Einheitlich kommunizieren (one voice-Prinzip)
Kontinuierliche Kommunikation mit abnehmender Kadenz
(Verweis auf nächste Information).
Bedauern äussern, Betroffenheit zeigen, allenfalls kondolieren
(echte Gefühle zeigen ist erlaubt).
Alle Medien erhalten die gleiche Information.
6. Do’s und Dont’s in der Krise (2 – Dont)
Verdrängen: schön reden, bagatellisieren, verleugnen, flüchten
Tabuisieren: Auf Zeit setzen, auf Tauchstation gehen, warten
Kontrollieren: Alles-im-Griff-Mentalität, Machbarkeitswahn
Resignieren: Aufgeben, Nichts tun (dann hat man verloren)
Destabilisieren: Hilflosigkeit, Angst Panik
Spekulationen vermeiden und keine Stellung zu Gerüchten nehmen.
Regel: Aussage, dass man dazu nichts sagen kann und zuerst abklärt.
Keine Fakten unterschlagen, auch wenn diese unangenehm sind.
7. One voice-Prinzip
Das One voice-Prinzip wird sichergestellt, indem bei einem Krisenereignis
ein so genannter Krisenstab eingesetzt wird. Deren Zusammensetzung
sollte im Krisenkommunikationskonzept definiert werden.
Mögliche Mitglieder des Krisenstabs: Geschäftsleiter/in, Abteilungsleiter/in,
Kommunikationsverantwortliche/r
Innerhalb des Krisenstabs wird bestimmt, wer gegenüber Medien Auskunft
gibt.
Niemand ausserhalb des Krisenstabs kommuniziert mit der Öffentlichkeit.
8. Ziele, Zielgruppen, Strategie definieren
Ziele
Fakten berücksichtigen.
Legitime Interessen der Organisation berücksichtigen.
Folgeschäden vermeiden oder minimieren.
Eigene Sicht der Dinge aktiv einbringen und durchsetzen.
Alle Beteiligten müssen sich über die Definition der Krise einig sein.
Zielgruppen
Interne und externe Zielgruppen im Konzept definieren, in der akuten Krise
jedoch nochmals anpassen (nicht alle generellen Zielgruppen sind von jeder
Krise gleich betroffen).
Strategie
Strategie: So persönlich und direkt wie möglich.
Achtung: Besondere Herausforderung durch soziale Medien.
9. Mögliche Krisen-Szenarien (Kinderorganisation)
Tödliches Unglück oder Unfall mit schweren Verletzungen
Sexueller oder gewalttätiger Übergriff auf ein Kind
Anschlag oder Attentat, Bomben- oder sonstige Bedrohung
Untertauchen oder Entführung eines Kindes
Politisch motivierte Demonstration oder Auftritt von Störgruppen
Grösseres Feuer, welches Menschen bedroht
Gewalttätiger Konflikt zwischen Kindern
Diebstahl oder Vandalismus
«Shitstorm» (soziale Medien, Sturm der Entrüstung)
Wichtig:
Betroffene schützen. Krisenverlauf beobachten. Ruhig bleiben.
Kritische Medienberichte sind noch keine Krise!
10. Mögliche Instrumente in der Krise (Medien)
Instrumente
Standby-Statement (Kurzaussage)
Vorbereitete Stellungnahme (Längere Hintergrundinformation)
Medienkonferenz
Interviews
Beiträge in den sozialen Medien
Gegendarstellung (nur im Notfall)
Inhalte
Sachverhalt, Interpretation, Massnahmen/Auswirkungen
Wer? Wann? Wo? Was? Wie? Warum? Was tun wir?
Wichtig
Informationen müssen eindeutig, überprüfbar und plausibel sein.
11. Informationsqualität
Informationsdichte erhöhen (knappe Fakten mehr und mehr präzisieren)
Visualisierung ermöglichen (Medien brauchen Bilder, Augenschein)
Erklärungen geben (Experten sprechen lassen)
Massnahmen erläutern (Öffentlichkeit an Lösungen teilhaben lassen)
Auch positive Nachrichten einfliessen lassen (aber nicht zu dick
auftragen)
Geschwindigkeit der sozialen Medien berücksichtigen.
12. Was tun bei Gerüchten und Spekulationen?
Falls man widerlegen möchte, nur durch kompetente, glaubwürdige
Person/Gruppe mit entsprechender Autorität.
Fakten müssen hieb- und stichfest sein.
Gerücht logisch und sachlich widerlegen.
Sich vergewissern, dass Gerücht durch Widerlegung entkräftet und nicht
zusätzlich geschürt wird.
Manchmal ist aushalten besser als handeln.
Nicht versuchen, das Gerücht mit zu wenig stichhaltigen Fakten zu
entkräften, es wird nur schlimmer.
Nicht übertreiben, das wirkt verdächtig.
Nie Aufmerksamkeit erregende Formulierungen oder inhaltliche Elemente
übernehmen.
Nichts ins Lächerliche ziehen oder verniedlichen, nur sachlich widerlegen.
13. Möglicher Ablauf (Beispiel Feuer)
Schutz der Betroffenen/Beteiligten
Kontakt mit Polizei, Feuerwehr etc.
Sofortiger Informationsstopp
Information vor Ort einholen
Kontakt mit Experten aufnehmen
Sofortige Sitzung des Krisenstabs
Informationsaustausch, Beschlüsse fassen
Medienkonferenz ankündigen, organisieren
Referenten bestimmen
Texte für Kommunikation verfassen
Interne Kommunikation
Medienkonferenz – nach Abschluss nächste Information ankündigen
Webseite / soziale Medien nutzen
14. Monitoring und Debriefing
Die Medienberichterstattung, die Diskussionen in den sozialen Medien
sowie weitere Reaktionen auf die Krise müssen beobachtet und
dokumentiert werden.
Nach jedem Ereignis muss die Bewältigung der Krise und deren
Kommunikation kritisch analysiert werden (mit allen Beteiligten).
Das Ergebnis muss mit Verbesserungsideen für künftige Ereignisse
festgehalten werden.
Fehler machen ist erlaubt, aber man sollte daraus lernen.