Abmahnung - Änderungen durch das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs
1. Abmahnung - Änderungen durch das
Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs
Rechtsanwalt Marcus Beckmann
IHK Ostwestfalen zu Bielefeld, 20.11.2020
BECKMANN UND NORDA – RECHTSANWÄLTE
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4. Unklare und unzweckmäßige gesetzliche Regelungen
Handwerkliche Fehler bei der Formulierung von Vorschriften
Häufige Gesetzesänderungen
Zahlreiche und immer wieder neue Informationspflichten
Uneinheitliche Rechtsprechung („Zwei Juristen = Drei
Meinungen“)
6. Aber:
Abmahnung notwendig zur Geltendmachung von
Unterlassungsansprüchen
System der Überwachung der Einhaltung
verbraucherschützender und wettbewerbsrechtlicher
Vorgaben durch Mitbewerber
8. 10.09.2020: Bundestag beschließt Gesetz zur Stärkung des
fairen Wettbewerbs
08.10.2020: Bundesrat ruf Vermittlungsausschuss nicht an
Stand heute: Verkündung im Bundesgesetzblatt fehlt noch
Gesetz tritt am Tag nach Verkündung in Kraft
9. Ziele des Gesetzgebers
Eindämmung des Rechtsmissbrauchs durch
- Einschränkung Abmahnbefugnis („wer“ und „was“)
- Begrenzung finanzieller Anreize
- Erleichterung von Gegenansprüchen bei Rechtsmissbrauch
und unberechtigten Abmahnungen
- formelle Vorgaben für Abmahnungen
10. Gut gemeint ist nicht gut gemacht
Viel Kritik von Wettbewerbsrechtlern
Viele unbestimmte Rechtsbegriffe
Zahlreiche ungeklärte Rechtsfragen
Neuregelungen fügen sich nicht immer in Systematik ein
Neue Ungerechtigkeiten und Wertungswidersprüche
„Flickschusterei“
11. Dennoch wird Gesetz dazu führen, dass in gewissen
Bereichen mit weniger Abmahnungen zu rechnen ist
14. Abmahnbefugnis Mitbewerber (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG)
Mitbewerber, der Waren oder Dienstleistungen in nicht
unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder
nachfragt
Unbestimmte Rechtsbegriffe „nicht unerheblich“ und „nicht nur
gelegentlich“
Scheinmitbewerber sollen ausgeschlossen werden
15. Regelung betrifft generell alle Unterlassungsansprüche und
Beseitigungsansprüche nach § 8 Abs. 1 UWG
Problem: Neue Unternehmen können sich nicht gegen
Mitbewerber zur Wehr setzen (z.B. Behinderungswettbewerb)
Bislang wurden Kriterien im Rahmen der Frage nach dem
Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses bereits
berücksichtigt (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG)
16. Rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher
Interessen - Wirtschaftsverbände ( § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG)
Gerügter Wettbewerbsverstoß muss Interessen der Mitglieder berühren
Eintragung in vom Bundesamt für Justiz Liste der qualifizierten
Wirtschaftsverbände nach § 8b UWG erforderlich
Liste im Internet einsehbar
17. Voraussetzungen
Entsprechender Satzungszweck
Mindestens 75 Mitgliedsunternehmen
Eintragung in Vereinsregister und Tätigkeit seit mindestens einem Jahr
Ausreichende persönliche, sachliche und finanzielle Ausstattung
Keine Zuwendungen an Vereinsmitglieder
Keine Zuwendungen oder überhöhte Vergütung für Personen, die für den
Verein tätig sind
und
18. wenn Aufgrund bisheriger Tätigkeit gesichert erscheint, dass Ansprüche
nicht vorwiegend geltend gemacht werden, um Einnahmen aus
Abmahnungen oder Vertragsstrafen zu erzielen
Gesetzgeber will damit einigen unseriösen Abmahnvereinen das
Handwerk legen
19. Es kommt darauf an, wie BMJ prüft und ggf. wie streng Rechtsprechung
dies in Streit um Eintragung auslegt
Einige Verbände waren auch in Vergangenheit sehr „kreativ“, um
Abmahnbefugnis zu begründen
Sollten diese eingetragen werden, ist Regelung kontraproduktiv
21. Verbot der missbräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen
(§ 8c UWG )
Indizienkatalog der Rechtsprechung zum Vorliegen einer
rechtsmissbräuchlichen Abmahnung wird teilweise in Gesetzestext
übernommen
Rechtsmissbrauch „wird im Zweifel angenommen“
Es müssen nicht alle Indizien vorliegen
22. Der gesetzliche Indizienkatalog
vorwiegend Erzielung von Abmahnkosten oder Vertragsstrafen
Serienabmahnung von Verstößen gegen gleiche Vorschriften
wenn dies außer Verhältnis zur Geschäftstätigkeit des Abmahners steht
Unangemessener Streitwert
Offensichtlich überhöhte Vertragsstrafen
24. Wie bisher kommt es auf die Gesamtumstände an
Indizienkatalog nicht abschließend
Bislang von Rechtsprechung sehr unterschiedlich gehandhabt
Es bleibt abzuwarten, ob zurückhaltende Gerichte durch Indizienkatalog
eher Rechtsmissbrauch annehmen
25. § 8c Abs. 3 UWG
Wie bislang auch: Bei rechtsmissbräuchlicher Abmahnung hat
abgemahnter Anspruch auf Erstattung seiner erforderlichen Kosten
seiner Rechtsverteidigung
Weitergehende Ansprüche nicht ausgeschlossen
27. Der Grundsatz, dass Abmahner bei berechtigter Abmahnung
einen Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten hat, bleibt
28. Gesetzgeber möchte das Problem von Abmahnungen durch
Mitbewerber wegen Verstößen gegen Informationspflichten
im Internet entgegentreten
Mittel: Abschaffung finanzieller Anreize für Abmahnung
Kein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten bei
bestimmten Verstößen
Abmahner muss Kosten in den gesetzlich bestimmten Fällen
selbst tragen
29. § 13 Abs. 4 UWG – Kein Anspruch auf Erstattung
Abmahnkosten für Mitbewerber bei
Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten
im elektronischen Geschäftsverkehr oder Telemedien
30. „Verstöße gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten“
z.B. Klassiker wie
Impressum
OS-Plattform / Verbraucherschlichtung
Widerrufsbelehrung
Informationspflichten für Fernabsatzgeschäfte
31. Auch sonstige Informationspflichten
Nicht nur spezielle Informationspflichten für Online-Shops oder
Websites
z.B. auch
Preisangabenverordnung
Textilkennzeichnungsverordnung
Lebensmittelinformationsverordnung
Angaben zum Energieverbrauch
32. Aufgrund weiter Formulierung wohl auch Irreführung durch
Unterlassen über für den Vertragsschluss wesentliche
Informationen (z.B. Produkteigenschaften) nach § 5a Abs. 2 und 3
UWG von Gesetzeswortlaut umfasst
Sehr fraglich, ob dies vom Gesetzgeber so gewollt ist
33. Nicht unter § 13 Abs. 4 UWG fallen
Warnhinweise
Pflicht zur Kennzeichnung geschäftlicher Handlungen als solche
34. Ausnahmeregelung sehr weit formuliert
Kritiker haben Befürchtungen, dass derartige Verstöße
zukünftig nicht mehr verfolgt werden
Abkehr vom bisherigen System der Ahnung von
Wettbewerbsverstößen durch Mitbewerber
Aber Unterlassungsanspruch besteht ja
Abmahnvereine haben weiterhin Anspruch auf
Kostenpauschale
35. Durch Beschränkung auf elektronischen Geschäftsverkehr
und Telemedien:
Ungleichbehandlung von Online- und Offline-Unternehmen
Problem hinsichtlich Kostenerstattung bei gleichzeitiger
Abmahnung von Rechtsverstoß z.B. in Webshop und
Printkatalog
Auswirkungen auf Streitwert ungeklärt
36. § 13 Abs. 4 UWG – Kein Anspruch auf Erstattung
Abmahnkosten bei
Verstößen gegen Vorgaben der DSGVO und BDSG
durch Unternehmen und gewerblich tätige Vereine die in der
Regel weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen
37. Grundsätzlich ist noch nicht abschließend geklärt, ob und
welche Verstöße gegen DGSVO und BDSG abgemahnt
werden können
Verfahren bei EuGH anhängig
Gesetz geht aber inzident davon aus, dass grundsätzlich ein
abmahnfähiger Verstoß vorliegt
38. Abmahner kann nicht immer erkennen oder ermitteln über
wie viele Mitarbeiter Abgemahnter in der Regel verfügt
Kostenrisiko für Abmahner hinsichtlich eigener Kosten
39. Werden entgegen § 13 Abs. 4 UWG Kosten geltend gemacht:
Abgemahnter kann Erstattung der notwendigen Kosten der
Rechtsverteidigung verlangen
Aber nur bis zur Höhe des verlangten
Aufwendungsersatzanspruchs des Abmahners
41. Auch bislang sollte Abmahnung den Abgemahnten in Lage
versetzen rechtlichen Vorwurf zu prüfen
Nun genauer gesetzlich geregelt
42. § 13 Abs. 2 UWG
Klare und verständliche Angabe von
Name oder Firma des Abmahnenden sowie der „Vertreter“
(gemeint sind die beauftragten Rechtsanwälte)
Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung nach § 8 Absatz 3 UWG
(Einzelheiten unklar und kann recht umfassende Nachweise bereits im
Stadium der Abmahnung erforderlich machen)
43. ob und in welcher Höhe Aufwendungsersatzanspruch geltend
gemacht wird nebst Berechnungsgrundlage
Rechtsverletzung unter Angabe der tatsächlichen Umstände
in den Fällen von § 13 Abs. 4 UWG Hinweis, dass Anspruch auf
Aufwendungsersatz ausgeschlossen ist
Problem: Auswirkung und Formulierung, wenn nur teilweise
Aufwendungsersatz ausgeschlossen bzw. wenn unklar ob
Aufwendungsersatz ausgeschlossen ist.
44. Folgen bei Verstoß (§ 13 Abs. 5 UWG)
Abmahner kann keine Abmahnkosten verlangen
Abgemahnter kann Erstattung der notwendigen Kosten der
Rechtsverteidigung verlangen
Aber nur bis zur Höhe des Aufwendungsersatzanspruchs des
Abmahners
Unterlassungsanspruch geht nicht verloren
45. Abmahner sollte genau auf Umsetzung achten
Ansatzpunkt für Verteidigung gegen Abmahnung
47. Bislang kein Kostenerstattungsanspruch bei unberechtigter
wettbewerbsrechtlicher Abmahnung
Nur bei unberechtigter Schutzrechtsverwarnung (z.B.
behauptete Markenrechtsverletzung)
48. § 13 Abs. 5 UWG
Neu: Eigenständiger Anspruch des zu Unrecht Abgemahnten
Abgemahnter kann Erstattung der notwendigen Kosten der
Rechtsverteidigung verlangen
Aber nur bis zur Höhe des Aufwendungsersatzanspruchs des
Abmahners
50. § 13a enthält Regelungen zur Vertragsstrafe
Nach wir vor gilt vom Grundsatz her
Bei berechtigter Abmahnung Anspruch auf
Unterlassungserklärung, die mit ausreichender Vertragsstrafe
versehen ist
Feste Vertragsstrafe oder
angemessene Vertragsstrafe (neuer Hamburger Brauch)
51. § 13a Abs. 1 UWG Angemessenheit der Vertragsstrafe
Bislang keine explizite Regelung
Regelung zur Feststellung der Angemessenheit der
Vertragsstrafe entspricht der bisherigen Rechtsprechung
52. Es sind zu berücksichtigen
Art, Ausmaß und Folgen der Zuwiderhandlung
Schuldhaftigkeit der Zuwiderhandlung und bei schuldhafter
Zuwiderhandlung die Schwere des Verschuldens
Größe, Marktstärke und Wettbewerbsfähigkeit des Abgemahnten
wirtschaftliches Interesse des Abgemahnten an erfolgten und
zukünftigen Verstößen
53. § 13a Abs. 3 UWG
Vertragsstrafen dürfen Höhe von 1.000 Euro nicht
überschreiten, wenn die Zuwiderhandlung nach Art, Ausmaß
und Folgen die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern
und sonstigen Marktteilnehmern in nur unerheblichem Maße
beeinträchtigt
und
wenn der Abgemahnte in der Regel weniger als 100
Mitarbeiter beschäftigt
54. § 13a Abs. 2 UWG
Ausnahme vom Vertragsstrafeversprechen
Mitbewerber darf kein Vertragsstrafeversprechen verlangen
bei (alle Voraussetzungen müssen vorliegen):
- erstmalige Abmahnung
- Verstöße nach § 13 Abs. 4 UWG (Informationspflichten und
Datenschutzverstöße)
- Abgemahnter beschäftigt in der Regel weniger als 100
Mitarbeiter
Abmahnvereine dürfen weiterhin Vertragsstrafe verlangen
55. § 13a Abs. 4 UWG - Anpassung Vertragsstrafe
Wird zu hohe Vertragsstrafe in Unterlassungserklärung
versprochen, so muss Unterlassungsschuldner bei Verstoß
nur angemessene Vertragsstrafe zahlen
Bislang nach § 348 HGB für Kaufleute keine Anpassung
hinsichtlich der Höhe der Vertragsstrafe nach § 343 BGB
möglich
56. Auffangstreitwert 1.000,00 EURO (§ 51 Abs. 3 Satz 3
GKG)
für Verstöße die angesichts ihrer Art, ihrer Schwere, ihres
Ausmaßes und ihrer Folgen die Interessen von Verbrauchern,
sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern in nur
unerheblichem Maße beeinträchtigen
58. Bislang:
Abmahner kann bei Wettbewerbsverstößen im Internet
regelmäßig Gericht aussuchen
forum shopping – Auswahl des Gerichts welches gewünschte
Rechtsansicht vertritt
59. § 14 Abs. 2 UWG
Fliegender Gerichtsstand gilt nicht für
- Rechtsstreitigkeiten wegen Zuwiderhandlungen im
elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien
- Rechtsstreitigkeiten die von Abmahnvereinen und
Verbraucherschutzverbänden geführt werden
60. Folge in diesen Fällen:
Örtlich Zuständig ist das Gericht, in welchem der Beklagte
seinen Sitz hat
Fehlt ein allgemeiner Gerichtsstand im Inland bleibt es beim
fliegenden Gerichtsstand
61. je nach Sitz des Unternehmens ist ein Verhalten als
wettbewerbswidrig verfolgbar oder nicht
Unternehmen kann seinen Sitz danach auswählen
aus forum-shopping wird Unternehmenssitzshopping
Uneinheitlichkeit der Rechtsprechung in materieller und
prozessualer Sicht bleibt bestehen
Ungleichbehandlung Online- / Offline-Anbieter
62. Es bleibt abzuwarten, wie die neuen Vorschriften in der
Praxis ausgelegt und angewendet werden
63. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !
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