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CHEMISCHE NANOTECHNOLOGIE FÜR NEUE WERKSTOFFE
Experiment 1
CASSIUSscher Goldpurpur
Einführung
Die in einer „echten“ Lösung gelösten Ionen oder Moleküle haben Teilchengrößen in
der Größenordnung von etwa 1 nm. Mit Papierfiltern kann man Teilchen bis herab zu
etwa 1.000 nm niederschlagen. Teilchen, deren Größen zwischen diesen Größenord-
nungen liegen, können durch Zentrifugation vom Lösungsmittel abgetrennt werden.
Solche Lösungen nennt man kolloidale Lösungen. Abgeleitet ist der Begriff vom grie-
chischen Wort für Leim: „kolla“.
Bei kolloidalen Teilchen wird eine Zusammenballung oder Koagulation verhindert,
weil an ihrer Oberfläche Lösungsmittelmoleküle (solvatokratische Kolloide) oder
elektrische Ladungen (elektrokratische Kolloide) angelagert sind, die eine gegensei-
tige Abstoßung hervorrufen. Eine solche geladene Oberflächenschicht bezeichnet
man nach dem Physiker OTTO STERN (1888 – 1969) als Sternschicht. Die kolloidiale
Lösung wird auch Sol genannt.
Eine Ausflockung der so geschützten Teilchen kann man beispielsweise durch Zuga-
be von Ionen entgegengesetzter Ladung erreichen, mit denen die abstoßende Wir-
kung aufgehoben wird.
Im Versuch wird eine Tetrachloraurat(III)-Lösung zu elementaren Goldteilchen redu-
ziert und die Koagulation der Goldteilchen wird in Anwesenheit von Zinnchlorid-
Lösung verhindert. Der sich bildende CASSIUSsche Goldpurpur hat eine deutlich vio-
lette Färbung. Dem Hamburger Apotheker ANDREAS CASSIUS (1604/05 – 1673) gelang
damit 1668 der Nachweis auch kleiner Spuren von Gold. Daneben findet der Gold-
purpur Verwendung als rotes Pigment in der Glas- und Porzellanmalerei.
Chemikalien
Lösung Au: H[AuCl4] x 6 H2O gelöst in destilliertem Wasser
(0,1 Gew. % bzw. 100mg / 100ml)
Zinnchlorid (SnCl2)
Destilliertes Wasser
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Materialien
2 Rollrandgläser 50 ml
1 Kunststoffpipette für Lösung Au
1 Kunststoffpipette für Lösung Sn
1 Kunststoffspatel
1 Messzylinder
ggf. Laserpointer
Durchführung
1) 1 ml (ca. 30 Tropfen) der Lösung Au in 10 ml destilliertes Wasser geben
2) Herstellen einer Zinnchlorid-Lösung (Lösung Sn):
1 kleine Spatelspitze (schmale Seite des beigefügten Kunststoff-
Spatels) in
20 ml destilliertes Wasser geben, verschließen und schütteln.
3) Tropfenweise Lösung Sn zur Lösung Au zugeben bis Farbänderung sicht-
bar wird.
Es bildet sich das violettes Kolloid von elementarem Gold, der sog. CAS-
SIUS-sche Goldpurpur.
Zum Vergleich den Versuch mit 1 ml Lösung Au auf 30 oder 50 ml destil-
liertem Wasser wiederholen (Farbeindruck, Zeit bis zur Bildung eines
Niederschlags).
Je nach Konzentrationsverhältnissen tritt mehr oder weniger schnell
Koagulation eines Niederschlages ein.
Der CASSIUSsche Goldpurpur wird seitlich mit einem Laserpointer o. ä.
durchleuchtet. Man beobachtet den Verlauf des Laserstrahls in dem Sol.
Was geschieht, wenn man den Versuch mit gewöhnlichem Leitungs-
wasser durchführt, statt mit destilliertem?
Reaktionsgleichung
-
3 Sn2+ + 2 [AuCl4] + 6 H2O → 2 Au ↓ ↓ + 12 H
+ 3 SnO2 + -
+ 8 Cl
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Hintergrund
Die im Experiment verwendete, stark verdünnte Tetrachloraurat(III)-Lösung kann
auch durch Auflösen von elementarem Gold in HNO3/HCI gewonnen werden. Durch
die Zugabe von SnCl2 wird das gelöste Au(III) zu Au(0) reduziert und Sn(II) wird zu
Sn(IV) oxidiert.
Die Größe der entstehenden Goldteilchen wird durch die (sehr große) Keimbildungs-
geschwindigket und die (extrem kleine) Kristallwachstumsgeschwindigkeit in der
stark verdünnten Lösung bedingt. Ein Lösen oder Peptisieren, wie man in der Kolloid-
chemie sagt, aus einer extrem konzentrierten Lösung führt ebenfalls zum gewünsch-
ten Ergebnis.
Sn2+ Sn2+
2+ Sn2+
Sn
Cl -
Cl Cl -
Cl
Co-Ionen Au
Cl -
Cl Cl -
Cl Sn2+
Au Au Au
Cl - Au
Cl
Cl -
Cl
Sternschicht Au Au Au
Au Au Sn2+
Au Sn2+
Sn2+ Cl - Au
Cl Cl -
Cl
Au
Cl -
Cl Au
Cl -
Cl
Sn2+ Sn2+
Sn2+ Cl -
Cl Cl -
Cl
Gegen-Ionen
Sn2+
Abbildung: Vereinfachte Darstellung eines negativen Kolloids.
Um die Goldpartikel lagern sich zunächst die in der Lösung befindlichen AuCl22- und
sorgen somit für eine negative Ladung der Sternschicht. Ionen, die die Sternschicht
verlassen, heißen Co-Ionen. Der Ladungsausgleich wird durch die Anlagerung der
entgegengesetzt geladenen Gegen-Ionen erreicht. Im Fall des CASSIUSschen Gold-
purpurs sind dies die gelösten Sn2+-Ionen. Die Gegen-Ionen haben keinen konstanten
Abstand von der geladenen Oberfläche, sondern bilden eine diffuse Ionendoppel-
schicht.
Das Sn(IV) hydrolysiert zu ebenfalls kolloidem Zinndioxidhydrat SnO2 x H2O und um-
hüllt das feinverteilte Gold. Eine Flockung der Goldteilchen wird dadurch verhindert.
Bei optimalen Bedingungen ist die kolloidale Lösung in verschlossenen Gefäßen über
Jahre hinweg beständig.
Beim Durchleuchten des Goldpurpurs beobachtet man eine Streuung des Licht-
strahls, den sog. Tyndall-Effekt. Der Tyndall-Effekt ist nach John Tyndall benannt,
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der diesen Effekt erstmals 1898 untersuchte. Die Streuung wird von Teilchen her-
vorgerufen, die in der Größenordnung der Lichtwellenlängen liegen, also kleiner als
ca. 1000 nm sind. Systeme, die den Tyndall-Effekt zeigen, nennt man Kolloide, die
Teilchen in einem solchen System kolloidale Teilchen.
Die entstandenen Goldpartikel haben einen Durchmesser von etwa 12 – 18 nm. Die
Farbe ensteht durch eine sogenannte Oberflächenplasmonenresonanz. Dabei kommt
es zu einer kollektiven Schwingung der Elektronen gegenüber den Ionenrümpfen des
Goldpartikels. Die Schwingung wird durch Licht der Wellenlänge von etwa 520 nm
angeregt. Die Absorption dieser Wellenlänge aus dem eingestrahlten (weißen) Licht
führt zu einer Färbung der Probe in der Komplementärfarbe: Purpur-Rot.
Abbildung: Goldpurpur in unterschiedlichen Konzentrationsverhältnissen.
Anmerkung
Andere Rezepte
Man kann diesen Versuch auch unter Verwendung von Citrat oder Tannin durchfüh-
ren und erhält dadurch eine wesentlich intensivere Färbung. Jedoch ist dann auch
ein Erhitzen der Lösung erforderlich.
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Leitungswasser
Verwendet man statt destilliertem Wasser Leitungswasser, so tritt zwar ebenso eine
Färbung ein, jedoch in einem schmutzigen braun. In diesem Falle sorgen die Ionen im
Leitungswassser für eine Störung. Das Wachstum der Goldpartikel wird nicht recht-
zeitig gebremst, die Verteilung der Partikelgrößen ist nicht mehr homogen, weshalb
sich im Ergebnis eine Mischfarbe zeigt.
Abbildung: Durchführung des Experimentes mit gewöhnlichem Leitungswasser.
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Abbildung: Transmissionselektronenmikroskopische Aufnahmen kolloidaler Goldpar-
tikel. Links: Die Partikel aus dem Experiment nach der Koagulation. Rechts: Aufnah-
me eines kommerziell erhältlichen (stabilisierten) Goldkolloids.
Abbildung: Mittelalterliche Kirchen-
fenster in der Kathedrale von Metz
(Frankreich). Die kräftigen Rot- und
Blautöne der Goldrubingläser wer-
den durch Gold-Kolloide im Glas
hervorgerufen.
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Hinweis zur Sicherheit
Zinnchlorid ist eingestuft als gesundheitsschädlich. Die im Versuch
benötigte Zinnchlorid-Lösung kann jedoch schon vorher vom sach-
kundigen Lehrer angesetzt werden, so dass im Experiment nur die
Lösung Sn mit einer Konzentration von etwa 0,5% zum Einsatz
kommt. Gemäß Richtlinie 1999/45/EG, Anhang V, Teil B, Punkt 9 ist
für eine derartige Verdünnung nur der Hinweis "Kann allergische Reaktionen hervor-
rufen" erforderlich.
Die Lösung Sn bleibt etwa 7 – 10 Tage stabil und kann in diesem Zeitraum verwen-
det werden.
Anknüpfungspunkte im Unterricht
Physik
Echte Lösungen, Kolloide und Suspensionen
Lichtstreuung und Partikelgrößen
Chemie
Redoxreaktion
Keimbildung und Partikelwachstum
Zusatzmaterialien
Sicherheitsdatenblätter / Entsorgungshinweise
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